Policy Memo 01/12. Zukunftsfähige Stadt NRW fünf Empfehlungen an die neue Landesregierung Nordrhein-Westfalens
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- Mona Huber
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1 Policy Memo 01/12 Zukunftsfähige Stadt NRW fünf Empfehlungen an die neue Landesregierung Nordrhein-Westfalens Die zukünftige Regierung NRWs muss mehr Fokus auf die Städte legen. 80 Prozent der Bevölkerung NRWs leben in Städten. Es gilt, integrierte Stadtentwicklung über Sektor-, Verwaltungs- und Disziplingrenzen voranzutreiben. Wirtschaft, Umwelt, Bauen, Verkehr, Arbeit und Soziales müssen zusammen gedacht werden. Nur so gelingt die offene, ökologische, soziale und prosperierende Stadt. Im Zentrum steht dabei das multifunktionale Stadtviertel, das Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit vereint. NRW braucht die Innovationskraft der Städte NRW ist das urbanisierteste Bundesland der Bundesrepublik. Es liegt zentral im wichtigsten Europäischen Wirtschaftsraum, verfügt über zahlreiche Industriestandorte und eine entsprechende Verkehrsdichte. Strukturwandel, enorme Verschuldung und Integrationsaufgaben setzen zahlreiche Städte NRWs unter Zugzwang. Die großen Aufgaben Bildung, Soziales, Integration, Klimawandel, Energiewende müssen meist auf kommunaler Ebene vor Ort gelöst werden. Es zahlt daher auf alle Politikfelder ein, die bestehenden Städte NRWs zukunftsfähig zu machen. NRW braucht eine integrierte Stadtentwicklung. Diese beschränkt sich nicht nur auf die baulich-räumliche Dimension: Sie bezieht ökonomische, soziale, bildungspolitische, kulturelle und ökologische Ziele gleichermaßen mit ein. Kooperationen vieler Akteure, die räumliche Bündelung von Maßnahmen und die Zusammenführung verschiedener Ebenen werden wichtiger. Leitbild integrierte Stadtentwicklung im Nahraum NRW sollte den Nahraum zum Herzstück der Entwicklung einer sozialen, offenen und nachhaltigen Stadt machen: multifunktionale Stadtviertel fördern, die Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit vereinen und von den Bürgern vor Ort mitgestaltet und mitgetragen werden. Dafür sprechen sechs Gründe: Eine stärkere Ausrichtung des Lebens am Stadtviertel reduziert Verkehrswege. Wer in seinem Nahraum lebt, arbeitet und sich auch dort erholt, ist weniger unterwegs. Die maximal Ein- bar. Untereinander sind sie durch einen dichten Ein funktionierendes Stadtviertel ist wirtschaftlich leistungsfähiger. Unternehmen und tiven und den wirtschaftlichen Leistungsträgern am Arbeitsmarkt, die durchmischte aber stabile Quartiere anziehen. Der demographische Wandel gebietet einen funktionierenden Nahraum, da sich der Mobilitätsradius der Bevölkerung verkleinern wird. Alte Menschen sind noch stärker auf eine funktionierende Nahversorgung Erholung, Einkaufen, Begegnung, Kultur angewiesen. Gleichzeitig ist der Nahraum kinderfreundlich. In Zeiten von Globalisierung und Digitalisierung wächst unter Städtern das Bedürfnis nach Verortung und Zugehörigkeit. Die Anonymität der Stadt kann zur Belastung werden. 1 Der Nahraum als Quelle von Heimat, Identität und Nachbarschaftlichkeit mit funktionierenden sozialen und wirtschaftlichen Netzwerken gewinnt an Bedeutung. Bürgerbeteiligung ist spätestens seit Stuttgart 21 das Mandat der Stunde und funktioniert Tobias Leipprand Mitglied des Vorstands Ellen Brouns Associate Oliver Seidel Associate
2 2 Policy Brief am besten lokal. Durch die Arbeit engagierter Bürger, Religionsgemeinschaften, ansässiger Firmen und Geschäfte sowie von Vereinen entsteht wertvolles Sozialkapital für das Viertel und damit die Stadt. Soziale Kluften entwickeln sich entlang von Stadtvierteln. Integrierte Nahraumentwicklung wirkt dem entgegen: Im durchmischten Viertel kommt es zu mehr sozialer Interaktion, was wiederum Voraussetzung für eine rege Bürgerbeteiligung ist. Fünf Empfehlungen für zukunftsfähige Städte in NRW Die folgenden fünf Empfehlungen an die zukünftige Regierung NRWs erfordern nicht höhere sondern fokussiertere und abgestimmtere Ausgaben Stadtentwicklung auf Landesebene koordinieren Auf Landesebene braucht es eine Kompetenzbündelung über einen Steuerungskreis, angesiedelt in der Staatskanzlei oder einem federführenden Ministerium. Stadtentwicklung muss Disziplin-, Sektor- und Verwaltungsgrenzen überwinden. Insbesondere die Ressorts Wirtschaft/Energie/Bauen/Verkehr, Umwelt sowie Arbeit/Soziales müssen besser zusammenarbeiten. Die Kompetenzbündelung sollte bereits in einem Koalitionsvertrag festgeschrieben werden. Eine Kompetenzaufteilung nach Umwelt/ Energie und Stadt/Bauen/Verkehr ist unbedingt zu vermeiden. 3 Die neue Regierung sollte zeitnah einen neuen und erweiterten Landesentwicklungsplan (LEP) aufstellen, der im Sinne einer integrierten Entwicklung die verschiedenen Politikfelder mit einschließt also eine Erweiterung gegenüber dem Modell von 1995 darstellt. Schnittstellen zu den Kommunale Förderprogramme des Landes sollten abgestimmt und wo möglich zusammengelegt werden. 4 Integrierte Planung ermöglicht koordinierte Entwicklung für ganze Metropolregionen. Zersiedlung und deren negative Umweltfolgen werden vermieden. Auch Grün- und Freiraumplanung ist im LEP integriert. 2. Nahraum und Nahversorgung fördern Der neue LEP fördert und genehmigt neues Bauland nur noch auf Brachen und nur dort, wo öffentlicher Nahverkehr das Viertel erschließt. Dies wirkt einer Zersiedlung entgegen. 5 Verkehrspolitik setzt Anreize für den Umstieg: durch Rückbau von Parkplätzen, Ausbau von Fuß- und Radwegenetz, Citymaut, Umweltzonen oder durch Freigabe von Busspuren und Parkplätzen für Elektroautos. 6 Der neue LEP achtet auf Geschichte und Einzigartigkeit einzelner Viertel. Diese werden unverwechselbar, bieten Heimat, was wiederum zu erhöhtem Engagement führt. Mit Zielen für Rückbau und Umnutzung wertet der LEP den Straßenraum auf, der so an Qualität gewinnt und zum Aufenthaltsraum wird. Städtisches Leben wandert so wieder vor die Fassade. Innenstädte werden familienfreundlicher. LEP und Landesprogramme fördern soziale Integration und durchmischte Quartiere: Auch in gut situierten Vierteln wird Wohnraum für sozial Schwächere geschaffen. 3. Industrie und Arbeitsplätze zurück in die Stadt holen Der LEP setzt das Ziel, zurück in die Stadt zu holen. Dazu gehören beispielsweise Cleantech- und Biotech-Firmen. Dies vermeidet Pendlerverkehr und gibt den Menschen mehr Freizeit. Wirtschaftsförderung des Landes begünstigt eine regionale Clusterbildung. Dabei werden bestehende Wirtschaftszweige vor allem im Hightech- und Kreativbereich durch eine Schließung der Wertschöpfungskette gestärkt.
3 3 Policy Brief 4. Zivilgesellschaft und Beteiligung stärken Der neue Landesentwicklungsplan sollte eine Steigerung der kommunalen Bürgerbeteiligung anstreben, insbesondere bei neuen Bau- und Stadtentwicklungsprojekten. Das Abgeben von Verantwortung an die Bürger vor Ort über Stadtteilparlamente oder Bürgerplattformen ist zu fördern. Landes- und Kommunalverwaltung organisieren und moderieren wirtschaftliche Entwicklung nicht in verschlossenen Räumen, sondern partizipativ und sektorübergreifend gemeinsam mit Experten, Öffentlichkeit und der Wirtschaft. Für Neubauten gelten moderne Energiestandards. Flexibilität der Nutzung wird sichergestellt, beispielsweise über Mindesthöhen der Räume, sodass eine Wohnung später als Arzt- kann. 5. Strukturwandel positiv gestalten Der LEP sollte Zwischennutzungen brachliegender Gebäude und Flächen durch Organisationen und Nutzergruppen im Stadtviertel ermöglichen und fördern. Freiraumplanung zielt nicht auf abgeschlossene Ergebnisse, sondern lässt Flexibilität für ständige Weiterentwicklung. Landesentwicklungsplan und Förderprogramme konzentrieren sich auf die Verdichtung der Innenstädte und setzen Prioritäten. Eine Gießkannenförderung ist bei insgesamt schrumpfender Bevölkerung NRWs fehl am Platz. 1 In einer Umfrage der Hamburger Sozialbehörde stuften 88 Prozent der befragten Hamburger den Begriff Heimat als wichtig oder sehr wichtig ein. 2 Angesichts der teils desaströsen Finanzlage der Städte NRWs (mehr als 180 Kommunen unter staatlicher Kuratel) und gleichzeitiger Sparzwänge auf Landesebene bleibt die Höhe von Gesamtförderung ein strittiger Punkt. 3 Ein eigenes Stadtbauministerium, wie derzeit diskutiert, ist aus diesen Gründen nicht unbedingt sinnvoll. Falls es doch eingerichtet werden sollte, müsste es auch die Federführung für den Steuerungskreis erhalten. Richtig ist in jedem Fall, dass Stadtplanung insgesamt gestärkt werden muss. 4 Beispielsweise Programme wie Aktive Stadt- und Ortsteilzentren, Soziale Stadt, Stadtumbau West und REGIONALEN. 5 Die Stadt London verfolgt seit Anfang der 2000er Jahre erfolgreich diese Politik. 6 Kleine Städte fokussieren sich vornehmlich auf den Ausbau von Fuß- und Radwegenetzen. Anders als in Großstädten birgt dies hier das größte Potenzial, um den Autoverkehr zu reduzieren, laut Forschung der TU Berlin.
4 4 Policy Brief Impressum Alle Rechte vorbehalten. Abdruck oder vergleichbare Verwendung von Arbeiten der stiftung neue verantwortung ist auch in Auszügen nur mit vorheriger schriftlicher Genehmigung gestattet. Das Policy Memo basiert auf der Arbeit der Forschungsgruppe Faktor N der stiftung neue verantwortung und dem daraus entstandenen Policy Brief Reprogramming the City zehn Gestaltungsfelder der zukunftsfähigen Stadt. Es gibt ausschließlich die persön liche Auffassung der Autoren wieder und entspricht nicht notwendigerweise der Meinung der stiftung neue verantwortung. stiftung neue verantwortung, 2012 stiftung neue verantwortung e. V. Beisheim Center Berliner Freiheit Berlin T F info@stiftung-nv.de Konzept und Gestaltung: Prof. Dr. h. c. Erik Spiekermann Edenspiekermann AG Layout: enoto Medienbüro Berlin Kostenloser Download:
5 5 Policy Brief Über uns Die stiftung neue verantwortung fördert das interdisziplinäre und sektorübergreifende Denken entlang den wichtigsten gesellschaftspolitischen Herausforderungen im 21. Jahrhundert. Durch ihr Fellow- und Associate-Programm bringt die Stiftung junge Experten und Vordenker aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft zusammen, die in zeitlich befristeten Forschungsprojekten neue Ideen und Lösungsansätze entwickeln und diese durch Publikationen und auf Veranstaltungen in den öffentlichen Diskurs einbringen. Arbeitsweise Die stetig komplexer werdenden Anforderungen einer Multi-Stakeholder-Gesellschaft verlangen ein die Grenzen von Disziplinen und Sektoren überwindendes Denken und Handeln. Das Zusammenführen von Experten und Vordenkern aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Gesellschaft schafft das Fundament für eine bestmögliche Analyse und Lösung schwieriger Zukunftsfragen. In unseren Projektteams treffen kontroverse Denkstile, Fragestellungen und Betrachtungsweisen aufeinander. Über trennende Fächerund Organisationsgrenzen hinweg erschließen sich die Projektteams strategisches Fach- und Führungswissen und erarbeiten konstruktive Lösungen. Jedes Projektteam wird von einem Fellow geleitet, der mit Associates zusammenarbeitet. Die Zusammenstellung jedes Teams hängt von der für eine erfolgreiche Projektarbeit relevanten Themen-, Praxis- oder Prozessexpertise seiner Mitglieder ab. Weitere Informationen unter:
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