PSYCHISCHE BELASTUNG IM BETRIEB

Transkript

1 PSYCHISCHE BELASTUNG IM BETRIEB / Michael Zapf , Heike Klamroth, BGV, Referat psychische Belastung

2 WAS ERWARTET SIE? 1. Warum reden wir über psychische Belastungen? 2. Was sind psychische Belastungen? Was ist Beanspruchung? 3. Kategorien psychischer Belastung 4. Was tun? Pflichten nach dem Arbeitsschutzgesetz 2

3 WAS ERWARTET SIE? 5. Was heißt das? Beispiele 6. Wer darf was? Aufgabendelegation an Führungskräfte 7. Häufige Probleme bei der Gefährdungsbeurteilung 8. Fazit und Diskussion 3

4 WARUM REDEN WIR ÜBER PSYCHISCHE BELASTUNGEN? 1

5 Warum reden wir über PSYCHISCHE BELASTUNGEN? Arbeitsunfähigkeitstage 2017: Spitzenreiter Muskel-Skelett-Erkrankungen: 22% Psychische und Verhaltensstörungen: 16% Wer psychisch erkrankt, ist besonders lange krank. Frühverrentungen 2017: Männer: 36,7%, durchschnittliches Alter: 52,4 Frauen: 49,0%, durchschnittliches Alter: 51,4 5

6 Warum reden wir über PSYCHISCHE BELASTUNGEN? Aus der Leitlinie der Gemeinsamen Deutschen Arbeitsschutzstrategie (GDA) Der Ausgangspunkt ist die erkennbare grundlegende Veränderung des Belastungsspektrums in der Arbeitswelt. Mit diesem Wandel gehen für die Beschäftigten Veränderungen der Anforderungen an den Arbeitsplätzen einher. In der Konsequenz haben die Bedeutung und der Einfluss psychischer Faktoren in der Arbeitswelt zugenommen. 6

7 WAS SIND PSYCHISCHE BELASTUNGEN? 2

8 WAS SIND PSYCHISCHE BELASTUNGEN? nach DIN EN ISO Die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Menschen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. 8

9 WAS SIND PSYCHISCHE BELASTUNGEN? von außen auf den Menschen zukommend psychisch auf ihn einwirkend 9

10 WAS IST BEANSPRUCHUNG? nach DIN EN ISO Die unmittelbare (nicht die langfristige) Auswirkung der psychischen Belastung im Individuum in Abhängigkeit von seinen jeweiligen überdauernden und augenblicklichen Voraussetzungen, einschließlich der individuellen Bewältigungsstrategien. 10

11 GLEICHE BELASTUNG UNGLEICHE BEANSPRUCHUNG 11

12 KATEGORIEN PSYCHISCHER BELASTUNG 3

13 KATEGORIEN PSYCHISCHER BELASTUNG (GDA) Arbeitsaufgabe Vollständigkeit, Abwechslung, Anspruch, Entwicklungsmöglichkeit, Verantwortung, Emotionsarbeit Arbeitsorganisation Arbeitszeitlänge und Gestaltung, Kommunikation, Verantwortlichkeiten, Arbeitsmittel, Zeitdruck Arbeitsumgebungsbedingungen Lärm, Licht, Bewegungsspielraum, Vibration, Gerüche Soziale Beziehungen Führung, soziale Unterstützung im Team 13

14 KATEGORIEN PSYCHISCHER BELASTUNG EMOTIONSARBEIT Arbeitsaufgabe: Emotionsarbeit Zeigen eines bestimmten Emotionsausdruckes oder Unterdrücken inadäquater Emotionen. Wobei? Umgang mit Kunden, Patienten - bei Aufgaben, die in enger Interaktion zu erfüllen sind. Umgang mit Ereignissen z.b. im Umgang mit nicht funktionierenden technischen Arbeitsmitteln. 14

15 KATEGORIEN PSYCHISCHER BELASTUNG EMOTIONSARBEIT Oberflächenhandeln (Surface Acting) Darstellung der erwünschten Emotionen unabhängig von erlebten Gefühlen Tiefenhandeln (Deep Acting) Veränderung des Gefühlslebens in Richtung der geforderten Emotion 15

16 WAS TUN? ARBEITSSCHUTZGESETZ 4

17 Was tun? Pflichten nach dem ARBEITSSCHUTZGESETZ 1 Zielsetzung und Anwendungsbereich (1) Dieses Gesetz dient dazu, Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit durch Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu sichern und zu verbessern 2 Begriffsbestimmungen (1) Maßnahmen des Arbeitsschutzes im Sinne dieses Gesetzes sind Maßnahmen zur Verhütung von Unfällen bei der Arbeit und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren einschließlich Maßnahmen der menschengerechten Gestaltung der Arbeit... 17

18 MENSCHENGERECHT GESTALTETE ARBEIT IST ausführbar schädigungslos Gesundheitsschäden vermeiden beeinträchtigungsfrei Befindlichkeitsstörungen vermeiden (Stress, psychische Ermüdung, Monotonie, Konflikte) persönlichkeitsfördernd Potentiale und Kompetenzen entfalten und fördern (Lern- und Entwicklungsmöglichkeiten, Handlungs- und Entscheidungsspielräume, ganzheitliche Arbeit) 18 Grundvoraussetzung schaffen (Körpermaße, Sinnesorgane, Biomechanik) (Verschleiß, Unfälle, Berufskrankheiten) (nach Hacker, Richter, Uhlich et. al.)

19 ARBEITSSCHUTZGESETZ 4 Allgemeine Grundsätze Der Arbeitgeber hat bei Maßnahmen des Arbeitsschutzes von folgenden allgemeinen Grundsätzen auszugehen: 1. Die Arbeit ist so zu gestalten, daß eine Gefährdung für das Leben sowie die physische und die psychische Gesundheit möglichst vermieden und die verbleibende Gefährdung möglichst gering gehalten wird; 2. Gefahren sind an ihrer Quelle zu bekämpfen; 3. bei den Maßnahmen sind der Stand von Technik, Arbeitsmedizin und Hygiene sowie sonstige gesicherte arbeitswissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen; 19

20 ARBEITSSCHUTZGESETZ 4 Allgemeine Grundsätze 4. Maßnahmen sind mit dem Ziel zu planen, Technik, Arbeitsorganisation, sonstige Arbeitsbedingungen, soziale Beziehungen und Einfluß der Umwelt auf den Arbeitsplatz sachgerecht zu verknüpfen; 5. individuelle Schutzmaßnahmen sind nachrangig zu anderen Maßnahmen; 6. spezielle Gefahren für besonders schutzbedürftige Beschäftigtengruppen sind zu berücksichtigen; 7. den Beschäftigten sind geeignete Anweisungen zu erteilen; 20

21 Was tun? Pflichten nach dem ARBEITSSCHUTZGESETZ 5 BEURTEILUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN (1) Der Arbeitgeber hat durch eine Beurteilung der für die Beschäftigten mit ihrer Arbeit verbundenen Gefährdung zu ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind. (2) Der Arbeitgeber hat die Beurteilung je nach Art der Tätigkeiten vorzunehmen. Bei gleichartigen Arbeitsbedingungen ist die Beurteilung eines Arbeitsplatzes oder einer Tätigkeit ausreichend. 21

22 5 BEURTEILUNG DER ARBEITSBEDINGUNGEN (3) Eine Gefährdung kann sich insbesondere ergeben durch 1. die Gestaltung und die Einrichtung der Arbeitsstätte und des Arbeitsplatzes, 2. physikalische, chemische und biologische Einwirkungen, 3. die Gestaltung, die Auswahl und den Einsatz von Arbeitsmitteln, insbesondere von Arbeitsstoffen, Maschinen, Geräten und Anlagen sowie den Umgang damit, 4. die Gestaltung von Arbeits- und Fertigungsverfahren, Arbeitsabläufen und Arbeitszeit und deren Zusammenwirken, 5. unzureichende Qualifikation und Unterweisung der Beschäftigten, 6. psychische Belastungen bei der Arbeit. 22

23 WAS HEIßT DAS? BEISPIELE 5

24 BEISPIELE Stellen Sie sich vor, Sie kommen als Aufsichtsperson in einen Betrieb. Welche psychischen Belastungen vermuten Sie, ohne dass sie bereits mehr über den Betrieb wissen? Tauschen Sie sich gerne mit Ihren Nachbarn aus! 24

25 PSYCHISCHE BELASTUNG ALS AUFSICHTSTHEMA Backshop 25

26 Was tun? Pflichten nach dem ARBEITSSCHUTZGESETZ Kriterien nach 4 ArbSchG für die Gefährdungsbeurteilung: 1. Systemorientiert: Alle Aspekte, welche die Gesundheit beeinflussen, sind zu berücksichtigen. 2. Minimierungsgebot: Alle Gefährdungen sind zu minimieren. 3. Vorrangig sind Maßnahmen zur Verhältnisprävention. 4. Die geltenden arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse sind heranzuziehen. (z.b. zur Arbeitszeitgestaltung) 26

27 Was tun? Pflichten nach dem ARBEITSSCHUTZGESETZ Kriterien nach 4 ArbSchG für die Gefährdungsbeurteilung: 5. Maßnahmen müssen konkret benannt werden, die Wirksamkeit ist zu überprüfen. 6. Anforderungen besonderer Personengruppen sind regelhaft zu berücksichtigen. 7. Die Beschäftigten müssen gemäß der Gefährdungsbeurteilung unterwiesen werden. 8. Die Gefährdungsbeurteilung ist aktuell zu halten. 9. Es muss eine passende Organisationsstruktur für den Arbeitsschutz erkennbar sein. 27

28 WER DARF WAS? AUFGABENDELEGATION 6

29 WER DARF WAS? AUFGABENDELEGATION AN FÜHRUNGSKRÄFTE Der Arbeitgeber behält immer die Verantwortung. Er kann Aufgaben an geeignete Personen im Betrieb delegieren. Welches sind die Bedingungen dafür? 29

30 AUFGABENDELEGATION 13 Verantwortliche Personen (1) Verantwortlich für die Erfüllung der sich aus diesem Abschnitt ergebenden Pflichten sind neben dem Arbeitgeber (2) Der Arbeitgeber kann zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach diesem Gesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen. 30

31 AUFGABENDELEGATION Was ist dabei in der Praxis wichtig? Die Führungskräfte kennen ihre Arbeitsschutzpflichten. Arbeitgeberpflichten sind schriftlich übertragen worden. Die Funktionsbeschreibungen sind klar definiert. Die Aufgaben der einzelnen Akteure wurden aufeinander abgestimmt. 31

32 AUFGABENDELEGATION Was ist dabei in der Praxis wichtig? Die beauftragten Personen haben überhaupt Einfluss auf den Gestaltungsbereich. Die beauftragten Personen verfügen über die notwendigen Ressourcen: Zeit, finanzielle Mittel, Kenntnisse Beim Arbeitgeber verbleibt die Verantwortung der Kontrolle, ob die übertragenen Aufgaben angemessen wahrgenommen wurden. 32

33 HÄUFIGE PROBLEME BEI DER GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG 7

34 PHASEN DER GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG Graphik aus: Psychische Belastungen, Handlungskonzept zur Gefährdungsbeurteilung (Publikation M41), Amt für Arbeitsschutz, Hamburg Ergebnis dokumentieren Planen Prozess fortschreiben Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Wirksamkeit prüfen Maßnahmen planen 34 Maßnahmen durchführen

35 HÄUFIGE PROBLEME IN DER PLANUNGSPHASE Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen Gefährdung ermitteln Maßnahmen durchführen Gefährdung beurteilen Maßnahmen planen Der Unternehmer will wegdelegieren. Kompetenzen der Mitarbeiter werden vergessen. Vorhandene Daten werden vergessen. Es wird mehr über das Wie gegrübelt, die Frage nach den Zielen wird vernachlässigt. Mitarbeiter werden über den geplanten Prozess nicht ausreichend informiert. (Ziele, Ablauf, Zeitplan, Grenzen) 35

36 HÄUFIGE PROBLEME IN DER PLANUNGSPHASE Ergebnis dokumentieren Planen Wirksamkeitskontrolle wird nicht mitgedacht. Ziele werden nicht geschärft. Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Gefährdung ermitteln Maßnahmen durchführen Gefährdung beurteilen Maßnahmen planen Die Dokumentation wird vergessen, damit fehlen später die Bezugspunkte. Die Finanzierung wird nicht oder nicht dauerhaft sichergestellt. 36

37 HÄUFIGE PROBLEME: GEFÄHRDUNG ERMITTELN Ergebnis dokumentieren Planen Beschäftigte werden nicht beteiligt. Unternehmer und/oder Fachkraft ermitteln. Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Maßnahmen planen Bereiche werden vergessen. Typisch: Außendienst, Nachtarbeit, Führungskräfte, neue Arbeit, Auswertung nach Alter, Teilzeit Maßnahmen durchführen Ungeeignete Instrumente. (selbst gestrickt, zu allgemein, nicht zum Ziel passend) Datenerhebung erfolgt auf ungeeignetem Weg. (Beispiele: Chef sitzt mit im Workshop, Online-Befragung ohne PC-Arbeitsplatz) 37

38 HÄUFIGE PROBLEME: GEFÄHRDUNG BEURTEILEN Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Planen Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Maßnahmen planen Daten sind zu allgemein, können nicht interpretiert werden. Beurteilung fällt als eigener Schritt weg oder erfolgt nicht transparent. Maßnahmen durchführen Alle sind enttäuscht, weil nur herausgekommen ist, was man schon wusste. 38

39 HÄUFIGE PROBLEME: MAßNAHMEN PLANEN UND DURCHFÜHREN Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Planen Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Beschäftigte werden nicht beteiligt. Externe überschauen die Strukturen im Betrieb zu wenig. Wirksamkeit prüfen Maßnahmen durchführen Maßnahmen planen Arbeitgeber arbeitet nicht mit oder sogar dagegen. Daten sind unüberschaubar oder nicht konkret genug, um daraus Maßnahmen abzuleiten. 39

40 HÄUFIGE PROBLEME: MAßNAHMEN PLANEN UND DURCHFÜHREN Planen Ergebnis dokumentieren Prozess fortschreiben Wirksamkeit prüfen Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Maßnahmen planen Maßnahmen werden nicht wie geplant durchgeführt, weil keine verantwortliche Person benannt wurde. Maßnahmen durchführen 40

41 HÄUFIGE PROBLEME: WIRKSAMKEIT ÜBERPRÜFEN, DOKUMENTIEREN, FORTSCHREIBEN Ergebnis dokumentieren Planen Ziele waren nicht definiert, Zielerreichung nicht überprüfbar. Prozess fortschreiben Gefährdung ermitteln Gefährdung beurteilen Niemand ist für die Überprüfung zuständig. Wirksamkeit prüfen Maßnahmen durchführen Maßnahmen planen Arbeitgeber hält den Prozess für abgeschlossen, will nicht überprüfen. Dokumentation wird vergessen oder nicht mitbezahlt. Es fehlt die Grundlage für den nächsten Zyklus. 41

42 FAZIT: WAS IST ANDERS? 8

43 HERAUSFORDERUNGEN DER GEFÄHRDUNGSBEURTEILUNG IM HINBLICK AUF PSYCHISCHE BELASTUNG Kernprozesse des Unternehmens stehen im Fokus: Der Arbeitgeber, die Führungskräfte und ihr Engagement spielen eine besonders wichtige Rolle. Die Prozessqualität hat einen entscheidenden Einfluss auf das Ergebnis. Ein einzelner Sachverständiger reicht nicht. Für ein gutes Ergebnis muss die Planung den ganzen Zyklus zu Ende denken. Die Dokumentation stellt eine Herausforderung dar. Sie ist eine wesentliche Grundlage für die weitere Arbeit. 43

44 DISKUSSION Was ist Ihnen zu dem Thema im Betrieb schon begegnet? Was war für Sie neu oder überraschend? Wo vermuten Sie Konfliktpotenzial oder Umsetzungsschwierigkeiten? 44