Wegweisend für die heutige Genogrammarbeit waren Monica McGoldrick und Randy Gerson, die das Buch Genograms: Assessment and Intervention (1985)

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1 Das Genogramm

2 Wegweisend für die heutige Genogrammarbeit waren Monica McGoldrick und Randy Gerson, die das Buch Genograms: Assessment and Intervention (1985) veröffentlichten

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4 Das Wichtigste im Genogramm bleiben jedoch die Geschichten, die gemeinsam in den Sitzungen zu den verschiedenen Genogrammdaten erzählt werden. Sie bilden den Hintergrund für ein neues Verständnis der Gegenwart (Schlippe et al. 1995:34).

5 Die Genogrammarbeit stellt einen Zusammenhang zwischen der aktuellen Familiensituation, den unsichtbaren Bindungen und den Nachwirkungen verdrängter Schicksale der Eltern und Großeltern her. (J. Beushausen, 2012, Genogramm- und Netzwerkanalyse )

6 Nachdem die grafischen Symbole der einzelnen Personen aufgezeichnet sind, wird die Bedeutung der familiären Mythen, Koalitionen, Delegationen und Hierarchien analysiert, um Hypothesen über mögliche mehrgenerationale Wiederholungen zu bilden. Fokus: familiäre Beziehungen mit ihren Tabus, Koalitionen, Ängsten, Feindschaften und den sozialen Kriterien.

7 Vorsicht vor Alltagspsychologie und unprofessionellen therapeutischen Interpretationen.

8 Genogramm im Palliative Care Setting Überblick über die Familienverhältnisse aufgrund grafischer Darstellung Einheitlichkeit der Informationen innerhalb des Teams ist gewährleistet ("Ist das jetzt die Tochter oder die Schwiegertochter?" "Die Stieftochter") Anfänglich viele Informationen Reduktion und Fokussierung auf bestimmte Fragestellungen

9 Aus dem Genogramm können Belastungen der Familie deutlich werden (viele an Krebs verstorbene Angehörige, Suizide, Pflege mehrere Personen durch eine Angehörige u.ä.) Die Vollständigkeit der familienanamnestischen Angaben ist eher gewährleistet ("naja, es gibt eigentlich noch einen Sohn - zu dem gibt es allerdings leider keinen Kontakt mehr"). Auf diese Weise kann die destruktive Kraft von "Familiengeheimnissen" teilweise entkräftet werden

10 Fragestellung Ein Genogramm wird grundsätzlich unter einer bestimmten Fragestellung erstellt. Im Palliativbereich handelt es sich im Wesentlichen um folgende Fragestellungen: Wer gehört alles zur Familie? Was sind die sozialen Ressourcen des Patienten/der Familie - insbesondere hinsichtlich der Möglichkeit einer häuslichen Versorgung? Welche Beziehungen oder Vorkommnisse in der Familie wirken sich belastend aus oder könnten zu einem Behandlungsthema werden?

11 Symbole für die Genogrammarbeit

12 Beziehungen

13 Vorgehensweise Patient (=Doppellinie beim Personensymbol) etwa in der Mitte des Blattes Alter des Patienten neben das Symbol schreiben Partner. Es empfiehlt sich, die Beziehungslinie so lange zu zeichnen, dass ggf. auch noch mehrere Kinder eingezeichnet werden können (Achtung: auch deren Partner brauchen Platz) Frühere Partner Kinder und deren Familien. Wenn es mehrere Partnerschaften gab, ist ggf. darauf zu achten, dass die Kinder den richtigen Eltern zugeordnet werden (Stiefkinder, Patchworkfamilien)

14 Eltern und Schwiegereltern der Indexperson Geschwister des Patienten in der Reihenfolge des Alters (von links nach rechts) und des Partners (falls für die Versorgung relevant) Alle weiteren Personen, die für den Patienten von Bedeutung sind. Es können neben Personen ebenso Tiere eingetragen werden (Raute-Symbol) Die Personen, die mit dem Patienten in einem Haushalt bzw. Haus leben, werden mit einer gestrichelten Linie umschlossen Es sollte auch die 24-Stunden-Hilfe eingezeichnet werden

15 Zusätzlich können dann Informationen eingetragen werden, die unter einer bestimmten Fragestellung zur aktuellen Situation von Bedeutung sind: Zusatzlinien zur Beziehungsqualität, um besonders gute Beziehungen (=Ressource) oder besonders schlechte Beziehungen (=Belastung) anzuzeigen

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17 Beziehungsqualität ist eine subjektive Einschätzung, eine individuelle Perspektive der interviewten Person. Grundsätze der Allparteilichkeit und Wertneutralität hinsichtlich der betreuten Familie, d.h., dass es uns nicht zusteht moralische Urteile über die von uns betreuten Familien zu fällen und wir uns auch nicht mit einzelnen Personen aus der Familie "verbünden" sollten.

18 Schriftlich vermerkte Zusatzinformationen sollten recht kurz gehalten werden. Sinnvoll sind Angaben zu Wohnort, Schulbildung, Beruf, Nationalität, Religion, ggf. zu Krankheiten, Sterbedatum, Todesursache, Trennungsjahr Erweiterte Angaben: gesellschaftliches Ansehen, Charaktermerkmale (aufbrausend, devot, gewalttätig, lebenslustig, hilfsbereit, chaotisch, ), spezielle Begabungen, dramatische Ereignisse und Umstände (Krieg, Gefängnis, Auswanderung, Heimkarriere) Tabuthemen, spezielle Rollen in der Familie usw.

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20 Fragen zur Familiengeschichte Was gibt es für Schicksale in der Familie? Wurde jemand aus der Familie ausgeschlossen? Gibt es Abtreibungen, Fehl- oder Totgeburten? Gibt oder gab es unerfüllten Kinderwunsch? Wird darüber gesprochen oder herrscht Stillschweigen? Gibt es wiederkehrende Ereignisse? Gibt es vererbte Charaktermerkmale, Verhaltensmuster? Gibt es spezielle Familienregeln, Vereinbarungen? Sind diese offen oder verdeckt?

21 Gibt es Geheimnisse und/oder Tabus? Wer traf wichtige Entscheidungen? Wie wird/wurde über andere Familienmitglieder gesprochen? Wie wird/wurde mit Geld umgegangen? Gab es Familienkrisen und wie war der Umgang damit? Gab es Gewaltanwendungen innerhalb des Familiensystems? Diese Fragen dürfen nicht in Form eines Fragekatalogs abgefragt werden; die Beantwortung soll sich im Laufe des Gesprächs ergeben, bewusstes Nachfragen und Gesprächslenkung ist erlaubt.

22 Sonderzeichen

23 Tipps Zu Beginn kann man sich mit Post-It Zetteln behelfen, die beliebig umgeklebt werden können; ansonsten in jedem Fall mit Bleistift und Radiergummi beginnen. Versuchen, mit unterschiedlichen Personen zu sprechen, manche Familienmitglieder wissen oft mehr, anderes, als andere. Wichtig!!! Andere, abweichende, unterschiedliche Sichten, Meinungen und Interpretationen akzeptieren, berücksichtigen, nicht werten!!!

24 Im Prozess immer wieder zwischen Fakten, Gerüchten, Mutmaßungen, ect. Unterscheiden. Nicht zu vorschnell und nur vorsichtig interpretieren, so vermeidet man innere Filter und Schubladen aufzubauen und kann freier und unbelasteter an die Dinge herangehen.

25 Fr. Susanne ist mit Hr. Franz verheiratet und hat keine Kinder mit ihm.

26 Fr. Susanne war bereits 2x verheiratet, aus der ersten Ehe hat sie eine Tochter

27 Susannes 2. Ehemann war vor ihr auch schon mal verheiratet und hat aus dieser Ehe einen Sohn, der auch in ihrer damaligen Familie eine Rolle spielte. Ihr derzeitige Ehemann hat auch bereits 2 Ehen hinter sich, aus der ersten Ehe hat er zwei Töchter, eine davon lebt in einer Lebensgemeinschaft und hat einen Sohn

28 Susanne hatte zwischen der 1. und der 2. Ehe eine längere Beziehung (durchgehender Rahmen) und eine intensive kürzere Beziehung (punktierter Rahmen)

29 Susannes Mutter war vor der Ehe mit Susannes Vater bereits einmal verheiratet, in dieser Ehe entstanden 2 Söhne, der jüngere ist im 20. Lebensjahr gestorben. Susannes Vater hatte vor der Ehe mit Susannes Mutter eine längere Beziehung und mehrere kürzere Beziehungen (punktierter Rahmen)

30 Systematisch korrekte Anordnung

31 Susannes Großeltern väterlicher und mütterlicherseits sind verstorben. Die Großeltern väterlicherseits hatten nur ein Kind; der Großvater hatte vor der Ehe mit der Großmutter eine andere Beziehung, diese Frau brachte ein Kind in die Beziehung mit. Die Großeltern mütterlicherseits hatten 3 Kinder; der Großvater hatte vor der Ehe mit der Großmutter eine andere Beziehung, diese Frau brachte ein Kind in die Beziehung mit.

32 Diese Methodik ermöglicht den/der PatientIn, die aktuelle Situation, eigene Verhaltensweisen und die der Angehörigen als eine gemeinsame Geschichte aus einer neuen Perspektive zu sehen und sich als Teil einer Familiengeschichte zu begreifen.

33 Die Informationen enthalten Hinweise auf brisante Themen, ohne dass diese bereits auf tieferer Ebene erörtert werden müssen. Um solche brisanten Themen ansprechen zu können, braucht es ein Vertrauensverhältnis und eine sensible Kommunikation; kein aus- oder abfragen bestimmter vorgegebener Listen!!!

34 Die Erstellung eines Genogramms ermöglicht einen Zugang zum subjektiven Erleben, zu Interpretation und Bewältigungsmustern der Familie aus Sicht des Klienten In der Beratung können sich dadurch viele Themenfelder auftun, anderes wird klarer und manche Fragen werden auch offen bleiben.