Musiktherapie in der neurologischen Rehabilitation

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1 Seminararbeit zum ÖBV Führungskräfteseminar Süd 2012/13 Musiktherapie in der neurologischen Rehabilitation von Ruth Waldner Gitschtaler Trachtenkapelle Weißbriach 9. März

2 Musiktherapie in der neurologischen Rehabilitation...4 Neurologische Musiktherapie...4 Wirkung von Musik...4 Bestandteile von Musik...5 Räumliche, zeitliche, kraftbezogene Elemente von Musik...5 Musikgenuss:...5 Musik...5 Transformational Theory:...6 Transformational Design Modell:...6 Konzepte aus der neurologischen Musiktherapie...7 MOTORIK...7 Motorisches Training...8 SPRACHE...9 Grundformen der Aphasie im Überblick: Sprech- und Sprachtraining...11 GEISTIGE LEISTUNGEN...13 Kognitives Training...13 Quellenverzeichnis.16 2

3 In jeder Note ist Hoffnung. In jeder musikalischen Phrase liegt Heilung und Freude liegt in jedem Lied. Musik bietet eine Lösung für jeden Menschen; vielleicht auch für jede Krankheit. (Cathy Kunkel) Die Geschichte der Musik ist untrennbar mit der Geschichte der Menschheit verbunden. Ein Leben ohne Musik kann sich kaum jemand vorstellen. Musik begleitet uns von der vorgeburtlichen Zeit bis zum Ende des Lebens. Kulturen ohne Musik hat es nie gegeben und wird es wohl auch nie geben. Schon zu frühen Zeiten wurde versucht, Musik therapeutisch einzusetzen. Hierbei kam der Musik eine elementare Bedeutung zu. Sie diente als magisches Werkzeug zur Bewältigung von Naturkräften, Besänftigung von Dämonen und Göttern, aber auch zur Überwindung von Krankheiten und Tod. Die überlieferte Geschichte des Einsatzes von Musik zum therapeutischen Zweck beginnt im Alten Testament mit der Vertreibung des bösen Geistes, der über König Saul gekommen war, durch Davids Harfenspiel. Der Einsatz von Musik als Therapie veränderte sich in nachfolgenden Jahrhunderten. 3

4 Musiktherapie in der neurologischen Rehabilitation Musik lässt sich als hochwirksames therapeutisches Medium effektiv in der Rehabilitation von Menschen mit erworbenen Hirnschäden einsetzen. Je nach Rehabilitationsphase ergeben sich unterschiedliche Schwerpunkte in der Zielsetzung und Methodik musiktherapeutischen Behandlung. Neurologische Musiktherapie Als Neurologische Musiktherapie wird der therapeutische Einsatz von Musik bei Patienten mit kognitiven, sensorischen und motorischen Einschränkungen, die auf eine neurologische Erkrankung zurückzuführen sind. Sie basiert auf dem neurowissenschaftlichen Modell der Musikperzeption und Produktion sowie dem Einfluss von Musik auf funktionale Veränderungen von nicht musikalischen Gehirn- und Verhaltensfunktionen. Die Behandlungstechniken basieren auf wissenschaftlicher Forschung und sind auf funktionale Ziele ausgerichtet. (M. Thaut, Academy of Neurological Music Therapy, Colorado State University (2002)) Wirkung von Musik Psychophysiologische Untersuchungen haben ergeben, dass Musik Auswirkungen auf z. B. die Pulsfrequenz, die Atmung, die Temperatur und den Hautwiderstand hat. Anregende oder beruhigende Wirkung von Musik kann bestimmten musikalischen Charakteristika zugeordnet werden. (Harrer u. Harrer, 2008) 4

5 beruhigend aktivierend Intensität geringe Lautstärke große Lautstärke geringe Lautstärkenveränderung große Lautstärkenveränderung weiches Pulsieren starke Akzente Zeitablauf Tempo in/unter Herzfrequenz schnelles Tempo gleichmäßiges Tempo häufiger Tempowechsel zweizeitige Taktarten tänzerischer Dreitakt Tonhöhenstruktur geringer Tonhöhenumfang großer Tonhöhenumfang enge Intervalle weite Intervalle Klangcharakter weiche Klangfarbe hell strahlende Klangfarbe konsonante Klänge dissonante Klänge einfache Harmonik weiter harmonaler Bereich Bestandteile von Musik Räumliche, zeitliche, kraftbezogene Elemente von Musik räumlich: z. B: Tonhöhe, Tondauer, Lautstärke zeitlich: z.b. Tempo, Rhythmus kraftbezogen: z. B. Lautstärke, Tempo Musikgenuss: dieser bewirkt eine Aktivierung im Gehirn mit Ausschüttung u. A. des Botenstoffs Dopamin. ( Glückshormon auditives Dopamin) (O. Sachs) Musik ist ein sogenannter externer Trigger für Bewegungsmuster also ein Ersatz für einen fehlenden inneren Taktgeber. (M: Jöbges 2008) 5

6 Transformational Theory: Es gibt kein Musikzentrum im Gehirn, sondern generelle Kontrollzentren, welche mit Musik angesprochen werden. Das heißt Musik überlappt mit anderen Zentren im Gehirn. Es gibt gemeinsame neurale Mechanismen von Musik und Motorik, Musik und Exekutivfunktionen, Musik und Sprache, Musik und Aufmerksamkeit, Musik und Gedächtnis. Transformational Design Modell: Assessment/Einschätzung und funktionale Anamnese Therapeutische Ziele Funktionale nicht-musikalische Übung Funktionale musikalische Übung neurobiologische Aktivierung durch Musik optimiert den Therapieablauf Transfer des Lernprozesses (Thaut, 1999) 6

7 Konzepte aus der neurologischen Musiktherapie MOTORIK In den meisten Schlaganfallfällen bleibt eine Lähmung von Gesicht, Arm und/oder Bein auf einer Körperhälfte zurück. Man nennt dies Halbseitenlähmung (Hemiparese). Häufig treten diese Lähmungen in Verbindung mit Empfindungsstörungen auf. Es ist immer die entgegengesetzte Körperseite von der Seite der Hirnschädigung betroffen, d. h. tritt der Schlaganfall links auf, ist die rechte Körperseite betroffen. Motorische Defizite sind die auffälligsten Symptome und kommen bei ca. 90 % aller Schlaganfallpatienten vor. Dabei können Schlaganfälle an unterschiedlichen Stellen des motorischen Systems lokalisiert sein. Bedeutsam ist, dass Patienten mit ähnlichen Schlaganfallmuster eine unterschiedliche Erholung der motorischen Funktion zeigen können. Motorische Funktionsstörungen beeinträchtigen die Selbständigkeit des Betroffenen außerordentlich. Sie haben daher in der Rehabilitation einen besonderen Stellenwert. Eine Studie von Thaut (1997) untersuchte den Effekt von neurologischer Musiktherapie in der Arbeit mit Schlaganfallpatienten bezüglich der Verbesserung des Gangbildes, der rhythmischen Organisation der Bewegung und der Koordination der oberen Extremitäten mit Hilfe von rhythmisch-auditiver Simulation. Nach mehrwöcheigem Gangtraining zeigte sich das hemiplegische Gangbild durch musikalische Stimulation mit schrittweiser Erhöhung der Tempi (Schrittfrequenzen) im Vergleich zu nicht musiktherapierten Patienten signifikant verbessert. 7

8 Motorisches Training PSE Patterned Sensory Enhancement Musikalisches Sequenztraining RAS Rhythmic Acoustic Stimulation Rhythmische akustische Stimulation TIMP Therapeutic Instrumental Music Performance Therapeutisches Instrumentenspiel Musikalisches Sequenztraining Beim musikalischen Sequenztraining übt der Patient eine komplexe Bewegung oder eine Bewegungsabfolge (z.b. vom Sitzen zum Stand, Hantieren mit einem Gegenstand, etc.) mit der Unterstützung durch ein eigens komponiertes Pattern eine musikalische Phrase. Dabei werden sämtliche Teilbewegungen in eine sogenannte kinematische Melodie eingebaut. Struktur des Trainings und musikalische Stimulation optimieren die vorhandenen Restfunktionen. Rhythmisch akustische Stimulation Bei der rhythmisch akustischen Stimulation wird die außergewöhnlich starke und unmittelbare Anpassungsfähigkeit der menschlichen Bewegung an akustischen Stimuli genutzt. Die basalen musikalischen Fähigkeiten des motorischen Nervensystems sind talentunabhängig bei jedem Menschen abrufbar. Als geeignete Instrumente stehen Metronom, Tamburin, aber auch Musik, welche den Patienten auch emotional anspricht und einen geeigneten Gang-Tempo-Takt besitzt. 8

9 Therapeutisches Instrumentalspiel Beim Therapeutischen Instrumentalspiel werden Musikinstrumente als Trainingsgeräte genutzt. Der Patient versucht, mit der von einem Schlaganfall betroffenen Hand eine Tonfolge auf dem Klavier zu spielen oder einen Rhythmus auf der Trommel zu schlagen. Dies schult sowohl die grob- als auch die Feinmotorik der gelähmten Extremität. Die Patienten erhalten über den Klang eine direkte Rückmeldung über die Bewegung. Dieses akustische Feedback hilft, Ablauf und Intensität der Bewegungen zu steuern. SPRACHE Der Begriff Aphasie stammt aus dem Griechischen und bedeutet "Sprachlosigkeit Die Sprachlosigkeit tritt meist nach einem Schlaganfall auf, aber auch infolge eines Hirntraumas- oder Tumors. Geschädigt sind hier die Sprachzentren, die zu ca. 90 % in der linken Hirnhälfte sitzen. Rund 32 % aller Personen, die erstmalig einen Schlaganfall erleiden weisen eine Aphasie auf. Aphasie ist eine Sprachstörung und keine geistige Behinderung. Obwohl sich Aphasiker nur schwer verständlich machen können und oft auch Probleme haben, andere zu verstehen, sind ihre geistigen Fähigkeiten in der Regel nicht beeinträchtigt. Aphasie löscht kein Wissen und keine Lebenserfahrung. Menschen mit einer aufgetretenen Aphasie können nach wie vor Situationen analysieren, Zusammenhänge erkennen und alle nicht-sprachlichen Signale verstehen. 9

10 Grundformen der Aphasie im Überblick: Wernicke-Aphasie verwirrendes Kauderwelsch Bei einigen Patienten ist vor allem das sog. Wernicke Areal oberen Schläfenlappen des Gehirns betroffen. Dort sitzt das Sprachverständnis. Diese Patienten können Gesprochenes nur teilweise verstehen. Sie haben auch Probleme, ihre Gedanken verständlich mitzuteilen. Meistens merken diese Patienten nichts von ihrer Sprachstörung. Broca-Aphasie Sprechen im Telegrammstil Bei dieser Form von Sprechstörung ist das Sprechzentrum selbst im Gehirn betroffen. Es liegt im Stirnlappen des Gehirns. Betroffene können ihren Gesprächspartner zwar gut verstehen, haben aber Probleme, selbst Sätze zu formulieren. Die aktive Sprachproduktion ist bei dieser Form der Aphasie gestört. Patienten mit einer Broca Aphasie sprechen fast gar nicht. Sie können lesen und schreiben, wobei ihre schriftlichen Fähigkeiten den sprachlichen entsprechen. Amnestische Aphasie Suche nach Worten Diese Form von Sprachstörung ist die Folge einer Schädigung des unteren Schläfenlappens am Übergang zum Scheitellappen des Gehirns. Diese Patienten leiden unter Wortfindungsstörungen. Sie können ihr Gegenüber gut verstehen und auch selbst gut sprechen. Wortfindungsstörungen treten auch beim Schreiben auf. 10

11 Globale Aphasie Schwerste Form Dabei ist sowohl das Zentrum für Sprachverständnis, als auch das Sprechen selbst betroffen. Die Schädigungen im Gehirn sind sehr ausgedehnt und betreffen Teile des Stirn-, Schläfen- und Scheitellappens des Gehirns. Eine sprachliche Kommunikation wird nahezu unmöglich. Bestenfalls versteht der Betroffene sehr einfache Anweisungen. Sprech- und Sprachtraining. MIT Melodic Intonation Therapy melodische Intonationstherapie TS Therapeutic Singing therapeutisches Singen VIT Vocal Intonation Therapie therapeutische Stimmbildung RSC Rhythmic Speech Stimulation Rhythmisches Sprechtraining Melodische Intonationstherapie Die melodische Intonationstherapie beruht auf der Vorstellung, dass die Verarbeitung von Sprachmelodie weitgehend eine Funktion der intakten rechten Hirnhälfte ist, welche durch Stimulierung einen Effekt auf die nicht verfügbare Lautsprache ausübt. Die Anbahnung von Phrasen und Sätzen erfolgt über rhythmisch- melodische Muster, die Sprachäußerungen zugrunde liegen. Die MIT besteht aus drei Stufen, wobei die Äußerung auf der elementaren Stufe durch Summen und Klopfen des Sprechrhythmus unterstützt wird. Danach werden die melodischen Muster von Äußerungen über Sprechgesang und Klopfen eingeübt. In der letzten Stufe werden die therapeutischen 11

12 Hilfen schrittweise ausgeblendet, bis der Patient in der Lage ist, diese Phrasen selbständig zu äußern. (Peuser, G. Studien zur Sprachterapie) Therapeutisches Singen Bei neurologisch erkrankten Patienten, die eine Schädigung des Sprachzentrums erlitten, können durch therapeutische Singen Therapieerfolge erzielt werden. Dadurch werden die sprachfähigen Zonen der rechten Gehirnhälfte aktiviert und die Fähigkeit zusammenhängende Wörter flüssig zu sprechen stark verbessert. Therapeutische Stimmbildung Diese Form der Therapie fördert die physiologische Atmung (Zwerchfellatmung die Brust wird zu allen Seiten gedehnt. Die Patienten finden die eine Indifferenzlage der Stimme, in welcher ein leichtes und müheloses Sprechen ermöglicht wird. Diese Lage ist abhängig von den Stimmlippen. Eine plastische, also deutliche Artikulation wird gefördert. Rhythmisches Sprechtraining Durch dieses Training lassen sich gestörte Sprechfunktionen wie Stottern, Dysarthrie (= verwaschenes Sprechen) oder Sprechapraxie (= Störung des notwendigen Bewegungsablaufes zum Sprechen)therapieren. Dieses Training nutzt basale, bei allen 12

13 Menschen vorhandene Fähigkeiten. Ein Metronom gibt das Sprachtempo vor. Nun wird rhythmisch im Takt geübt. Dieses Sprechtraining hilft die Verständlichkeit zu verbessern. GEISTIGE LEISTUNGEN Kognitives Training MSOT Musikalisch sensorisches Orientierungstraining MNT Musikalisches Neglecttraining APT Auditives Wahrnehmungstraining MACT Musikalisches Aufmerksamkeitstraining MMT, AMMT, EM Musikalisches Gedächtnistraining. Musikalisch sensorisches Orientierungstraining Für schwer betroffene Patienten bietet dieses Training einen ersten therapeutischen Zugang. Ein Ziel der musikalischen Frühsimulation ist die Anbahnung von Wachheit, Bewusststein, basaler Orientierung zu Körper, Raum und Zeit und von ersten Reaktionen. In weiterer Folge wird mit einfachen aktiv musikalischen Übungen die anhaltende Aufmerksamkeit gefördert. 13

14 Musikalisches Neglecttraining Bei einem Neglect sind Wahrnehmung und Aufmerksamkeit für die der Hirnschädigung gegenüberliegenden Körperhälfte beeinträchtigt. Patienten vernachlässigen optische, akustische und taktile Reize auf der betroffenen Seite und bewegen den Arm/das Bein dieser Seite wenig. Beim Training lenken die Patienten durch aktives Instrumentalspiel die Bewegung und Aufmerksamkeit unwillkürlich auf die vernachlässigte Seite. Auditives Wahrnehmungstraining Hierbei wird die Unterscheidung von verschiedenen Klangkomponenten geübt, z. B. Tonhöhe, Dauer, Tempo und Rhythmus. Es werden verschiedene Sinne kombiniert wie z. B. Hören von Musik mit Spüren (Vibrationen) oder Bewegung und Sehen. Musikalisches Aufmerksamkeitstraining Neurologische Störungen der Aufmerksamkeit führen zu Minderung der allgemeinen Reaktionsfähigkeit, leichter Ablenkbarkeit und verminderter Daueraufmerksamkeit. Trainiert wird die Reaktion auf sich verändernde Reize, Aufmerksamkeit auf einen bestimmten musikalischen Reiz sowie die Aufmerksamkeit zwischen zwei oder mehreren Reizen. 14

15 Musikalisches Gedächtnistraining Störungen des Gedächtnisses können sprachliche Inhalte(Texte)oder räumliches Material (Gesichter, Wege) betreffen. Im Training werden musikalische Reize wie Lieder als Erinnerungsschablonen in die nicht musikalische Gedächtnisinformation (z. B. Namen) eingebunden. Durch die Erinnerung an die musikalische Struktur wird der Abruf der nicht musikalischen Gedächtnisinformation erleichtert. 15

16 Quellenverzeichnis (Cathy Kunkel) (M. Thaut, Academy of Neurological Music Therapy, Colorado State University (2002)) (Harrer u. Harrer, 2008) (O. Sachs) (M: Jöbges 2008) (Peuser, G. Studien zur Sprachterapie) 16