Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 1
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- Irmela Haupt
- vor 8 Jahren
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1 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / Abgeordnete Dr. Eva Mückstein (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Hohes Haus! Liebe Zuschauer und Zuschauerinnen auf den Rängen und vor den Fernsehschirmen! Ich sage es gleich passend zum Thema: Wir werden diesem Vorschlag zähneknirschend zustimmen. Ich möchte aber mit meiner Kritik und den Zweifeln nicht hinterm Berg halten. Auch für uns Grüne handelt es sich bei diesem Konzept um ein sehr fragwürdiges Versorgungskonzept, das eigentlich in ein Gesamtkonzept überhaupt nicht hineinpasst. Für mich besonders auffällig dabei ist, dass wir vor zwei Jahren noch einen groß angelegten Kinder- und Jugendgesundheitsdialog hatten, wo mehr als 60 Expertinnen und Experten teilgenommen haben und dann daraus mit Pomp und großem Trara die Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie abgeleitet wurde. Da war damals keine Rede von einer Zahnspange, aber einhellige Meinung, es gibt drei Prioritäten, da muss man investieren, und zwar frühe Hilfen bei psychischen Erkrankungen, Kinder-Rehab und Palliativmedizin. Frühe Hilfen, das wäre auch im Bereich der Zahnmedizin sehr wichtig gewesen. Warum? Die Zahnuntersuchungen, mehrere, hätten in den Mutter-Kind-Pass gehört, auch schon deshalb, weil schwere Zahnfehlstellungen daraus resultieren, dass eben Milchzähne zu früh ausfallen, weil sie nicht gepflegt oder eben krank sind, und auch daraus, dass Kinder zu lange den Schnuller haben. Solche Maßnahmen hätte man über die Frühvorsorge ergreifen können. Auch die Finanzierung erscheint uns fragwürdig. 80 Millionen sollten vom Bund eingebracht werden. Das wird jetzt so nicht stattfinden. Es wird ein Strukturfonds der Krankenkassen aufgelöst, der, wie wir denken, ein sehr wichtiges Anreizsystem war, um Einsparungsmöglichkeiten zu forcieren, und die restlichen 40 Millionen sollen aus dem Gesundheitsministerium kommen, was natürlich auch sehr fragwürdig ist und wobei überhaupt nicht klar ist, woher das genau kommen soll. Uns wäre es sehr wichtig, dass die Prioritäten, die im Kinder- und Jugenddialog damals festgeschrieben wurden, weiterhin forciert werden. Da geht es hauptsächlich um Kinder, die Entwicklungsverzögerungen aufweisen, die funktionelle Therapien brauchen, die Entwicklungsrückschritte haben im Bereich der Motorik, im Bereich der Sprache oder auch in Bezug auf ihre Wahrnehmung, und da würde es Ergotherapie, Physiotherapie und Logopädie brauchen, die kassenfinanziert ist. Viele Eltern können sich das nicht leisten. Ungefähr Kinder in Österreich kommen auf diese Art und Weise nicht zu den entwicklungsfördernden Therapien, die sie brauchen.
2 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 2 Ein ähnliches Problem besteht auch in der Psychotherapie. Jedes Jahr lassen wir uns von der OECD ausrichten, dass wir insgesamt Schlusslicht sind, wenn es um die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen geht. Wir haben eine extrem hohe Suizidrate, das Risikoverhalten von österreichischen Kindern und Jugendlichen ist enorm hoch. Es gibt sehr viele Kinder, die schon sehr früh beginnen, Alkohol zu konsumieren. Wir würden daher sehr dringend kassenfinanzierte Psychotherapie brauchen. (Beifall bei den Grünen.) Wir hätten auch erwartet, dass Sie, wenn Sie schon so eine Maßnahme ergreifen, eben auch den Fachzahnarzt für Kieferorthopädie installieren, also eine gesetzliche Grundlage dafür schaffen, dass jene Zahnärzte, die dafür speziell ausgebildet sind, diesen Titel auch tragen dürfen. Das ist natürlich sehr wichtig, damit Eltern erkennen können, wo sie im Fall von schweren Kieferfehlstellungen ihres Kindes überhaupt gut aufgehoben sind. Zahnärzte haben oft nur 90 Stunden Fortbildung, während die Fachärzte oder die Ärzte, die speziell dafür ausgebildet sind, Stunden Aus- und Fortbildung in diesem Bereich haben und so schwere Erkrankungen natürlich besser erkennen und behandeln können. Ich bringe deshalb folgende Anträge ein: der Abgeordneten Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Einführung eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie Der Bundesminister für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, welcher die Einführung eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie und entsprechende Übergangsbestimmungen für bereits tätige SpezialistInnen enthält. der Abgeordneten Eva Mückstein, Kolleginnen und Kollegen betreffend Schließen der großen Versorgungslücken im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und der Sozialversicherung die gravierenden Versorgungsmängel im Bereich Kinder-
3 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 3 und Jugendgesundheit zu beseitigen und einen Stufenplan zur flächendeckenden, kassenfinanzierten Versorgung von Kindern und Jugendlichen in den Bereichen Funktionelle Therapien (Physio-, Ergo- und logopädische Therapie) Psychotherapie Rehabilitation zu erarbeiten, sowie im Bereich Zahngesundheit eine zahnärztliche Untersuchung im Mutter-Kind-Pass zu verankern. (Beifall bei den Grünen.) Präsident Ing. Norbert Hofer: Die eingebrachten Anträge sind ausreichend unterstützt, ordnungsgemäß eingebracht und stehen somit mit in Verhandlung. Die Anträge haben folgenden Gesamtwortlaut: der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde betreffend Einführung eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 1 der Tagesordnung Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage 43 d.b.): Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Gewerbliche Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (82 d.b.) Begründung Die Diskussion um die Einführung der Gratis-Zahnspange offenbart ein Manko in Österreich. Es gibt keine gesetzlichen Grundlagen für eine Spezialisierung auf dem Gebiet der Kieferorthopädie. Nach internationalen Gepflogenheiten handelt es sich beim Fach Kieferorthopädie nicht um irgendeine Zusatzausbildung für ZahnärztInnen sondern aufgrund des besonders umfangreichen Wissensgebietes um ein Sonderfach der Zahnheilkunde. Dies wird durch den international seit vielen Jahrzehnten weltweit üblichen festgelegten Ausbildungsweg und die daraus folgende gesonderte Berufsbezeichnung sowie ein eigenes Register belegt.
4 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 4 In Österreich ausgebildete FachzahnärztInnen für Kieferorthopädie werden trotz EUkonformer Ausbildung in ihrem beruflichen Fortkommen behindert, da diese mangels anerkannter Spezialisierung nicht migrationsfähig sind. Zudem wird es den PatientInnen durch die in Österreich nicht zulässige Ausbildungsbezeichnung (siehe unten) erschwert, nach internationalen Kriterien ausgebildete SpezialistInnen für Kieferorthopädie zu erkennen. Derzeit sind Österreich und Spanien die einzigen Länder der EU, in denen es keine staatlich anerkannte und registrierte Ausbildung im Sonderfach Kieferorthopädie gibt. Nach derzeit geltender Rechtslage in Österreich sieht das zahnärztliche Berufs- und Ausbildungsrecht keine Regelung betreffend Ausbildung und Berufsausübung von FachzahnärztInnen vor. Kieferorthopädische Tätigkeiten sind in Österreich vom Berufsbild des Zahnarztes erfasst. Jeder Zahnarzt, der 90 Stunden Fortbildung absolviert hat, kann derzeit in Österreich Kieferorthopädie auf sein Praxisschild schreiben. Nach internationalen Kriterien ausgebildete KieferorthopädInnen mit dreijähriger universitärer Vollzeitausbildung im Ausmaß von rund Stunden und einer Prüfung dürfen hingegen (siehe oben) den Titel Fachzahnarzt für Kieferorthopädie nicht führen. Für PatientInnen in Österreich ist es deshalb schwierig herauszufinden, ob es sich um eine ZahnärztIn mit kieferorthopädischem Basiswissen oder eine bestens ausgebildete SpezialistIn mit umfassendem Wissen handelt, das für die Diagnose und Behandlung komplexer Fehlstellungen notwendig ist. Eine klare gesetzliche und den internationalen Gepflogenheiten entsprechende Regelung würde Klarheit für die PatientInnen und Migrationsfähigkeit für die FachzahnärztInnen für Kieferorthopädie schaffen. Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden Der Bundesminister für Gesundheit wird aufgefordert, dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf zuzuleiten, welcher die Einführung eines Fachzahnarztes für Kieferorthopädie und entsprechende Übergangsbestimmungen für bereits tätige SpezialistInnen enthält.
5 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 5 der Abgeordneten Eva Mückstein, Freundinnen und Freunde betreffend Schließen der großen Versorgungslücken im Bereich Kinder- und Jugendgesundheit eingebracht im Zuge der Debatte über den Bericht des Gesundheitsausschusses über die Regierungsvorlage (43 d.b.): Bundesgesetz, mit dem das allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Bauern-Sozialversicherungsgesetz und das Beamten- Kranken- und Unfallversicherungsgesetz geändert werden (82 d.b.) Begründung Neben den im vorliegenden Bundesgesetz geregelten Kieferregulierungen erhalten Kinder und Jugendliche in Österreich auch in anderen wichtigen Behandlungsbereichen oft nicht die ihrer Problematik angemessenen und ihnen zustehenden Gesundheitsleistungen. Im Vergleich zum deutschen Versorgungsniveau erhielten im Jahr 2010 lt. einer Studie des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger Kinder keine Therapie! Die sogenannten funktionellen Therapien (Physiotherapie, Ergotherapie, logopädische Therapie) sind keine von den Krankenkassen ausreichend finanzierten Leistungen, es gibt viel zu wenig kostenfreie Therapieplätze. Die hohen Selbstkosten bewirken eine krasse Unterversorgung der österreichischen Kinder und Jugendlichen. Bleibt eine Therapie aus, kann das lebenslange Folgen für die Betroffenen und für die Gesellschaft haben. Die Länderauswertung für Österreich der OECD Doing Better for Children 2009 ergab, dass die Sterblichkeit bei den 15 bis 19-jährigen Burschen deutlich über dem OECD-Schnitt und fast 40 Prozent höher als in Deutschland ist. Österreichs Jugendliche nehmen relativ häufig Risiken in Kauf und sind vergleichsweise stark selbstmordgefährdet. Österreich hat nach Neuseeland, Finnland, Norwegen, Kanada und Irland die höchste Selbstmordrate unter den 15 bis 19-Jährigen! Psychotherapie auf Krankenschein für Kinder und Jugendliche ist viel zu wenig ausgebaut. Lt. Bundesverband für Psychotherapie sind derzeit nicht einmal 10 % des Bedarfs an kassenfinanzierter Psychotherapie bei Kindern und Jugendlichen abgedeckt. Tausende Kinder zwischen 0-14 Jahren leiden länger als 6 Monate an gesundheitlichen Problemen. Österreich hat jedoch kein einziges spezialisiertes
6 Nationalrat, XXV. GP 26. März Sitzung / 6 Rehabilitationszentrum für Kinder und Jugendliche. Es existiert keine wirklich umfassende rehabilitative Betreuung mit pädagogischer und psychologischer Begleitung. Die unterfertigenden Abgeordneten stellen daher folgenden Die Bundesregierung wird aufgefordert, in Zusammenarbeit mit den Bundesländern und der Sozialversicherung die gravierenden Versorgungsmängel im Bereich Kinderund Jugendgesundheit zu beseitigen und einen Stufenplan zur flächendeckenden, kassenfinanzierten Versorgung von Kindern- und Jugendlichen in den Bereichen Funktionelle Therapien (Physio-, Ergo- und logopädische Therapie) Psychotherapie Rehabilitation zu erarbeiten, sowie im Bereich Zahngesundheit eine zahnärztliche Untersuchung im Mutter-Kind-Pass zu verankern. Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Bitte.
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