5 Die Liealgebra einer Liegruppe
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- Meike Solberg
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1 $Id: liealg.tex,v /09/03 07:51:34 hk Exp hk $ 5 Die Liealgebra einer Liegruppe Wir sind noch immer mit der Konstruktion der Liealgebra zu einer Liegruppe G beschäftigt. In der letzten Sitzung hatten wir dazu die Liealgebra ΓM) aller differenzierbaren Vektorfelder auf einer differenzierbaren Mannigfaltigkeit M konstruiert, und wir werden unsere gesuchte Liealgebra als eine Unteralgebra von ΓG) einführen. Wir beginnen mit einer allgemeinen Definition, die mit Liegruppen noch nichts zu tun hat. Definition 5.9: Seien M und N zwei differenzierbare Mannigfaltigkeiten und f C M, N). Dann steht ein Vektorfeld Y ΓN) bezüglich f in Relation zu einem Vektorfeld X ΓM) auf M wenn df p X p ) = Y fp) für alle p M gilt. Wir schreiben dann X f Y. Wir halten zunächst einige Grundeigenschaften fest, und hierzu sei f : M N eine C -Abbildung zwischen differenzierbaren Mannigfaltigkeiten M und N. 1. Sind X 1, X 2 ΓM) und Y 1, Y 2 ΓN) mit X 1 f Y 1 und X 2 f Y 2, so ist offenbar auch X 1 + X 2 ) f Y 1 + Y 2 ). 2. Sind X ΓM), Y ΓN) mit X f Y, so ist für jedes c R offenbar auch cx f cy. 3. Seien X ΓM) und Y ΓN) mit X f Y. Sei g C N), also auch g f C M). Für jeden Punkt p M ist dann d.h. es ist Xg f) = Y g) f. X p g f) = df p X p )g = Y fp) g = Y g)fp)), 4. Sind X 1, X 2 ΓM) und Y 1, Y 2 ΓN) mit X 1 f Y 1 und X 2 f Y 2, so ist auch [X 1, X 2 f [Y 1, Y 2. Sei nämlich p M. Für jede Funktion g C N) gilt dann nach Eigenschaft 3) df p [X 1, X 2 p )g = [X 1, X 2 p g f) = X 1,p X 2 g f)) X 2,p X 1 g f)) = X 1,p Y 2 g) f) X 2,p Y 1 g) f) = df p X 1,p )Y 2 g) df p X 2,p )Y 1 g) = Y 1,fp) Y 2 g) Y 2,fp) Y 1 g) = [Y 1, Y 2 fp) g. 20-1
2 Da es nach Lemma 4.d) zu jedem Keim ξ F fp) eine Funktion g C N) mit ξ = [g gibt, folgt auch df p [X 1, X 2 p ) = [Y 1, Y 2 fp). Dies beweist [X 1, X 2 f [Y 1, Y Seien X ΓM) und Y ΓN) zwei Vektorfelder mit X f Y. Sei p M und betrachte die maximale Integralkurve γ X p : I X p M von X durch den Punkt p. Dann ist auch f γ X p : I X p N eine Kurve in N mit fγ X p 0)) = fp) und mit der Kettenregel folgt ) )) d f γp X ) t) = df γp X d t dr = df γ X p t) dγp X t t dr t = df γ X p t)γ X p ) t) = df γ X p t)x γ X p t) = Y fγ x p t)) für jedes t I X p. Dies bedeutet das f γ X p : I X p N eine Integralkurve von Y durch fp) ist. Damit haben wir Weiter folgt und für jedes p, t) DX) ist I X p I Y fp) und γ Y fp) I X p = f γ X p. f id R )DX)) = {fp), t) t I X p } DY ) E Y fp), t) = γ Y fp)t) = fγ X p t)) = fe X p, t)), d.h. es gilt auch E Y f id R DX)) = f E X. Nun definieren wir endgültig die Liealgebra einer Liegruppe. Definition 5.10: Sei G eine Liegruppe, und bezeichne l a für jedes a G die Linksmultiplikation mit a. Ein Vektorfeld X ΓG) heißt linksinvariant, wenn X la X für jedes a G gilt, d.h. wenn dl a ) g X g ) = X ag für alle a, g G gilt. Die Teilmenge lg := {X ΓG) X ist linksinvariant} aller linksinvarianten Vektorfelder heißt die Liealgebra von G. Dabei ist lg tatsächlich eine Lieunteralgebra der Liealgebra ΓG). Sind nämlich X, Y lg und c R, so gilt für alle a G auch X + Y la X + Y, cx la cx und [X, Y la [X, Y, d.h. es sind X +Y, cx, [X, Y lg. Eine häufig benutzte Konvention ist es, die Liealgebra einer Liegruppe, deren Bezeichnung ein grossgeschriebener lateinischer Buchstabe 20-2
3 ist, durch den entsprechenden kleingeschriebenen Frakturbuchstaben zu bezeichnen. So wird die Liealgebra von G als lg = g geschrieben, die von H ist lh = h und so weiter. Setzen wir in der Gleichung dl a ) g X g ) = X ag speziell g = 1 ein, so wird dl a ) 1 X 1 = X a für alle a G, ein linksinvariantes Vektorfeld ist also bereits durch seinen Wert im neutralen Element festgelegt. Diese Gleichung ermöglicht auch die Berechnung der linksinvarianten Vektorfelder, geben wir uns einen Vektor v T 1 G vor, so ist der Kandidat für ein linksinvariantes Vektorfeld X mit X 1 = v durch X a = dl a ) 1 v gegeben. Unser erster Satz über die Liealgebra behandelt ein einzelnes linksinvariantes Vektorfeld. Satz 5.11 Linksinvariante Vektorfelder) Seien G eine Liegruppe und X ein linksinvariantes Vektorfeld auf G. Dann gelten: a) X ist vollständig. b) Die Integralkurve φ von X durch 1 ist eine Einparametergruppe von G, d.h. ein stetiger Gruppenhomomorphismus φ : R G. c) Für t R, g G gilt X t g = gφt). Beweis: Sei φ : I G die Integralkurve von X durch 1, wobei I R ein offenes Intervall mit 0 I ist. Ist g G, so ist die Kurve γ g : I G; t gφt) in C I, G) mit γ g 0) = gφ0) = g und für jedes t I gilt γ gt) = dl g ) φt) φ t) = dl g ) φt) X φt) ) = X gφt) = X γgt), d.h. γ g ist eine, eventuell noch nicht maximale, Integralkurve von X durch p. Bezeichnen wir also mit I g den Definitionsbereich der maximalen Integralkurve durch g, so ist stets I = I 1 I g. Insbesondere folgt für jedes t I auch I = t + I φt) t + I, d.h. I + I I. Aber I ist ein offenes Intervall mit 0 I und somit muss I = R sein. Damit folgt auch I g = R für jedes g G, d.h. X ist vollständig und c) gilt. Es verbleibt nur noch b). Sei t R. Dann gilt für jedes s R die Gleichung d.h. φ ist ein Gruppenhomomorphismus. φt + s) = γ 1 t + s) = γ φt) s) = φt)φs), Anders gesagt ist der Fluss eines linksinvarianten Vektorfelds X als X t = r φt) gegeben, wobei φ eine Einparametergruppe in G ist. Damit kommen wir zum Hauptsatz über die Liealgebra einer Liegruppe, in dem auch die für alles weitere fundamentale Exponentialabbildung einer Liegruppe eingeführt wird. Satz 5.12 Die Exponentialabbildung einer Liegruppe) Sei G eine Liegruppe und bezeichne g := lg ihre Liealgebra. Dann gelten: 20-3
4 a) Die Abbildung 1 : g T 1 G; X X 1 ist ein Vektorraumisomorphismus. b) Es ist dim g = dim G. c) Die Abbildung E : g G R G; X, t, g) X t g) ist in C g G R, G). d) Die Abbildung exp : g G; X EX, 1, 1) ist in C g, G) und heißt die Exponentialabbildung von G. Für jedes X g ist φ X : R G; t exptx) die Integralkurve von X durch 1, und für X g, t R, g G gilt EX, t, g) = g exptx). e) Die Ableitung exp 0) : g T 1 G ist der Isomorphismus aus a). Beweis: a) Die angegebene Abbildung ist zumindest linear. Ist X g mit X 1 = 0, so folgt für jedes a G auch X a = X a1 = dl a ) 1 X 1 = 0, d.h. X = 0 und unsere Abbildung ist injektiv. Es verbleibt Surjektivität zu zeigen, d.h. sei v T 1 G, und wir müssen v zu einem linksinvarianten Vektorfeld auf G fortsetzen. Wir wissen bereits, dass es hierfür nur eine einzige Möglichkeit gibt, nämlich X a := dl a ) 1 v für a G. Wir zeigen jetzt, dass X tatsächlich ein differenzierbares Vektorfeld auf G ist. Wähle eine Karte V, g 1,..., g n ) von G mit 1 V und schreibe v = n i=1 v i/g i 1 mit v 1,..., v n R. Sei U, x 1,..., x n ) eine Karte von G und definiere die Funktionen a i : U R für 1 i n durch X U = n i=1 a i/x i. Sei a U. Da G insbesondere eine topologische Gruppe ist, existieren offene Umgebungen V von 1 in G und U von a in G mit V V, U U und V U U. Da die Multiplikation µ : G G G eine C -Abbildung ist, ist mit ϕ := x 1,..., x n ), ψ := g 1,..., g n ) auch M := ϕ µ ϕ U ) 1 ψ V ) 1 ) : ϕu ) ψv ) R n eine C -Abbildung. Schreibe e := ψ1), ϱ : R n R n R n ; x x, e) und ϱ b : G G G; x b, x) für jedes b G, also l b = µ ϱ b für alle b G. Für jedes b U folgt mit der Kettenregel ) X b = dl b ) 1 v = dµ b,1) dϱ b 1v) = dµ b,1) v i g i=1 i b,1) [ M i = r n+j v j ϕb),e) x i, b i=1 j=1 20-4
5 und dies bedeutet a i U = ) Mi v j ϱ ϕ C U ) j=1 r n+j für jedes 1 i n. Damit ist insgesamt a 1,..., a n C U) und X ist ein differenzierbares Vektorfeld X ΓG). Es gilt X 1 = v und damit bleibt nur noch zu zeigen, dass X linksinvariant ist. Sind a, b G, so folgt mit der Kettenregel dl a ) b X b = dl a ) 1 dl b ) 1 v = dl ab ) 1 v = X ab, d.h. X ist ein linksinvariantes Vektorfeld auf G. b) Klar nach a). c,d) Wir betrachten die differenzierbare Mannigfaltigkeit g G und für jedes X g sei ϱ X : G g G; a X, a). Weiter sei Y das durch Y X,a) := dϱ X ax a ) für X g, a G definierte Vektorfeld auf g G. Wir zeigen jetzt, dass Y differenzierbar ist. Wähle eine Basis X 1,..., X n von g mit zugehörigen Koordinatenisomorphismus ψ : R n g. Dann ist ψ 1 = v 1,..., v n ) eine Karte von g, deren Komponenten gerade die Koeffizienten von Vektoren aus g bezüglich der Basis X 1,..., X n sind. Sei a G und wähle eine Karte U, x 1,..., x n ) von G mit a U. Für jedes 1 i n ist dann X i U = j=1 a ij mit a ij C U) für 1 j n. x j Für t R n, b U ist damit ψt) b = t i X i,b = i=1 t i a ij b) i=1 j=1 x j = b [ t i a ij b) j=1 i=1 x j, b also auch [ ) Y ψt),b) = dϱ ψt) bψt) b ) = dϱ ψt) b t i a ij b) x j=1 i=1 j b [ = t i a ij b) j=1 i=1 x j. ψt),b) In der Karte g U, v 1,..., v n, x 1,..., x n ) von g G ist damit Y g U = i=1 b i mit b i = x i v j a ji pr 2 ) C g U) j=1 20-5
6 für alle 1 i n. Nach Lemma 5 ist damit Y Γg G). Sind X g, a G und bezeichnet γ X a : R G die Integralkurve von X durch a, so ist auch γ X a := ϱ X γ X a : R g G eine differenzierbare Kurve in g G, und für jedes t R gilt γ X a ) t) == dϱ X X,γ X a t))γ X a ) t)) = dϱ X X,γ X a t))x γ X a t)) = Y X,γ X a t)) = Y γ X a t), d.h. γ X a ist die Integralkurve von Y durch X, a). Also ist Y vollständig und der Fluss E : g G R g G; X, a, t) γ X a t) = X, γ X a t)) = X, X t a)) ist in C g G R, g R), und somit ist auch E = pr 2 E C g G R, G). Sind X g, t R und a G, so ist in C R, G) und für jedes s R gilt γ : R G; s γ X a ts) γ s) = t γ X a ) ts) = txγ X a ts) = tx γs), d.h. γ ist die Integralkurve von tx durch γ0) = γa X 0) = a. Dies zeigt γa tx s) = γa X ts) für jedes s R. Wir kommen zur Exponentialabbildung. Da E differenzierbar ist, haben wir sofort exp C g, G). Ist X g, so gilt für jedes t R die Gleichung exptx) = EtX, 1, 1) = γ tx 1 1) = γ X 1 t), d.h. φ X = γ1 X ist die Integralkurve von X durch 1. Für t R, g G liefert Satz 11.c) auch X t g = gφ X t) = g exptx). e) Sei X g. Dann ist γ : R g; t tx eine Kurve in g mit γ0) = 0 und γ 0) = X, d.h. exp 0)X = exp γ 0)) = exp γ) 0) = φ X0) = X 1. Der Isomorphismus in Teil a) des Satzes wird dazu verwendet die Liealgebra von G mit dem Tangentialraum im neutralen Element zu identifizieren, d.h. lg = g = T 1 G. In diesem Sinne wird der Tangentialraum T 1 G selbst zu einer Liealgebra, wir haben eine Exponentialabbildung exp : T 1 G G und nach e) ist dann exp 0) = id. Wir wollen uns jetzt zwei einfache Beispiele anschauen, und beginnen mit der Gruppe G = R n, +). Hier können wir die linksinvarianten Vektorfelder direkt hinschreiben. Für jeden Vektor v R n haben wir das Vektorfeld X v := i=1 v i. r i 20-6
7 Für a R n hat die Linksmultiplikation l a x) = a + x die durch ) dl a ) p = r i r i p für 1 i n gegebene Ableitung. Identifizieren wir den R n mit dem Tangentialraum von R n in Null, so ist X0 v = v für jedes v R n, und da ein linksinvariantes Vektorfeld durch seinen Wert im neutralen Element festgelegt ist, kann es keine weiteren linksinvarianten Vektorfelder geben. Es ist also lr n = {X v v R n }. Unsere Formel für die Lieklammer von Vektorfeldern liefert [X v, X w = 0 für alle v, w R n, d.h. lr n ist der Vektorraum R n mit der Nullabbildung als Lieklammer. Ist v R n, so ist die Integralkurve von X v durch einen Punkt a R n offenbar γ v at) = a + tv, also wird in den Bezeichnungen von Satz 12 Ev, a, t) = a + tv a+p für alle v R n = lr n, a R n, t R. Als Exponentialabbildung ergibt sich expv) = Ev, 0, 1) = v, d.h. die Exponentialabbildung ist die Identität. Als ein zweites Beispiel wollen wir die Matrixgruppe G = GL n R behandeln. Den Tangentialraum T 1 GL n R können wir mit dem Vektorraum R n n identifizieren. Ist A R n n eine n n Matrix, so bezeichne X A das linksinvariante Vektorfeld auf GL n R mit X1 A = A. Schreiben wir die Standardkoordinaten auf R n n als r ij 1 i, j n), so ist explizit für jedes B GL n R X A B = dl B ) 1 A = BA = 1 i,j n [ B ik A kj k=1 r ij, B also X A = 1 i,j n C A ij r ij mit C A ij := A kj r ik für 1 i, j n. k=1 Seien A, B R n n. Zur Berechnung der Lieklammer [X A, X B ziehen wir unsere explizite Formel für die Lieklammer in lokalen Koordinaten heran. Wir erhalten [X A, X B = [ ) C B Ckl A ij C Ckl B ij A, r kl r kl r ij 1 i,j n 1 k,l n 20-7
8 und für 1 i, j n berechnet sich der Koeffizient zu 1 k,l n C B Ckl A ij r kl = C A Ckl B ij r kl ) = 1 k,l n ) Blj Cil A A lj Cil B = l=1 = δik B lj C A kl δ ik A lj C B kl) 1 k,l n A kl B lj r ik B kl A lj r ik ) ) A kl B lj B kl A lj ) r ik = k=1 l=1 k=1 [A, B kj r ik = C [A,B ij. Insgesamt ist damit [X A, X B = 1 i,j n C [A,B ij = X [A,B. r ij Die Liealgebra lgl n R können wir also über A X A mit der Liealgebra gl n R = R n n, [, ) identifizieren, und in diesem Sinne stimmt sie mit der Liealgebra der Matrixgruppe GL n R gemäß 2 überein. Wir werden bald einsehen das dies für alle Matrixgruppen gilt. Wir wollen jetzt noch die Exponentialabbildung für G = GL n R im Sinne des Satz 12d berechnen, und einsehen das diese mit der Exponentialabbildung für Matrizen aus 1 übereinstimmt. Sei also A R n n gegeben. Nach Satz 11.b) ist die Integralkurve φ von X A durch 1 eine Einparameteruntergruppe von GL n R mit φ 0) = X1 A = A. Mit 1.Satz 10.b) folgt φt) = e ta für alle t R. Ist allgemein γ die Integralkurve von X A durch eine Matrix B GL n R, so ergibt Satz 11.c) auch γt) = Xt A B = Bφt) = Be ta für alle t R. Als charakteristische Funktion erhalten wir EA, B, t) = Be ta A R n n = lgl n R, B GL n R, t R), und die Exponentialabbildung ergibt sich als expa) = EA, 1, 1) = e A für alle A R n n. 20-8
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