Arzneimittel in der Schwangerschaft

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1 Regionale Fortbildungsveranstaltung der LAK Hessen in Kassel am 09. Oktober 2014 Arzneimittel in der Schwangerschaft Referentin: Katja Behrens, Frankfurt 1

2 Gliederung 1. Arzneimittelkonsum 2. Arzneimitteleinwirkung 3. Richtlinien für die Arzneimitteltherapie Indikation und Therapie 5. Informationsquellen 2

3 1. Arzneimittelkonsum in der Schwanger schaft Nur 10-20% aller Schwangeren nehmen kein Arzneimittel ein. Einnahme der meisten Medikamente im ersten Trimenon (40 65%). Die Einnahme von Arzneimittel wegen präexistenter Erkrankungen macht nur einen geringen Prozentsatz aus. Nur etwa 30% der von Schwangeren eingenommenen Arzneimittel werden ärztlich verordnet. 3

4 Entwicklungsphasen der Schwangerschaft: 2. Arzneimitteleinwirkungen Gametogenese Blastenphase (1. bis 17. Tag nach der Konzeption) Alles- oder Nichts-Gesetz Embryonalphase (18. bis 55. Tag nach der Konzeption) Fehlbildungen Fetalphase (56. Tag nach der Konzeption bis zur Geburt) funktionelle Störungen 4

5 Empfehlungen: 3. Richtlinien für die Arzneimitteltherapie Arzneimitteleinnahme nur, wenn unbedingt erforderlich vitale Indikation der Schwangeren hat Vorrang Schädigung des Föten durch Erkrankung der Mutter möglich Besondere Zurückhaltung im 1.Trimenon Bevorzugung von altbewährte Arzneimittel und Monopräparate Grundsätze der Dosierung beachten: so kurz wie möglich so lang wie nötig so niedrig wie möglich so hoch wie nötig 5

6 3. Richtlinien für die Arzneimitteltherapie Die Empfehlung von Arzneimitteln in der Schwangerschaft sollte immer unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte erfolgen, da nie mit absoluter Gewissheit gesagt werden kann, dass ein Arzneimittel unschädlich ist! 6

7 Therapievorschläge zu schwangerschaftsbedingten und allgemeinen 7

8 Schwangerschaftsbedingte : Zahnfleischentzündungen Sodbrennen Übelkeit und Erbrechen Verstopfung Hämorrhoiden Krampfadern Schlafstörungen 8

9 Erkrankungen des Zahnfleisches und der Zähne (Gingivitis, Gingivahyperplasie, Karies) Physiologische Veränderungen: meist verminderter Speichelfluss veränderte Zusammensetzung des Speichels allgemeine Weitstellung der Gefäße, verstärkte Durchblutung und gesteigerte Permeabilität aufgrund hormoneller Umstellungen Anschwellen des Zahnfleisches 9

10 Erkrankungen des Zahnfleisches und der Zähne (Gingivitis, Gingivahyperplasie, Karies) Allgemeine Maßnahmen: Sorgfältige Mundhygiene Zweimal während der Schwangerschaft zur zahnärztlichen Vorsorgeuntersuchung Mundbalsam WALA WalaVita Mundwasser 10

11 Erkrankungen des Zahnfleisches und der Zähne (Gingivitis, Gingivahyperplasie, Karies) Therapeutische Maßnahmen (1): Zum Spülen und Pinseln sind Mund- und Rachentherapeutika mit Pflanzenextrakte, z.b. Kamille, Myrrhe, Pharmaka mit adstringierender und/oder antiseptischer Wirkung, 3% Wasserstoffperoxid-Lösung Kontraindikation: jodhaltige Betaisodona Mundantiseptikum 11

12 Sodbrennen Ursachen: Verlagerung des Magens durch die Vergrößerung des Uterus im letzten Trimenon Minderung von Tonus und Motilität der glatten Muskulatur aufgrund des Progesterons Abnahme des Drucks in der Speiseröhre, vor allem im Bereich des unteren Ösophagussphingters 12

13 Sodbrennen Allgemeine Maßnahmen: häufige kleine Mahlzeiten nach dem Essen nicht hinlegen mit erhöhtem Oberkörper schlafen möglichst keine enge Kleidung tragen und nicht bücken auslösende Faktoren meiden, wie scharf gewürzte Speisen, Schokolade, Alkohol, Nikotin und Kaffee, Mineralwasser mit viel Kohlensäure 2-3 bis zum geschmacklosen Brei gekaute Mandeln schlucken 13

14 Sodbrennen Therapeutische Maßnahmen(1): Antireflux-Medikament : Gaviscon Advance Antazida (kurzfristiger Einsatz): Magaldrat - Riopan Hydrotalcid - Talcid Algedrat - Maaloxan Mg-Ca-Carbonate - Rennie Alle Antazida werden zu einem geringen Teil resorbiert und passieren die Plazenta. 14

15 Sodbrennen Therapeutische Maßnahmen (2): Robinia comp. (WALA) Iris versicolor D6 Robiana pseudacasia D6 Capsicum D6 Nux Vomica D6 15

16 Übelkeit und Erbrechen Mögliche Ursachen: Anpassungsschwierigkeiten an die hormonelle Umstellung Vitamin B6 Mangel Gesteigerte Geruchsempfindlichkeit Niedrigere Reizschwelle des Brechzentrums Genetische Prädisposition 16

17 Übelkeit, Erbrechen Allgemeine Maßnahmen: mehrere kleine Mahlzeiten in kurzen Abständen auf fettreiches Essen verzichten Eine Kleinigkeit noch im Bett liegend einnehmen noch vor dem Aufstehen eine Tasse Ingwertee trinken viel Ruhe gönnen Spaziergänge an der frischen Luft Alternative Therapien, wie Akupunktur, Akupressur, auch Hypnose 17

18 Übelkeit, Erbrechen Therapeutische Maßnahmen (1): H1-Antihistaminika: Dimenhydrinat - Vomex A Cave: 3. Trimenon Pyridoxin Nausema Ingwerwurzel - Zintona 18

19 Übelkeit, Erbrechen Therapeutische Maßnahmen (2): Homöopatika: Gentiana Magen Globuli (WALA) Nux Vomica D 12 Ipecacuanha D6 Sepia D12 Tabacum D12 Colchicum D12 19

20 Verstopfung Ursachen: Die relaxierende Wirkung des Progesterons auf die glatte Muskulatur Größenzunahme des Uterus Schwäche der Bauchmuskulatur und des Beckenbodens Verstärkte Wasser- und Elekrolyt- Resorption im Colon 20

21 Verstopfung Allgemeine Maßnahmen: regelmäßige körperliche Bewegung, natürlich soweit vertretbar ballaststoffreiche Kost bevorzugen ausreichend Flüssigkeit über den Tag verteilt trinken morgens, auf nüchternen Magen ein Glas lauwarmes Wasser trinken 21

22 Verstopfung Therapeutische Maßnahmen: Mittel der Wahl: - Flohsamen Flosa, Mukofalk - Leinsamen - Linusit - Weizenkleie Lactulose Bifiteral Macrogol Laxofalk Bisacodyl - Dulcolax (kurzfristiger Einsatz) Lycopodium comp. Glob. Vetalis Nux vomica D12 22

23 Hämorrhoiden Ursachen: Aufgrund hormoneller Veränderungen vermehrte Blutfüllung und Stauungen im Bereich des Plexus hämorrhoidalis Hämorrhoidenbildung durch die Verstopfung und den nachlassenden Sphingtertonus unterstützt 23

24 Hämorrhoiden Allgemeine Maßnahmen: Stuhlregulierung mit ballaststoffreicher Ernährung Ausreichend trinken Regelmäßige Bewegung Sorgfältige Analtoilette mit Feuchttüchern Lauwarme Waschungen und Sitzbäder, z.b. mit Kamillosan oder Quercus Essenz (WALA) Beckenbodengymnastik Stuhldrang nachgeben Keine starke Bauchpresse 24

25 Hämorrhoiden Therapeutische Maßnahmen: Posterisan protect Hamamelis 10% Salbe Quercus Salbe und Quercus Hämorrhoidalzäpfchen (WALA) Collinsonia canadensis D4 Aesculus D6 25

26 Krampfadern Physiologische Veränderungen: Erhöhte Dehnbarkeit der Venen Hohe Rate an Venenklappeninsuffizienzen Verschlechterung der venösen Drainagefunktion 26

27 Krampfadern Beschwerden: Müdigkeit in den Beinen Schweregefühl Geschwollene Beine Nächtliche Rastlosigkeit Spannungsgefühl Wadenkrämpfe Arzt aufsuchen bei: Starken Schmerzen der Krampfadern, Gerötete oder marmorierter Farbveränderungen Starkes Anschwellen eines Beines 27

28 Krampfadern Allgemeine Maßnahmen: Tragen von flachen Schuhen Übereinanderschlagen der Beine vermeiden langes Stehen vermeiden möglichst viel die Beine bewegen regelmäßig die Beine hoch lagern Bettende um 15 cm hochstellen Kalte und warme Waden- und Schenkelgüsse 28

29 Krampfadern Therapeutische Maßnahmen: Tragen von Kompressionsstrümpfen mit geschlossener elastischer Ferse bzw. Kompressionsstrumpfhosen nach Maß Lokale Anwendung von Salben oder Gelen, z.b. Venoruton - Heparin-Natrium Venadoron Weleda Aesculus D6 Hamamelis virgiana D6 Arnica D6 29

30 Wadenkrämpfe Therapeutische Maßnahmen: Magnesium Präparate Magnesium phosphoricum comp. 3 x tgl. 10 Globuli Cuprum metallicum D6 3-4 x tgl. 1 Tbl. im Mund zergehen lassen bei Wadenkrämpfen Äußerliche Anwendung: Kupfer Salbe rot (WALA) 30

31 Schlafstörungen Ursachen: Zentrale Ursachen, z.b. Ängste, persönliche Sorgen, Stress, Periphere Ursachen, z.b. Rückenschmerzen, schmerzhafte Bewegungen des Föten, hoch stehender Fundus, der die Atmung behindert Ungesunde Lebensführung, z.b. opulente Mahlzeit spät abends, Reizüberflutung vor dem Schlafengehen 31

32 Schlafstörungen Allgemeine Maßnahmen: Ursache ergründen und beheben Schlafritual angewöhnen Ausgewogene Lebensweise Entspannungsbad mit Lavendel oder Heublumen Fußbad und Einreibung mit Lavendel Kalt abduschen und feucht ins Bett packen Entspannungsübungen, Yoga 32

33 Schlafstörungen Therapeutische Maßnahmen(1): allgemeine Maßnahmen bevorzugen Dauermedikation kontraindiziert Antihistaminika mit sedierenden Eigenschaften Cave: hohe Dosen führen zur Atemdepression beim Kind nach der Geburt Pflanzliche Präparate nur wenig untersucht 33

34 Schlafstörungen Therapeutische Maßnahmen(2): H1 Antihistaminika - nur zur kurzfristigen Therapie : Doxylamin Gittalun, Hoggar Aconitum D 6 Coffea D6 Cocculus D6 Valeriana comp. Glob. Passiflora comp, Passiflora Nerventonikum 34

35 Allgemeine : Schmerzen Erkältung Allergie Durchfall Herpes simplex Typ 1 Pilzinfektion 35

36 Schmerzen Ursache erkennen und behandeln In der Spätschwangerschaft gelten Kopfschmerzen oft als wichtiges Warnsymptom Migräne in der Schwangerschaft ist sehr selten Monopräparate bevorzugen Auftragen von Minzöl auf Schläfen oder Stirn 36

37 Schmerzen Therapeutische Maßnahmen: Mittel der Wahl: - Paracetamol - Ibuprofen cave: nur bis SSW 28 Mittel der zweiten Wahl: Acetylsalicylsäure cave: nicht mehr ab SSW 28 37

38 Erkältungserkrankungen Physiologische Veränderungen Rötung und Schwellung der Schleimhäute von Nase, Rachen, Kehlkopf, Luftröhre und Bronchien Behinderung der Nasenatmung Qualitative Veränderungen der Geruchsund Geschmackswahrnehmung 38

39 Rhinologika Therapeutische Maßnahmen Lokale Sympathomimetika: kurzzeitig, in therapeutischer Dosierung Oxymetazolin - Nasivin Xylometazolin - Olynth, Otriven Meersalz- oder Kochsalzsprays Mar plus, Rhinomer, Rhinopret Emser Nasendusche 39

40 Antitussiva Therapeutische Maßnahmen: Dextromethorphan Silomat DMP Lutschpastillen Cave: Nur unter strenger Indikation während der Schwangerschaft verwenden! Isla moos Ipalat 40

41 Expektorantien Therapeutische Maßnahmen Mittel der Wahl: Inhalation mit Wasserdampf, Kamille oder Emser Salz ausreichende Flüssigkeitszufuhr Ambroxol - Mucosolvan ACC - Fluimucil Plantago Bronchialbalsam WALA 41

42 Grippemittel Bekannte Kombinationspräparate sind nicht empfehlenswert Monopräparate bevorzugen Symptomatische Therapie - falls notwendig - durchführen 42

43 Allergie Allgemeine Maßnahmen: Allergenkarenz und Allergenentfernung - soweit möglich Bei Pollenallergie Vor dem Schlafengehen Haare waschen Getragene Kleidung nicht im Schlafzimmer aufbewahren Wäsche nicht im Freien trocknen Lüften mit System 43

44 Allergie Therapeutische Maßnahmen zur lokalen Anwendung: Cromoglicinsäure - Vividrin Augentropfen und Nasenspray Euphrasia AT 1 2x tägl. Emser Salz Nasenspülung 44

45 Allergie Therapeutische Maßnahmen zur systemischen Anwendung: Neuere H1-Antihistaminika z.b. - Loratadin - Lorano - Cetirizin Zyrtec Ältere H1-Antihistaminika z.b. - Dimetinden Fenistil - Clemastin - Tavegil 45

46 Durchfall Therapeutische Maßnahmen: Elotrans Kohle Compretten Mutaflor - E.coli Ipecacuanha D6 46

47 Herpes simplex Typ 1 Therapeutische Maßnahmen: Aciclovir - Zovirax Lippencreme Lomaherpan Lippencreme Natrium chloratum D 6 Dosierung: alle ½ Stunde 1 Tbl. im Mund zergehen lassen, max 12 Tbl. 47

48 Pilzinfektion Therapeutische Maßnahmen: Vaginale, lokale Anwendung: - Nystatin - Adiclair - Clotrimazol - Canesten Cave: nur bei gesicherter Diagnose lokale Anwendung: - Nystatin - Adiclair - Clotrimazol Canesten nur falls nicht wirksam: - Ketoconazol - Nizoral 48

49 Präparate in der Selbstmedikation: Fazit: medikamentöse Therapie nur, wenn die allgemeinen Maßnahmen ausgeschöpft sind ernsthafte Erkrankungen durch eine ärztliche Diagnose ausgeschlossenen wurden Pflanzliche Präparate gelten nicht per se als ungefährlich! Bei homöopatischen Präparaten hat sich besonders die Potenz D12 bewährt. 49

50 5. Beratungsstellen in Deutschland Beratungsstelle für Embryonaltoxikologie Spandauer Damm 130 Haus Berlin Tel. 030/ Fax 030/ Internet: Institut für Reproduktionstoxikologie, Medikamentenberatung in der Schwangerschaft Elisabethenstrasse Ravensburg Tel. 0751/ Fax 0751/ Internet: 50

51 5. Quellennachweis C.Schaefer, H.Spielmann, K.Vetter: Arzneiverordnung in Schwangerschaft und Stillzeit, Urban&Fischer-Verlag 2006 E. Mutschler: Arzneimittelwirkungen, WVG 2008 Kleinebrecht, Fränz, Windorfer: Arzneimittel in der Schwangerschaft und Stillzeit, WVG 1999 G. Grospietsch: Erkrankungen in der Schwangerschaft, WVG 2004 WALA: Hebammenkompendium, 2007 I. Stadelmann: Die Hebammensprechstunde B. Laue: Ich bin schwanger: Natürlich pflegen und heilen, rororo-verlag 2002 M. Wiesenauer, A. Böes: Homöopathie für die ganze Familie, Hirzel-Verlag N. Lichtmaneker: Arzneimittelempfehlungen in der Schwangerschaft, Govi-Verlag, 2013 Rote Liste

52 Erkenntnisse in der Medizin unterliegen einem stetigen Wandel durch Forschung und klinischer Erfahrung. Die Angaben entsprechen dem derzeitigen Wissensstand. Die Zusammenstellung der Medikamente enthält keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Beurteilung der Präparate sowie die Einteilung nach Mitteln der Wahl wurden den angegebenen Literaturquellen entnommen. 52

53 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit 53