Neue technische Trends und alte Probleme
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- Vincent Bader
- vor 8 Jahren
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1 Informations- und Kommunikationstechnik: Neue technische Trends und alte Probleme Johannes B. Huber Lehrstuhl für Informationsübertragung 29. November 2006 Fraunhoferinstitut für Integrierte Schaltungen Erlangen 1
2 Beispiele aktueller technischer Entwicklungen hin zu umfassenderen, bunteren, vielfältigeren, schnelleren, billigeren virtuellen Welten a) Datenkompression b) drahtlose digitale Übertragung c) DSL zur Anbindung ans Breitbandnetz d) digitale Übertragung über Lichtwellenleiter 2
3 Datenkompression Audiosignalcodierung: Von Stereo- über Mehrkanalübertragung zur Schallfeldsynthese ohne nennenswerte Erhöhung des Datenflusses Richtwert: ca. 17,5 Stunden Musik / Gbyte Speicher gesamtes Werk von Ludwig van Beethoven auf einer Speicherkarte gesamte Wiener Klassik auf einer Blue Ray Disc (54 Gbyte) 7500 Audio-CDs auf einer Festplatte (500 GByte) 3
4 Datenkompression Videosignalcodierung: von PAL über HDTV zur Lichtfeldsynthese Richtwert: ca. 1 Stunde Video (PAL-Qualität) / Gbyte Speicher 2,5 Tage (a 24 h) Video auf einer Blue Ray Disc Kompression von Texten (reine Texte, ohne Bilder oder Graphiken) Richtwert: 1,6 bit / Schriftzeichen entspricht 1000 Byte / Buchseite ( zu je 5000 Buchstaben) 1 Million Textseiten / Gbyte Speicher Buch mit 50 m Dicke / Gbyte Speicher 8000 Bücher (je 2,5 cm dick) auf einer Speicherkarte Bücher auf einer Blue Ray Disc Bücher auf eine Festplatte (25 km Buchregal) 4
5 MIMO-Technik Mehrfachantennentechnik in der drahtlosen Datenübertragung Problem: Frequenzbänder, die sich für die drahtlose digitale Übertragung eignen, sind aufgrund physikalischer Randbedingungen begrenzt. Lösung: Steigerung der spektralen Effizienz digitaler Übertragungsverfahren spektrale Effizienz = Datengeschwindigkeit Frequenzbandbreite bit/s Hz bisher 6 Neu: Mehrfachantennentechnik Nutzung des Raumes Empfänger Entzerrungsverfahren Sender Vorverzerrungsverfahren 5
6 MIMO-Technik Mehrfachkanaltechnik in der drahtlosen Datenübertragung Steigerung der spektralen Effizienz mit Zahl der Antennen spektrale Effizienz bis 40 bit/s Hz demnächst erreichbar! Beispiel: Wireless LAN mit Übertragungsgeschwindigkeit von 2 Gbit/s ( 500 Bücher je Sekunde) 6
7 DSL- Technik Digital Subscriber Line (DSL-) Technik zur Anbindung der Teilnehmer an die Datenautobahn Subscriber Lines: Anschlussleitungen von der Vermittlungsstelle zu den einzelnen Teilnehmern viele verdrillte Kupfer-Zweidrahtleitungen im Kabel zur analogen Übertragung je eines Telefongesprächs Nutzbarmachung zur schnellen digitalen Übertragung mittels hochkomplexen Übertragungs- und Entzerrungsverfahren: derzeit ADSL 2 + bis ca. 16 Mbit/s bei 2 km Distanz entspricht ca parallelen Telefongesprächen VDSL 2 bis ca. 35 Mbit/s bei 300 m Distanz Sender Sender Empfänger verdrilltes Leiterpaar Empfänger Empfänger Sender Nebensprechen begrenzt die Datengeschwindigkeit 7
8 Neuer Ansatz für DSL Vielpaarige Kabel werden wie Mehrfachantennensystem behandelt Koordinierte Übertragung Gemeinsame Sender und Empfänger Gemeinsame Sender und Empfänger Nebensprechen hilft zur Steigerung der Datengeschwindigkeit Derzeitige Ziele: ADSL bis 40 Mbit/s bis 2 km Distanz VDSL bis 100 Mbit/s bis 300 m Distanz 8
9 Digitale Übertragung über Lichtwellenleiter Die optische Datenübertragung bildet das Rückgrat (Backbone) der digitalen Kommunikationsnetze, derzeit üblich 10 bis 40 Gbit/s über Distanzen von 200 km und mehr. Künftig: Optische Mehrträgerübertragungsverfahren: Licht unterschiedlicher Farben für die parallele Vielfachnutzung eines einzigen Lichtwellenleiters Experimentalsystem: 12,5 Tbit/s = Gbit/s über 250 km Distanz über eine einzige Glasfaser 1,6 Milliarden Telefonverbindungen 1 Million ADSL Anschlüsse 2,5 Millionen Bücher/s oder 62,5 km Bibliotheksregal 3 Jahre Musik/s oder 97 Millionen parallele Musikkanäle 72 Tage Video/s oder 5 Millionen parallele Fernsehkanäle 9
10 Alte Probleme Anwendungsmöglichkeiten von Technik sind ambivalent: zum Nutzen/zum Schaden allein von der Zielsetzung des Anwenders abhängig. Die Nutzung von Technik ist durch deren Schöpfer (Naturwissenschaftler und Techniker) nicht steuerbar: Durch neue Technik ausgelöste Entwicklungen sind kaum vorhersagbar. Naturwissenschaftler und Techniker sind nur allzu oft willfährige Werkzeuge für die Geschäfte anderer. Negativer Trend: Ingenieur und Techniker, die sich Gedanken zu Technikfolgen machen, sind bedauerlicherweise eher auf dem Rückzug als auf dem Vormarsch. 10
11 Alte Probleme Leider zeigen weite Teile der Menschheit kaum hinreichende Reife zum verantwortungsvollen Umgang mit immer leistungsfähigerer Technik, denn: Die psychosoziale Grundposition der Menschen hat sich seit ihrem Auftreten in vereinzelten, nomadisierenden, wechselseitig verfeindeten Sippen von Jägern und Sammlern leider kaum verändert, z.b.: Der Urtrieb des Sammlers erzeugt ein einseitiges Wertesystem, das zu einer umfassenden Optimierung der Lebensumstände vielfach in Widerspruch steht: Geld anhäufen, und das um jeden Preis Der in vereinzelten Sippen lebende Nomade ist zu einer Berücksichtigung übergeordneter, vernetzter Gesichtspunkte in seinen Handlungen kaum fähig. Überwindung dieser Grunddisposition durch Kultur Hochtechnologie verlangt höchste kulturelle Entwicklung ihrer Nutzer 11
12 Informations- und Kommunikationstechnik bietet nahezu ideale Plattformen für eine positive kulturelle Fortentwicklung der Gesellschaft als effizienter Zugang zu Bildungsinhalten kulturellen Angeboten für alle Bevölkerungsschichten immer billiger (keine sozialen Hürden des Zugangs) es steht hinreichend Zeit zur Nutzung zur Verfügung Zugangsschwelle: Kompliziertheit der Bedienung (Handlungsbedarf!) I + K: könnte ein höchst wirksamer Impulsgeber der/einer positiven gesellschaftlichen Entwicklung sein! Ambivalenz: Abgründe des Missbrauchs wie kaum in einem anderen technischen Bereich 12
13 Neue Probleme (Multi-) Mediale Angebote entstehen weitgehend in rechtsfreien Räumen: Medien = Internationalität Macht der Anbieter ( Telekratie ) Machtkonzentration bei einigen Medienzaren Saban, Murdoch, Berlusconi Das Ringen um die Kunden löst leider kulturelle Abwärtsspiralen aus: Je mehr Kanäle, desto dümmer die Programme Neues Prekariat mit unabsehbaren sozialen Folgen Aufklaffende Schere zwischen kulturellen Anforderungen an Menschen im technischen Umfeld und der gesellschaftlicher Realität! Gefahren für unsere demokratische Grundordnung: Mehrheitsentscheidungen medienmanipulierter Massen? Sinkende Akzeptanz von Mehrheitsentscheidungen durch manipulationsresistente Bildungsschicht? 13
14 Neue Probleme Geräte im eigenen Zimmer von 10 Jährigen nach Geschlecht nach Region Bildungsniveau der Eltern Mädchen 15,6 31,7 Süddeutsche Städte 21,4 34,5 hoch 11, ,6 30, ,3 mittel 31,1 40,5 39,1 43,1 Jungen 38,1 41,8 Norddeutsche Städte 31,3 42 gering 42,3 42,7 57, Eigener Fernseher Eigene Playstation Eigener PC Quelle: Thomas Mößle, Matthias Kleiman, Florian Rehbein, Christian Pfeiffer: Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen. Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, Heft 3/
15 Neue Probleme Abweichung der Schulnoten in Deutsch, Sachkunde und Mathematik vom Klassendurchschnitt nach Gerätebesitz und Medienzeiten Schulnoten nach Gerätebesitz Fernsehzeiten PC-/Videospielzeiten 0,4 0,2 keine Konsole und kein TV im Zimmer Konsole und TV im Zimmer 0,4 0,2 Wenigseher Normalseher Vielseher 0,4 0,2 Nicht- und Wenigspieler Vielspieler 0 Deutsch Sachkunde Mathe 0 Deutsch Sachkunde Mathe 0 Deutsch Sachkunde Mathe -0,2-0,2-0,2-0,4-0,4-0,4 Quelle: Thomas Mößle, Matthias Kleiman, Florian Rehbein, Christian Pfeiffer: Mediennutzung, Schulerfolg, Jugendgewalt und die Krise der Jungen. Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe, Heft 3/
16 Neue Probleme 10 Jährige in deutschen Städten verbringen im Durchschnitt mehr Zeit vor Fernseher, PC oder Playstation (1430 h/a) als im Schulunterricht (1140 h/a) Die virtuelle Realität ist bereits reale Realität Medienkonsum birgt ungeheures Suchtpotenzial Horror macht erwiesenermaßen dumm 16
17 Zusammenfassung Eine von moderner Technik geprägte Welt erfordert zwingend kulturell hoch entwickelte Gesellschaften mit hoher Bildung. Von Informations- und Kommunikationstechnik geht großer und weiter stark zunehmender Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen aus. Informations- und Kommunikationstechnik könn(t)en enorm zu positiven gesellschaftlichen Entwicklungen durch Bildungs- und Kulturangebote beitragen. Die derzeitige Situation erfordert aber gewaltige Anstrengungen aller gesellschaftlich relevanten Gruppen (Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, usw.), um letztlich für alle Bevölkerungsschichten überwiegend positive Impulse zu erreichen. Enttabuisierung des Machtmissbrauchs von Medienanbietern Enttabuisierung der Suchtgefahren Anwendung bestehender Gesetze (vgl. Artikel 111a Bay. Verfassung) Stärkung unabhängiger, tatsächlich nicht kommerziell orientierter, Anbieter 17
18 Zusammenfassung Medienerziehung muss vorrangiges Bildungsziel werden, am besten transportiert mit I + K Technik! Maßgebliche Stärkung interdisziplinärer Zusammenarbeit von Geistes- und Natur-Ingenieurwissenschaften Ingenieure haben sich weit mehr ethischen Fragen zu stellen aber auch Geisteswissenschaftler haben sich weit mehr mit Technik und deren Weiterentwicklung zu befassen. Positive Impulse durch agieren im Vorfeld, nicht nur reagieren auf kaum noch beeinflussbare Fehlentwicklungen. 18
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