Theodor-Wanner-Preis des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Jacques Delors
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- Nadja Acker
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1 Theodor-Wanner-Preis 2011 des Instituts für Auslandsbeziehungen (ifa) Jacques Delors
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3 Laudatio anlässlich der Verleihung des Theodor-Wanner-Preises 2011 an JACQUES DELORS von Hans-Dietrich Genscher, Bundesminister a.d. ~ es gilt das gesprochene Wort ~ [ ] Lieber Jaques Delors, es gibt Ereignisse, die man Verantwortung. Wir Deutschen dürfen dabei nie ver- wiederhole es auch heute: Gäbe es einen Kommandeur Als Jacques Delors 1985 die Präsidentschaft der Euro- nicht vergisst. Zu solchen Ereignissen gehört für gessen, dass wir für einen Alleingang in Europa zu dieser Garde des Fortschritts, so wäre dafür niemand päischen Kommission übernahm, ging es um den mich ein Anruf, den ich im Herbst 1989 aus Brüssel groß sind für die innere Ausgewogenheit des Konti- besser geeignet, als eben Jacques Delors. Ver such der Europäischen Gemeinschaft, die lange erhielt. Am Apparat war der Präsident der Europäi- nents, aber das wir zu klein sind für einen Alleingang genug stagniert hatte, einen neuen Impuls, eine neue schen Kommission, Jacques Delors. Er kam mit einer in der Welt. Es mag sonderbar klingen, aber es ist Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist Dynamik zu geben. Große Vertragswerke mussten ganz einfachen klaren Frage, so wie es seine Art ist, geschichtliche Erfahrung: Das größte Land in Europa der Mann, der uns heute zusammenführt, weil wir vorbereitet werden. [ ] Das klingt nüchtern, es klingt ohne Umschweife. Die Frage lautete: Hans-Dietrich, ist das Land, das am meisten auf die Einheit Europas ihn ehren wollen durch die Verleihung des Theodor- wie ein eher geschäftsmäßiger Vorgang. In Wahrheit bekommen wir ein dreizehntes Mitglied der Europäi- angewiesen ist. Wanner-Preises. Die Aufgabe, dabei zu sprechen, habe war es eine revolutionäre Entwicklung und im Kern schen Gemeinschaft? Die Europäische Gemeinschaft ich besonders gern übernommen: Und das aus einem dieser Entwicklung stand ein Mann, der Hirn, Herz umfasste damals zwölf Mitglieder. Mit der Frage war Jacques Delors hat das immer gewusst. Sein tiefes Gefühl tiefer Dankbarkeit für seine Haltung, den tiefs- und Motor eines neuen großen Schrittes nach vorn in die DDR gemeint. Meine Antwort war ebenso kurz und europäisches Bewusstsein ließ ihn damals zeitlich ten und inneren Wünschen unseres Volkes in entschei- der europäischen Einigung wurde. Das Delors-Paket, bündig: Wir bekommen kein dreizehntes Mitglied; gesehen übrigens vor vielen Deutschen erkennen, die dender Stunde gerecht zu werden, aus großem Respekt besser gesagt, das Delorssche Dreierpaket bestand aus doch eines von den zwölf wird größer. Die Rückant- Geschichte pocht an die europäische Tür und an das vor dem Manne, der zum Architekten und Baumeister Einheitlicher Europäischer Akte, Binnenmarkt und wort war auch klar: Verstanden. deutsche Tor. [ ] des neuen Europa wurde. Finanzpaket. [ ] Jacques Delors wurde zum Inbegriff des Einigers Europas. [ ] Er wusste, wie töricht die Noch stand die Mauer in Berlin. Und, meine Damen Am Abend des Tages an dem Jacques Delors mich Überall in den Mitgliedstaaten, das müssen wir These ist vom Ende der Geschichte nach dem Fall der und Herren, in Deutschland beobachtete man ganz angerufen hatte, habe ich noch lange über diesen An - mit Bitterkeit registrieren, treten heute Menschen auf Mauer. Vielleicht könnte man heute sagen: Die Weltge- über wiegend die Vorgänge auf den Straßen der DDR ruf nachgedacht. Es ist wahr: Über die Jahre seit Grün- den Plan, die mit kurzsichtigem und egoistischem, die schichte in dem Sinne der Geschichte unserer immer mit großer Anteilnahme, hochengagiert und mit vie- dung der Europäischen Gemeinschaft haben viele mit durch und durch altem Denken entschlossen oder enger zusammenwachsenden Welt ging damals erst len Hoffnungen. Aber die meisten dachten doch in bedeutende und auch herausragende Persönlichkeiten doch zumindest bereit sind, alles aufs Spiel zu setzen, richtig los. Das heißt, Weltgeschichte verstanden als längeren Zeiträumen. Jacques Delors, der Franzose an an der Spitze der Europäischen Kommission gestanden. was nach den bitteren Erfahrungen der europäischen Gestaltungsaufgabe für eine ganze Welt der Koopera- der Spitze der Europäischen Kommission, er hatte die Die Präsidenten eben. Aber Jacques Delors wurde an Bruderkriege des 19. Jahrhunderts und nach der Nacht tion auf der Grundlage der Gleichberechtigung und Zeichen der Zeit erkannt. Nicht irgendwann, sondern diesem Abend für mich der Präsident der Präsidenten. des deutschen Faschismus im 20. Jahrhunderts neu der Ebenbürtigkeit, mit dem großen Ziel eine Welt- jetzt entscheidet sich das Schicksal Deutschlands und Das galt damals, das gilt heute und für mich wird das geschaffen werden könnte. Es gilt nicht nur, das mit ordnung zu schaffen, die alle Menschen als gerecht das Schicksal Europas. Er sah das mit Sympathie, mit immer so sein, lieber Freund. aller Kraft zu verteidigen, sondern fortzuführen, um das empfinden werden können. Solches Verständnis duldet Hoffnung und mit Zustimmung. Und auch das war Haus Europa für die Zukunft einzurichten. Es geht um keinen Anspruch auf Vorherrschaft. nicht überall so. Manche unserer Nachbarn und das [ ] Wer Jacques Delors erlebt in der täglichen die Zukunft unserer Kinder. Es geht um den Platz, den So gesehen ist eine der Voraussetzungen für eine in West und Ost stellten sich die Frage: Was werden Arbeit, bei tiefgründigen Debatten, bei leidenschaft- Europa in einer neuen Weltordnung einnimmt. [ ] Zum friedliche und kooperative Weltordnung der Zukunft die Deutschen anfangen mit ihrer Vereinigung, wenn lichen Auseinandersetzungen wird zu dem Ergebnis kostbaren Erbe der europäischen Freiheitsrevolution die Einsicht, dass das bipolare und nukleare Kondomi- sie denn jetzt so zum Greifen nahe ist? kommen: Die hohen Anforderungen, die er, Jacques von 1989 gehört auch die Erkenntnis, dass die Völker nium der USA und der Sowjetunion mit dem Zusam- Delors an den Begriff der Avantgarde stellt, treffen auf Europas sich niemals in ihrer Geschichte so nah waren menbruch der Sowjetunion nicht in eine unipolare [ ] Das Deutschland in der Mitte Europas; das Land niemanden besser zu als auf ihn selbst. Und weil das so in ihren Wünschen und Hoffnungen, in ihren Sorgen auf Washington fokussierte Weltordnung einmünden mit den meisten Nachbarn; das Land, das, von dem ist, scheue ich mich nicht, mich selbst zu zitieren aus und ihren Sehnsüchten, wie in jenen Herbsttagen würde. Heute wird ernsthaft nicht mehr in Zweifel euro-asiatischen Russland abgesehen, das größte Land einer Rede, die ich bei anderer Gelegenheit zu seinen Auch das verpflichtet zu aktivem Handeln, gegen Resig- gezogen, dass eine multipolare Weltordnung das Europas ist, trägt in und für Europa eine besondere Ehren halten durfte. Damals habe ich gesagt und ich nation und gegen neue nationalistische Irrwege. Zukunftsmodell der Welt sein wird.
4 Es ist das bleibende Verdienst von US-Präsident Obama, dass er das bei Beginn seiner Amtszeit mit aller Klarheit zum Ausdruck gebracht hat. Das ist bedeutsam für die gemeinsame Verantwortung der Europäer und der Amerikaner, diesseits und jenseits des Atlantiks diese neue Weltordnung auch als eine gemeinsame Zukunftsvorstellung zu vertreten. [ ] Der Delors-Bericht zu diesen Fragen kommt immer wieder in eindrucksvoller Weise zu der Notwendigkeit, die globalen Herausforderungen im richtigen Verständnis globaler Interdependenz zu bewältigen. Das beginnt mit der Einsicht, dass es in unserer Zeit keine entfernten Gebiete mehr gibt. Dass wir bemüht sein müssen, weltweit Regeln für das Zusammenleben der Völker und Regionen zu schaffen. Das gilt keineswegs nur für die Bewältigung wirtschaftlicher und finanzieller Krisen. Das gilt genauso für die globale Friedenssicherung, die Wahrung der natürlichen Lebensgrundlagen, die uns nicht zur beliebigen Benutzung oder Ausnutzung überlassen sind sie sind uns anvertraut zur pfleglichen Behandlung, zur Sicherung der Lebensgrundlagen künftiger Generationen. Dazu gehört die Bekämpfung von Hunger, Not und Krankheiten, die Bekämpfung von Unwissenheit als Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben überall in der Welt. Wissen macht mündiger und es macht freier. [ ] So können wir heute in Jacques Delors nicht nur den großen Europäer, einen Mann ehren, dem Europa unendlich viel verdankt, der aber der ganzen Welt mit seinem Engagement im Rahmen der UNESCO unendlich viel gegeben hat. Jacques Delors hat nicht nur Europa verändert. Aber er hat dazu beigetragen, dass die Welt sich ändert zum Besseren. Er hätte das wohl alles so nicht tun können, wenn er nicht durch ein hohes Maß von Verantwortung im umfassenden Sinne des Wortes bestimmt wäre. [ ] Meine Damen und Herren, in einer Zeit des Zweifels an Europa ein Zweifel, der nicht Europa selbst gelten kann, sondern der denen gelten muss, die ihrer Verantwortung in Europa, für Europa und gegenüber Europa nicht gerecht werden in einer solchen Zeit geht es um die Zukunft unseres Kontinents in einer neuen Weltordnung. Will man, dass jedes der Völker Europas sich dieser globalen Herausforderung allein stellt? Ein solcher Irrweg muss auf unseren entschiedensten Widerstand stoßen. Europa hat nach dem Zweiten Weltkrieg gezeigt, dass man aus der Geschichte lernen kann. Das ist die Botschaft unseres Kontinents an die Welt. Dieses Wissen, dieses Bewusstsein von der Unabdingbarkeit Europas, die neue Kultur des Zusammenlebens in Europa und die Würde des Menschen, die Würde jedes Menschen, als Maßstab europäischen Handelns zu schaffen das ist es, was die Seele dieses neuen Europas ausmacht. Und dieses Europa, meine Damen und Herren, muss jetzt auch aufbrechen; und auch institutionell die Voraussetzungen schaffen, damit es seine Verantwortung wahrnehmen kann. Ich sage es gerade hier in Anwesenheit dieses großen Europäers. Wir dürfen Europa nicht denen überlassen, die durch Resignation unseren Kontinent zur Destruktion führen. Deshalb ist es so wichtig, in dieser Situation jeden einzelnen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger vor die Entscheidung zu stellen, weniger Europa oder mehr Europa. Für dieses Europa der Zukunft steht ein Mann in besonderer Weise: Das ist unser Preisträger Jacques Delors. [ ]
5 Fotos: Britta Radike; Portrait J. Delors: European Union 2010 PE-EP Theodor-Wanner-Preis Theodor-Wanner-Preisträger 2011 Jacques Delors Seit 2009 verleiht das Institut für Auslandsbeziehungen den Theodor-Wanner-Preis an Personen, die mit ihrem wissenschaftlichen, sozialen, gesellschaftspolitischen, künstlerischen, unternehmerischen oder finanziellen Engagement Herausragendes für den Dialog der Kulturen leisten oder geleistet haben. Seine Verleihung geht auf die Initiative des Fördervereins für das Institut für Auslandsbeziehungen zurück, individuelle und außergewöhnliche Leistungen für den interkulturellen Dialog mit einer feierlichen Preisverleihung zu würdigen und dem Kulturdialog auf diese Weise eine öffentliche Bühne zu geben. Der Förderverein für das ifa stiftet den Preis in Höhe von Euro, die zweckgebunden direkt in ein vom Preisträger ausgewähltes Projekt fließen. Schirmherr des Theodor-Wanner-Preises ist der Bundesaußenminister. Der Theodor-Wanner-Preis erinnert an seinen Namensgeber, auf dessen Initiative 1917 das Deutsche Ausland-Institut (DAI), das heutige ifa, gegründet wurde. Theodor Wanner ( ) hat durch sein besonderes Engagement den Dialog der Kulturen maßgeblich gefördert. Unter anderem wirkte er als Initiator des Süddeutschen Rundfunks und Vorsitzender des Stuttgarter Lindenmuseums. Wanners Lebenswerk beweist, wie wichtig und nachhaltig persönliches Engagement für den Dialog der Kulturen ist. Gerade in Krisenzeiten verwirklichten couragierte Persönlichkeiten richtungsweisende Schritte zum Ausbau der Europäischen Union. Jacques Delors ist einer dieser herausragenden Europäer. Als Präsident der Europäischen Kommission überwand er eine Phase lähmender Stagnation und gab Europa mit dem Vertrag von Maastricht eine neue Perspektive. Der gemeinsame Wirtschafts- und Währungsraum war ihm jedoch nicht nur Zweck, sondern vielmehr Mittel, um die Vision eines Staatsgrenzen und Kulturen übergreifenden solidarischen Friedensprojekts zu verwirklichen. Die Laudatio hielt der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher. Das vom Förderverein des Instituts für Auslandsbeziehungen gestiftete Preisgeld kommt dem von Jacques Delors gegründeten Thinktank Notre Europe zugute, dessen Arbeit die Annäherung der Völker Europas zum Ziel hat. Die Preisverleihung fand am 27. Oktober 2011 in der Allianz Repräsentanz Berlin statt.
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