Weiterbildung als Zukunftsinvestition

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1 Weiterbildung als Zukunftsinvestition 1. Einleitung 2. Vorbemerkung zur Erstausbildung 3. Ausgangspunkt: Unterinvestition 4. Sensible Bereiche 5. Was tun? 6. Kombinationstherapie 7. Woher das Geld nehmen? Nagel-BBB Einleitung Deutschland liegt bei der Bildungsfinanzierung im internationalen Vergleich zurück. Nicht nach dem Maximum fragen, das mit vorgegebenem Budget realisiert werden kann, sondern nach dem Minimum, das für vorgegebene Ziele erforderlich ist! Nicht fragen: Finanziert die Krankenschwester das Studium des Chefarztes? Sondern: Wie viele Akademiker brauchen wir? Nagel-BBB

2 2. Vorbemerkung zur Erstausbildung Im Kindergarten kann am effizientesten in Bildung investiert werden. PISA weist den Weg zum skandinavischen Schulmodell weg von der dreigliedrigen Schule. Duale Berufsausbildung über Fondslösungen erhalten und ausbauen! Effizienz der Hochschulen ohne Studiengebühren steigern! Nagel-BBB Ausgangspunkt: Unterinvestition A Individuelle Unterinvestition Weiterbildungsbeteiligung zu niedrig Problemgruppen B Unterinvestition der Unternehmen C Unterinvestition des Staates Nagel-BBB

3 3 A: Individuelle Unterinvestition Niedrige, zurückgehende Weiterbildungsbeteiligung. Harter Kern von Nie-Teilnehmern an Weiterbildung. Frauen mit Kindern bleiben zu Hause. Migranten bleiben außen vor. Ältere gehen in Frührente bzw. Altersteilzeit. Langzeitarbeitslose resignieren. Arme haben kein Geld für Weiterbildung. Bildungsabbrecher bekommen keine zweite Chance. Anders in Schweden und Finnland Nagel-BBB B: Unterinvestition der Unternehmen in Weiterbildung IW: Rückgang der Ausgaben von 17,5 Mrd. DM (1998) auf 16,9 Mrd. DM (2001) CVTS 2 (1999): D hinter DK, NO, NL, S, B, L, IRL, FIN, E, P. Dohmen/Klemm/Weiß (2004): D beim Anteil der Weiterbildungskosten an den Arbeitskosten hinter UK, DK, NL, S, FIN, IRL, F, NO, L, CZ, EE, I, B. D hat aber relativ hohe Kosten pro Mitarbeiter. Dohmen/Klemm/Weiß: Kurze Weiterbildungsmaßnahmen für wenige Hochqualifizierte. Nagel-BBB

4 3 C: Unterinvestition des Staates in Weiterbildung Die Ausgaben in der Erwachsenenbildung (allgemeine, politische und kulturelle Weiterbildung) gehen unter dem Diktat der leeren Kassen der Gemeinden zurück. Faulstich schon 2003: Bundesweit Stagnation bzw. Rückgang; dramatischer Einbruch 2004/2005 P.S. Steuerverzicht bei der beruflichen Weiterbildung Weitere Steuersenkungen bzw. Steuerausfälle sind zu erwarten bzw. zu befürchten. Anders Schweden: Zweite Chance für Erwachsene Länderkompetenzen als Verfassungsproblem Nagel-BBB Gesamtfinanzierungsvolumen für Lebenslanges Lernen in % des BIP 2,5 % des BIP 2 1,5 1 2,15 2,02 1,79 1,62 0, Jahre Nagel-BBB

5 Bildungsausgaben (privat u. öffentlich) in % des BIP 8,0 7,0 Öff. U. private Bildungsausgaben in % des BIP 6,0 5,0 4,0 3, ,0 1,0 0,0 Australien Österreich Kanada Dänemark Finnland Frankreich Deutschland Japan Niederlande Norwegen Spanien Schweden UK USA Quelle: OECD, Bildung Nagel-BBB-4-05 auf einen Blick 2004, S Sensible Bereiche a) atypische Beschäftigungsverhältnisse Leiharbeitnehmer: weniger Lohn; nur 23% (statt 35% im Normalarbeitsverhältnis) nehmen an Weiterbildungsmaßnahmen teil (Dublin 2000). Nach AÜG Ziel Gleichbehandlung bei allen wesentlichen Arbeitsbedingungen; Lohn durch Tarifvertrag abgesenkt. EU-Richtlinie in Vorbereitung Teilzeitarbeitnehmer haben nach INFAS 2003 eine anderthalb mal so hohe Wahrscheinlichkeit wie Vollzeitbeschäftigte, nicht an beruflicher Weiterbildung teilzunehmen. Befristet Beschäftigte: Arbeitssuche nach Vertragsende im Schnitt 10,1 Monate, Gesamtdurchschnitt nur 3,1 Monate (Bielinski 2003) Gesetz: Auch hier keine Diskriminierung! Nagel-BBB

6 4 Sensible Bereiche: b) Bildungsabbrecher 2001 verlassen 8,6% der deutschen und 20,3% der ausländischen Schulabgänger die Schule ohne Abschluss. Ca. 25% der Ausbildungsverträge werden vorzeitig gelöst. Ca. 30% der Studierenden brechen das Studium vorzeitig ab, z. T. zugunsten einer Berufsausbildung. Die schulischen Abbrecherquoten werden z.t. durch die Schule selbst produziert (PISA). Allgemein: Bedarf an sozialer Ungleichheit (Teichler) Bildungs- und beschäftigungsmeritokratische Schwelle Begabungs- und Lernpotentiale werden verschenkt! Es fehlt die zweite Chance! Nagel-BBB Sensible Bereiche: c) Zuwanderer 2002: In D 8.9% Ausländer, EU-Durchschnitt knapp 5% Sonderproblem Spätaussiedler Beschäftigungsquote der Deutschen steigt seit 1982 um 4%, die der Ausländer sinkt um knapp 10%. Hohe Arbeitslosenquote, ca. 80% der arbeitslosen Ausländer ohne beruflichen Abschluss (Deutsche: 40%) Sprachdefizite (Ausländer ca. 40%, Aussiedler 25%) Teilnahmequote der Zuwanderer an beruflicher Weiterbildung 12%, der Deutschen 30% Zurückgehende Beteiligung an der Berufsausbildung Sprachfähigkeit als Vorstufe zur beruflichen Integration fehlt! Nagel-BBB

7 4 Sensible Bereiche: d) Ältere Bisher: Verfehlte Vorruhestandspolitik; nur 47% der Männer und 30% der Frauen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren sind beschäftigt. In Zukunft: Starker Anstieg des Anteils der Älteren. Sie müssen beschäftigt werden. Schon die 45- bis 49- Jährigen nehmen weniger häufig an Weiterbildung teil als die Jüngeren. Ziel: Beschäftigungsfähigkeit durch lernförderliche Arbeit erhöhen! Ziel: Weiterbildung, um das faktische Renteneintritts-- alter zu erhöhen! Nagel-BBB Beschäftigungsquote der 55- bis 64-jährigen Männer und Frauen im internationalen Vergleich Beschäftigungsquote* der 55 - bis 64 -jährigen Männer und Frauen im internationalen Vergleich, 2002 * Anteil der Beschäftigten an der Bevölkerung in dieser Altersgruppe Männer Frauen 64,2 70,7 65,9 66,3 62,1 35,1 38,4 34, ,0 49,9 53,2 44,7 Arbeit und 16,7 Institut B F D DK SWE USA UK Quelle: OECD, Nagel-BBB

8 4 Sensible Bereiche: e) Frauen mit Kindern Frauen nehmen häufiger als Männer an der allgemeinen Weiterbildung teil (28% statt 25%), aber weniger häufig an der beruflichen Weiterbildung (Frauen 23%, Männer 34%, Bellmann 2003)) Frauen mit Kindern nehmen selten an Weiterbildung teil. Bei Frauen mit einem Kind ist die Wahrscheinlichkeit der Nicht-Teilnahme 1,57 mal so groß wie bei Frauen ohne Kinder (zwei Kinder: 1,68, drei Kinder 1,99) Gründe: Zeit- und Geldmangel, unzureichende Kinderbetreuung Nagel-BBB Beschäftigungsquoten nach Qualifikationsniveau (D 2002) 76,1 86,4 78,2 63, ,1 Männer Frauen niedrig mittel hoch Nagel-BBB Quelle: Arbeitskräftestichprobe

9 4 Sensible Bereiche: f) Nie-Teilnehmer 13% der Personen im erwerbsfähigen Alter haben nie an Weiterbildung teilgenommen (INFAS 2003). 1. Gering qualifizierte Arbeiter und Angestellte 2. Erwerbstätige Frauen mit gleichzeitiger Kinderbetreuung 3. Einkommensschwache Finanzielle Anreize allein reichen nicht. Hinzu kommen müssen lernförderliche Bedingungen der Arbeit. Schulische Benachteiligung (z. B. Lernschwäche) setzt sich in der Weiterbildung fort. Lernwiderstände werden unzureichend analysiert und abgebaut. Nagel-BBB Sensible Bereiche: g) Personen mit geringem Sparvermögen Die Sparquote hängt vom Vermögen, das Vermögen vom Bildungsabschluss ab. Die 20% einkommensschwächsten Haushalte haben im Durchschnitt Schulden (Arens/Quinke 2003) Je älter man ist, desto höher ist das Vermögen; 20% der bis 25-Jährigen haben kein Geldvermögen. Ziel: Nicht nur das Einkommen verbessern, sondern auch Anreize für eine rationalere Vermögensbildung geben! Ziel: Nicht nur Vermögen und Einkommen, sondern auch Wissen und Selbstbewusstsein verbessern! Nagel-BBB

10 4 Sensible Bereiche: h) Kleine und mittlere Unternehmen Fast drei Viertel der KMUs sind in der Weiterbildung nicht aktiv. 47% der Nicht-Teilnehmer an Weiterbildung stammen aus Unternehmen mit bis zu 50 Beschäftigten. Wenn kleinere Unternehmen aber Weiterbildung betreiben, sind sie besonders aktiv. Wo es Arbeitszeitkonten gibt, gibt es mehr Weiterbildung. Probleme: Informationskosten, fehlendes Orientierungswissen, Maßnahmekosten Ziel: Hemmschwellen der nicht aktiven Unternehmen durch geeignete Maßnahmen abbauen. Nagel-BBB Sensible Bereiche: i) Weiterbildung für Arbeitslose I Hartz I bis IV fast völlig gescheitert. PSA: Statt jährlich bis März 2005 nur reguläre Beschäftigungen Job-Floater: Statt nur Stellen Mini-Jobs: Von 12/03 bis 12/04 plus (11,3%), 1 Mrd. Einnahmen fehlen! Ich-AGs: 1/03-3/ ; Perspektiven? 1 -Jobs: statt ; Missbrauch! Einbruch der BA-Weiterbildung (2/03 ca , 2/05 ca Teilnehmer) Nagel-BBB

11 4 Sensible Bereiche: i) Weiterbildung für Arbeitslose II BA-Ziel: Kurzfristiges Training statt Weiterbildung. Politik der BA (70%-Quote) ist falsch. Gutscheine für Arbeitlose sind falsch, weil diese keine Konsumentensouveränität haben. Schätzung: Seit % arbeitslose Weiterbildner! Arbeitsgemeinschaften klappen oft nicht. Gruppengrößen für die Kurse kommen nicht zusammen. Es fehlt Staatsgeld für Weiterbildung als Ausgleich für den Wegfall der Arbeitslosenhilfe durch Hartz IV. BA sollte kein Unterdrückungsapparat werden! Nagel-BBB Was tun? Allgemeine, politische und kulturelle Weiterbildung Zweite Chance: Verlängerung des Bafög nach oben Damit kann Ausfall der BA-Weiterbildung wettgemacht werden. Staatliche Förderung des Bildungssparens Staatliche Kredite Weiterbildungsfonds für die Wirtschaft Gezielte Förderung von kleinen und mittleren Unternehmen Umkehr der Arbeitsmarktpolitik Zuwanderer durch Bildung integrieren! Institutionelle Rahmenbedingungen verbessern! Gesetzgebungskompetenzen und Finanzierungsverantwortung Nagel-BBB

12 Vorschläge der Expertenkommission (I) Öffentliche Förderung der allgemeinen, politischen und kulturellen Weiterbildung, sofern im öffentlichen Interesse (z.b. politische Bildung, kompensatorische Grundbildung, abschlussbezogene Allgemeinbildung) Förderung von Bildungssparen privater Haushalte zum LLL und zinsverbilligte Bildungskredite Ausbau der Förderung allgemeiner und beruflichen Bildung Erwachsener mit geringem Einkommen und Vermögen zu einem kohärenten System des LLL (Vorbild Schweden) Nagel-BBB Öffentliche Förderung des Lebensunterhalts: (Status quo im Vergleich zu den Kommissionsempfehlungen, eigene Darstellung) Öffentliche Transfers für Kindergeld Kinderfreibetrag Schulabschlüsse bis 30 Studienbeginn bis 30 Berufsausbildung Nachholen schulischer Abschlüsse und Studium (bei Einstieg älter als 30) Aufstiegfortbildung Staffelung der Förderung STATUS QUO Kindergeld Kindergeld Kinderfreibetrag Kinderfreibetrag BAföG BAB SGBIII Förderung nur in Ausnahmefällen AFBG EBiFG Kindergeld Kindergeld Kinderfreibetrag Kinderfreibetrag BAföG BiFG Bildungsgeld Bildungsgeld BAB SGBIII BiFG EBiFG EBiFG, EBiFG, SGB SGB III III und und BAföG AFGB AFGB ist [ ist sind BAföG sind integriert [ integriert integriert ] ] integriert Bundeseinheitlichen Regelungen von Rahmenbedingungen Qualitätssicherung Zertifizierung, Leistungskriterien Keine Regelung Keine Regelung Nagel-BBB

13 Vorschläge der Expertenkommission (II) Förderung der Weiterbildung in Unternehmen (Insolvenzschutz von W-Konten, Besondere Regelungen für Leiharbeitnehmer, Freistellungs- und Rückkehrrecht, Gutscheine für KMU s), Nagel (Minderheitsvotum): Fonds nach französischem Vorbild Weiterbildungsförderung nach SGB III (flexible Handhabung der Eingliederungsquoten für Zielgruppen, flexible Förderung von An- und Ungelernten, Ruhen von ALG-Ansprüchen bei WB) Instrumente für Zuwanderer, Aussiedler und jugendliche Flüchtlinge (Integrationskurse, Zugang zur beruflichen Ausbildung) Nagel-BBB Vorschläge der Expertenkommission (III) Bundeseinheitliche Regelung institutioneller Rahmenbedingungen, z.b. Akkreditierung, Zertifizierung, Evaluation, Qualitätssicherung, Bildungsprofiling Kontingentierung von staatlich gewährten Lernzeiten als Prüfauftrag Ausbau der Forschung zu LLL Lernförderliche Regelungen in Arbeits- und Produktmärkten Nagel-BBB

14 F A Z I T Instrumente kombinierbar Notwendig lernförderliches gesellschaftliches Klima, d.h. in den Familien,in den Medien, in der Politik, in den Unternehmen Vorschläge nach Haushaltslage schrittweise umsetzbar Nagel-BBB Kombinationstherapie Die Gefahr der Rosinenpickerei Ein Ansatz allein löst die Probleme nicht. Deshalb: Integrierter Politikansatz: Durch eine Kombination von Instrumenten können Ressourcen gebündelt und unterschiedliche Akteure eingebunden werden. Enge Verknüpfung von Regulierung und Markt Kooperation von Institutionen Beispiele für Kombinationsmöglichkeiten Produktionsfaktor Vertrauen Nagel-BBB

15 7. Woher das Geld nehmen? Spitzensteuersatz der ESt erhöhen! Vermögensteuer mit hohen Freibeträgen! Eigenheimsparzulage abschaffen! Kapitalerträge erfassen! Kommunale Wertschöpfungssteuer Weniger deutsches Geld an die EU EU: Tobin-Steuer auf Devisengeschäfte EU: Umweltverschmutzungssteuer Nagel-BBB