Neuere Entwicklungen bei der Versorgung von Menschen mit Demenz in Aachen
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- Fanny Lange
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1 Neuere Entwicklungen bei der Versorgung von Menschen mit Demenz in Aachen (Gerrit Köster) 1. Ausgangssituation In Aachen leben derzeit rund Menschen im Alter von 65 und mehr Jahren, im Jahre 2020 werden es sein. Nach jüngeren epidemiologischen Untersuchungen ist davon auszugehen, dass zwischen 4 % und 8 % von ihnen an einer Demenzerkrankung leiden, bei Einschluss leichter Demenzen bis zu 10 % (BICKEL 1999 und 2000). Dabei steigt der Anteil von 1,2 % bei den 65- bis 69-Jährigen über 6,0 % (75-79 Jahre) bis zu 23,1 % bei den 80-Jährigen und älteren Personen. Im Alter von 90 und mehr Jahren leiden sogar mehr als 1/3 aller Älteren an einer Demenz (BICKEL 2000). Nach GRAHAM et al. (1997) entfielen bei einer in Kanada ermittelten Gesamterkrankung von 8 % rund 2,6 % auf schwere Demenzen, 3,1 % auf mittelschwere Demenzen und 2,3 % auf leichte Demenzen. Entgegen früheren Schätzungen (STIEFEL 1987) werden nur noch % der Demenzkranken in der häuslichen Umgebung versorgt (frühere Annahme: 80 %). Die Übrigen leben im Heim. Das hat dazu geführt, dass der Anteil der gerontopsychiatrisch veränderten Menschen im Heim auf Werte zwischen 50 % und 80 % gestiegen ist (vgl. KNOTT und KÖSTER, 2001). Auf die Aachener Verhältnisse übertragen bedeutet dies, dass zwischen und ältere Menschen an einer behandlungsbedürftigen Demenz leiden, im Jahre 2020 werden es zwischen und sein. Geht man davon aus, dass 50 % aller Demenzkranken in Heimen leben, so sind das ca Personen. Ebenso viele werden in der eigenen Häuslichkeit versorgt, oft ohne professionelle Unterstützung. 2. Neuere Ansätze in der institutionellen Versorgung von Menschen mit Demenz in Aachen In der Vergangenheit sind sich die Einrichtungen der ambulanten und stationären Altenhilfe zwar dieses Problems bewusst gewesen. Lange Zeit hat es aber keine durchgreifenden Reaktionen auf dieses Phänomen gegeben. Das hat sich in der jüngeren Vergangenheit geändert, und es lassen sich eine Reihe von neuen Ansätzen in der institutionellen Versorgung von Menschen mit Demenz erkennen, die im folgenden dargestellt werden.
2 2 2.1 Das Konzept der Haus- und Wohngemeinschaften Grundlage für die neuen Formen des Umgangs mit an Demenz leidenden Menschen ist das Konzept der Haus- bzw. Wohngemeinschaften, wie es vom Kuratorium Deutsche Altershilfe in Köln entwickelt wurde (KDA, Köln 2002). Während bis zum Anfang der 60er Jahre der Pflegebedürftige als Insasse verwahrt (Leitbild: Verwahranstalt), in den 60er und 70er Jahren als Patient behandelt (Leitbild: Krankenhaus) und in den 80er und 90er Jahren als Bewohner aktiviert (Leitbild: Wohnheim/Wohnhaus) wurde, soll mit der vierten Generation des Pflegeheimbaus seit Ende der 90er Jahre der ältere Mensch auch im Heim eine größtmögliche Geborgenheit und Normalität erleben können. Leitbild ist die Familie. Dabei zeichnet sich die Hausgemeinschaft durch die folgenden Kennzeichen aus: - Kleine familienähnliche Gruppen (ca. 8 Personen), die ein Gemeinschaftsgefühl entstehen lassen und der sozialen Isolation entgegenwirken können - Die Architektur orientiert sich an einer Wohnung mit Wohnungstür und großer Wohnküche, um die herum die einzelnen Zimmer angeordnet sind - An die Stelle einer zentralen Versorgung tritt - so weit wie möglich - die Selbstversorgung - Jede Hausgemeinschaft verfügt über mindestens einen ständig anwesenden Ansprechpartner, der das Zusammenleben der Bewohner tagsüber aktiv begleitet. Auch für die Nacht muss es tragfähige Lösungen geben - Die Mitbewohner werden bei der Bewältigung der ganz normalen Alltagsaufgaben einbezogen, soweit es ihre noch vorhandenen Kompetenzen zulassen: Hauswirtschaftliche Verrichtungen stehen an erster Stelle (Kochen, Waschen) - Die Pflege tritt in den Hintergrund - Jede Hausgemeinschaft ist in sich autonom. Ergänzende Dienstleistungen können hinzugezogen werden. Hausgemeinschaften verstehen sich somit als kleine, unabhängige, quartiersbezogene Wohnangebote für Pflegebedürftige, insbesondere solche mit Demenz. Auch die Wohngemeinschaft orientiert sich am Leitbild der Familie. Im allgemeinen ist sie unter architektonischen Gesichtspunkten nicht von einer echten Hausgemeinschaft zu unterscheiden. Abweichungen ergeben sich jedoch bezüglich der Organisation, die weniger autonom als die der Hausgemeinschaft ist. Oft handelt es sich hierbei um Wohnbereiche innerhalb bestehender Pflegeheime, die z.b. im Rahmen einer Umbaumaßnahme geschaffen wurden. Im Sinne einer Ausnutzung von Synergien bestehen z.t. enge Beziehungen zwischen Wohngemeinschaft und angrenzendem Heim, so z.b. bei Hausmeister- und Reinigungsdiensten, zentralem Einkauf oder der Unterstützung bei der Essensversorgung bzw. dem Waschen der Wäsche. Unterschiedliche Ausprägungen von Hausgemeinschaften gibt es weiterhin im Hinblick auf den Status der Bewohner, die Versorgungsstruktur und die Finanzierung. So kann man zwischen stationär und ambulant versorgten Hausgemeinschaften differenzieren. Stationäre Haus-/Wohngemeinschaften unterliegen dem Heimgesetz und die Finanzierung erfolgt über einen festen Pflegesatz, so wie man dies auch aus dem
3 3 Pflegeheimbereich kennt. Der Bewohner ist damit Bewohner eines Heimes mit allen daraus abzuleitenden (z.t. eingeschränkten) Rechten und Pflichten. Dagegen lebt der Bewohner einer ambulant versorgten Hausgemeinschaft in einer Wohnung. Er ist Mieter seines Zimmers und der Gemeinschaftsräume (anteilig) und bezahlt dementsprechend eine Miete an einen eigenständigen Vermieter. Je nach seinem gesundheitlichen oder persönlichen Befinden beauftragt er selbst, sein Angehöriger oder die von ihm beauftragte Vertrauensperson Hilfen bei der Hauswirtschaft oder auch eines Pflegedienstes und zwar in dem Umfang, wie diese Hilfen benötigt werden. Auch die hier entstehenden Kosten finanziert der Bewohner selbst, und zwar aus seinen eigenen Einkünften unter Ausnutzung der Pflegeversicherung, wenn eine Einstufung erfolgt ist. Einen Pflegesatz wie im stationären Bereich gibt es nicht. Bei der Auswahl des Pflegedienstes muss Wahlfreiheit bestehen. Zudem dürfen Vermietung, Betreuung und Pflege nicht aus einer Hand angeboten werden. Nur so fallen ambulant versorgte Hausgemeinschaften nicht unter das Heimgesetz. Das Konzept setzt auf der einen Seite sofern vorhanden ein hohes Maß an Selbstständigkeit des Bewohners, ansonsten einen kontinuierlichen Einsatz engagierter Angehöriger und ein großes ehrenamtliches Engagement von Mitbürgerinnen und Mitbürgern voraus, ohne die es kaum realisiert werden kann. Auf der anderen Seite erfordert es große Flexibilität des Trägers in jeglicher Hinsicht (personell und finanziell), der ja nicht auf einen festen Finanzierungssatz zurückgreifen kann, mit dem sich kalkulieren lässt. Neben diesen reinen Formen der Haus- und Wohngemeinschaften sind Zwischenformen denkbar, die einmal mehr und einmal weniger den Gedanken der Hausgemeinschaft umzusetzen. Sie sind dann auch in unterschiedlichem Maße geeignet, den speziellen Bedürfnissen von Menschen mit Demenz gerecht zu werden. 2.2 Haus- und Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenz in Aachen Derzeit gibt es in Aachen sechs Projekte, die eine Verbesserung der institutionellen Versorgung von Menschen mit Demenz zum Ziel haben (Tabelle 1). Davon befinden sich fünf in, ein Vorhaben ist bereits in Betrieb gegangen. Wie die Übersicht zeigt handelt es sich überwiegend um Wohngemeinschaften, die stationär versorgt werden. Dabei besteht in allen Projekten eine enge organisatorische Verbindung zum angrenzenden Pflegeheim, das verschiedene Dienstleistungen für die Wohngemeinschaft im Sinne einer Synergie mit übernimmt. Unterschiede bestehen hinsichtlich der Bauform, der Größe und der Finanzierung. Während in zwei Projekten ein leer stehendes Gebäude zu Wohngemeinschaften umgewandelt wird, bezieht sich im Morillenhang der Umbau lediglich auf einen schon jetzt bestehenden Wohnbereich. Bei der CMS ist die Wohngemeinschaft in einem Neubau, im Haus am Lindenplatz in einem Ersatzneubau untergebracht worden. Die Anzahl der Bewohner in den Wohnbereichen ist mit Plätzen bei den meisten Projekten sehr hoch und liegt deutlich über dem vom KDA als Ideal angesehenen
4 4 Wert von 8 Plätzen. Lediglich St. Elisabeth entspricht dieser Vorstellung. Dabei ist die Zahl bei den leer stehenden Gebäuden im wesentlichen durch die vorhandenen Räumlichkeiten bestimmt gewesen, die insgesamt einer sinnvollen Nutzung zugeführt werden sollten. Bezüglich der Finanzierung ist hervorzuheben, dass im Falle des Hauses St. Raphael versucht wird, einen eigenen Pflegesatz für die Hausgemeinschaft mit den Pflegekassen zu vereinbaren. Dieser darf aber nicht höher liegen als der höchste anerkannte Pflegesatz (einschließlich Hotel- und Investitionskosten) in Aachen. Dagegen entspricht in den anderen Häusern der Pflegesatz in der Hausgemeinschaft demjenigen des angeschlossenen Pflegeheimes. Eine Besonderheit bildet das Projekt der FAUNA. Es ist das einzige, das die Versorgung der Bewohner auf ambulantem Wege sicherstellen möchte. Eigentümer des neu zu bauenden Hauses an der Eifelstraße und damit Vermieter der Zimmer und Gemeinschaftsräume ist eine eigene Gesellschaft, an die der Bewohner seine Miete zahlt. Über die Höhe der Hotelkosten (Verpflegung) entscheidet der Bewohner bzw. seine Angehörigen selbst. Die FAUNA übernimmt lediglich die Betreuung und Pflege entsprechend dem Bedarf der Bewohner. Dabei gilt als zusätzliche Besonderheit, dass die Pflegkosten für diejenigen, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehen, nicht frei variieren können. Sie orientieren sich vielmehr an dem Mittelwert, den die FAU- NA für die Pflege eines entsprechenden Personenkreises in der Vergangenheit ermittelt hat. In sofern handelt es sich hierbei um eine Kombination aus ambulanter Versorgung und einer Finanzierung über einen Pflegesatz. Auch hier dürfen die Gesamtkosten nicht höher liegen als der höchste anerkannte Pflegesatz in einem Aachener Heim. Mit seiner autonomen Organisationsform und den 2 x 8 Plätzen entspricht dieses Projekt auch als einziges dem Typ der Hausgemeinschaften, wie es vom KDA propagiert wird. 3. Fazit Wie aus der Übersicht zu erkennen ist, werden in Aachen unter dem Oberbegriff der Wohn- bzw. Hausgemeinschaften unterschiedliche Wege beschritten. Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, auch unterschiedliche Erfahrungen zu sammeln und herauszufinden, welche Alternative am besten und in einem ausgewogenen Verhältnis zwischen (Kosten-)aufwand und Nutzen den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz gerecht werden kann. In jedem Fall bilden die unterschiedlichen Wege jeweils neue Mosaiksteine im Gesamtversorgungskonzept der Stadt Aachen und eröffnen es den älteren Menschen, das Angebot, das am ehesten seinen Vorstellungen entspricht, auszuwählen. September 2005
5 Tabelle 1: Projekte zur institutionellen Versorgung von Menschen mit Demenz in Aachen (Stand: September 2005) Einrichtung Typ Bauform Versorgungsart Größe Finanzierung Status St. Raphael WG Umbau leer stehendes Gebäude St. Elisabeth WG Morillenhang WG Umbau leer stehendes Gebäude Umbau Wohnbereich Stationär 2 x 12 Eigener (in Verhandlung) Stationär 2 x 8 Allgemeiner Gesamtpfle- Stationär 1 x 12 1 x 13 gesatz Allgemeiner Lindenplatz WG Ersatzneubau Stationär 1 x 11 Allgemeiner CMS WG Neubau Stationär 2 x 12 Allgemeiner FAUNA HG Neubau Ambulant 2 x 8 Miete, Hotelkosten, Betreuungssatz, Pflegesatz Betrieb Plätze insgesamt: 116 Kontakt: Dr. Gerrit Köster Stadt Aachen Sozialamt Sozialplanung Postfach Aachen Tel.: 0241/ Mail: gerrit.koester@mail.aachen.de
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