Sein oder nicht sein... in China: aus Sicht eines globalen Investors

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1 Sein oder nicht sein... in China: aus Sicht eines globalen Investors Virginie Maisonneuve, Leiterin Globale und internationale Aktien April 2011 China ist das Land der großen Zahlen. Die jüngste Wirtschaftskrise hat das chinesische Wirtschaftswunder der letzten 25 Jahre bestätigt. Bereits 2027 wird das Land den Erwartungen nach die USA als größte Wirtschaftsmacht der Welt abgelöst haben. Aber China ist ein Land widersprüchlicher Statistiken und steht extern und intern vor einer Reihe von Herausforderungen. Der neueste Fünfjahresplan hat ein wenig verdeutlicht, wie die Regierung sich diesen Problemen stellen und den Wirtschaftsaufschwung weiter fördern wird. Wie erfolgreich dieser Plan sein wird, hat auch wichtige Folgen für die laufende weltweite Konjunkturerholung sowie für globale Anleger. Ob man direkt in chinesische Unternehmen investiert oder über globale Firmen mit starker Beteiligung an der chinesischen Nachfrage partizipiert: Die Möglichkeit für strukturelles Wachstum, die China bietet, ist aus langfristiger Anlagesicht unglaublich attraktiv. Virginie Maisonneuve Leiterin Globale u. internationale Aktien China: größer, als man denkt? Bis 1850 war China in 18 der vergangenen 20 Jahrhunderte die größte Wirtschaftsmacht der Welt (Financial Times). China ist bekanntlich das Land der großen Zahlen. Auch wenn vor 25 Jahren nicht viele an das chinesische Wirtschaftswunder glaubten, so hat sich die allgemeine Meinung mittlerweile klar geändert. Zusätzlich gefördert wurde dieser wirtschaftliche Aufstieg durch die weltweite Wirtschaftskrise. Denn gegenüber der allgemeinen Schwäche anderer führender Nationen, hier vor allem Japan, konnte China an wirtschaftlicher Stärke zulegen. Ich habe Mitte der 1980er Jahre in China gearbeitet und die Entwicklung des Landes aus inländischer, asiatischer und globaler Sicht sowie aus Sicht der Schwellenmärkte betrachtet. Ich bin immer davon überzeugt, dass der Einfluss, den China in den kommenden 20 Jahren auf die Welt haben wird, noch nicht vollkommen erkannt wird zog China an Japan als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt vorbei. Mit rund 6 Billionen US-Dollar hat China mittlerweile die gleiche Größe wie Indien, Russland und Brasilien zusammen. Wie geht es weiter? Laut Prognosen wird China zwischen 2027 und 2041 die US-Wirtschaft auf nominaler Basis überholen. Bei Kaufkraftparität würde dieses Überholmanöver um 2015 herum stattfinden. Bis 2050, so die Schätzung von Goldman Sachs, wird Chinas BIP bei 85 Billionen US-Dollar liegen, gegenüber nur 38 Billionen US-Dollar der USA. Konzentriert man sich auf den erwarteten Wachstumsbeitrag zur weltweiten Wirtschaft für die Zeit von 2010 bis 2019, würde China außerdem mit einem Anteil von über 30 % den größten Beitrag leisten. In punkto Handelsgröße dürfte China die USA 2016 überrundet haben. Gegensätze verleihen China einen doppelten Status: einerseits führende Nation mit starker geopolitischer Macht, andererseits aufstrebende Wirtschaft, die noch einiges tun muss, um ihre großen inneren Schieflagen auszugleichen

2 Abbildung 1: Wann zieht China wirtschaftlich an den USA vorbei? (Prognose) Abbildung 2: Die größten Volkswirtschaften im Jahr 2050 **Die BIP-Prognosen wurden von 2007 bis 2010 um die neuesten Daten ergänzt. Wachstum und Währungsaufwertung blieben im Verlauf von 2011 bis 2050 gleich. Quelle: GS Global ECS Research. Berechnungen von GSAM. Betrachten wir nun verschiedene andere Fakten im Land der großen Zahlen. Dabei fällt vor allem auf, dass sich Chinas Kraftfahrzeugmarkt während der Finanzkrise zum größten Markt der Welt entwickelte und bis 2015 die fünffache Größe des japanischen erreicht haben dürfte. Beim Blick auf die Währungsreserven ragt China ebenfalls heraus. Hier verfügt das Land über 2,85 Billionen US-Dollar, während die Nächstplatzierten, Japan und die EU, 790 Mrd. bzw. 133 Mrd. US-Dollar vorzuweisen haben. In punkto Geldmenge (M2) hat China die USA 2010 mit insgesamt 11,4 Billionen gegenüber 8,9 Billionen US-Dollar überholt. 2

3 Das Land der Gegensätze Doch Chinas absolute Größe als zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt verbirgt viele Gegensätze. Auf der Grundlage BIP pro Kopf liegt China mit US-Dollar ungefähr da, wo sich die USA 1966 befanden. China steht damit weltweit auf Platz 90 hinter Thailand und vor dem Iran. Was die Exporte pro Kopf anbelangt, hat das Land den Stand der USA von Und obwohl China der größte Fahrzeugmarkt der Welt ist, so hat es hier eine Marktdurchdringungsrate wie die USA im Jahr Andererseits ist der Stahlverbrauch pro Kopf heute höher als in den USA. Abbildung 3: China in Perspektive *Die X-Achse misst das historische US-Jahr, in dem die Nachfrage in den USA der von China heute entspricht. Die Y-Achse zeigt den aktuellen Stand der chinesischen Nachfrage im Vergleich zu den USA an. Quelle: Schätzungen von World Bank, Swiss Re, IMF, Gartner, Eurostat, US Dept of Agriculture, World Federation of Exchanges, Credit Suisse. Diese Kontraste verleihen China einen doppelten Status: einerseits einer führenden Nation mit großer geopolitischer Macht, anderseits einer aufstrebenden Wirtschaftmacht, die noch einiges tun muss, um ihre großen inneren Schieflagen auszugleichen und (folglich) den Lebensstandard so zu verbessern, wie es von vielen der Einwohner nach jahrzehntelanger Entbehrung erwartet wird. Um dieses Problem zu lösen, hat das Land soeben seinen nächsten Fünfjahresplan gebilligt und dessen Prioritäten vorgestellt. Der 12. Fünfjahresplan: den Weg ebnen für den Wandel Im 12. Fünfjahresplan stehen einige der wichtigsten Aspekte des 11. Fünfjahresplans erneut im Mittelpunkt: Abbau sozialer Verschiebungen, stärkerer Fokus auf Konsum und Verbesserung von Energieeffizienz und Energiesparen. Im Rahmen des letzten Plans baute China sein Eisenbahnnetz um km und sein Straßennetz um km aus, darunter km Fernstraßen. Auch 33 neue Flughäfen entstanden. Im Sektor Energie wurde die Kapazität durch den Bau neuer Kraftwerke um 445 Mio. kw erweitert, darunter Wasserkraftwerke (96 Mio. KW) und Atomkraftwerke (3,84 Mio. KW). Investitionen im Ausland erreichten den Stand von 220 Mrd. US-Dollar. Das Rückgrat des 12. Fünfjahresplans strebt einen erfolgreichen Übergang von einem industrieorientierten Wachstumsmodell zu einem konsumorientierten an. In dieser Entwicklungsphase der chinesischen Wirtschaft und angesichts der potenziellen Wachstumsbeschränkung beim Beitrag von Nettoexporten zum BIP wäre der Übergang zu einem konsumorientierten Modell für China sehr sinnvoll. Schauen wir uns die wichtigsten Punkte des 12. Fünfjahresplans noch einmal an. Nachhaltiges Wachstum: Der neue Plan lässt sich auf fünf Punkte bringen: Industrialisierung, Informatisierung, Urbanisierung, Marktausweitung und Internationalisierung. Das sind die wichtigsten Instrumente, um das angestrebte Wachstumsziel von 7 % in den kommenden fünf Jahren zu erreichen (reduziert gegenüber den im 11. Fünfjahresplan erzielten 11,2 %). Im Mittelpunkt stehen Technologie und Innovation. Energieerhaltung und eine starke Konzentration auf die Nutzung nicht fossiler Energie spielen ebenfalls eine große Rolle. Der Plan sieht vor, dass ,4 % des chinesischen Energiebedarfs aus nicht fossilen Brennstoffen stammen soll. Heute liegt diese Zahl bei rund 8 Prozent. 3

4 Das ist so viel, als würde man einer Volkswirtschaft so groß wie Italien alle fossilen Brennstoffe entziehen! Vorgesehen ist auch, den Energieverbrauch und den Kohlendioxidausstoß pro BIP-Einheit um 16 bzw. 17 % zu senken. Soziale Stabilität: China plant, in den kommenden fünf Jahren 45 Mio. neue Arbeitsplätze in den Städten zu schaffen. 20 Prozent der Stadtbewohner sollen preiswerte Wohnmöglichkeiten erhalten. Dafür werden 36 Mio. neue Wohnunterkünfte gebaut und so durch ein gefördertes Lohnwachstum zusätzlich zugänglich gemacht. Geld- und Steuerrefom: Die Reformen werden beschleunigt. Sie umfassen eine Änderung der Steuern auf Rohstoffe, um Angebot, Nachfrage und Kosten von Umweltschäden zu berücksichtigen, sowie eine Einkommensumverteilung. Finanzsystem: Dieses wird ausgebaut, wobei der Schwerpunkt auf der Entwicklung des Anleihemarktes und der Errichtung eines sicheren Systems liegt. Darüber hinaus kündigte China an, die Internationalisierung seiner Währung fördern zu wollen. Ich halte dies für den ersten Schritt auf dem Weg zur völlig freien Konvertierbarkeit der Währung, die gegen Ende dieses Fünfjahresplans durchaus erreicht werden könnte. Chinas Sorge über die globale Abhängigkeit von den USA (wirtschaftlich und währungspolitisch) ist durch die Krise noch größer geworden. So entstand der Wunsch, durch eine andere große Währung (die eigene) der Welt wieder zu einem Gleichgewicht zu verhelfen. Wachstum und Inflation: Speziell für 2011 strebt das Land ein wirtschaftliches Wachstum von 8% und eine Inflationsrate von 4% an. Letzteres kann sich angesichts der steigenden Rohstoffpreise (auch bei weichen Rohstoffen wie etwa Reis) als Herausforderung erweisen. Die Inflationskontrolle umfasst nicht nur eine Liquiditätskontrolle, sondern auch einen Schwerpunkt auf Lebensmittelversorgung, wobei die regionalen Regierungen stärker in die Pflicht genommen werden. So übernehmen beispielsweise Provinzgouverneure die Verantwortung für das von China entwickelte Sack-Reis-Programm und die chinesischen Bürgermeister für das Gemüsekorb-Programm. Zu guter Letzt wird das landwirtschaftliche Vertriebssystem umstrukturiert und ausgebaut. Binnennachfrage ist der Schlüssel zur weltweiten Erholung Der Erfolg der Maßnahmen, die dieses Wachstums fördern sollen (Erhöhung des Grundeinkommens, bessere Gesundheitsversorgungs- und Versicherungspläne usw.), ist nicht nur für China, sondern auch für die Welt wichtig. Auch wenn Chinas Wirtschaft größer ist als die japanische, so erreicht der chinesische Konsum derzeit nur 60 % des japanischen Niveaus. Die Finanzkrise wirkt nach und die Verbraucher in den USA haben immer noch mit hoher Verschuldung und einer schwierigen Wirtschaftslage zu kämpfen. Da könnten sich der Erfolg des 12. Fünfjahresplans und eine Ankurbelung des chinesischen Konsums als neue strukturelle weltweite Wachstumstreiber erweisen, die von vielen bisher nicht ernsthaft in Erwägung gezogen wurden. Kann China die USA von ihrer Aufgabe als führende Konsumnation befreien? Mit einem Konsum von 10,5 Billionen US-Dollar machen die USA 17 % des globalen BIP aus. Seit 2000 ist die Weltwirtschaft von 32 Billionen auf über 60 Billionen US-Dollar gestiegen. In dieser Zeit haben die USA ihr BIP um 4,9 Mrd. US-Dollar erweitert, wobei 74 % dieses Wachstums auf den eigenen Konsum zurückzuführen sind. In China macht der private Konsum bei der derzeitigen Konsum-BIP-Quote von 48 % nur 35 % des BIP aus. Interessant ist, dass der Konsum zwar in den vergangenen Jahren um gesunde 15 % gewachsen ist. Aber durch den starken Anstieg von Sachinvestitionen (25 30 % pro Jahr) und Exporten (30 % pro Jahr) ist das Verhältnis von Lohn und BIP in China in den vergangenen Jahren tatsächlich um rund 50 % gesunken. Der private Konsum ging im Vergleich zum BIP von 42 % im 10. Fünfjahresplan auf 36 % im Jahr 2010 zurück. Geht man von einem jährlichen Lohnanstieg um 19 % aus, so könnte das Verhältnis von Lohn zu BIP in China von 50% auf über 62 % klettern. Wir rechnen also damit, dass der Konsum in China 2013 Japan (mit derzeit rund 3 Billionen US Dollar) übertreffen wird und bis 2015 auf 6 Billionen US-Dollar ansteigt. China würde aber immer noch unter dem Niveau der USA und der EU liegen. Konsum und Demografie: erwerbsfähige Bevölkerung am Zenit Chinas Erfolg basiert teilweise auf dem unerschöpflichen Bestand an billigen Arbeitskräften, die dem Rest der Welt in Fabriken zur Verfügung stehen. Es überrascht also, dass China an Arbeitskräftemangel leidet. Warum ist das so? Die Ein-Kind-Politik spielte eine wesentliche Rolle dabei, die Geburtenrate in China von 2,9 im Jahr 1979 auf heute 1,7 zu senken. Die politische Maßnahme wurde eingeführt, nachdem eine erste staatliche Initiative von Ministerpräsident Zhou Enlai 1971 (die freiwillige Maßnahme unter dem Motto Später, länger, weniger ) die Geburtenrate von 5,9 im Jahr 1970 auf 2,9 im Jahr 1979 gesenkt hatte. 4

5 Folglich wurde Chinas demografische Pyramide in der Mitte dick. Sprich, es gab einen großen Anteil von Erwerbsfähigen und einen kleinen Anteil von 0- bis 14-Jährigen und über 64-Jährigen. Mit jungen Arbeitskräften in Hülle und Fülle fuhr China eine deutliche demografische Dividende ein. Heute ist China immer noch ein relativ junges Land mit einem Durchschnittsalter von rund 30 und einem Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung (zwischen 15 und 64) von über 70 Prozent. Außerdem ist der aktuelle Altersabhängigkeitsquotient einer der niedrigsten in der Welt. Beunruhigender sind aber die langfristigen Folgen der sinkenden Geburtenraten. China altert sehr schnell, noch schneller als Westeuropa. Die Gesamtbevölkerung wächst bis 2030 weiter, wenn auch nicht mehr so schnell. Aber die erwerbsfähige Bevölkerung hat vor Kurzem einen Wendepunkt erreicht. Sie dürfte ihren Zenit tatsächlich 2015 erreicht haben und danach bis 2050 sinken. Während die erwerbsfähige Bevölkerung Chinas also immer noch wächst (von 977 Mio auf 993 Mio. 2015), so wird die Zahl der Berufseinsteiger (die 15- bis 24-Jährigen) in den kommenden 10 Jahren um fast 30 % schrumpfen. Geraten somit die guten Konsumaussichten für China in den nächsten 20 Jahren in Gefahr? Abbildung 4: Gesamtbevölkerung in China und Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 64 Jahre) Quelle: UN World Population Prospects. Abbildung 5: Altersabhängigkeitsquotient Quelle: UN World Population Prospects. Die Alterung der erwerbsfähigen Bevölkerung hat einen großen Einfluss. Die älteren Arbeitnehmer sind in der Regel weniger mobil und ziehen nicht in die Fabrikstandorte an den Küsten. So geht aus den chinesischen Statistiken hervor, dass 25 % der Arbeitskräfte zwischen 16 und 30 migrieren, zwischen 40 und 50 liegt diese Zahl aber bei nur 11 %. 5

6 Um die wirtschaftlichen Folgen der erwerbsfähigen Bevölkerung am Zenit in China zu verstehen, muss man nicht nur beurteilen, welches Potenzial die Zahl der Arbeitskräfte für das Produktivitätswachstum hat. Man muss auch die absolute Größe und den durchschnittlichen Wohlstand dieser Bevölkerung kennen. China hat immer noch einen Riesenanteil an ländlicher Bevölkerung und der potenzielle Nutzen der anhaltenden Abwanderung der Arbeitskräfte vom Land in die Städte ist groß. Der 12. Fünfjahresplan ist auf Urbanisierung ausgerichtet und strebt an, diesen Anteil von 47,5 % auf 51,5 % zu erhöhen. Zudem gibt es in den ländlichen Gebieten einen hohen Arbeitskräfteüberschuss. 510 Mio. Menschen leben in diesen Regionen und nach Schätzungen der Regierung waren effektiv nur 197 Mio. erforderlich, um die landwirtschaftliche Produktion für 2008 zu erzeugen. Das heißt, potenziell könnten über 340 Mio. Landarbeiter zur Abwanderung bereitstehen! Was die Produktivität anbelangt, sind die nichtprimären Sektoren in China ca. vier- bis fünfmal produktiver als z. B. die Landwirtschaft. Ferner könnte aus Sicht des führenden chinesischen Demografie-Experten, Dr. Cai Fang, die Produktivität im herstellenden Sektor durch ein zusätzliches Bildungsjahr für Studenten um 17 % gesteigert werden. Es spielen mehrere Faktoren zusammen, die den Konsum in China in den kommenden 20 Jahren ankurbeln werden, und das trotz der Rückläufigkeit der erwerbsfähigen Bevölkerung: rückläufige Sparquoten (derzeit bei 44 %), die Umverteilung von Arbeitskräften (und Produktivitätssteigerung durch Verbesserung von Agrartechniken und der Abwanderung der Landbevölkerung zu den nicht primären Sektoren in die Städte) sowie das steigende Einkommen. Chinas Herausforderungen China muss interne und externe Herausforderungen bewältigen. Es gibt zwei potenzielle Probleme. Erstens ist angesichts von Chinas Größe der Einfluss des Landes auf wichtige Rohstoffe wie Öl, Eisenerz, Kupfer und weichen Rohstoffen wie etwa Reis hinlänglich bekannt. China ist nach wie vor anfällig gegenüber den externen Bedingungen, die sich auf die Preise dieser Rohstoffe auswirken. Denn das Land ist auf den Import dieser Rohstoffe angewiesen. Das Ziel Chinas, sich vom Öl unabhängiger zu machen, ist angesichts des Klimawandels ehrgeizig und lobenswert, aber schwierig zu erreichen. Zudem läuft die grüne Politik des Landes fast ganz auf einen aggressiven Ausbau der Atomkraft hinaus. Hier könnte ein Umdenken einsetzen. Zweitens hat sich China trotz seiner zunehmenden geopolitischen Rolle durch das Wirtschaftswachstum aus vielen der globalen Probleme herausgehalten, wenn es dabei nicht gerade um Taiwan und Japan ging. Wie viel länger kann sich China diese zurückhaltende Haltung als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt noch leisten? Diese Frage wird besonders dann relevant werden, wenn der Renminbi zu einer Reservewährung heranwachsen sollte. Auch von innen her ist China mit einigen Herausforderungen konfrontiert. Zunächst gilt es, die Interessen der regionalen Regierungen mit denen der nationalen Regierung unter einen Hut zu bringen. Das ist entscheidend, um den Fünfjahresplan erfolgreich umzusetzen. Beim Übergang vom industrie- zum konsumbasierenden Wirtschaftswachstum müssen die Anreize für größere Behörden angepasst werden, damit sich Mentalität und Gewohnheiten ändern können. Der Abgleich von Zielen und Prozessen zwischen lokalen und zentralen Stellen ist dabei einer der Schlüsselfaktoren. Eine Steuerreform ist anspruchsvoll, könnte aber nicht reichen, sodass hier eine bessere Führung erforderlich wäre. Zweitens könnten sich neue Probleme für die unternehmerische Rentabilität und die Produktivität allgemein ergeben, wenn das angestrebte konsumorientierte Wachstum höhere Löhne und Einkommen einfordert, um Ausgaben zu ermöglichen. Das A und O sind hier technologische Verbesserungen und der Schwerpunkt auf Produkten mit höherem Nutzen. Das gilt besonders für die Regionen Pearl River Delta und Guangdong. Drittens stellen Einkommensunterschiede ein Problem dar. Die sozialen Unterschiede in China, sowohl hinsichtlich der Einkommenskluft als auch die Unterschiede zwischen den ländlichen und städtischen Regionen müssen bewältigt werden. China gibt zwar seinen Gini-Koeffizienten nicht mehr bekannt, dennoch wird er auf über 50 geschätzt. Der abermalige Schwerpunkt des 12. Fünfjahresplans für dieses Thema (sozialer Wohnungsbau, Gesundheitsversorgung, Bildung) ist wichtig und vor allem entscheidend, um das von der Regierung angestrebte Ziel eines nachhaltigen Wirtschaftswachstums zu erreichen. Es ist zudem ein wichtiger Eckpfeiler der Steuerreform und trägt dazu bei, dass in den nächsten zehn Jahren eine breite Mittelschicht im Land entsteht. Wie wir bereits bei den jüngsten Ereignissen im Nahen Osten gesehen haben, können Einkommensungerechtigkeiten bei steigender Inflation Proteste auslösen, selbst in stabilen Bevölkerungsstrukturen. 6

7 Abbildung 6: Konsumlücke in China: Konsumanteil auf dem Land in % des städtischen Konsums Quellen: CEIC, Euromonitor, Morgan Stanley Research. Abbildung 7: Chinas regionale Ungleichheiten im internationalen Vergleich Quellen: CEIC, Morgan Stanley Research. Viertens könnte das Eindämmen der Inflation Schwierigkeiten bereiten. Die Reform in den Landwirtschafts- und Verteilungsgebieten, kombiniert mit einem besonderen Fokus auf einer stabilen Lebensmittelversorgung, scheint jedoch gut durchdacht. Aber es wird nicht einfach werden, die Inflation auf der anvisierten Rate von 4 % zu halten. Man muss sich einstellen auf den Einfluss der importierten Inflation, gekoppelt mit struktureller Inflation und in Verbindung mit einer Verlagerung hin zu einem Konsummodell. Fünftens stellt sich die Frage, wie stabil das Finanzsystem ist. Das Verhältnis der Bankkredite zum BIP liegt in China bei über 120 % und gehört damit nach Großbritannien zu den höchsten der Welt. Außerdem gibt es immer mehr Kritik bezüglich der rücksichtslosen Darlehen, die einige Banken den lokalen Regierungen besonders für gewisse Prestigeprojekte gewähren. Doch das Gesamtverhältnis der Schulden (einschließlich privater und staatlicher Schulden) zum BIP ist in China verhältnismäßig relativ niedrig (unter 200 %). Zudem ist China nach außen hin so gering verschuldet wie kaum ein anderes Land der Welt (rund 16 % des BIP). Zurzeit wird in China die Finanzvermittlung von Handelsbanken (85 %) dominiert. Andere Länder wie die USA hingegen haben stärker diversifizierte Strukturen, die sich aus 16 % Banken, 60 % Anleihen und 22 % Aktien zusammensetzen. China zielt auf eine höhere Diversifikation ab, um so weniger angreifbar zu sein. 7

8 Abbildung 8: China hat eine der höchsten Bankkreditquoten *Daten für für Indien, Korea und Italien per Quelle: CEIC, Morgan Stanley Research. Abbildung 9: Dominanz der Handelsbanken bei der Finanzintermediation in China Quelle: CEIC, Morgan Stanley Research. Möglichkeiten für eine gezielte weltweite Einzeltitelauswahl. Sich weltweit auf die Suche nach den besten Ideen zu begeben, verschafft Anlegern die Flexibilität, sich auf die Beteiligungen, von denen sie überzeugt sind, zu konzentrieren. Aus globaler Sicht ist das starke strukturelle Wachstumspotenzial, das China bietet, langfristig äußerst attraktiv. Für die Feinabstimmung des chinesischen Anteils im Portfolio müssen natürlich Bewertung, Markt und Gewinnvolatilität mit einbezogen werden. Erreichen sollte man diese Beteiligung entweder über chinesische Unternehmen, die in China und anderen Börsen (USA, Singapur, Hongkong usw.) notiert sind, oder über globale Unternehmen, die einen wesentlichen Teil ihrer Gewinne und ihres Wachstums China verdanken. Bereiche mit dem stärksten Wachstumspotenzial sind zum Beispiel: Die Verbraucher: Steigende Einkommen untermauern die hohen Gewinnmöglichkeiten für Investitionen in verbraucherbezogenen Bereichen wie etwa Touristik, Luxus- und Verbrauchsgüter sowie Dienstleistungen. Das Verhältnis von Dienstleistung zum BIP liegt in China bei lediglich 42 % und somit nicht nur hinter der USA und Japan, sondern auch hinter Indien. Das Land reicht noch nicht einmal an das Niveau heran, das in Japan vor 40 Jahren verzeichnet wurde! China wird sich 2020 bzw zum größten Luftfahrt- und Luxusgütermarkt.entwickeln. Auch E-Commerce 8

9 und Online-Zahlungssysteme dürften China ein gutes Wachstum bescheren. Mit einem Marktanteil von derzeit 2 % am Einzelhandelsumsatz kann das Land bis 2015 mühelos auf 7 % anwachsen. Daraus würde sich bis 2015 eine Marktgröße von über 300 Mrd. US-Dollar im Online-Handel ergeben. Finanzdienstleistungen: Die Finanzkrise hat chinesische Banken in der weltweiten Bankenklasse nach oben gebracht. Die vier führenden chinesischen Banken zählen nun zu den Top 25 der weltweiten Finanzinstitute. Geht man davon aus, dass sich das derzeitige Verhältnis von Bankkrediten zu Anlagen bei 50 % bis 2015 hält, so ist das Wachstum der Bankenbranche in China mit einem Gesamtvermögen von rund 32 Billionen US-Dollar im Vergleich zu 8,9 Billionen US-Dollar 2009 tatsächlich sehr hoch. Das würde bedeuten, dass chinesische Banken 2015 höhere Vermögenswerte aufweisen werden als Japan und Großbritannien und wären somit mit denen der EU vergleichbar. Finanzielle Vermögenswerte, die nicht zu den Banken gehören, wachsen dabei am stärksten. Das gilt vor allem für Versicherungen und Geldmarkttätigkeiten. Der Lebensversicherungsmarkt dürfte zwischen 2010 und 2015 um 200 % auf einen Wert von rund 630 Mrd. US-Dollar anwachsen. Er wäre damit größer als der japanische Markt im Jahr 2009 und würde bereits 80 Prozent des Marktes der USA betragen. Auch die Entwicklung am chinesischen Anleihemarkt dürfte mit einem Zuwachs von 11 % auf 24 % in den nächsten Jahren bemerkenswert verlaufen. Rohstoffe: Aufgrund der oben besprochenen strukturellen Veränderungen in der chinesischen Wirtschaft wird China eine weniger wichtige Rolle bei der Ankurbelung der globalen Grenznachfrage spielen. Das Land wird aber wirtschaftlich stark bleiben, denn Investitionsprogramme wie das öffentliche Wohnungsbauprogramm, energieeffiziente Investitionen in der Infrastruktur und die Verbesserung der inländischen Infrastruktur werden weiterhin für eine gesunde Nachfrage sorgen. Da eine Nachfrage nach Stahl von 600 Mio. Tonnen im Jahr 2010 bis 2015 auf 755 Mio. Tonnen erwartet wird, könnte der Stahlverbrauch Chinas bis zu diesem Jahr 75 Prozent der weltweiten Nachfrage ausmachen. Bei Öl sieht der aktuelle Plan aufgrund der Energiesparbemühungen für den Zeitraum zwar eine Steigerung von nur 25 % auf 556 Mio. vor. Doch das macht immer noch 14 Prozent der weltweiten Nachfrage nach Öl bzw. das 2,8-fache des japanischen und etwa 80% des Ölverbrauchs in der EU aus. Abbildung 10: Ölnachfrage pro Kopf China im weltweiten Vergleich Quelle: BP-Statistik, Industriedaten Schätzungen von Credit Suisse. Wichtiger Hinweis: Die hierin geäußerten Ansichten und Meinungen stammen von Schroders Global and International Equities Team, und stellen nicht notwendigerweise die in anderen Mitteilungen, Strategien oder Fonds von Schroders ausgedrückten oder aufgeführten Ansichten dar. Nur für professionelle Anleger und Berater. Dieses Dokument ist nicht für Privatkunden geeignet. Dieses Dokument dient nur Informationszwecken und ist keinesfalls als Werbematerial gedacht. Das Material ist nicht als Angebot oder Werbung für ein Angebot gedacht, Wertpapiere oder andere in diesem Dokument beschriebene verbundene Instrumente zu kaufen. Keine Angabe in diesem Dokument sollte als Empfehlung ausgelegt werden. Dies ist kein Ausschluss und keine Beschränkung der Verpflichtung oder Haftung, die SIM gemäß dem Financial Services Markets Act 2000 (in seiner gültigen Fassung) oder einer anderen Gesetzgebung gegenüber seinen Kunden hat. Individuelle Investitions- und/oder Strategieentscheidungen sollten nicht auf Basis der Ansichten und Informationen in diesem Dokument erfolgen. Herausgegeben von Schroder Investment Management Limited, 31 Gresham Street, London EC2V 7QA. Zugelassen und unter der Aufsicht der Financial Services Authority. 9