1. Aktuelle Rechtsprechung zur Bestimmung der Kostenverteilungsschlüssel in der Eigentümergemeinschaft

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1 Aachener Str Köln Tel Fax Aktuelle Rechtsprechung zur Bestimmung der Kostenverteilungsschlüssel in der Eigentümergemeinschaft RA Dr. Georg Jennißen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht Köln

2 Gegenüberstellung von 16 Abs. 3 zu Abs. 4 Betriebskosten Verwaltungskosten Verbrauch Verursachung Sonstiger Maßstab ordnungsmäßiger Verwaltung Einfache Mehrheit Instandhaltung Instandsetzung bauliche Veränderungen Gebrauch Möglichkeit des Gebrauchs Rechnung tragen doppelte qualifizierte Mehrheit Einzelfallkompetenz

3 Betriebskosten I Fall: Die WE beschlossen die JA, in der der Verteilungsschlüssel für Betriebskosten gegenüber der GO geändert wurde. Der Beschluss wurde angefochten. Lösung: BGH v V ZR 202/09, IMR 2010, 381 Beschluss hat Rückwirkung; 556 a Abs. 2 BGB nicht anwendbar. Beschluss aus Vertrauensschutzgesichtspunkten rechtswidrig. Gesetz lässt Änderung des Schlüssels gegenüber GO zu (a.a. AG Hamburg ZMR 2009, 321).

4 Betriebskosten II Fall: Die GO regelt, dass die Eigentümer der Garagenplätze keine Verwaltungskosten tragen. Dies ändern die WE durch Beschluss. Lösung: Nach AG Bremen (WuM 2009, 683) keine Beschlusskompetenz; 16 III eröffne nur die Änderung des Schlüssels, nicht die erstmalige Kostenbelastung. M.E. Beschlusskompetenz gegeben; Beschluss rechtswidrig, wenn bisherige Privilegierung sachlichen Grund hatte.

5 Betriebskosten III, Heizkosten Fall: In der GO ist eine Verteilung der Heizkosten zu 70% nach Verbrauch geregelt. Die Wohnungseigentümer wollen nun ein 100%ige Verbrauchskostenverteilung beschließen. Lösung: Grds. möglich, da 6 Abs. 4 HeizkV a.f. seit nicht mehr gilt, der die Abänderungsmöglichkeit nur in den ersten drei Jahren zuließ; 10 HeizkV lässt Beschlüsse über höhere Verbrauchsanteile zu; Aber: Zustimmung aller Nutzer erforderlich (str.); Anfechtbarkeit kann sich daraus ergeben, dass Lagenachteile nicht mehr berücksichtigt werden;

6 Heizkosten Abwandlung I Fall: Während die GO 70 : 30 vorsieht, beschließen nun die Wohnungseigentümer 50 : 50. Lösung: Beschluss ist nach 16 III, V WEG zulässig.

7 Heizkosten Abwandlung II Fall: Die Wohnungseigentümer hatten 100%ige Abrechnung nach Verbrauch beschlossen. Jahre später beschließen sie 50 : 50. Lösung: Abrechnung entspricht ordnungsmäßiger Verwaltung (BGH NZM 2010, 707); zurück in die Bandbreiten ist unproblematisch.

8 Instandsetzungskosten I Fall: Die ET hat 2006 die Sanierung der Fenster beschlossen. Die Maßnahme ist noch nicht erledigt. Im September 2009 beschließen sie nun, dass die Kosten nach der Anzahl der Fenster je Wohnung verteilt werden sollen. Lösung: Anfechtbarkeit folgt aus dem Wortlaut können im Einzelfall zur Instandhaltung und Instandsetzung regeln.

9 Instandsetzungskosten II Fall: Durch eine undichte Fassade dringt Wasser in eine Wohnung ein. Es beschädigt den Estrich, der daraufhin erneuert werden muss. Die Wohnungseigentümer beschließen sodann, dass die Sanierungskosten der betreffende Wohnungseigentümer zu tragen hat. Lösung: Estrich = Gemeinschaftseigentum, daher Gemeinschaftsangelegenheit. Beschluss nach 16 Abs. 4 WEG ist anfechtbar, da eine Kostenverteilung nur nach Gebrauch oder Gebrauchsmöglichkeit in Betracht kommt. Der betreffende Wohnungseigentümer gebraucht nicht den Estrich. 16 Abs. 4 will nicht das Schadensrisiko auf einen einzelnen Wohnungseigentümer abwälzen (gleichermaßen KG ZMR 2009, 135 für die erstmalige Herstellung eines mangelfreien Zustands).

10 Instandsetzungskosten III Fall: Nur ein Dach einer Mehrhausanlage ist sanierungsbedürftig. Die Wohnungseigentümer beschließen mit qualifizierter Mehrheit, dass die Kosten dieser Dachsanierung nur die Wohnungseigentümer des betreffenden Hauses zu tragen haben. Lösung: Das LG München (ZMR 2010, 150) hebt den Beschluss auf, weil die Wohnungseigentümer des betreffenden Hauses das Dach nicht gebrauchen würden. Der Verteilungsschlüssel der Gebrauchsmöglichkeit würde eine gewisse Exklusivität der Nutzungsmöglichkeit voraussetzen.(bestätigt durch BGH v V ZR 164/09, ZWE 2010, 362 der allerdings nicht auf Exklusivität, sondern auf eine gesteigerte Nutzungsmöglichkeit abstellt).

11 Instandsetzungskosten IV Fall: Ein Dachflächenfenster ist erneuerungsbedürftig. Die Wohnungseigentümer beschließen mit doppelt-qualifizierter Mehrheit, dass die Kosten dieses Fensteraustauschs der betreffende Wohnungseigentümer der Dachgeschosswohnung alleine zu tragen hat. Lösung: Das AG Wenningsen (ZMR 2010, 489) hebt diesen Beschluss auf. Das Dachflächenfenster sei Bestandteil des Daches und würde insoweit nicht von einem einzelnen Wohnungseigentümer gebraucht. Die Entscheidung überzeugt nicht, da auch normale Fenster Bestandteil der Fassade sind. 16 Abs. 4 liefe praktisch leer.

12 Positive Beispiele für Kostenverteilung nach 16 Abs. 4 Streichen von Fenstern Sanierung von Balkonen Sanierung von Stellplätzen, soweit nicht Betonteile saniert werden, die der Statik des gesamten Hauses dienen (vgl. hierzu LG München I ZMR 2010, 150; Spielbauer/Then, WEG, 16 Rz. 62).

13 Instandhaltung/Instandsetzung Fall: Ein Wohnungseigentümer hat vor Jahren ein Holzfenster seiner Wohnung ersetzt. Jetzt beschließen die Wohnungseigentümer, dass alle anderen Fenster erneuert werden. Der betreffende Wohnungseigentümer verlangt, dass die von ihm aufgewandten Kosten angerechnet werden. Lösung: Anspruch besteht nur dann, wenn der Wohnungseigentümer nachweisen kann, dass das Fenster damals erneuerungsbedürftig war und er somit durch seine eigene Investition die Wohnungseigentümer von Kosten befreit hat (Bereicherungsanspruch). Die Beweislast liegt aber beim Wohnungseigentümer (s. hierzu OLG Hamburg, IMR 2010, 290). Allerdings können WE großzügig sein (OLG Düsseldorf v I Wx 271/07).

14 Anspruch auf Änderung des Verteilungsschlüssels Fall: Ein Wohnungseigentümer baut nachträglich den Spitzboden als Wohnraum aus. Dieser Ausbau wird genehmigt. Der Kläger stellt in der Eigentümerversammlung den Antrag, dass nunmehr alle Kosten nach Wohnfläche an Stelle MEA gem. GO zu verteilen seien. Der Antrag wurde abgelehnt. Er erhebt daraufhin Klage. Lösung: Der BGH (v V ZR 174/09) hält die Ablehnung für rechtsmäßig. Kläger würde durch die unrichtige Berücksichtigung des Spitzbodens i.h.v. ca. 13% mit Mehrkosten belastet. Dies genüge für einen Abänderungsanspruch nach 10 Abs. 2 Satz 3 nicht, da von dem Schwellenwert 25% als Mehrbelastung auszugehen sei.