SPOTLIGHT. Totgesagte leben länger: Die Zukunft des Medienfonds und seiner Alternativen

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1 SPOTLIGHT Totgesagte leben länger: Die Zukunft des Medienfonds und seiner Alternativen Mitten in die heiße Phase der Debatte über die Fortsetzung der Steuervorteile für Medienfinanzierungen platzte die Nachricht, dass eine deutsche Großbank bis auf weiteres den Vertrieb des renommierten Filmfonds "VIP" eingestellt hat. Die Bank will genauer ergründen, warum sich die Einnahmen aus der Verwertung der Filme des Fonds "zeitlich verzögern". Die Anleger befürchten Einbußen bei den Rückflüssen und wollen nun den Inhalt des Anlegerprospekts rechtlich prüfen lassen. Diese Nachricht kommt überraschend, weil VIP - nach den Miseren anderer Medienfonds - als einer der Vorzeige-Fonds mit internationalem kommerziellen Knowhow galt. Er hatte bisher bewiesen, dass man mit steuerbegünstigten Fonds auch in Deutschland rentable Filme produzieren kann. Momentan ist er zur Zielscheibe der Medienfonds-Kritiker geworden. Dabei hat das Grundkonzept der Medienfonds nach wie vor Bestand: Ein Investor zahlt Bargeld in den Fonds ein und zusätzlich gewährt eine Bank dem Anleger ein Darlehen in fast gleicher Höhe. Der Fonds investiert Bareinsatz und Darlehenssumme in ein Medienprojekt, wodurch zunächst Verluste entstehen, und zwar häufig in Höhe von bis zu etwa 180% des Bareinsatzes. Diese Verluste zieht der Investor von seinem versteuerbaren Einkommen ab. Wenn der Investor sich in Form eines Kommanditanteils an dem Fonds beteiligt, muss der Fonds den komplizierten Anforderungen des seit 2001 mehrfach geänderten Medienerlasses entsprechen. Fonds können diese Anforderungen aber auch umgehen, wenn sie als Stille Beteiligungen strukturiert sind. Dies ist bei einigen der gefragten Games-Fonds der Fall, welche die Entwicklung und Vermarktung von PC- und Videospielen finanzieren. In jedem Fall erhält der Anleger Rückflüsse in Form von zu versteuernden Ausschüttungen, wenn das Medienprojekt nach einigen Jahren in die Verwertungsphase eintritt. Diese Rückflüsse sind heute bei den meisten Fonds durch bankunterlegte Garantien abgesichert, welche die Rückgewähr der Einlage auch dann weitgehend gewährleisten, wenn das Produkt bei der Vermarktung floppt. Neue Finanzierungsmodelle nach Miseren der Medienfonds Steuervorteil für Investitionen in Film, Medien oder Games

2 Allein zwischen 1997 und Ende 2004 sind auf diese Weise geschätzte 13 Milliarden Euro für Medienproduktionen aufgebracht worden. Weil man in kommerziell aussichtsreiche Projekte investieren wollte, kamen in erster Linie amerikanische Großproduktionen in Betracht. Die Fonds hatten aber in den letzten Jahren bewusst auch in deutsche Filme wie die "Nibelungen" oder "7 Zwerge" investiert, um dem Vorwurf entgegenzuwirken, die deutschen Steuervergünstigungen kämen letztlich nur US-Produktionen zugute. Tatsächlich werden schätzungsweise 15-20% des Finanzierungsbedarfes aller Hollywoodproduktionen durch deutsche Investoren aufgebracht. Nicht nur deshalb sind die Fonds ein Dorn im Auge des Finanzministeriums. Es hatte in den vergangenen Jahren bereits mehrfach versucht, die Steuersparmodelle für geschlossene Fonds abzuschaffen. Zuletzt war dies in diesem Sommer durch den Vorschlag geschehen, einen neuen Paragraphen 15b in das Einkommenssteuergesetz einzuführen. Dieser hätte es Investoren verboten, die in der Anfangsphase bei den Medienfonds typischerweise entstehenden Verluste mit Gewinnen aus anderen Einkunftsarten steuermindernd zu verrechnen. Dieses Verbot sollte jedenfalls dann gelten, wenn die Verlustzuweisung bei der Fondskonstruktion im Vordergrund steht (weil die erwarteten Anfangsverluste mehr als 10% der Bar- Investition ausmachen). Außerdem sollte die Verlustverrechnung nur noch mit Einkünften aus derselben Einkunftsart möglich sein, also nur noch zwischen den Gewinnen und Verlusten aus demselben Fonds. Die Streichung dieser Verrechnungsmöglichkeit hätte das Aus der Medienfonds bedeutet, die wegen dieses Steuerstundungs- oder -spareffektes Millionen mobilisiert hatten. Das Gesetzgebungsverfahren zur Streichung des Verrechnungsparagraphen hatte sich zunächst verzögert, jetzt heißt es, der Entwurf ist vom Tisch. Aber dennoch ist damit zu rechnen, dass nach der anstehenden Bundestagswahl zumindest eine ähnliche Regelung kommt: Das Bundesministerium der Finanzen ist nach wie vor daran interessiert, auch gegen die Stimmen der medienpolitischen Sprecher nahezu aller größeren Parteien, Steueranreize für Film- und Medienfonds abzuschaffen. Insbesondere sollen sämtliche Verlustverrechnungsmodelle ausgemerzt werden. Damit liegt das Ministerium auf der Linie wichtiger Vertreter der CSU. Diese beabsichtigt offenbar, ab dem 01. Januar 2006 alle Steuersparmodelle im Film- und Medienbereich abzuschaffen. Dies soll unabhängig davon geschehen, ob die Fonds sich verpflichten, einen gewissen Anteil des Produktionsbudgets in Deutschland Investition auch in deutsche Produktionen Streichungsparagraph erneut gescheitert Neue Richtung nach der Wahl?

3 auszugeben ("German Spend"). Auch aus Sicht der Sozialdemokraten darf der Sparkurs nicht bei den Subventionen für die Film- und Medienindustrie halt machen, Steueranreize seien nicht das richtige Mittel zur Filmförderung. Andererseits soll ein Ausgleich über einen Risikokapitalfonds geschaffen werden. So hat der Kanzler bereits angekündigt, in den nächsten drei Jahren 90 Mio. Euro über einen solchen Fonds bereit zu stellen. Es wird erwartetet, dass dieser Fonds maximal 20% des Budgets eines Projektes übernehmen kann. Da die Zuständigkeit und das Verfahren für die Projektauswahl noch nicht feststehen, ist schwer abzusehen, ob der Fonds alle Branchen, einschließlich der Games-Branche gleich behandeln wird, ob er tatsächlich unternehmerisch und kommerziell orientiert sein wird, oder ob die Beteiligungen des Fonds auf gleiche Art und Weise wie Förderungen traditionellen Zuschnitts "vergeben" werden. Die FDP dagegen spricht sich für neue innovative Modelle aus, die neben staatlichen Förderinstrumenten vor allem privaten Investoren Anreize für Investitionen in die Filmwirtschaft und in den Filmstandort Deutschland bieten, z.b. Sale & Leaseback. Die Einführung eines Sale & Leaseback-Modells nach britischem Vorbild würde allerdings die bestehenden Möglichkeiten der steuerlichen Verlustverrechnung erweitern, nicht reduzieren. Denn beim Sale & Leaseback wären nicht wie bisher nur Herstellungskosten eines Filmes als Verluste abzugsfähig, sondern die Kosten des Erwerbs eines fertigen Filmes: Eine Investoren-Gesellschaft kauft dem Produzenten den fertigen Film ab. Der Produzent least den Film von den Investoren zur Auswertung zurück und zahlt im Gegenzug regelmäßige, über eine Bank garantierte Leasingraten an die Investoren- Gesellschaft. Die Bank arbeitet in der Zwischenzeit mit dem Geld und der Produzent muss nur Leasingraten in Höhe von insgesamt 85-88% der Herstellungskosten aufbringen. Der effektive Barwertvorteil beträgt für ihn so etwa 12-15% des Gesamtbudgets. In England ist es auf diese Art und Weise in den letzten Jahren gelungen, der lokalen Filmindustrie und dem Arbeitsmarkt im Filmsektor einen erheblichen Anschub zu geben und zahlreiche internationale Produktionen zumindest teilweise nach England zu holen. Risikokapitalfonds für die Medienproduktion Sale & Leaseback nach britischem Vorbild

4 Frau Merkel will die Filmfonds nicht abschaffen, solange sie der deutschen Produktion zugute kommen, also eine freiwillige oder vorgeschriebene German Spend-Komponente haben. Die Einzelheiten stehen offenbar noch nicht fest, wahrscheinlich bis geklärt ist, ob eine im Steuerrecht verankerte Bevorzugung deutscher Filme europarechtswidrig ist oder gegen internationale Abkommen verstößt. Im CDU- Wahlprogramm ist allerdings auch die Rede vom Schließen der Steuerschlupflöcher, obwohl insgesamt die Rahmenbedingungen für die deutsche Filmwirtschaft verbessert werden sollen. Mit letzterem könnte aber auch die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Kreativer in urheberrechtlichen Belangen gemeint sein. Wie immer ist die Medienindustrie allerdings äußerst anpassungsfähig: Längst haben Studios und Investoren auch alternative Finanzierungsmodelle entwickelt, mit denen sie weitgehend unabhängig von der steuerlichen Verlustzuweisung für die Investoren sind. Gewinn- statt verlustorientierte Private Placings erleben eine Renaissance. Dabei erhalten die Produzenten von den Investoren 100% Liquidität für die Produktion gegen gewisse Rückflussgarantien. Wenn zusätzlich eine Bank eingeschaltet wird, kann der Bar-Anteil der Investoren weiter gesenkt werden. Zu diesem Zweck haben bereits einige Studios und Produzenten Investment-Vehikel strukturiert, die ausschließlich der Finanzierung ihrer eigenen Projekte dienen. Wichtig wird es in Zukunft sein, dass die Fonds klar und transparent strukturiert sind, um das Vertrauen der Anleger zurück zu gewinnen und das Potential für unerwartete Komplikationen so gering wie möglich zu halten. Ohne die Beibehaltung von Steuervorteilen für solche Anlagen wird es der deutschen Medienindustrie allerdings schwer fallen, international wettbewerbsfähig zu werden. Förderungen oder Förderpreise allein spielen erfahrungsgemäß bei der Wahl des Drehortes für größere Produktionen kaum eine Rolle. Auch wenn man in Deutschland die vorgeschlagene Lohnkosten-Subventionierung für Medienproduktionen nach kanadischem Vorbild einführt, würde uns das erst dem Kostenniveau unserer osteuropäischen Nachbarn annähern. Zahlreiche internationale Produktionen gehen aber schon jetzt nach Osteuropa, unter anderem nach Ungarn, das mit günstigeren Produktionskosten sowie mit Steuervorteilen von 20% für lokale Produzenten und für Investoren lockt. Hinzu kommt, dass die europäischen Vorreiter in Sachen Steueranreize, Irland und England, ihre Programme beibehalten werden - auch wenn das englische Sale & Leaseback künftig durch einen Steuerkredit ersetzt wird, der Einführung einer German Spend-Komponente? Alternativen: Private Placings Gewinnorientierte Fonds- Strukturen und Lohnkosten- Subventionierung

5 dem Produzenten direkt zugute kommt. Selbst Kalifornien hat jüngst die Einführung von Steueranreizen für Filmproduktionen bekannt gegeben. 09. September 2005 Dr. Siegmar Pohl, LL.M. Rechtsanwalt und Head of Media & IT Germany der internationalen Sozietät Hammonds in Berlin Georgenstr. 22, Berlin Tel