Fälle zum Allgemeinen Verwaltungsrecht

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1 Klausurenkurs - Juristische Übungsbücher Fälle zum Allgemeinen Verwaltungsrecht Mit Verwaltungsprozessrecht von Dr. Christian Ernst, Prof. Dr. Jörn Axel Kämmerer 2. Auflage Verlag Franz Vahlen München 2014 Verlag Franz Vahlen im Internet: ISBN Zu Inhalts- und Sachverzeichnis schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

2 Sachverhalt Übersicht XX Übersicht XX: Das subjektive öffentliche Recht Definition: = dem Einzelnen kraft öffentlichen Rechts verliehene Rechtsmacht, vom Staat zur Verfolgung eigener Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können Bedeutung für die Fallprüfung Begründetheit von Rechtsbehelfen Zulässigkeit von Rechtsbehelfen: Klagebzw. Antragsbefugnis Verpflichtungsbegehren: Anspruchsgrundlage Anfechtungsbegehren: verletztes Recht Ausschluss von Popularklagen Bestimmung eines sör (unter Normauslegung) Norm muss (auch) spezifisch Schutz des Einzelnen bezwecken Kein bloßer Rechtsreflex Einfachgesetzliche Bestimmungen Sonderbeziehungen (kraft VA, Vertrag, GoA etc.) Grundrechte 139

3 Fall 10 Ein dilettantischer Gastwirt Übersicht XXI Übersicht XXI: Rücknahme und Widerruf (von begünstigenden Verwaltungsakten) Ausgangs-VA ist rechtmäßig Ausgangs-VA ist rechtswidrig Aufhebung durch Widerruf Aufhebung durch Rücknahme Geldleistung, teilbare Sachleistung sonstiger rechtlicher Vorteil Geldleistung, teilbare Sachleistung sonstiger rechtlicher Vorteil Widerrufsgrund gem. 49 III Widerruf ex tunc oder nunc; Ermessen Widerrufsgrund gem. 49 II Widerruf nur ex nunc; Ermessen 48 I, II Rechtsfolge: Ermessen Beschränkungen durch (mangelnden) Vertrauensschutz in der Regel ex tunc 48 I, III Rechtsfolge: Ermessen (incl. Vertrauensschutz ex nunc oder tunc 140

4 Lösung Lösung Schwerpunkte: Rücknahme Zusicherung Unterscheidung Rechtmäßigkeit und Wirksamkeit subjektives öffentliches Recht verfristeter Widerspruch finanzieller Ausgleich nach Rücknahme A. Zulässigkeit I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs Eine aufdrängende Sonderzuweisung besteht nicht. Nach 40 I 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit nicht verfassungsrechtlicher Art handelt und keine abdrängende Sonderzuweisung besteht. 2 A begehrt eine Gaststättenerlaubnis, deren Grundlage die 2, 4 GastG sind. Hiernach sind ausschließlich Behörden zur Erteilung von Gaststättenerlaubnissen berechtigt. Der Streit über die Erteilung einer Gaststättenerlaubnis ist also öffentlich-rechtlich. Mit A und der Stadt S streiten sich nicht zwei unmittelbar am Verfassungsleben Beteiligte um unmittelbar aus der Verfassung stammende Rechte und Pflichten, sodass die Streitigkeit auch nichtverfassungsrechtlicher Art ist. Eine abdrängende Sonderzuweisung besteht nicht, sodass der Verwaltungsrechtsweg nach 40 I 1 VwGO eröffnet ist. II. Beteiligten- und Prozessfähigkeit A ist beteiligtenfähig nach 61 Nr. 1 Var. 1 VwGO und prozessfähig nach 62 I Nr. 1 VwGO. Die Stadt S ist beteiligtenfähig nach 61 Nr. 1 Var. 2 VwGO und prozessfähig nach 62 III VwGO. Sie wird vertreten durch den Bürgermeister. III. Statthafte Klageart Die statthafte Klageart bestimmt sich gemäß 88 VwGO nach dem auslegungsfähigen Begehren des Klägers. A beruft sich auf die schriftliche Zusicherung, die er erhalten hat und die ihm den Erhalt einer Gaststättenerlaubnis ermöglichen soll. A könnte sich mit einer Anfechtungsklage nach 42 I Var. 1 VwGO gegen die Ablehnung vom , einen Verwaltungsakt, wenden. Hat die Anfechtungsklage Erfolg, besteht die Zusicherung fort. Allerdings würde A mit diesem Vorgehen noch keine Gaststättenerlaubnis erwirken können. Er wäre weiterhin auf die Zusicherung beschränkt, eine solche zu erhalten. Dies entspricht nicht seinem wohlverstandenen Begehren. Statthaft könnte insofern eine Verpflichtungsklage gemäß 42 I Var. 2 VwGO in Form der Versagungsgegenklage sein. Die Versagungsgegenklage ist insbesondere dann einschlägig, wenn die Behörde einen beantragten Verwaltungsakt zuvor abge- 2 Vgl. die Anmerkung oben Fall 5, Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs. 141

5 Fall 10 Ein dilettantischer Gastwirt lehnt hat. 3 In diesem Fall schließt der beantragte Erlass des begehrten Verwaltungsakts die Anfechtung der vorherigen Ablehnung ein. 4 Bei der begehrten Gaststättenerlaubnis handelt es sich um einen Verwaltungsakt, deren Erlass zuvor von der Behörde abgelehnt worden ist. Einschlägig ist damit die Verpflichtungsklage. IV. Klagebefugnis Um klagebefugt zu sein, muss A nach 42 II VwGO geltend machen, durch die Ablehnung des Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Als Kläger muss A zumindest möglicherweise ein subjektives öffentliches Recht (Anspruch) auf den begehrten Verwaltungsakt haben. 5 Ein subjektives öffentliches Recht ermöglicht dem Einzelnen, aufgrund öffentlichen Rechts zur Verfolgung privater Interessen vom Staat ein besonderes Verhalten verlangen zu können. 6 Nach der Schutznormlehre folgt ein subjektives öffentliches Recht aus gesetzlichen Bestimmungen, wenn eine Norm gerade dem Interesse einzelner Bürger und nicht nur dem Interesse der Allgemeinheit dienen soll und die Vorteile der Vorschrift dem Bürger deshalb nicht allein als Reflex zukommen. 7 Die gesetzlichen Bestimmungen der 2, 4 GastG könnten dieses subjektive öffentliche Recht gewähren, auch wenn solches aus dem Wortlaut der Vorschriften nicht unmittelbar hervorgeht. Dass es sich um einen gebundenen Anspruch handelt, ergibt sich aus dem Grundsatz der Gewerbefreiheit gemäß Art. 12 I GG, 1 GewO. Dieser wird durch 4 GastG nur eingeschränkt, soweit dies der ordnungsgemäßen Gewerbeausübung dient. Weitere, im Ermessen der Behörde stehende Versagungsgründe darf es nicht geben. 8 Hier steht aber laut Sachverhalt fest, dass sich der Betrieb einer Gaststätte in den beantragten Räumlichkeiten nicht mit den gesetzlichen Vorgaben des 4 GastG vereinbaren lässt. In Ansehung der Gesetzeslage hat A offensichtlich keinen Anspruch auf Erteilung einer Gaststättenerlaubnis. 9 Er könnte sich jedoch aus der schriftlichen Zusicherung ergeben, die A am erhielt, wonach er die Gaststättengenehmigung bekommen werde. Subjektive öffentliche Rechte können sich nicht allein aus Rechtsnormen ergeben, sondern auch aus Verwaltungsrechtsverhältnissen. 10 Folge eines Verwaltungsrechtsverhältnisses kann dabei auch die Entstehung von subjektiven öffentlichen Rechten für den Bürger sein. 11 Ein Verwaltungsrechtsverhältnis kann nicht allein durch eine gesetzliche Regelung zwischen der Verwaltung und einem weiteren Rechtssubjekt entstehen, sondern auch durch einen Verwaltungsakt, einen Verwaltungsvertrag, eine verwaltungsrechtliche Willenserklärung oder Realhandeln. A hat am eine Zusicherung erhalten. 3 Kopp/Schenke 42 Rn. 6; Wolff/Decker/Wolff 42 VwGO Rn Im Vergleich zur Untätigkeitsklage, bei der die Behörde im Vorfeld den begehrten Verwaltungsakt nicht erlassen, aber auch nicht abgelehnt hat, ergeben sich geringfügige Unterschiede in der Zulässigkeit bei der Prüfung der Klagefrist und des Vorverfahrens. In der Begründetheit wirkt sich dies nicht aus. 5 Wolff/Decker/Wolff 42 VwGO Rn Maurer VerwR AT 8 Rn BVerfGE 29, 297 (307); BVerwGE 1, 83 (83); 81, 329 (334); 92, 313 (317); HK-VerwR/Sennekamp 42 VwGO Rn. 50; Kopp/Schenke 42 Rn Metzner 2 Rn. 2, 4 Rn AA wohl noch vertretbar, siehe aber dann unten. 10 Dazu Maurer VerwR AT 8 Rn. 17 ff. mwn. 11 Kopp/Schenke 42 Rn

6 Lösung Die Rechtsnatur der Zusicherung ist zwar umstritten: Manche qualifizieren sie als Verwaltungsakt, andere als verwaltungsrechtliche Willenserklärung. 12 Diese Frage wirkt sich hier aber nicht aus. Entscheidend ist weniger die dogmatische Einordnung als die mit Rechtsbindungswillen abgegebene Erklärung, dem Bürger ein bestimmtes Recht einzuräumen. Die Zusicherung nach 38 VwVfG weist, wie der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung und der systematische Verweis auf die Regelungen über die Bestandskraft des Verwaltungsakts zeigen, generell einen solchen Erklärungscharakter auf. Es ist deshalb nicht von vornherein ausgeschlossen, dass mit der Zusicherung vom zwischen A und dem Träger der Gaststättenbehörde ein Verwaltungsrechtsverhältnis entstand, das auch einen Anspruch des A auf eine Gaststättenerlaubnis beinhaltet. Aus diesem Verwaltungsrechtsverhältnis resultiert zumindest möglicherweise für A ein subjektives öffentliches Recht. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass A aus der Zusicherung einen Anspruch auf eine Gaststättenerlaubnis ableiten kann. V. Vorverfahren A muss ordnungsgemäß Widerspruch erhoben haben. 70 I 1 VwGO ordnet an, dass dieser innerhalb eines Monats zu erfolgen ist. Am erhält A die schriftliche Nachricht, dass ihm keine Gaststättengenehmigung erteilt wird. Am erhebt A Widerspruch. Die Monatsfrist ist damit, selbst unter Berücksichtigung etwaiger Samstage, Sonn- oder Feiertage, nicht gewahrt. Anzeichen dafür, dass die Rechtsmittelbelehrung fehlerhaft gewesen ist, bestehen nicht; die Ablehnung am wurde ordnungsgemäß erklärt. Schließlich bringt A auch keine Gründe vor, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigen würden. Trotz dieser Fristversäumnis hat die zuständige Behörde am einen Widerspruchsbescheid erlassen, sich also auf den verfristeten Widerspruch eingelassen. Der Widerspruchsführer muss dadurch den Eindruck erhalten, als sei seine Fristversäumnis unerheblich. Bei der prozessualen Bewertung dieser Situation muss berücksichtigt werden, dass das Widerspruchsverfahren einen Doppelcharakter besitzt: Zum einen ist es ein Verwaltungsverfahren, zum anderen prozessuale Zulässigkeitsvoraussetzung. 13 Sein Charakter als Verwaltungsverfahren könnte dafür sprechen, die Durchführung des Widerspruchsverfahrens als Prärogative der Widerspruchsbehörde zu deuten, kraft welcher dieser gestattet sein muss, eigenverantwortlich Fristversäumnisse auch zu heilen. Andererseits entscheidet über die Erfüllung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzung das Verwaltungsgericht, sodass diese Vorgaben der VwGO möglicherweise nicht zur Disposition der Widerspruchsbehörde stehen. Die überwiegende Rechtsprechung folgt der ersten Grundposition. Die Widerspruchsbehörde dürfe bei einer Fristversäumnis des Widerspruchsführers gleichwohl einen Widerspruchsbescheid erlassen; die Widerspruchsbehörde sei»herrin des Vorverfahrens«. Lässt sich die Widerspruchsbehörde in der Sache auf den verfristeten Widerspruch ein, ist das Widerspruchsverfahren aus Sicht der Rechtsprechung als ordnungsgemäß zu behandeln, und die Entscheidung der Widerspruchsbehörde öff- 12 Vgl. zum Streitstand Maurer VerwR AT 9 Rn. 60 ; Hebeler/Schäfer Jura 2010, 881 (881 f.). 13 Schenke VerwProzR Rn. 642; Schoch Jura 2003, 752 (752). 143

7 Fall 10 Ein dilettantischer Gastwirt net erneut den Rechtsweg. 14 Die Rechtsprechung begründet ihre Ansicht damit, dass die Frist des 70 VwGO keine von Amts wegen zu prüfende Zulässigkeitsvoraussetzung sei. Das Verwaltungsgericht dürfte sich dann nicht über die Entscheidung der Widerspruchsbehörde, trotz einer Verfristung einen Widerspruchsbescheid zu erlassen, hinwegsetzen. 15 Die zuständige Gaststättenbehörde der Stadt S hat auf den verfristeten Widerspruch hin einen Widerspruchsbescheid erlassen, den sie inhaltlich mit den weggefallenen Rechtswirkungen der Zusicherung begründet hat. Sie hat sich damit sachlich eingelassen und nach Sichtweise der Rechtsprechung die ordnungsgemäße Durchführung des Vorverfahrens sichergestellt. Ob sie dies in Kenntnis der Verfristung tat oder aus Versehen, ist unerheblich. 16 Die herrschende Literatur spricht der Widerspruchsbehörde die Kompetenz zum Erlass eines»heilenden«widerspruchsbescheides ab. 17 Der Devolutiveffekt, der erst die Zuständigkeit der Widerspruchsbehörde begründe, könne durch einen unzulässigen Widerspruch gar nicht ausgelöst werden, sodass die Widerspruchsbehörde nicht zur»herrin des Vorverfahrens«werden könne und auch keine Entscheidungsbefugnis erlange. Beim Vorverfahren handele es sich um eine prozessuale Sachentscheidungsvoraussetzung, die nicht zur Disposition der Verwaltung stehe. Nach diesem Verständnis hat A die Widerspruchsfrist nicht eingehalten. Für eine Befugnis der Widerspruchsbehörde, die Verfristung von Widersprüchen zu heilen, könnte das schutzwürdige Vertrauen des Widerspruchsführers streiten. Regelmäßig schafft ein Widerspruchsbescheid, der eine Entscheidung zur Sache und eine Rechtsmittelbelehrung enthält, für den Widerspruchsführer einen Vertrauenstatbestand. Dies könnte durch ein Verwaltungsgericht, das eine anschließende Klage als unzulässig abweist, missachtet werden. Auch könnte argumentiert werden, es würde am Ergebnis gar nichts ändern und in Formalismus münden, wenn der Verwaltung die Befugnis, über einen verfristeten Widerspruch zu entscheiden, abgesprochen würde; 18 denn die Ausgangsbehörde kann gegebenenfalls sogar angewiesen durch die Widerspruchsbehörde rechtswidrige und bestandskräftig gewordene Verwaltungsakte, auch nach 48 VwVfG zurücknehmen. Zudem können auf einen erneuten Antrag des Bürgers auch begünstigende Verwaltungsakte ohne weiteres erlassen werden. Dies könnte dafür sprechen, der Widerspruchsbehörde die Disposition über 70 VwGO zu erlauben. Der Wortlaut und die Systematik der 70, 60 VwGO machen jedoch deutlich, dass bei einer Verfristung des Widerspruchs nur über die Wiedereinsetzungsgründe doch noch eine Sachentscheidung bekommen zu sein soll. Insofern dient die Vorschrift des 70 VwGO nicht nur dem Schutz der Verwaltung, sondern auch dem öffentlichen Interesse, weil mit ihr Rechtssicherheit erzeugt wird und zusätzliche Prozesse ver- 14 BVerwGE 15, 306 (310); 57, 342 (344 f.); BVerwG NVwZ 1983, 608 (608); NVwZ-RR 1989, 85 (86); VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 6 (6); ebenso Hufen VerwProzR 6 Rn. 32. Dies gilt allerdings dann nicht, wenn der Widerspruch ein dreipoliges Verhältnis betrifft und durch die Entscheidung über den Widerspruch schutzwürdige Positionen Dritter betroffen sind, BVerwG NVwZ-RR 1989, 85 (86); NJW 2010, 1686 Tz BVerwG NVwZ 1983, 608 (608). 16 VGH Mannheim NVwZ-RR 2002, 6 (6). 17 Schoch Jura 2003, 752 (755); Kopp/Schenke 70 Rn. 9; Wolff/Decker/Decker 70 VwGO Rn. 15; Eyermann/Rennert 70 Rn Hufen VerwProzR 6 Rn

8 Lösung mieden werden. 19 Wollte man der Rechtsprechung einen Ermessensspielraum über den Erlass eines Widerspruchsbescheides zubilligen, der einer Fristversäumnis abhilft, müsste jeder Widerspruchsführer konsequenterweise auch einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Erlass eines solchen Widerspruchsbescheides haben. Dies würde die Rechtsschutzmechanismen gegen den Willen des Gesetzgebers, der mit der Bestandskraft eine bedingungslose zeitliche Beschränkung für die Anfechtung eines Verwaltungsakts setzen wollte, erheblich aufblähen. Wenn beim Widerspruchsführer bei Erlass eines solchen Widerspruchsbescheids ein schutzwürdiges Vertrauen besteht, kann dies uu im Rahmen staathaftungsrechtlicher Ansprüche berücksichtigt werden. Die Widerspruchsbehörde hat deshalb nach alledem nicht die Befugnis, eigenmächtig über die Frist des 70 I VwGO zu disponieren. Es fehlt daher an einem ordnungsgemäßen Vorverfahren. 20 VI. Zwischenergebnis Die Klage des A ist unzulässig. Hinweis: Falls sich Bearbeiter für die Einhaltung der Widerspruchsfrist entscheiden, ist im Folgenden noch zu prüfen:! VII. Klagefrist Da A zwei Wochen nach Erhalt des Widerspruchsbescheids Klage erhoben hat, ist die Klagefrist des 74 II VwGO eingehalten. IX. Klagegegner Zutreffender Klagegegner ist nach 78 I Nr. 1 VwGO die Körperschaft, deren Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen oder den beantragten Verwaltungsakt unterlassen hat. Hilfsgutachten Ein Hilfsgutachten ist immer dann erforderlich, wenn die gutachtliche Prüfung mit einem Befund endet, der die Erörterung weiterer also konsekutiver Rechtsfragen, die der Sachverhalt aufwirft, sachlogisch erübrigt. Im Verwaltungsrechtsfall ist dies der Fall, wenn sich die Klage als unzulässig erweist und der Weg zu der nach Lage der Dinge erwarteten Begründetheitsprüfung damit versperrt ist. Nach den Grundsätzen der juristischen Methodenlehre darf im Gutachten nur angesprochen werden, was zur Beantwortung der Fallfrage maßgeblich ist. Lautet sie, ob ein prozessuales Vorgehen Erfolg haben wird, ist die Begründetheit nicht mehr maßgeblich, wo bereits die Prüfung der Zulässigkeit zu einem negativen Ergebnis führt. Dass von Bearbeitern selbst wenn die Fallfrage dies nicht ausdrücklich erwähnt, eine hilfsgutachtliche Prüfung der Begründetheit regelmäßig erwartet wird, hat einen didaktischen und einen prozessrechtlichen Grund: Der didaktische Grund: Klausuren sind so konzipiert, dass nach Möglichkeit alle im Fall enthaltenen Rechtsprobleme erörtert werden. Das Gericht kann bei unzulässigen Klagen auf die Begründetheitsprüfung verzichten, ein Gutachter darf dies nicht. Dies gilt umso mehr, als die meisten Klausuren Raum für unterschiedliche Lösungswege bieten müssen. Prüfungstiefe und Prüfungsumfang sollen nicht primär davon abhängen, ob sich ein Bearbeiter für Lösung A entschieden hat, 19 Schoch Jura 2003, 752 (756). 20 Eine aa ist ebenso vertretbar. 145

9 Fall 10 Ein dilettantischer Gastwirt die zu einer Fortsetzung der Prüfung führen muss, oder für Lösung B, die eine Fortsetzung der Prüfung eigentlich ausschließt (weil sie zur Unzulässigkeit der Klage führt). Bearbeiter, die einer vertretbaren, aber uu dem Lösungsmodell des Klausurstellers nicht entsprechenden Ansicht folgen oder die bei der Subsumtion bereits in einem frühen Abschnitt der Lösung einen Fehler machen, sollen sich nicht den Schwerpunkt der Prüfung selbst abschneiden, wenn dieser an einer nachgelagerten Stelle liegt. Insofern ermöglicht das Hilfsgutachten in der Klausur die Bewertung juristischer Fähigkeiten auf einer hinreichend breiten und möglichst einheitlichen Erkenntnisbasis. Der prozessrechtliche Grund: Hilfsgutachten haben auch mit Blick auf den Verwaltungsprozess einen guten Sinn, und zwar unter zwei Aspekten. Erstens kommt es für die Urteilsverkündung auf die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verhandlung, nicht auf diejenige bei Erhebung der Klage an. Ist die Klage also zunächst unzulässig, müssen Anwalt wie Richter uu die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Zulässigkeitshindernis im Laufe des Prozesses entfällt und dann über die materiellen Rechtsfragen auch entschieden werden kann und muss und sich zur Sache deshalb ein Hilfsgutachten zurechtlegen. Ähnliches ergibt sich zweitens vor dem Hintergrund der begrenzten Wirkungen der Rechtskraft (vgl. 322 ZPO): Erwächst ein Urteil in Rechtskraft, kann über den Streitgegenstand kein erneuter Prozess geführt werden. Dies wirkt sich aber unterschiedlich aus, je nachdem, ob ein Klagantrag unzulässig oder unbegründet ist. Denn die Rechtskraft erfasst immer nur das Urteil und die dieses tragenden wesentlichen Entscheidungsgründe. Bei einer Abweisung der Klage als unzulässig hat das Gericht über Sachfragen noch nicht entschieden, sie werden von der Rechtskraft also nicht erfasst. Somit ist nicht ausgeschlossen, sie in einem späteren Gerichtsverfahren noch zu behandeln. Dieses kann sogar wenn Fristen dies noch gestatten im Wege der gleichen Klageart durchgeführt werden, denn die Behebung eines Zulässigkeitshindernisses verändert den Lebenssachverhalt, sodass die Rechtskraft einer erneuten Klage insoweit nicht mehr im Wege steht. Dass vielleicht doch noch irgendwann über die materiellen Rechtsfragen entschieden wird, müssen die Beteiligten also von vornherein in Erwägung ziehen. B. Begründetheit Die Klage ist nach 113 V 1 VwGO begründet, wenn und soweit die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist und die Sache spruchreif ist. Die Ablehnung ist dann rechtswidrig, wenn A einen Anspruch auf Erhalt einer Gaststättenerlaubnis hat. Hinweis: Sofern ein Anspruch aus 2, 4 GastG nicht schon oben in der Klagebefugnis abgelehnt wurde, ist er hier zu behandeln. Wurde der Anspruch hingegen schon in der Zulässigkeit verneint, bedarf es der folgenden Ausführungen nicht. I. Anspruch aus 2, 4 GastG Ein Anspruch direkt aus Gesetz scheitert, wenn die Voraussetzungen für eine Gaststättenerlaubnis nach 4 I 1 Nr. 2 GastG nicht bestehen, s. oben. Die inhaltlichen Gründe, aus denen eine Gaststättengenehmigung versagt werden kann, finden sich in 4 I GastG. A ist zwar nicht unzuverlässig isd 4 I 1 Nr. 1 GastG. Nach 4 I 1 Nr. 2 GastG ist jedoch weiter Voraussetzung, dass die Räume, die zum Betrieb der Gaststätte oder zum Aufenthalt der Beschäftigten bestimmt sind, wegen ihrer Lage, Beschaffenheit, Ausstattung oder Einteilung für den Betrieb geeignet sein müssen. Während des Genehmigungsverfahrens hat sich aber herausgestellt, dass sich in den Räumlichkeiten des A, in denen er die Gaststätte eröffnen möchte, keine ausreichenden Sanitäranlagen verwirklichen lassen und sich auch die Küche nicht unter Beachtung aller bestehenden Hygienevorschriften einbauen lässt. Der Gaststättenerlaubnis 146