»Nahrungssicherheit« Eine Publikation aus der Reihe. Moderne Pflanzenzüchtung Grüne Gentechnik. Fragen & Antworten

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1 Eine Publikation aus der Reihe»Nahrungssicherheit«Moderne Pflanzenzüchtung und Grüne Gentechnik Fragen & Antworten

2 Moderne Pflanzenzüchtung und Grüne Gentechnik Fragen und Antworten Einführung Seit dem Ende der Zeit, als unsere Vorfahren als Jäger und Sammler umherzogen, um ihre Nahrungsgrundlage jeden Tag neu zu sichern, und stattdessen sesshaft wurden, ist mit der Pflanzenzüchtung eine echte Erfolgsgeschichte geschrieben worden. Immer weiter entwickelte und züchterisch verbesserte Sorten einiger weniger Kulturpflanzen erzeugen heute in absoluten Erntemengen gemessen fast 90 % der Nahrungsgrundlage für uns Menschen. Diese Pflanzen bilden verlässlich die erforderliche hohe Qualität und gleichermaßen die hohen Erträge, die es erst ermöglichen, überhaupt mehrere Milliarden Menschen auf und von der Erde zu ernähren. Zu diesen Pflanzen zählen beispielsweise Weizen, Reis und Mais. Das Ertragspotenzial dieser Hauptnahrungspflanzen ist im Vergleich zu den Potenzialen anderer Pflanzen so groß, dass viele der anderen Kulturpflanzen heute nur noch in geringerem Umfang oder gar nicht mehr angebaut werden. Diese Konzentration auf wenige große Kulturen würde im Lauf der Zeit einen Verlust an biologischer Vielfalt und an Genressourcen bedeuten, wenn nicht das Erbgut der ungenutzten Pflanzen zumindest als genetischer Pool erhalten würde. 2 Mehr zum Thema:

3 Diese Erhaltung, um den Erhalt der Vielfalt als solcher willen ebenso wie als Quelle, aus der wir und unsere Nachkommen weiterhin schöpfen können muss z. B. über Samen- und Genbanken oder über regionale Erhaltungszüchtung gewährleistet werden. Denn: Eigenschaften und Wirkungen vieler Pflanzen und ihrer Inhaltsstoffe sind uns heute immer noch unbekannt. Damit wäre das Risiko, Teile des Genpools und damit in Zukunft vielleicht wichtige und nutzbringende Ressourcen allein wegen unserer heutigen Unwissenheit zu verlieren, unverantwortlich groß. In dieser Broschüre befassen wir uns mit der Züchtung der landwirtschaftlichen Kulturpflanzen und sprechen dabei Möglichkeiten und Grenzen der Grünen Gentechnik an. Diese Frage- und Antwortsammlung ergänzt die Reihe der FNL-Broschüren, die sich mit den Themenschwerpunkten Ressourceneffizienz, Verantwortungsvolle Nutztierhaltung, Nahrungssicherheit und Energieversorgung befasst. 3

4 1. Was ist Züchtung? Systematische Pflanzenzüchtung wird schon seit Jahrtausenden betrieben. Damit haben unsere Vorfahren begonnen, indem sie z. B. bei dem Getreide die größten Pflanzen, die ergiebigsten Wurzeln und die schmackhaftesten Körner ausgewählt und diese dann für die neue Saat verwendet haben. Im Zuge dieser Auslese (Selektion) veränderte sich das Spektrum der ursprünglichen Wildpflanzen, die ganz oder in Teilen gesammelt und genutzt wurden, hin zu Kulturpflanzen, deren Anbau wegen einzelner oder mehrerer Merkmale gezielt erfolgte. Diese Auswahl ist bis heute ein entscheidendes Merkmal der Züchtung. Allerdings folgt der Selektion schon lange auch die gezielte Kreuzung verschiedener Pflanzen, um dabei erwünschte Eigenschaften der Mutterlinie und ebenso positive Merkmale der Vaterlinie in den Nachkommen vereint wiederzufinden. Dazu wurden zu Beginn etwa verschiedene Sorten einer Kulturpflanze nebeneinander angebaut, um über die natürliche Bestäubung Nachkommen mit neuen Eigenschaften zu erhalten. Ein weiterer Schritt war die gezielte Bestäubung der weiblichen Blütenorgane einer Pflanze mit den Pollen einer anderen Pflanze, immer gefolgt von der Bewertung der einzelnen Nachkommen und ihrer Eigenschaften. Dies war und ist ein mühsamer Prozess, in dessen Verlauf vielverspre- 4 Mehr zum Thema:

5 chende Spuren verfolgt werden, die sich nachher aber als Sackgasse herausstellen. Erst der Biologe, Mönch und Naturwissenschaftler Gregor Mendel entdeckte 1865 die nach ihm benannten Mendelschen Gesetze. Diese für alle biologischen Lebensvorgänge gültigen Vererbungsregeln revolutionierten das Wissen um die gezielte Auswahl von Eltern für bestimmte Nachkommen in der Tier- und Pflanzenzucht. Die richtigen Gene müssen zusammengeführt werden. Bei der Züchtung ebenso wie in der freien Natur spielt allerdings auch der Zufall eine wesentliche Rolle, denn das Erbgut einer Art oder eines Individuums einer Art ist alles andere als unveränderlich. Ausgelöst durch verschiedenste Impulse, zu denen auch Einflüsse der Umwelt zählen, kommt es zu den sogenannten Mutationen. Darunter versteht man Erbsprünge, d. h. sprunghafte Veränderungen des Erbguts, die sowohl positiver als auch negativer Art sein können. Die natürliche Evolution des Lebens beruht ganz entscheidend auf diesen spontanen Veränderungen des Erbguts, die im positiven Fall einem Individuum im Vergleich zu seinen Artgenossen einen Selektionsvorteil bieten können, z. B. durch die so entstandene Resistenz gegenüber einem stark auftretenden Schaderreger. Im Umkehrschluss konnten sich Individuen, bei denen Mutationen zu einer Schwächung gegenüber negativen Umwelteinflüssen geführt haben, kaum je längerfristig in der Natur behaupten. Damit findet sich das natürliche Prinzip von der Auslese des Stärkeren auch in der Nutzung und Züchtung unserer Kulturpflanzen wieder. 5

6 Diese Mutationen erfolgen jedoch immer ungezielt; ob damit gewünschte oder unerwünschte Eigenschaften der Nachkommen einhergehen, muss nachfolgend in aufwändigen Testreihen ermittelt werden. m Folgende konventionelle Methoden werden bis heute in der Pflanzenzüchtung jeweils in Abhängigkeit von bestimmten Eigenschaften der Kulturpflanzen genutzt: Selbstbefruchtung (durch den eigenen Pollen befruchtet); Linienzüchtung (Population mit definierten Merkmalen, deren Beständigkeit durch Auslese weiter erhalten bleibt); Liniensorten; z. B. bei Weizen und Gerste. Fremdbefruchtung (Pollen von anderen Individuen); Populationszüchtung (Fortpflanzungsgemeinschaft, deren Individuen in ihrer erblichen Konstitution nicht gleich, aber kreuzbar sind); Populationssorten; z. B. bei Roggen und anderen Gräsern. Vegetative Vermehrung; (Nachkommenschaft durch Zellteilung aus somatischem Gewebe der Mutterpflanze, d. h. nicht aus Keimzellen); Klonzüchtung; (Durchführung ausschließlich vegetativer Vermehrung); Klonsorte; z. B. bei Kartoffel. Kontrollierte Befruchtung (künstliche Verfahren, zur gezielten Kreuzung); Hybridzüchtung (Bestäubungslenkung zur maximalen Steuerung der Befruchtung); Hybride; z. B. bei Mais und Zuckerrübe. Weitere Züchtungsmethoden sind: Embryonentransfer, Grüne Gentechnik und Smart Breeding. 6 Mehr zum Thema:

7 2. Welche Erfolge konnten mit der Züchtung bislang erreicht werden? Auf der Basis jahrhundertelanger Züchtungserfahrung und der Erkenntnisse von Gregor Mendel begann in den vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts eine Grüne Revolution, die ihre größte Wirkung in den sechziger und siebziger Jahren entfaltete. Ihr Ziel waren neue Arten ertragreicher Feldfrüchte für den Grundbedarf, vor allem neue Weizen-, Mais- und Reissorten. Die Pflanzenzüchter entwickelten Arten, die besonders gut auf Dünger und Bewässerung ansprachen, die widerstandsfähig gegen Schädlinge und besser für die mechanisierte Ernte geeignet waren. Es gelang, Zwergweizen und Zwergreis zu entwickeln, d. h. Pflanzen, die schwere, mit Körnern voll gepackte Ähren tragen konnten, ohne dass die Halme niedersanken oder brachen. Die erfolgreiche Kreuzung von zwei Inzuchtlinien bei Mais führte zur Doppelhybride, zu Sorten, welche 1939 gerade einmal 15 % aller Maispflanzen stellten, 1950 aber schon 70 % und 1970 bereits mehr als 99 %! Die Maiserträge stiegen damit innerhalb von 40 Jahren auf das Vierfache! 7

8 Es gelang der Agrarwissenschaft in der westlichen Welt in den letzten Jahrzehnten weitgehend, die Hochertrags-Kulturpflanzen mithilfe von Züchtung und chemischem Pflanzenschutz vor Schädlingsbefall und Krankheiten zu schützen. Trotz aller erzielten Erfolge muss jedoch akzeptiert werden, dass die konventionelle Züchtung ein langwieriger Prozess ist, der mit den bislang verwendeten Methoden schneller und effizienter zu gestalten ist. Trotzdem bleiben die Methoden dieser konventionellen Züchtung wichtige Instrumente, um unsere Kulturpflanzen weiter zu verbessern. So wird zum Beispiel die Selektion von Sorten, die besser als andere Sorten mit Wassermangel oder sogar Trockenstress umgehen können, in Zukunft auch in Europa an Bedeutung gewinnen, um die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und auch in dann trockeneren Regionen noch gute Ernten zu ermöglichen. 8 Mehr zum Thema:

9 3. Was sind Gene? Unter einem Gen verstehen wir die Erbinformationen, wie sie in jeder Zelle eines lebenden Organismus enthalten sind. Die Erbinformationen sind chemische Bausteine, die auch als DNS (Desoxyribonukleinsäure) bezeichnet werden, und die man sich wie eine Strickleiter vorstellen kann: Es ist ein vielfach um sich selbst gewundener Strang aus Zucker, Phosphorsäure und den vier Basen (basisch wirkenden Verbindungen) Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin. Zucker und Phosphorsäure bilden die Holme der Strickleiter, während die Sprossen jeweils aus einem Basenpaar bestehen. Diese Basenpaare (Sprossen) bestehen immer aus Adenin und Thymin oder Guanin und Cytosin. Mithilfe dieser vier Basen ist die gesamte genetische Information aller Lebewesen verschlüsselt. Drei der aufeinander folgenden Basen bilden gewissermaßen einen Code für die einzelne Zelle, und die verschiedenen Codes geben für die Zelle vor, wie z. B. aus einzelnen Aminosäuren komplexe Eiweiße zusammengesetzt werden müssen, die dann den Aufbau und die Funktion einer Zelle bestimmen. 9

10 DNS-Modell m Ein Gen entspricht jeweils einem Abschnitt der Strickleiter. Die Ausbildung eines bestimmten Merkmals kann von verschiedenen Genen zusammen gesteuert werden, genauso, wie auch ein einzelnes Gen die Ausprägung verschiedener Merkmale beeinflussen kann. Während der Mensch von ca Genen gesteuert wird, kommt die Pflanze auf ca Gene. Die Natur züchtet seit ca. 3 Milliarden Jahren, und den Genkombinationen sind keine Grenzen gesetzt. 10 Mehr zum Thema:

11 Gerade im Kontext der vieldiskutierten Gentechnik könnte man mitunter den Eindruck gewinnen, Gene in der Nahrung seien etwas gänzlich Unnatürliches. Und doch gilt, dass Gene in allen Lebewesen, in Tieren, Pflanzen und Menschen, die Vererbung und die Ausprägung von deren Eigenschaften bedingen. Jede Tomate, jeder Salat, jedes Ei und jedes Schnitzel: Überall sind Gene drin, und rund 1 2 Gramm reine Gene nimmt jeder Mensch täglich mit seiner Nahrung auf. m Beispiel: Ein Apfel enthält 50 Billionen Gene. Wir essen täglich ca. 20 Millionen km DNA. 0,1% der Masse, die wir als Nahrung aufnehmen, sind Gene. Fotos: FNL 11

12 4. Wie vererben sich Eigenschaften der Eltern auf die Nachkommen? Die Vererbung von Eigenschaften einer Elterngeneration auf die erste und weitere nachfolgende Generationen ist ein komplexer Vorgang, der in Abhängigkeit von den Vererbungseigenschaften eines Merkmals (dominantes oder rezessives Merkmal, d. h. überwiegende oder nachrangige Ausprägung) zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen führt. Der einfachste Fall lässt sich mit einem Elternpaar beschreiben, dass sich nur in einem Gen unterscheidet, ansonsten aber homozygot ist (d. h. reinerbig: verschiedene Individuen mit gleichartigen Erbanlagen). Bezeichnet man etwa die unterschiedlichen Allele (Gene) des einen Elternteils mit AA (z. B. Blütenfarbe rot), die des zweiten Elternteils mit aa (z. B. Blütenfarbe weiß), dann enthalten die Keimzellen der Eltern, die jeweils nur den einfachen Chromosomensatz haben, einmal das Allel A und einmal das Allel a. Die aus der Kreuzung dieser beiden Elternteile hervorgehenden Nachkommen enthalten in ihren Körperzellen dann alle die Allele Aa. Bei einem dominanten Erbgang, d. h. einem Erbgang, bei dem sich z. B. das Elternteil AA mit seiner Eigenschaft durchsetzt, gleichen auch alle Nachkommen diesem Elternteil und weisen eine rote Blütenfarbe auf. Die rezessive Eigenschaft, also hier die weiße Blütenfarbe, tritt nicht in Erscheinung. Bei einem intermediären Erbgang liegen die ersten Nachkommen dagegen alle zwischen den roten und weißen Eltern, d. h. die erste Folgegeneration weist rosa Blüten auf. Kreuzt man nun in einem weiteren Schritt diese rosa Nachkommen, die alle die Allele Aa aufweisen, so wird sich in der 12 Mehr zum Thema:

13 nächsten Generation eine Aufspaltung der Allele (Gene) in AA : Aa : aa im Verhältnis 1 : 2 : 1 ergeben. Das bedeutet, dass generell wieder Anlagen für rote, für rosa und für weiße Blüten in den einzelnen Nachkommen vorhanden sind. Ob diese jeweiligen Blütenfarben aber wirklich zur Ausprägung kommen, hängt erneut davon ab, ob diese Eigenschaft dominant oder intermediär vererbt wird. Bei einem dominanten Erbgang würden die Allele AA, Aa und aa jeweils zu einer roten Blüte und nur die Allele aa zu einer weißen Blüte führen, d. h. die Nachkommenschaft wäre rot : weiß im Verhältnis 3 : 1. Bei dem intermediären Erbgang hingegen würde sich die Nachkommenschaft in rot : rosa : weiß im Verhältnis 1 : 2 : 1 aufspalten, d. h. es käme zu einer gemischten Merkmalsausprägung, die von beiden Allelen beeinflusst wird. Dieses einfache Beispiel einer nur in einem Allel (Gen) unterschiedlichen Elterngeneration zeigt zweierlei: Zum einen gibt es generelle Regeln, denen die Vererbung von elterlichen Eigenschaften unterliegt, zum zweiten wird der Prozess der Vererbung umso komplexer, je mehr Gene an der Ausprägung eines Merkmals beteiligt sind bzw. je mehr Merkmale von einem einzelnen Gen mit beeinflusst werden. Hinzu kommt, dass bei der Kreuzung von Rassen, die sich in mehr als nur einem Gen unterscheiden, die Gene jeweils nicht im Paket, sondern unabhängig voneinander vererbt werden, sofern keine Kopplung der Gene aneinander auf einem Abschnitt eines Chromosoms vorliegt. Selbst eine solche Kopplung wird aber zum Teil auch von der Natur durchbrochen, indem ein Gen, das bislang mit einer bestimmten Gruppe anderer Gene verbunden war, plötzlich in Kombinationen mit anderen Genen auftritt. Dieser Effekt erklärt sich aus dem als crossing over bezeichneten Segmentaustausch zwischen einzelnen gleichartigen (homologen) Chromosomen. 13

14 m Beispiel: Ganz schön knifflig! Eine Weizensorte weist neben anderen wichtigen Eigenschaften etwa die erwünschten Merkmale hoher Proteingehalt im Korn, hohes Ertragspotenzial und geringer Wasserbedarf auf, gleichzeitig aber auch eine hohe Anfälligkeit gegen Mehltaupilze und Halmbruch. Eine zweite Sorte dagegen ist weder ertragreich, noch haben die Körner den gewünscht hohen Proteingehalt. Dafür ist diese Sorte sehr widerstandsfähig gegen Mehltau und Halmbruch. Die Nachkommen dieser beiden Eltern werden ein sehr breites Spektrum unterschiedlichster Eigenschaften aufweisen, das im Extremfall bei einzelnen Individuen auch die Kombination aller unerwünschten Merkmale bewirken kann. Diese Individuen wären dann wenig ertragreich, hätten geringe Proteingehalte im Korn, einen hohen Wasserbedarf sowie eine hohe Anfälligkeit gegen Mehltau und Halmbruch. Neben diesem Extrem gäbe es natürlich auch eine Vielzahl von Nachkommen, bei denen jeweils einzelne oder mehrere positive Merkmale mit einzelnen oder mehreren negativen Merkmalen kombiniert wären. Nur wenige Individuen würden wenn überhaupt alle positiven und keine der negativen Eigenschaften aufweisen. Eine Auswertung solcher Kreuzungen ist aber immer erst nach einer vollständigen Vegetationsperiode möglich, d. h. dann, wenn die aus einer Kreuzung hervorgegangenen Samenkörner ihrerseits wieder ausgesät wurden, gewachsen sind und Früchte ausgebildet haben. Das macht die Züchtung so zeitaufwändig und teuer. 14 Mehr zum Thema:

15 Dieser kurze und bei weitem nicht vollständige Blick auf die bei der Vererbung wirksamen Mechanismen macht deutlich, warum die konventionelle Züchtung ein so langwieriger und mühsamer Prozess ist, der nicht selten auch mit Misserfolgen endet. Seit langem suchen die Züchter deshalb nach Wegen, den auf vielen Zufällen beruhenden Prozess der Vererbung einerseits sehr viel zielgerichteter und andererseits auch schneller zu durchlaufen. Nachdem die sogenannte rote Gentechnik (z. B. in der Humanmedizin) und die weiße Gentechnik (bei industriellen Fertigungsprozessen) bereits weit etabliert und allgemein anerkannt sind, richtet sich die Aufmerksamkeit vieler Züchter und Landwirte inzwischen auch auf die grüne Gentechnik, d. h. die Anwendung dieses Verfahrens bei der Züchtung landwirtschaftlicher Kulturpflanzen. Foto: InnoPlanta 15

16 5. Was bedeutet Gentechnik? Bei der klassischen Züchtung musste vieles dem Zufall überlassen werden, weil die entsprechenden Erkenntnisse und Verfahren noch nicht verfügbar waren. Der Wunsch, aus zwei erfolgreichen Pflanzen eine noch Bessere zu züchten, ging nur selten in Erfüllung. Der Züchter konnte neu entstandene negative Eigenschaften nur selten vollständig einschätzen, und diese überraschten ihn dann oft genug in folgenden Generationen. Das macht die klassische Züchtung bis heute nicht nur langwierig, sondern auch teuer. Der Mensch hat jedoch gelernt, viele Vorgänge zu verstehen und Gene (d. h. deren Lage auf den Chromosomen und ihre Funktionen) zu entschlüsseln. Mit der Kartierung (Bestimmung) von Genen und der Zuordnung von Genen zu bestimmten Merkmalen gelang es, die Pflanzenzüchtung viel exakter zu machen. Heute lassen sich mittels Gentechnik einzelne Gene beurteilen und gezielt in das Erbgut ausgewählter Pflanzen einfügen. Dies bietet den großen Vorteil, dass nicht alle anderen Eigenschaften (zufällig) verändert bzw. durch nicht gewünschte Merkmale überlagert werden. 16 Mehr zum Thema:

17 Die entsprechenden Erkenntnisse und Verfahren sind nicht wirklich neu: Schon seit Beginn der 1980er Jahre nutzt die weiße Gentechnik Mikroorganismen für die industrielle Produktion von Antibiotika, Vitaminen, Enzymen oder Aminosäuren. Auch die rote Gentechnik setzt in der Medizin seit über 25 Jahren veränderte Bakterien zur Herstellung von Human- Insulin, Impfstoffen, Wachstumshormonen u. v. a. m. ein. Diese Anwendungsformen sind in der Gesellschaft allgemein akzeptiert und etwa aus der Humanmedizin inzwischen nicht mehr wegzudenken. Demgegenüber wird die grüne Gentechnik in der Pflanzenzüchtung von vielen Menschen insbesondere in Deutschland und anderen Ländern Europas immer noch sehr kritisch gesehen. Und dies, obwohl dieses Züchtungsverfahren und die damit verbesserten Pflanzen in der weltweiten Landwirtschaft im Jahr 2008 auf inzwischen rund 125 Millionen Hektar Anbaufläche angewandt wurden. Zum Vergleich: Die gesamte Ackerfläche in Deutschland umfasst gerade einmal 12 Millionen Hektar d. h. mehr als die zehnfache Fläche wurde 2008 weltweit bereits mit gentechnisch veränderten Pflanzen bestellt, und das entspricht fast der gesamten landwirtschaftlichen Fläche Europas. Der Großteil der Fläche wird dabei mit den Hauptkulturen Soja, Mais, Baumwolle, Raps und Zuckerrübe angebaut, die entweder gegen bestimmte Herbizide tolerant oder gegen bedeutende Schädlinge resistent sind. 17

18 Entwicklung der Anbaufläche von GV-Pflanzen m 120 Mio. ha Quelle: ZMP 2008 Die Besonderheit der grünen Gentechnik im Vergleich zu der herkömmlichen Züchtung ist, dass in der Regel hier gezielt nur eine Eigenschaft bei den Pflanzen einer existierenden Sorte verändert wird. Damit wird es möglich, einem Organismus eine bestimmte Eigenschaft zu geben, ohne damit andere Eigenschaften dieses Organismus zu verändern. In dem Maß, in dem die Kartographierung des Erbguts unserer Kulturpflanzen fortschreitet, können einzelne Gene und Gengruppen sowie die davon bestimmten Merkmale identifiziert und in andere Individuen übertragen werden. 18 Mehr zum Thema:

19 6. Wie kommen neue Gene in die Zelle und was passiert, wenn der Mensch mit der Nahrung dann diese Gene isst? Seit Jahrtausenden kommen neue Gene auf ganz natürlichem Weg durch ein Bodenbakterium mit dem Namen Agrobacterium tumefaciens zu den Genen hinzu, die bereits die Eigenschaften einer Pflanze bestimmen. Das Bakterium kommt weltweit vor und bildet Tumore an zweikeimblättrigen Pflanzen, indem es einen Teil seiner Gene in die pflanzlichen Zellen abgibt. Diesen Gentransfer kann man auch in der Züchtung von zweikeimblättrigen Pflanzen nutzen; dabei nimmt ein Bakterium, welches keine Tumor auslösenden Gene mehr besitzt, das zu übertragende Gen huckepack mit in die Pflanzen. Solche gezielten Gen- Transporte werden heute in der Pflanzenzüchtung i. d. R. mit Goldkügelchen durchgeführt, die mit DNS beladen sind. Sie werden mit einer Gene-gun (einer Gen-Pistole) in die Zelle geschossen. Auch auf chemischem Wege, bei dem der pflanzliche Zellverband aufgelöst wird, werden ausgewählte Gene in einen neuen Zellkern eingefügt. 19

20 Wie zuvor bereits ausgeführt nehmen wir natürlich Gene zu uns, mit jedem Happen Obst, Gemüse, Fleisch Denn: Unser Erbmaterial besteht aus Genen, das Erbmaterial aller Tiere und Pflanzen besteht aus Genen, und damit sind die Gene immer in pflanzlicher und tierischer Nahrung enthalten. Ausnahmen bilden nur reine Öle und weißer Zucker als Inhaltsstoffe, die von den Pflanzen gebildet werden; sie enthalten keine Gene. Täglich nehmen wir mit unserer Nahrung 1 2 g reine DNS (Desoxyribonucleinsäure) und damit Milliarden von darin enthaltenen Genen auf. Diese in der Nahrung enthaltene DNS wird dann vom menschlichen Verdauungsapparat zerlegt. Eine Gen-freie Ernährung ist nicht möglich. Es wäre nicht gesund, denn dazu dürften wir kein Gemüse, keinen Salat, keinen Fisch, kein Fleisch und kein Müsli mehr essen. Wo aber kämen dann unsere essentiellen Aminosäuren und die benötigten Vitamine her? 20 Mehr zum Thema:

21 7. Welche Ziele verfolgt die moderne Pflanzenzüchtung, und welche Perspektiven bietet dabei die Gentechnik? Mithilfe der Gentechnik und der Biotechnologie (die Gentechnik ist ein Teilgebiet der Biotechnologie) werden grundsätzlich die gleichen Ziele wie bei der traditionellen Züchtung verfolgt. Die neue Technik ist letztendlich nur ein weiteres, aber sehr effizientes Instrument der Pflanzenzüchtung. Folgende wichtige Ziele stehen im Vordergrund (Auswahl): m A Bessere Nahrungsmittelqualität Höherer Vitamingehalt; Bessere Lagerstabilität; Entfernung von Eiweißen, die Allergien auslösen können; Maßgeschneiderte Fettsäuren für eine optimale Ernährung B Nachwachsende Rohstoffe Spezielle Stärkekartoffel; Geringerer Energie- und Wasserbedarf beim pflanzlichen Wachstum; Fettsäuren für die Herstellung von Tensiden; Längere, stabilere Fasern für haltbare Webstoffe; Schnellwachsende Pflanzen für nachwachsende Rohstoffe zur energetischen Nutzung C Pflanzengesundheit Widerstandsfähigkeit gegen Viren, Bakterien, Schadpilze, Insekten; Anpassung an Trockenheit, Kälte, versalzte Böden; Resistenz gegen gewisse Herbizide 21

22 Die Gentechnik bietet die Möglichkeit, einzelne Ziele damit schneller zu erreichen, ohne dabei zu riskieren, andere bereits vorhandene positive Eigenschaften wieder zu verlieren. Zu den Zielen zählen beispielhaft: Die gezielte Einzüchtung von Resistenzeigenschaften, mit denen der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln vermindert werden kann, ohne diesen Effekt mit Ertrags- und Qualitätseinbußen bezahlen zu müssen. Die Optimierung der Inhaltsstoffe und damit die Möglichkeit, Pflanzen bei möglichst geringem Verbrauch an natürlichen Ressourcen für bestimmte Ernährungssituationen oder Marktanforderungen bereitzustellen. Die Anpassung an Standorte, die auch eine Nutzung in benachteiligten Anbaugebieten ermöglicht. Dazu zählen beispielsweise die Trockenstress- und Salztoleranz von Pflanzen. Die Erzeugung von qualitativ hochwertigen und quantitativ in ausreichendem Umfang bereitgestellten Lebensmitteln, die auch dann eine preiswerte Versorgung der Verbraucher ermöglichen, wenn wie für das Jahr 2050 prognostiziert 50 % mehr Menschen auf der Erde leben werden als heute. 22 Mehr zum Thema:

23 8. Beispiele für Züchtungserfolge mithilfe der Gentechnik Bislang erfolgreich in der Praxis genutzte Pflanzen, die mithilfe der Gentechnik verbessert wurden, sind etwa Mais, Baumwolle und Soja. So gibt es beispielsweise einen natürlich vorkommenden Bazillus (Bacillus thuringiensis), der von Insekten transportiert und auf Pflanzen übertragen werden kann. Dieser Bacillus thuringiensis bewirkt, dass die Kulturpflanze ein Gegengift gegen den gefährlichen Schädling Maiszünsler bildet. Mithilfe der Gentechnik konnte das Toxin-Gen aus dem Bacillus isoliert und über Gentransfer in die Maispflanze eingebaut werden. Diese bildet das gegen den Zünsler wirkende spezielle Toxin, und der Mais kann sich gesund entwickeln. Auch Kulturen wie Soja oder Baumwolle lassen sich auf diese Weise schützen. Man spricht dann z. B. von Bt-Mais oder Bt-Soja. Diese Entwicklung von Zünsler-resistenten Pflanzen hat naturgemäß für die praktische Landwirtschaft eine enorme Bedeutung. Gleiches gilt für die Herbizidresistenz (Widerstandsfähigkeit gegen Unkrautbekämpfungsmittel), die mithilfe der Gentechnik etwa in Mais oder Sojabohnen verankert werden konnte. Mit den heute zugelassenen Unkrautbekämpfungsmitteln lassen sich Unkräuter und Ungräser z. B. in Sojabohnen oder Raps i. d. R. effektiv vor oder nach dem Keimen und Durchbrechen der Bodenoberfläche (Auflaufen) bekämpfen. In vielen Fällen konnten spezielle Wildpflanzen durch diese Maßnahmen aber auch nicht kontrolliert werden, weil die Präparate keine Wirkung zeigten, der Einsatztermin nicht passte, das Wetter die Wirkung nicht unterstützte oder Schadpflanzen zu späteren Terminen keimten. Diese Wildpflanzenkonkurrenz bedrängt dann die Kulturpflanzen, konkurriert mit ih- 23

24 nen um Wasser, Licht, Nährstoffe und Platz (Standraum) und verursacht so Mindererträge und z. T. auch verminderte Qualitäten. Die gentechnisch erzielte Herbizidresistenz erlaubt nun, die Kulturpflanzen ohne eine intensiv-wendende Bodenbearbeitung anzubauen, die auch der Bekämpfung von Unkräutern dient. Indem der Boden bis zur Aussaat der Kulturpflanze mit Ernterückständen der Vorfrucht und mit Unkräutern bedeckt bleibt, wird das Risiko eines Bodenabtrags durch Wind- oder Wassererosion ebenso wie der Dieselaufwand zur Bodenbearbeitung deutlich vermindert. Eine Unkrautbekämpfung erfolgt dann nach Bedarf in dem bereits stehenden neuen Kulturpflanzenbestand mit einem sogenannten Breitbandherbizid (Mittel mit einem breiten Wirkungsspektrum) nach dem Schadschwellenprinzip. Das bedeutet, dass der Landwirt unabhängig von der Entwicklung der Kulturpflanze prüfen kann, ab wann der Schaden größer ist als die Kosten der Schadensverhinderung, um dann gezielt einzugreifen. Der Vorteil der herbizidresistenten Pflanzen ist, dass sie selbst aufgrund ihrer Eigenschaft nicht von dieser Anwendung beeinflusst werden. Bisherige Erfahrungen belegen darüber hinaus, dass so die Bodenerosion, der Dieselverbrauch und der Herbizidaufwand pro Kultur insgesamt reduziert werden können. Als wichtigstes Beispiel aus Sicht der Verbraucher ist bislang jedoch das golden rice -Projekt zu nennen. In diesem Projekt, das inzwischen weltweit kostenfrei nutzbar gemacht wurde, konnte der Reis mithilfe der Gentechnik mit dem Vi- 24 Mehr zum Thema:

25 tamin A-ß-Carotin angereichert werden. Reis ist für weitaus mehr als 1 Milliarde Menschen das Grundnahrungsmittel, enthält aber zu wenig von diesem Provitamin, und dieser Mangel führt bei stark auf Reis basierender Ernährung zu Augenleiden bis hin zur Erblindung. Die auf diesem Weg erzielte Reissorte Japonica Taipei 309 weist zwar gelbe Körner auf (im Gegensatz zu den bisherigen Reissorten mit weißen Körnern), kann aber einen entscheidenden Beitrag zur Versorgung der Menschen mit diesem Vitamin leisten. Ein weiteres aktuelles Forschungsvorhaben, zu dem bereits seit 2005 erste Feldversuche stattfinden, befasst sich mit dem Transfer eines Gens einer Wildkartoffel, das für die Befallsfreiheit gegenüber der Kraut- und Knollenfäule verantwortlich ist, in eine beliebte Kartoffelsorte. Diese Sorte müsste, wenn sie Marktreife erreicht und von den Verbrauchern akzeptiert wird, dann nicht mehr drei-, fünf oder siebenmal mit Pflanzenschutzmitteln gegen die Kraut- und Knollenfäule geschützt werden, die bei starkem Befall bis zum völligen Verlust der Ernte führen kann. m Hintergrundinformation Die Kraut- und Knollenfäule war Auslöser der großen Hungersnot in Irland ab Mindestens 1 Million Menschen starben, weitere rund 1,5 Millionen wanderten aus. Die Folgen politisch, ökonomisch, sozial reichen bis in die heutige Zeit. 25

26 9. Warum so viel Kritik: Gibt es auch Nachteile und Risiken? Neben den bislang erzielten Züchtungsfortschritten wird insbesondere in Deutschland und Europa intensiv über die Frage diskutiert, ob mit der Gentechnik nachteilige Auswirkungen etwa auf Mensch oder Umwelt verbunden sein können. Diesen Befürchtungen kann man entgegenhalten, dass Genveränderte Organismen (GVO) etwa aus der roten und weißen Gentechnik in der rauen Wirklichkeit der Natur kaum eine Überlebenschance hätten. Allerdings und insbesondere mit Blick auf die grüne Gentechnik kann niemand mit hundertprozentiger Sicherheit vorhersagen, wie sich in die Natur freigesetzte, genetisch veränderte Organismen verhalten, und welche ökologischen Wirkungen sich einstellen können. Hier können nur über den Versuchsanbau und die intensive Begleitung durch die Forschung Antworten gefunden werden. In dem Moment aber, in dem Feldversuche von Gentechnikgegnern zerstört werden, verlieren wir auch die Erkenntnisse, die mit diesem Anbau hätten gewonnen werden können. Ähnliches gilt für mögliche allergische Reaktionen: Seit 1990 regelt in Deutschland das Gentechnikgesetz die Forschung, Anmeldung und Genehmigung gentechnisch veränderter Pflanzen sowie die Vermarktung gentechnisch hergestellter Produkte. Zusätzlich legt die Novel-Food-Verordnung seit 1997 EU-weit das Zulassungsverfahren und die Kennzeichnung neuer Le- 26 Mehr zum Thema:

27 bensmittel fest. Seit dem Jahr 2000 ist auch der weltweite Handel mit gentechnisch verändertem Saatgut sowie Lebens- und Futtermitteln aus gentechnisch veränderten Pflanzen durch internationale Verträge geregelt. So wird z. B. jede Eigenschaft eines übertragenen Gens geprüft. Um mögliche allergische Reaktionen auszuschließen, muss ein neu eingeführtes Eiweiß langwierige Tests an Antikörpern, an der Haut und in Tierfütterungsversuchen bestehen. Leider finden viele Ergebnisdiskussionen in Deutschland und Europa nicht sachlich, sondern nur ideologisch und emotional geprägt statt. Das ist keine gute Voraussetzung für einen verantwortlichen Umgang mit einer Technologie, die das Potenzial zur Zukunftstechnologie hat! Auch im Hinblick auf mögliche Auswirkungen auf die natürliche Artenvielfalt werden immer wieder Befürchtungen laut. Da auch die Gentechnik als Züchtungsverfahren aufwändig und kostspielig ist, besteht zumindest die theoretische Gefahr, dass geglückte innovative Züchtungen die Sortenvielfalt der Nahrungspflanzen in größerem Umfang einengen, da z. B. solche neuen, gegen Schädlinge resistente, qualitativ hochwertigen und ertragreichen Sorten von den Landwirten bevorzugt angebaut werden. Und tatsächlich ist dieses Argument nicht völlig von der Hand zu weisen, denn dieser Effekt zeigt sich gleichermaßen auch bei den erfolgreich konventionell gezüchteten Sorten. Auch diese werden bis sie von besseren Neuzüchtungen abgelöst werden in großem Umfang und zu Lasten der bisherigen Sorten angebaut. Diese seit vielen Jahren zu beobachtende Konzentration auf die Hauptkulturarten und deren leistungsfähige Sorten ist ein wesentlicher Grund für die eingangs dieser Broschüre erwähnte Notwendigkeit, den weltweiten Genpool über Genbanken und die regionale Erhaltungszüchtung zu sichern. 27

28 Ebenso wird z. T. auch die Befürchtung geäußert, dass spezielle Resistenzeigenschaften, z. B. gegen Herbizide, zu einem unkontrollierten Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln führen könnten. Die Vielseitigkeit der Landwirtschaft wie auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die einen sparsamen und vor allem effizienten Einsatz der teuren Produktionsmittel erfordern, wenn ein Landwirt langfristig am Markt bestehen möchte, wirken hier jedoch entgegen. Ein weiterer Aspekt kommt hinzu: Die Natur wird sich nicht einwickeln lassen; die Evolution und natürliche Weiterentwicklung schreiten parallel weiter voran. Darüber hinaus werden die Agrarwissenschaften (einschließlich der Züchtung) ständig bestrebt sein müssen, neue Kulturpflanzensorten zu entwickeln und dafür die genetische Vielfalt als Gen-Pool zu erhalten. Ebenso werden Züchtungserfolge bei Resistenzeigenschaften und Sonderleistungen der Kulturen aber auch durch spontane Mutationen auf Seiten der Schaderreger immer wieder zunichte gemacht d. h. die Evolution geht auch bei den Krankheitserregern und Schädlingen immer weiter, die Natur entwickelt sich ständig weiter. Ein letzter Punkt wird schließlich von Kritikern der Gentechnik ebenfalls genannt: Der Mensch greift täglich in die Umwelt ein. Durch neue Pflanzensorten könnte etwa bei artverwandten Pflanzen ein unbeabsichtigter Gentransfer von Kultur- auf Wildpflanzen erfolgen, etwa von Raps auf andere Kreuzblütler. Ob dieses Risiko tatsächlich besteht und wie hoch es sein könnte, muss durch Versuche geprüft und durch eine Risikoabschätzung bewertet werden. Allerdings gilt nach derzeitiger Einschät- 28 Mehr zum Thema:

29 zung, dass beispielsweise die Eigenschaft der Herbizidresistenz auf naturbelassenen Flächen keinerlei Selektionsvorteile für Unkräuter mit einer solchen ausgekreuzten Eigenschaft bedeuten würde, da hier keine Herbizide zum Einsatz kommen. Der Mensch muss sich darüber im Klaren sein, dass sich sein Leben und sein Wirtschaften zwangsläufig auf natürliche Stoffkreisläufe und biologische Systeme auswirkt. Ein hoher Forschungs- und Versuchsaufwand ist deshalb weiterhin gefordert, um diese Auswirkungen naturverträglich zu gestalten. Unsere Volkswirtschaft kann sich diesen Aufwand leisten, und sie wird ihn sich leisten müssen: Deutschland ist ein Land mit hoher Bevölkerungsdichte, mit Rohstoff- und Flächenarmut, dafür aber mit einem relativ hohen Wissens- und Forschungsstand, den es verantwortlich zu nutzen gilt. Nach allen bislang vorliegenden Erkenntnissen steht fest, dass es in Bezug auf Gefahren für den Menschen, eine weitere Intensivierung des Pflanzenschutzes, die Entwicklung von resistenten Schädlingen oder nachteilige Veränderungen in der Umwelt keine wissenschaftlich gesicherten Nachweise von Gefahren bei der Nutzung der grünen Gentechnik vorhanden sind. Viele Experten und Agrarwissenschaftler gehen im Gegenteil davon aus, dass sie sich zu einem unverzichtbaren Werkzeug zur Bekämpfung des Hungers in der Welt entwickeln wird. Diese gezielte Form der Züchtung in Ergänzung zu der konventionellen Züchtung bietet Potenziale, auf die wir langfristig nicht werden verzichten können. 29

30 10. Gibt es Alternativen zur Gentechnik? Welchen Beitrag kann Smart-Breeding* leisten Smart Breeding bedeutet in der Züchtersprache soviel wie Präzisionszucht. Sowohl das so genannte Smart Breeding als auch gentechnische Verfahren haben ihren Ursprung in der Molekularbiologie und der Genomforschung bzw. in dem wachsenden Wissen über die Zusammenhänge zwischen einzelnen Genen und Eigenschaften der Pflanze. Beim Smart Breeding werden für die Auswahl von geeigneten Kreuzungspartnern bzw. Kreuzungsnachkommen hochmoderne molekular- und biotechnologische Verfahren eingesetzt. Diese Verfahren finden bereits seit Jahren Anwendung in der Pflanzenzüchtung und sind heute bereits als Standardverfahren zu bezeichnen. Sie stellen sehr wirksame Hilfsmittel innerhalb des Züchtungsprozesses dar, da sie die Selektion vereinfachen und entscheidend verkürzen können. Smart Breeding umfasst den Einsatz von Analysemethoden, die den Nachweis erbringen können, ob bestimmte Eigenschaften in Pflanzen vorhanden sind. Statt tausende von Kreuzungsnachkommen im Freiland beobachten zu müssen, können die Züchter anhand von Erbgutanalysen und mit Hilfe von Molekularen Markern die Nachkommen mit den gewünschten Eigenschaften bereits im Keimstadium im Labor identifizieren. 30 Mehr zum Thema:

31 So müssen beispielsweise nicht mehr Pflanzen aufwändig im Versuchsgarten mit Krankheiten infiziert werden, um zu erkennen, ob sie gegen bestimmte Schaderreger resistent sind. Durch Smart Breeding wurden bisher Reispflanzen, die mehrwöchigen Überschwemmungen standhalten, und extrem zuckerhaltige Tomaten gezüchtet. Diese Tomaten werden in USA schon großflächig angebaut. Von Vorteil ist, dass bei der Verarbeitung zu Ketchup weniger Zucker zugesetzt werden muss. Anders als bei der Grünen Gentechnik, werden beim SMART- Breeding jedoch keine neuen Gene in das Erbgut von Nutzpflanzen übertragen. Es handelt sich hierbei also um zwei unterschiedliche Verfahren im großen Pool der Züchtungsmethoden, derer sich Pflanzenzüchter bedienen, um neue Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften zu züchten. * SMART = Selection with Markers and Advanced Reproductive Technologies m 31

32 11. Was bedeutet die Nutzung der grünen Gentechnik für den Landwirt? Die Entwicklung, die die Landwirtschaft in den vergangenen 60 Jahren genommen hat, hin zu steigenden Erträgen und der heute alltäglichen hohen Qualität unserer Lebensmittel, wäre ohne die Beiträge der Züchtung schlechterdings nicht möglich gewesen. Und genauso gilt für die Zukunft, dass weiterhin neue Sorten entwickelt werden müssen, die uns dabei helfen, die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen. Diese Herausforderungen sind gewaltig, denn: Wie soll die Landwirtschaft in den nächsten rund 40 Jahren die Erträge so steigern, dass fast zweieinhalb Milliarden Menschen mehr satt werden können als heute auf der Erde leben? Wie soll darüber hinaus die Zahl der heute bereits Hungernden von über 800 Millionen verringert und irgendwann eine ausreichende Versorgung für alle Erdenbürger sichergestellt werden? Wie sollen die Kulturpflanzen effektiv vor Krankheiten und Schädlingen geschützt werden, ohne ein Übermaß an chemischem Pflanzenschutz aufwenden zu müssen? Wie kann eine ausgewogene Ernährung, die auch eine entsprechende Versorgung mit Vitaminen, Proteinen, ungesättigten Fettsäuren, Ballaststoffen etc. umfassen muss, gesichert werden? Wie können wir auf die Auswirkungen des Klimawandels reagieren, der aus manchen bislang gut für den Ackerbau geeigneten Regionen Trocken- und Dürregebiete machen wird? 32 Mehr zum Thema:

33 Dieser Auszug aus den unmittelbar vor uns liegenden Herausforderungen ist natürlich nicht mit der Gentechnik allein zu lösen. Und dennoch bietet die grüne Gentechnik Potenziale, die bei der Lösung der heute schon bestehenden und zunehmenden Probleme helfen können. Aus Sicht der Landwirte ist dabei entscheidend, dass die angebauten Kulturpflanzen verlässlich die gewünschten Qualitätseigenschaften aufweisen, dass sie verlässlich hohe Erträge liefern und ebenso verlässlich gegen wichtige Schaderreger und Krankheiten unempfindlich oder sogar resistent sind. Grüne Gentechnik kann sehr viel schneller und effizienter dabei helfen, Sorten mit diesen Eigenschaften für den Anbau bereitzustellen, als dies mit der konventionellen Züchtung allein möglich wäre. Dabei gilt, dass mittels der grünen Gentechnik entwickelte Sorten für die Landwirte ein ganz wichtiges Instrument sein bzw. werden können, wenn und das ist eine unverzichtbare Voraussetzung die Gesellschaft die solcherart erzeugten Lebensmittel auch akzeptiert. In den USA, in Brasilien und Argentinien sowie in weiteren Anbauländern werden heute bereits über 125 Millionen Hektar mit Pflanzen bestellt, die mithilfe der Gentechnik verbessert worden sind. Die Menschen dieser Länder haben diese Entwicklung akzeptiert. 33

34 In Europa dagegen scheint es z. T. so, als sei man von der weltweiten Bevölkerungsentwicklung und vom Klimawandel weit entfernt und nicht davon betroffen. Solange diese Haltung bei mehr als der Hälfte der Bevölkerung unverändert bleibt, solange werden die Landwirte hier gentechnisch veränderte Pflanzen auch kaum in nennenswertem Umfang nutzen können. Die Bereitschaft, das Instrument der grünen Gentechnik zu nutzen, um das eigene Wirtschaften erfolgreicher, effizienter und damit auch umweltschonender zu gestalten, ist bei vielen Landwirten vorhanden aber in der Umsetzung letztlich von der gesellschaftlichen Akzeptanz abhängig. 34 Mehr zum Thema:

35 12. Was bedeutet die Nutzung der grünen Gentechnik für die Verbraucher? In unserer heutigen arbeitsteiligen Gesellschaft sind es die Landwirte, die für alle Bürger egal ob Arzt, Handwerker oder Journalist die Lebensmittel produzieren, die wir zum Leben benötigen. Je besser diese Produktion funktioniert, je verlässlicher die benötigten Produkte in der erforderlichen Menge und mit der gewünschten Qualität bereitgestellt werden können, desto größer ist einerseits die Versorgungssicherheit von uns allen, und desto kleiner wird andererseits der Beitrag unseres Einkommens, den wir für das tägliche Brot (und die Wurst, und die Milch, und die Eier, und die Kartoffeln, und das Gemüse ) ausgeben. Während in einigen Entwicklungsländern teilweise mehr als drei Viertel des Einkommens für Lebensmittel aufgewendet werden, sind dies in Deutschland inzwischen nur noch rund 11 %. Die Tatsache, dass Lebensmittel in Deutschland so preiswert sind, dass sie sogar in den vergangenen Jahrzehnten als starke Inflationsbremse gewirkt haben, verdanken wir der immer größeren Leistungsfähigkeit unserer Landwirtschaft. 35

36 Insofern sind Entwicklungen zu begrüßen, die einerseits diesen Versorgungsstatus sichern und andererseits dabei helfen, auch in anderen Ländern eine vergleichbare Versorgungssicherheit zu schaffen. Grüne Gentechnik mag dabei auf den ersten Blick nicht gerade natürlich wirken, und deshalb mag mancher zweifeln, welche Rolle einer solchen Technologie bei der Erzeugung von Lebensmitteln zukommen sollte. Und doch beruht auch die grüne Gentechnik letztlich auf Prozessen, die auch in der freien Natur ablaufen, wie das in dieser Broschüre erwähnte Beispiel des Agrobacterium tumefaciens belegt. Der wesentliche Unterschied ist nur, dass die Verbesserung einer Kulturpflanze bei der Züchtung mithilfe der Gentechnik ganz gezielt erfolgt und damit auf direkterem und schnellerem Weg zum Erfolg führt. Ganz grundsätzlich stellt sich in diesem Kontext die Frage, wie wir Menschen mit Neuerungen, mit so genannten Innovationen, umgehen. Stellen wir uns vor, ein Stammesältester hätte zu der Zeit, als der Mensch das Feuer zu beherrschen lernte, auf die Gefahr der Brandstiftung hingewiesen und deshalb die Nutzung dieser Entdeckung verboten. Oder stellen wir uns vor, ein Politiker hätte gleich an Bomber und Abfangjäger gedacht, als der Mensch die ersten Flugapparate entwickelte, und deshalb alle weiteren Schritte unterbunden. Innovationen sind der Motor allen menschlichen Fortschritts, sie haben unseren heutigen Lebensstandard erst ermöglicht, und sie werden noch in vielen Fragen dringendst gebraucht, wenn wir unseren Planeten auch für die nachfolgenden Generationen lebenswert erhalten möchten. 36 Mehr zum Thema:

37 Grüne Gentechnik kann wenn wir das zulassen eine sehr wertvolle Innovation sein. Allerdings sollte dies niemand unkritisch und in blindem Fortschrittswahn glauben. Mit entsprechender Begleitforschung muss auch belegt werden, dass die Vorteile die Nachteile bei der Nutzung dieser Innovation überwiegen. Insofern wäre ein wesentlicher erster Schritt, die Notwendigkeit von wissenschaftlich begleiteten Feld- und Freilandversuchen einzusehen und diese Versuche auch zu ermöglichen. Wer diese Versuche dagegen zerstört, handelt nicht nur gesetzwidrig, sondern nimmt dem Rest der Gesellschaft die Möglichkeit, sich anhand fundierter Daten ein eigenes Urteil zu bilden, bzw. den Wissenschaftlern zu vertrauen, die sich intensiv mit den in diesem Zusammenhang bedeutsamen Fragen befasst haben. 37

38 Genutzte Quellen: Arbeitsgemeinschaft Lehrpfad Kulturlandschaft Bothkamp Hof Siek, 2003: Team Natur im Barkauer Land / und Bickert, C., 2008: Die alten Zeiten sind vorbei. DLG-Mitteilungen 9/2008, Seite 79, DLG-Verlag, Frankfurt/Main. Giersberg, G., 2008: Ohne Risiko gibt es keinen Fortschritt / Das Unternehmergespräch mit Philip von dem Bussche. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , Nr. 204, Seite Industrieverband Agrar e.v. (Herausgeber), 2000: Grüne Gentechnik im Pflanzenschutz. Arbeitsblatt 12. IVA Industrieverband Agrar e.v., Frankfurt/ Main. McNeill, J., 2003: Blue Planet Die Geschichte der Umwelt im 20. Jahrhundert. Büchergilde Gutenberg, Frankfurt am Main. Neumann, G., 1991: Die faszinierende Welt der Wissenschaft. Vision 2000 / OPAL Verlagsgesellschaft mbh, Postfach 2108, 7600 Offenburg. Best. Nr.: Nultsch, W., 1977: Allgemeine Botanik. Thieme Verlag, Stuttgart. Schlüter, K., 2008: Gentechnik im Ackerbau, Stand und Ausblick. Vortrag, Osterrönfeld am Wormer, H., 2003: Fremde Gene in der Nahrung: Wie groß das Gesundheitsrisiko durch fremde Gene in der Nahrung tatsächlich ist, bleibt unter Wissenschaftlern bis heute eine Glaubensfrage Mehr zum Thema:

39 Für Ihre Notizen 39

40 Das ist unsere Landwirtschaft Imagepflege ist eine Daueraufgabe die FNL bringt mit der neuen Kampagne Das ist unsere Landwirtschaft frischen Wind in die Öffentlichkeitsarbeit. Sie wird die nachhaltige Landwirtschaft mit konkreten, leicht verständlichen Beispielen nahebringen. Der FNL geht es um den Dialog und die direkte Kommunikation. Damit sollen sich Verbraucher selbst ein Bild über die Bedeutung der Landwirtschaft machen können und ihre Erzeugnisse als Ursprung der Lebensmittelkette erkennen und schätzen lernen. Die Themen Ressourceneffizienz, verantwortungsvolle Nutztierhaltung, Energieversorgung und Nahrungssicherheit stehen dabei im Mittelpunkt. Weitere Informationen über das Projekt finden Sie auf den Internetseiten oder Herausgeber: Fördergemeinschaft Nachhaltige Landwirtschaft e.v. Wilhelmsaue Berlin Tel. 030 / Fax. 030 /