Partizipation braucht Qualifikation

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1 Partizipation braucht Qualifikation Stephan Schack Trainer & Berater Demokratie Interkultur Partizipation Erfurt, Wirkungsvolle Partizipation ist untrennbar mit der Entwicklung von Kompetenzen im Bereich Rhetorik, Kommunikation, Rechtsgrundlagen, Öffentlichkeitsarbeit und Moderation verbunden. Wir fordern Qualitätsstandards und eine bessere Organisation sowie den deutlichen Ausbau von Schulungsangeboten. 2. Deutsche Jugendkonferenz zum Weißbuchprozess der EU 2002/Weimar 1

2 3 Partizipation braucht Qualifikation Zum Warum? Qualitätsstandards für die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen Formen der Beteiligung Die Partizipationsspirale als Begründungsargument für Qualifikation Exkurs: Neurowissenschaftliche Aspekte Zum Wie? Bezugsrahmen von Qualifikationen Vier Beispiele: Demokratieerziehung Die Kinderstube der Demokratie Prozessmoderatoren Moderation mit Methoden der ToP 4 Zum Warum? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Qualitätsstandards BMFSFJ

3 5 Qualitätsstandards BMFSFJ 2010 Beteiligung ist gewollt und wird unterstützt eine Partizipationskultur entsteht. Beteiligung ist für alle Kinder und Jugendlichen möglich. Die Ziele und Entscheidungen sind transparent von Anfang an. Es gibt Klarheit über Entscheidungsspielräume Die Informationen sind verständlich und die Kommunikation ist gleichberechtigt. 6 Qualitätsstandards BMFSFJ 2010 Kinder und Jugendliche wählen für sie relevante Themen aus. Die Methoden sind attraktiv und zielgruppenorientiert. Es werden ausreichende Ressourcen zur Stärkung der Selbstorganisationsfähigkeit zur Verfügung gestellt. Die Ergebnisse werden zeitnah umgesetzt. Es werden Netzwerke für Beteiligung aufgebaut. Die Beteiligten werden für Partizipation qualifiziert. 3

4 7 Qualitätsstandards BMFSFJ 2010 Partizipationsprozesse werden so gestaltet, dass sie persönlichen Zugewinn ermöglichen. Das Engagement wird durch Anerkennung gestärkt. Partizipation wird evaluiert und dokumentiert. 8 Zum Warum? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Formen der Beteiligung 4

5 9 Partizipationsleiter Hart 1997 Quelle: Bertelsmann Stiftung 10 Quelle: BMFSFJ Formen der Beteiligung Stufen Beteiligungsintensität Machtverteilung Mitsprache und Mitwirkung Kinder und Jugendliche... werden um ihre Meinung gebeten. bekommen Raum und Unterstützung, um ihre Ideen einzubringen. werden in Beratungsprozesse einbezogen. Kinder und Jugendliche... Mitbestimmung können nicht durch ein Veto eingeschränkt werden. haben ein gleichwertiges Stimmrecht. tragen für einen angemessenen Teil Verantwortung. Kinder und Jugendliche... Selbstbestimmung entscheiden über das gesamte Vorhaben allein.. können teilweise allein entscheiden. verantworten das Vorhaben allein. Entscheidung liegt bei Erwachsenen gleichberechtigtes Stimmrecht alleinige Entscheidungsmacht 5

6 11 Zum Warum? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Partizipationsspirale 12 Partizipationsstudie Bertelsmann Stiftung Städte und Gemeinden in Deutschland davon zufällig ausgewählt Städte und Gemeinden davon geantwortet 564 Städte und Gemeinden davon bereit, am Projekt teilzunehmen 315 Städte und Gemeinden auf Basis von vier Mitwirkungstypen ausgewählt 42 Städte und Gemeinden Befragung Kinder und Jugendliche (davon bis 18-Jährige) 42 Kommunalverwaltungen 422 Schulleiter_innen / 632 Lehrer_innen 6

7 13 Quelle: Bertelsmann Stiftung 14 Partizipationsstudie Bertelsmann Stiftung 2004 Quelle: Bertelsmann Stiftung Häufigkeit der Mitbestimmung (viel oder sehr viel) 74,6% zu Hause 14,5% Schule 13,6% Wohnort 7

8 15 Partizipationsstudie Bertelsmann Stiftung 2004 Aber: 78 % der befragten Kinder und Jugendlichen würden sich bei besseren Bedingungen und attraktiveren Angeboten stärker engagieren! Quelle: Bertelsmann Stiftung 16 Partizipationsstudie Bertelsmann Stiftung 2004 Einfussfaktoren unabhängig von der Kommune Bestimmte Einstellungen der Kinder und Jugendlichen Ausmaß der Beteiligung in Familie und Schule Soziales Umfeld Information über Beteiligungsmöglichkeiten Einflussfaktoren abhängig von der Kommune Qualität und Quantität des Angebotes zur Beteiligung Maßnahmen zur Förderung der Kinder- und Jugendpartizipation Begleitung und Unterstützung der Vorhaben Finanzielle und personelle Ressourcen Strukturelle Einflussgrößen (Größe, Finanzkraft) 8

9 17 Partizipationsspirale Bertelsmann Stiftung 2006 eher hoch Beeinflussbarkeit des Faktors eher niedrig Informationsstand Partizipationsintensität Schule Wunsch nach konkreten Veränderungen Partizipationszufriedenheit Wohnort subjektives Qualifikationsempfinden (Sport) Vereinsaktivitäten partizipationsaffiner Freundeskreis Quelle: Bertelsmann Stiftung hoch Bedeutung des Faktors sehr hoch 18 Partizipationsspirale Bertelsmann Stiftung 2006 eher hoch Beeinflussbarkeit des Faktors eher niedrig Informationsstand Partizipationsintensität Schule Wunsch nach konkreten Veränderungen Partizipationszufriedenheit Wohnort subjektives Qualifikationsempfinden (Sport) Vereinsaktivitäten partizipationsaffiner Freundeskreis Quelle: Bertelsmann Stiftung hoch Bedeutung des Faktors sehr hoch 9

10 19 Partizipationsspirale Bertelsmann Stiftung 2006 Quelle: Bertelsmann Stiftung 20 Zum Warum? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Exkurs: Neurowissenschaftliche Erkenntnisse 10

11 Wie unser Gehirn lernt Wichtige Entdeckungen der Gehirnforschung für eine bessere Aus- und Weiterbildung AFNB Das limbische System Die Spiegelneuronen Die Neurotransmitter Der Neuronenüberschuss in der Kindheit Die Strukturbildung der Gehirnfunktionen Quelle: AfNB 11

12 Überliefertes Wissen Psychologische Studien Pädagogische Erfahrungen Neurowissenschaftliche Erkenntnisse Quelle: AfNB Das limbische System unser zentrales Bewertungssystem Positive Erfahrungen Limbisches System = gut, vorteilhaft oder lustvoll Negative Erfahrungen = schlecht, nachteilig oder schmerzhaft Quelle: AfNB AFNB 12

13 Das limbische System unser zentrales Bewertungssystem Lohnt es sich hinzuhören? Was spricht dafür, das zu lernen? Die Antworten auf solche Fragen entstehen aufgrund unserer Erfahrungen + Lernerfolg groß Welchen Sinn hat es, das zu üben? - Lernerfolg gering Quelle: AfNB Das limbische System unser zentrales Bewertungssystem Lernen ist keine passive Wissensaufnahme Wissen entsteht durch biochemische Vorgänge Diese Eindrücke werden als langfristige Wissen entsteht im Netzwerk der Neuronen Diese Vorgänge treten nach außen als z.b. Veränderungen in unsere neuronale Angst oder Freude auf, Netzwerkstruktur Wissen ist immer an Emotionen geknüpft was Eindrücke hinterlässt eingespeichert Quelle: AfNB AFNB 13

14 Lernprozesse + Positive Auswirkungen auf lernrelevante Hirnareale Lob und Anerkennung Glücks- und Erfolgserlebnissen Entmutigung Frustration Angst - Negative Auswirkungen auf lernrelevante Hirnareale AFNB Spiegelneuronen und ihr Einfluss auf Lernprozesse Giacomo Rizzolatti Wir spiegeln uns in dem, was andere tun. Quelle: AfNB AFNB 14

15 Spiegelneuronen und ihr Einfluss auf Lernprozesse Sie informieren uns gefühlsmäßig über den Zustand eines anderen Menschen. Sie können uns anstecken. Spiegelneuronen können uns mit der Stimmung eines anderen Menschen infizieren. Quelle: AfNB Spiegelneuronen und ihr Einfluss auf Lernprozesse Ein Spiegelneuron verhält sich wie die in Ruhe befindliche Saite einer Gitarre. Prof. Dr. Joachim Bauer Diese gerät jedoch in Schwingung, wenn auf einer anderen Gitarre die auf den gleichen Ton gestimmte Saite zum Klingen gebracht wird. Quelle: AfNB AFNB 15

16 Wie wir lernen! Bisherige Meinung Lernen unterliegt überwiegend dem Prozess der Konditionierung Neue Erkenntnis Lernprozesse vollziehen sich wesentlich intensiver an lebenden Vorbildern Diese Tatsache ist bei der Durchführung von Schulungen und Trainings von größter Bedeutung und lässt sich in einem weit größeren Umfang nutzen, als dies den meisten bewusst ist. Quelle: AfNB Das Spiel der Spiegelneuronen heißt in erster Linie: sehen und gesehen werden Vorbild sein bedeutet: - voll präsent sein - entschlossen sein - zu seinen Aussagen stehen - für eigene Vorstellungen eintreten - sich Gehör verschaffen Quelle: AfNB AFNB 16

17 Über das System ihrer Spiegelneuronen erkennen Kinder wie Erwachsene wie andere Menschen sich fühlen selbstbewusst oder ängstlich sicher oder unsicher wo sich ggf. Chancen zum Angriff ergeben Quelle: AfNB Die Funktionsweise der Spiegelneuronen ist keine Einbahnstraße Bin ich dir wichtig? Siehst du mich? Wer bin ich für dich? Welche Entwicklungsmöglichkeiten Siehst du in mir? Quelle: AfNB 17

18 Das Geheimnis eines erfolgreichen Lernprozesses: Menschen das Gefühl zu geben, dass sie wahrgenommen und einfühlsam verstanden werden. Primärtugenden wie Beachtung und Zuwendung in den Mittelpunkt stellen. Erst danach können notwendige Sekundärtugenden wie Disziplin, Ordnung oder Autorität ins Spiel gebracht werden. Quelle: AfNB 36 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Partizipation braucht Qualifikation 18

19 37 Bezugsrahmen Europäischer Qualifikationsrahmen (EQR; EU-Kommission 2006) Kenntnisse Fertigkeiten Kompetenzen 38 Bezugsrahmen K-S-C-Typologie (Erpenbeck, 2006) K S C 19

20 39 Bezugsrahmen Qualitätsrahmen Demokratiepädagogik (2007) Interaktive Anwendung von Wissen und Medien Eigenständiges Handeln Interagieren in heterogenen Gruppen 40 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Vier Praxisbeispiele 20

21 41 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Demokratieerziehung 42 Demokratieerziehung Entwicklung eines qualitativen Demokratieverständnisses Mehrheitsentscheidung nicht als erster Weg demokratischer Entscheidungen Anerkennung des gleichen Rechts auf Freiheit 21

22 43 Demokratieerziehung Betzavta Miteinander Demokratische Prinzipien Minderheit und Mehrheit Grundrechte Gleichheit vor dem Gesetz Freiheit Demokratische Entscheidungsfindung 44 Ein Blick in die Praxis Ausbildung von Trainer_innen seit Mitte der 1990er Jahre Implementierung des Ansatzes in Projekte Ausbildung von Lehrer_innen und Sozialpädagog_innen Augenmerk: Entwicklung einer demokratischen pädagogischen Grundhaltung, die auf Teilhabe zielt 22

23 45 46 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Kinderstube der Demokratie 23

24 47 Kinderstube der Demokratie Beteiligung der Kinder braucht eine Einigung des gesamten Teams. braucht die Reflexion des Umgangs mit Macht. gelingt nur, wenn die pädagogischen Fachkräfte selbst über Beteiligungsthemen und -formen entscheiden. entsteht durch Erfahrung und Reflexion. ist auch ein Teamentwicklungsprozess. 48 Kinderstube der Demokratie Phase 1 Einführung in das Thema Partizipation Klärung des konkreten Partizipationsthemas Planung eines konkreten Partizipationsvorhabens Durchführung einer Dialogwerkstatt 24

25 49 Kinderstube der Demokratie Phase 2 selbstständige Durchführung eines Partizipationsvorhabens in der Kita Unterstützung in der Praxis durch Coaching Phase 3 Praxisreflexion zum durchgeführten Vorhaben Transfer in den Alltag der Kita 50 25

26 51 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Prozessmoderator_innen 52 Prozessmoderator_innen Zielbereich 1 Information Zielbereich 2 Partizipationszufriedenheit am Wohnort Zielbereich 3 Partizipationskompetenz von Kindern und Jugendlichen Zielbereich 4 Umsetzung von Beteiligungsprojekten in Kooperation mit Schulen 26

27 53 Prozessmoderator_innen Strategien, Formen und Methoden Aktionsfelder, Themen und Zielgruppen Situations- und Sozialraumanalyse sowie Konzeptentwicklung Projektplanung und -management Qualitätsmanagement und Evaluation 54 Prozessmoderator_innen Informationseinheiten auf der Basis der Betonung von kognitivem Wissen Verhaltens- und Skill-Training Erfahrungsprozesse in und an der Praxis, Lernen in selbstorganisierten Prozessen im eigenen Projekt integrative, ganzheitliche Ansätze bzw. Elemente der Theorie-Praxis-Integration 27

28 55 Prozessmoderator_innen Seminar 1 Grundlagen (Definitionen, Begründungen, empirische Ergebnisse, Kinderrechte, rechtliche Bedingungen Grundformen (Strategien) und Methoden der Partizipation Aktionsfelder, Themen, Zielgruppen der Partizipation 56 Prozessmoderator_innen Seminar 2 Methode»Zukunftswerkstatt«Situationsanalyse Seminar 3 Zielfindung und Konzeptentwicklung Projektmanagement 28

29 57 Prozessmoderator_innen Seminar 4 Moderationsmethoden Seminar 5 Qualitätsmanagement, Dokumentation und Evaluation Präsentationstechnik Öffentlichkeitsarbeit 58 Ein Blick in die Praxis Entwicklung Curriculum: Waldemar Stange Trainer_innausbildung Deutsches Kinderhilfswerk Projekt mitwirkung! : Essen, Saalfeld, Leipzig Regionale Angebote Heilbad Heiligenstadt 29

30 59 60 Zum Wie? von Fortbildungen für Erwachsene und Jugendliche Moderation mit ToP -Methoden 30

31 61 Moderation mit ToP -Methoden Austauschmethode Konsensworkshopmethode Aktionsplanung 62 Ein Blick in die Praxis Adaption: Bertelsmann Stiftung auf der Grundlage von Methoden von ICA USA Ausbildungen: DGB-Bildungswerk Hattingen Institut zur Förderung von Partizipation und Demokratie (ipd) Initiative mitwirkung! Trainer_innen in Kommunen erfolgreiche Praxis: Essen 31

32 63 64 Nur wenn wir an die Kreativität und das Know how der Jugendlichen in eigener Sache glauben und vertrauen, kann das von Jugendlichen Entwickelte wirksam werden. Kommen wir doch von unserem hohen Ross herunter, als Profis für alles den Plan zu haben. Wir werden überrascht von der Wirksamkeit der Arbeit der Jugendlichen, denen allerdings auch das gleiche Recht zustehen sollte wie den Profis, auch mal was in den Sand zu setzen. Daniel Dimke (Jugendarbeiter Essen) 32