Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz - Buch mit Info-Klappe Prem

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1 Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz - Buch mit Info-Klappe Inhalt - Hintergrund - Interpretation von Boris Prem 1. Auflage Alfred Döblin: Berlin Alexanderplatz - Buch mit Info-Klappe Prem schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Mentor 2007 Verlag C.H. Beck im Internet: ISBN

2 Die Erzähltechnik Die Erzähltechnik Auktoriale Erzählsituation Es gibt einen auktorialen Erzähler, der sozusagen ständig neben Franz herläuft. Er gibt nicht nur Kommentare ab, sondern weist Franz auch zurecht, warnt ihn. Durch seine ironisch-humorvolle, etwas schnoddrige Ausdrucksweise gleicht er sich dem Milieu an. Regelmäßig meldet er sich in den Vorbemerkungen zu den einzelnen Büchern zu Wort. Hier kommentiert er Franz Situation und wirft einen Blick auf das nachfolgende Geschehen. Auf diese Weise hilft er dem Leser bei der Orientierung in der doch recht unübersichtlichen Textmenge. Hintergrund Von seiner Allwissenheit macht der Erzähler allerdings in den Vorbemerkungen und auch sonst nur sparsam Gebrauch. Er will dem Leser nicht gleich alles verraten. Auch über Franz Gefühle erfahren wir durch den Erzähler kaum etwas. Das soll nun allerdings nicht heißen, dass die sachlich-distanzierte Beschreibung im Vordergrund stünde, wie das bei der personalen Erzählsituation der Fall ist. Ganz im Gegenteil. Döblin nutzt Techniken, die seine Figuren gewissermaßen sich selbst zum Ausdruck bringen lassen. Dazu gehören besonders der innere Monolog und die direkte Rede. Mit ihrer Hilfe erzielt der Autor die für den Expressionismus so typische Unmittelbarkeit. Innerer Monolog / stream of consciousness Der innere Monolog ist ein stummes Selbstgespräch, also ein Selbstgespräch, das nur im Bewusstsein einer Romanfigur stattfindet. Daher spricht man auch von stream of consciousness (von engl. consciousness = Bewusstsein), und zwar besonders dann, wenn dieses stumme Selbstgespräch nach dem Vorbild des»ulysses«von James Joyce (s. unten S. 35) zu einem durchgängigen Stilmerkmal wird, wie 28

3 Die Erzähltechnik das auch in»berlin Alexanderplatz«der Fall ist. Am häufigsten ist es Franz, der die inneren Monologe führt, gelegentlich sind es aber auch Nebenpersonen. Da sich der innere Monolog nicht durch sprachliche Hinweise oder Anführungszeichen direkt zu erkennen gibt, ist es nicht immer leicht, ihn vom Erzählerbericht abzugrenzen. Eine Aufgabe, die hierbei mehr Sicherheit vermitteln soll, finden Sie im Aufgabenteil (s. unten S. 59f.). Szenische Darstellung Der Leser betrachtet gleichsam ein Schauspiel oder einen Film, der vor seinem inneren Auge abläuft. Döblin erreicht dies durch eine nur wenig raffende, also eine nahezu zeitdeckende Erzählweise und eine häufige Verwendung der direkten Rede. Typisch für»berlin Alexanderplatz«ist der ausgeprägte Kinostil: Es gibt eine Fülle szenischer Episoden, die recht kurz sein können und zum Teil auch die Haupthandlung nicht berühren. Zeitliche Struktur Die im Roman erzählte Zeit erstreckt sich von Ende 1927 bis Anfang Durch Rückblenden und Vorverweise erfährt der Leser aber auch von Ereignissen außerhalb dieses zeitlichen Rahmens. Die Ereignisse um Idas Tod etwa berichtet Döblin in einer Rückblende (s. S ). Besonders wichtige Ereignisse datiert der Autor auf den Tag genau. Mieze wird z. B. am Sonnabend, dem 1. September 1928, von Reinhold ermordet (s. S. 344). Mit exakten Zeitangaben unterstreicht Döblin seinen Authentizitätsanspruch. Hintergrund 29

4 Aufgaben mit Lösungstipps Aufgaben mit Lösungstipps Auf den folgenden Seiten finden Sie Antworten auf Fragestellungen, wie sie auch in Klausuren vorkommen können. Sowohl die inhaltliche als auch die formale Seite des Romans wird berührt.? Aufgabe 1 Erörtern Sie den leitmotivisch wiederkehrenden Begriff des Anständigseins. Interpretation! Lösungstipp Das Leitmotiv des Anständigseins zieht sich durch den ganzen Roman hindurch. Bereits auf Seite 11 taucht der Begriff auf: Franz will nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis anständig bleiben. Während es auf Seite 42 noch heißt: Und nun schwört Franz aller Welt und sich, anständig zu bleiben in Berlin, mit Geld und ohne, erfahren wir am Ende des Ersten Buches einschränkend, dass er nur anständig blieb, solange er Geld hatte (s. S. 45). Franz selbst bekennt sich vor Meck zum Anständigbleiben: Anständig bleiben und for sich bleiben. Das ist mein Wort (S. 66). Auf Seite 105 wird er noch immer als anständig bezeichnet. Das wochenlange Anständigsein sei allerdings nur eine Gnadenfrist. Nach der Enttäuschung über Lüders heißt es: Er wollte anständig sein, aber da sind Schufte und Strolche und Lumpen, darum will Franz Biberkopf nichts mehr sehen und hören von der Welt (S. 148). Nach der Amputation des Arms scheint Franz selber in Zweifel darüber geraten zu sein, ob er anständig geblieben ist: Ja, ich wollte anständig bleiben. Ich bin anständig geblieben bis zuletzt (S. 227). Erst als sich Franz vom Verlust seines Arms erholt hat, sagt er sich ausdrücklich vom rechtschaffenen Leben los. Seinen früheren Entschluss, anständig zu bleiben, kommentiert er jetzt so: Komisch, ich muß nen Zucht- 56

5 Aufgaben mit Lösungstipps hausknall gehabt haben, Manoli links rum (S. 253). Schon zuvor hat er festgestellt: Vons Arbeiten is noch keen Mensch reich geworden, sag ich dir. Nur vom Schwindeln. Siehste ja (S. 245). Am Ende des Sechsten Buches wird Franz die Schuld an seinem Versagen allerdings abgesprochen: Den Eid hat man ihn nicht halten lassen (S. 300; s. oben S. 53). Am Ende des Romans im Angesicht des Todes wird die Begrenztheit alles menschlichen Bemühens um Anständigkeit deutlich. Sie wird als menschliche Wahnvorstellung enttarnt: Was nützt alle Stärke, was nützt alles Anständigsein, o ja, o ja, blick hin auf sie. Erkenne, bereue (S. 441). Berücksichtigt man die erarbeiteten Interpretationsergebnisse (s. oben S. 54f.), so lässt sich der Schluss ziehen: Die Anständigkeit ist eine Eigenschaft, über die der Mensch verfügt, die sich ihm durch die Herrschaft der dunklen Macht gleichzeitig aber auch entzieht: Der Mensch hat nur bedingt Einfluss auf sein Anständigsein; bildet sich seine Gewalt über das Anständigsein weitgehend nur ein; hat nicht die Willenskraft, das Anständigsein auf Dauer durchzuhalten; kann sich aber vom Anständigsein bewusst lossagen. Die dunkle Macht verhindert die menschliche Kontrolle über das Anständigsein immer wieder; kann den Menschen durch Schicksalsschläge vom Anständigsein abbringen; hat die eigentliche Macht über das Anständigsein; besiegt und enttarnt letztlich das menschliche Anständigsein als Wahnidee. Interpretation 57