13. Lineare DGL höherer Ordnung. Eine DGL heißt von n-ter Ordnung, wenn Ableitungen y, y, y,... bis zur n-ten Ableitung y (n) darin vorkommen.
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- Rüdiger Fried
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1 13. Lineare DGL höherer Ordnung. Eine DGL heißt von n-ter Ordnung, wenn Ableitungen y, y, y,... bis zur n-ten Ableitung y (n) darin vorkommen. Sie heißt linear, wenn sie die Form y (n) + a n 1 y (n 1) + + a 1 y + a 0 y = b(x) hat. Die Koeffizienten a i sind hierbei Funktionen von x. Wir betrachten aber für n > 1 nur den wichtigen Spezialfall, daß die a i konstant sind. Man spricht dann von einer linearen DGL n-ter Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Die DGL heißt homogen, wenn b(x) = 0, sonst inhomogen. Entfernt man auf der linken Seite die Funktion y = y(x), so erhält man einen Differentialoperator D, der sich aus der einfachen Ableitung = x als Grundoperation zusammensetzt: D = n + a n 1 n a 1 + a 0. Die DGL schreibt sich dann einfach Dy = b(x). Der Differentialoperator D ist linear, d. h. es gilt D(f + g) = Df + Dg D(af) = a Df für Funktionen f = f(x), g = g(x) und a R.
2 Wie bei der linearen DGL erster Ordnung erhalten wir daher die Lösung in zwei Schritten: 1. Lösung der homogenen DGL: Dy = 0. Da D linear ist, bilden die Lösungen einen Vektorraum, den Kern von D. Man spricht daher auch vom Lösungsraum der homogenen DGL. Ist D von n- ter Ordnung, so hängt die allgemeine Lösung von n Parametern (Integrationskonstanten) ab. Anders ausgedrückt: Der Lösungsraum ist n-dimensional. 2. Partikuläre Lösung der inhomogenen DGL: Kennt man eine Lösung y 0 der inhomogenen DGL, also Dy 0 = b(x), so hat die allgemeine Lösung der inhomogenen DGL die Form y = y 0 + y hom, wobei y hom den Lösungsraum der homogenen DGL durchläuft. Wir beginnen mit dem ersten Punkt. Die homogene DGL. Beispiel: n = 3. y + a 2 y + a 1 y + a 0 y = 0. Wir probieren den Ansatz: y = e λx. Dann ist (e λx ) = λe λx, (e λx ) = λ 2 e λx, usw. Die DGL geht damit über in λ 3 e λx + a 2 λ 2 e λx + a 1 λe λx + a 0 e λx = 0. 2
3 Wenn wir den Faktor e λx kürzen, erhalten wir eine Gleichung für λ: λ 3 + a 2 λ 2 + a 1 λ + a 0 = 0 Das ist die charakteristische Gleichung der DGL. Sie ergibt sich also einfach, indem wir y (i) durch λ i ersetzen. Eine Gleichung dritten Grades hat bekanntlich drei Lösungen λ 1, λ 2, λ 3. Sind diese verschieden, so liefert unser Ansatz demnach drei linear unabhängige Lösungen der homogenen DGL: e λ 1x, e λ 2x und e λ 3x. Die allgemeine Lösung der homogenen DGL ist daher (Probe durch Einsetzen in die DGL!) y = C 1 e λ 1x + C 2 e λ 2x + C 3 e λ 3x mit C 1, C 2, C 3 R beliebig. Die Lösungen e λ 1x, e λ 2x und e λ 3x bilden eine Basis des Lösungsraumes. Sie heißen auch Fundamentallösungen der homogenen DGL. Genauso verfährt man für allgemeines n. Beispiel 1. y + y 6y = 0. Lösung: Charakteristische Gleichung: λ 2 + λ 6 = 0. Diese quadratische Gleichung hat die Lösungen 2 und 3. Die allgemeine Lösung der DGL ist somit y = Ae 2x + Be 3x, wobei A, B R beliebig sind. 3
4 Beispiel 2. y + y = 0. Lösung: Charakteristische Gleichung: λ = 0. Sie hat die Lösungen ±i, also keine reellen Zahlen! Was nun? Wenn wir komplexe Lösungen zulassen, haben wir gar kein Problem. Die allgemeine Lösung ist dann einfach: y = Ae ix + Be ix, A, B C der Lösungsraum wird von e ix und e ix aufgespannt. Darin befinden sich aber auch reelle Lösungen. Es gilt nämlich (vgl. Potenzreihenentwicklung): e ix = cos x + i sin x, e ix = cos x i sin x. Das heißt: Die Funktionen e ix und e ix spannen den gleichen Raum auf wie die reellen Funktionen sin x und cosx. Wir können also die allgemeine Lösung auch so schreiben: y = A cos x + B sinx. Für A, B R ist das dann die allgemeine reelle Lösung. Da die komplexen Lösungen der charakteristischen Gleichung als Paare konjugiert komplexer Zahlen auftreten, können wir im allgemeinen Fall genauso verfahren, um zu reellen Fundamentallösungen zu gelangen. 4
5 Seien λ = a±bi zwei konjugiert komplexe Lösungen der charakteristischen Gleichung. Daraus ergibt sich ein Paar komplexer Fundamentallösungen e (a+bi)x = e ax e bix, e (a bi)x = e ax e bix. Diese spannen einen zweidimensionalen Teilraum des Lösungsraumes auf, der auch von e ax cos bx, aufgespannt werden kann. e ax sinbx Beispiel 3. y 6y + 25y = 0. Lösung: Charakteristische Gleichung: λ 2 6λ + 25 = 0. Das ergibt λ = 3 ± 9 25 = 3 ± 4i. Die allgemeine (reelle) Lösung ist daher y = Ae 3x cos 4x+Be 3x sin 4x, A, B R. (Probe!) Beispiel 4. y 2y + 5y = 0. Lösung: Charakteristische Gleichung: λ 3 2λ 2 + 5λ = 0. Abspaltung des Faktors λ ergibt λ 2 2λ + 5 = 0, also λ = 1 ± 1 5 = 1 ± 2i. Wir haben also die Lösungen λ 1 = 0, λ 2 = 1 + 2i und λ 3 = 1 2i. Die reellen Fundamentallösungen sind daher y 1 = 1 (= e 0x ), y 2 = e x cos 2x, y 3 = e x sin 2x. Allgemeine Lösung: y = A + Be x cos 2x + Ce x sin 2x, A, B, C R. 5
6 Es bleibt noch der Fall, daß die charakteristische Gleichung mehrfache Lösungen besitzt. Dieser Fall sei an einem typischen Beispiel illustriert. Beispiel. y (a + b)y + ab = 0 mit a, b R. Charakteristische Gleichung: λ 2 (a+b)λ+ab = 0. Sie hat die Lösungen λ 1 = a und λ 2 = b. Für a b haben wir die allgemeine Lösung y = Ae ax + Be bx mit den Fundamentallösungen y 1 = e ax, y 2 = e bx. Diese fallen für a = b zusammen. Es entsteht aber eine neue Fundamentallösung: Die Funktion e bx e ax = 1 b a a b y b a y 2 ist nämlich für a b eine Lösung. Wir halten nun a fest und lassen b gegen a streben. Dann geht diese Lösung über in e bx e ax lim = a (e ax ) = xe ax. b a b a Für a = b haben wir also die Fundamentallösungen y 1 = e ax, y 2 = xe ax, und damit die allgemeine Lösung y = Ae ax + Bxe ax, A, B R. 6
7 Allgemein gilt die Regel: Zu jeder k-fachen Nullstelle λ 0 des charakteristischen Polynoms gehören jeweils k Fundamentallösungen der homogenen DGL: e λ 0x, xe λ 0x, x 2 e λ 0x,..., x k 1 e λ 0x. Beispiel 2. Das charakteristische Polynom sei λ(λ 1) (λ (2 + 3i))(λ (2 3i)) } {{ } (λ 4)3. λ 2 4λ + 13 Dann sind die Fundamentallösungen: 1, e x, e 2x cos 3x, e 2x sin 3x, e 4x, xe 4x, x 2 e 4x. Die allgemeine Lösung der homogenen DGL ist also y = C 1 + C 2 e x + C 3 e 2x cos 3x + C 4 e 2x sin 3x + C 5 e 4x + C 6 xe 4x + C 7 x 2 e 4x mit C 1, C 2, C 3, C 4, C 5, C 6, C 7 R. Beispiel 3. y = 0. Hier kennt jeder die allgemeine Lösung: y = a 0 + a 1 x + a 2 x 2 mit a 0, a 1, a 2 R, denn ein Polynom vom Grad 2 hat bekanntlich die dritte Ableitung 0. Unser Verfahren zum Vergleich: Die Fundamentallösungen sind e 0, xe 0, x 2 e 0, also 1, x, x 2. 7
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