REKONSTRUKTION DER VARUSSCHLACHT BEFUNDE UND METHODEN DER SCHLACHTFELDARCHÄOLOGIE

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1 COPYRIGHT: COPYRIGHT Dieses Dieses Manuskript Manuskript ist urheberrechtlich ist urheberrechtlich geschützt. geschützt. Es darf Es ohne darf Genehmigung ohne Genehmigung nicht verwertet nicht werden. verwertet Insbesondere werden. darf Insbesondere nicht ganz darf oder es teilweise nicht ganz oder oder in Auszügen teilweise oder abgeschrieben in Auszügen oder in sonstiger abgeschrieben Weise vervielfältigt oder in sonstiger werden. Weise Für vervielfältigt Rundfunkzwecke werden. darf das Für Manuskript Rundfunkzwecke nur mit Genehmigung darf das Manuskript von DeutschlandRadio nur mit Genehmigung / Funkhaus Berlin von Deutschlandradio benutzt werden. Kultur benutzt werden. DEUTSCHLANDRADIO KULTUR Zeitreisen am 14. Mai 2009 Redaktion: Peter Kirsten REKONSTRUKTION DER VARUSSCHLACHT BEFUNDE UND METHODEN DER SCHLACHTFELDARCHÄOLOGIE VON PETER KAISER 1. Atmo Schlachtfeld Kalkriese aufblenden. Kurz frei, dazu 2. Atmo Krähenkrächzen 1. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/18:00 Wir stehen jetzt hier mitten auf dem Feld, Flurstück Oberesch, wo wir ( ) eine Wallanlage entdeckt haben, Knochengruben, in denen Überreste der Gefallenen Jahre nach der Schlacht bestattet worden sind. ( ) Sprecher: Exercitus omnium fortissimus, disciplina, manu experientiaque bellorum inter Romanos milites princeps, marcore ducis, perfidia hostis, iniquitate fortunae circumventus. Voice over Die tapfersten aller Truppen, führend im römischen Heer in Disziplin, Kraft, Kriegserfahrung, sind eingekreist worden von der 1

2 Schlaffheit des Kommandanten, der Treulosigkeit des Gegners, dem ungeeigneten Ort. Kurz wieder die 1. Atmo - Schlachtfeld. Ein LKW fährt vorbei. Es ist kalt auf dem Flurstück in Kalkriese, dem vermuteten Ort der Varusschlacht, nahe dem Teutoburger Wald. Autos rauschen dicht vorbei. Hundertprozentig sicher sind sich die Fachleute nicht, hier auch wirklich den Ort der Varusschlacht vor sich zu haben. Atmo als Zäsur, dann noch etwas weiter 2. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/05:09 Früher hieß der Teutoburger Wald Osning. Er ist dann umbenannt worden nach der Entdeckung der Schriftquellen, und da er heute Teutoburger Wald heißt, geht man im Rahmen eines Zirkelschlusses davon aus, dass das der Ort sein muss an dem die Schlacht stattgefunden hat. Weder die römischen Geschichtsschreiber Velleius, Flurus und Dio, noch der oft zitierte Tacitus liefern exakte Angaben zu jenem Ort, an dem 3 römische Legionen von Germanen vernichtet wurden. Von rund 700 Theorien zum Schlachtort, die es in den vergangenen Jahrhunderten gab, blieben wenige nur noch übrig. In seinem 2008 erschienenen Buch Die Varusschlacht schreibt Ralf-Peter Märtin Sprecher: Die Aufgabe entspricht ziemlich genau dem mathematischen Problem, ohne Kenntnis des Ausgangspunktes und ohne zu 2

3 wissen, wohin man unterwegs ist, seinen Standort im Gelände bestimmen zu wollen. S.188, DIE VARUSSCHLACHT, Ralf-Peter Märtin, Am wahrscheinlichsten erscheint derzeit Kalkriese als Schlachtort. Die hier arbeitenden Archäologen sind sich nahezu sicher. 3. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/05:09 ( ) Man muß ganz klar sagen, dass im heutigen Teutoburger Wald und an allen anderen Stellen, die angeblich Orte der Varusschlacht gewesen sein sollen, keinerlei Fundmaterial zu Tage gekommen ist, während wir hier nicht nur römische Münzen, sondern zahlreiche römische Militaria aus der Zeit des Augustus haben. Dabei ist nicht klar, wie die Römer den Teutoburger Wald bezeichnet haben. Es könnte auch das gesamte Weserbergland gewesen sein. Von Rom aus gesehen ist alles relativ. 4. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/05:09 ( ) Die Schlacht kann weiter im Osten angefangen haben, die ersten Kampfhandlungen lassen sich vielleicht gar nicht nachweisen, und es können sich auch einzelne Gefechte weiter nach Westen erstreckt haben. Aber hier zumindest haben wir ein Hauptkampfgeschehen nachgewiesen. Jetzt wieder die 1. Atmo Kalkriese/Schlachtfeld/Februar 2009 Wer weiß, vielleicht liefert nun die neue Schlachtfeldarchäologie einen Weg, um Kalkriese als Ort der Varusschlacht zu sichern. Klar ist, wenn Kalkriese der Ort der Varusschlacht ist, dann metzelten sich im September 9 nach Christus auf dem matschigen und kalten Gelände 4 Tage lang fast Menschen nieder. Die damalige Wettersituation war der heutigen ähnlich. 3

4 5. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/24:00 ( ) Wenn ich hier aus der Erfahrung der letzten Jahre und Jahrzehnte das Herbstwetter im Osnabrücker Land beschreiben soll, dann würde ich sagen, vielleicht regnerisch, etwas kühl, nicht besonders angenehm für Römer, die eigentlich aus mediterranen Gebieten kamen. Es ist schon denkbar, dass es ähnlich war, wie die Schriftquellen es beschreiben. Erneut Atmo Schlachtfeld mit LKW und Krähenkrächzen als Zäsur, Dann dazu Soundtrack Gladiator. Passende Stelle aus End Theme Sprecher: Cum ne pugnandi quidem aut egrediendi occasio iis, in quantum voluerant ( ) Voice over Nicht einmal die Chance zu kämpfen oder davon zukommen, ist denen gegeben worden. Wie sehr sie es auch gewollt hatten; ( ) 6. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/24:00 ( ) Und wenn man sich dann vor Augen führt, dass wir hier ein Hangareal haben, das heißt, ein nicht befestigter Weg, ein Trampelpfad, oder Nahverkehrsweg der Germanen, wo Karren fuhren, wo dann Tausende Menschen drübergelaufen sind Sprecher: ( ) inclusus silvis, paludisbu, insidiis, ab eo hoste ad internecionem trucidatus est. voice over ( ) eingeschlossen war das Heer von Wäldern, Sümpfen, von Fallen 7. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/24:00 ( ) ein nicht befestigter Weg, ( ) wenn der aufgeweicht war, schlammig war, das Gelände ein bißchen abschüssig, dann hat man Schwierigkeiten auch ohne 4

5 Kampfhandlungen. Also man kann sich schon vorstellen, dass die Römer auch durch schlechtes Wetter zusätzlich in Bedrängnis gerieten. 3. Atmo. Gehen auf dem Schlachtfeld, darüber die Musik. 8. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/26:38 ( )Die Römer waren hier in großen Schwierigkeiten, weil sie sich in diesem Gelände, was damals an einigen Stellen noch stärker bewaldet war, nicht in der normalen Formation aufstellen konnten. Das heißt, sie hatten keine Chance so zu kämpfen, wie sie es gewohnt waren. Atmo und Musik gehen unter dem Sprecher/Sprecherin- Duo aus Sprecher: Vari corpus semiustum hostilis laceraverat feritas ( ) Voice over Den halbverbrannten Leichnam des Varus hatte der wütende Feind verstümmelt ( ) Velleius Paterculus Historia Romana Jetzt hier 4. Atmo Grabungsgeschehen auf dem Schlachtfeld im Frühling Atmo von Schaufeln, und wir hören Stimmen, plus Laptoptippen. Frühling 2009 auf dem antiken Schlachtfeld. Kurz zuvor sind die Grabungen wieder angelaufen. Doch die Fragen sind die alten. 9. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 00134/02:12 ( ) Wie untersucht man überhaupt ein Schlachtfeld? Wie kann man es verstehen? Denn wir sind die Ersten, die so ein umfangreiches antikes Schlachtfeld mit modernen archäologischen Methoden untersuchen können. Zäsur kurz mit Grabungsatmo, dann langsam aus 5

6 Die Fragen, die Susanne Wilbert-Rost aufwirft, sind in der modernen Archäologie elementar. Doch was genau kann die neue Schlachtfeldarchäologie an neuen Erkenntnissen liefern? Und worum genau handelt es sich bei dieser Schlachtfeldarchäologie? Zuerst eine Abgrenzung zur bisherigen Archäologie. 10. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/00:54 Ich würde hier von Fundstellenkategorien sprechen. Also Siedlungsplätze, Gräberfelder, auch Opferplätze. Das sind so die Fundstellenkategorien, die die Archäologie gelernt hat zu untersuchen. Schlachtfelder sind eigentlich eine neue Fundstellenkategorie, die uns einen anderen Ausschnitt der Kulturgeschichte mit überliefert. Achim Rost ist Prähistoriker an der Universität Osnabrück. In den vergangenen Jahren hat er zusammen mit seiner Frau Susanne Wilbert-Rost die neue Disziplin Schlachtfeldarchäologie mit entwickelt, und ins Blickfeld der Wissenschaftler gerückt. 11. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 00:54 Und Schlachtfelder ( ) das lernen wir gerade zur Zeit, haben eine ganz eigene Überlieferungsgeschichte. Denn auf Schlachtfeldern spielen vielmehr als auf anderen Fundplätzen die Plünderungsprozesse eine erhebliche Rolle. Und das Unglückliche und zugleich natürlich auch methodisch Spannende ist, dass Plünderungen nicht einfach nur reduzieren, sondern das man, wenn man bedenkt, dass neben Plünderungen auch Bergungen stattfinden, auf einem Schlachtfeld schnell Prozesse stattfinden, die regelrecht manipulierend wirken, was die Überlieferung der Fundstücke angeht. Doch was ist an einem Schlachtfeld wie dem in Kalkriese so spannend? Welche Erkenntnisse - ausser jener, dass Menschen aneinander schon immer grausam mordeten - lassen sich aus einem solch gewaltigen Kampfplatz gewinnen? Und um die Frage von Dr. Susanne Wilbert-Rost aufzunehmen: mit welchen Methoden, und mit welchen Techniken kann man ein antikes Schlachtfeld untersuchen? Zumal sich der vermutete Ort der Varusschlacht als extrem groß herausgestellt hat. 6

7 Hier Musik wieder aufblenden. Gleicher Track aus Gladiator. Dazu Atmo von Schwerterschlagen, etc. ( CD-Kalkriese) 12. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/00:58 Wir haben es hier mit einem Schlachtfeld von mehr als 30 Quadratkilometern zu tun, das sich hier am Hang des Berges, des Wiehengebirges bis zum großen Moor erstreckt. Es ist eine riesige Entfernung. Das Kalkrieser Schlachtfeld gilt als das größte und bislang einzige antike Schlachtfeld in Europa. 13. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/00:58 ( ) Wir haben Funde in diesem Schlachtfeld an verschiedenen Stellen entdeckt, auf Plätzen, die mal Einzelfunde, mal Fundkonzentrationen geliefert haben. Seit 1990 graben wir hier auf dem Flurstück Oberesch, wo heute Park und Museum Kalkriese entstanden sind. In den vergangenen Jahren haben wir hier zahlreiche Grabungen durchgeführt. Wir haben eine Wallanlage entdeckt, die die Germanen als Hinterhalt errichtet haben, wegbegleitend, um die Römer immer wieder angreifen zu können. Aber auch schon vorher waren die Römer angegriffen worden an anderen Stellen, das bezeugen die Funde. Wahrscheinlich hat man einfach nur einen Strauchverhau oder die Waldkante genutzt. Wir haben hier auf dem Oberesch etwa 5000 römische Artefakte, einzelne Münzen, viele Bruchstücke von Militaria, die uns zeigen, das hier etwas passiert ist. Gleich ansetzen Was genau hier passiert ist, wird im Laufe der Ausgrabungen immer deutlicher. 14. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0014/21:15 ( ) Es ist davon auszugehen, dass die Römer, die ja einen langen Zug gebildet haben, mit mehreren tausend Mann, Troßwagen, Zugtieren, dass die hier an verschiedenen Stellen angegriffen worden sind. Einige kamen hier hin, wurden hier angegriffen. Andere kamen hier durch. Aber es waren immer wieder nachrückende 7

8 Einheiten, so ein Nacheinander, sich überlagernde Prozesse, das ist das, was sich heute als ein Bild sozusagen mit den Funden darstellt. ( ) Dieses relativ genaue Bild der Kampfhandlungen ist vielleicht ein erstes Ergebnis der Schlachtfeldarchäologie. Doch das ist, wie gesagt, nur ein erstes Bild. 15. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 03:20 Also wir müssen grundsätzlich überlegen, was nach einer Schlacht passiert. Und im Normalfall ist es eben so, dass der Sieger plündern kann, dass er sich im Grunde genommen den Besitz, die Reichtümer, die Ausrüstung des unterlegenen Gegners aneignet. Jetzt Musik aus, und nur noch die Schwerter, ein- oder zweimal. Zugleich wird der Sieger nach der Schlacht die eigenen Verwundeten und Toten, wenn er die Möglichkeit dazu hat, bergen und den Sitten und Gebräuchen der Zeit entsprechend ordnungsgemäß bestatten. 16. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 03:20 Aber hier im Fall von Kalkriese, wenn wir eine Verbindung zur Varusschlacht sehen, aber auch generell bei Kampfhandlungen zwischen Germanen und Römern, wird man davon ausgehen können, das wissen wir auch aus den antiken Quellen, dass die Germanen extrem daran interessiert waren, die metallreiche römische Ausrüstung einzusammeln und in extremer Form zu plündern. Also ein Schlachtfeld geht eigentlich in bestimmten Abschnitten seiner Entwicklung fast kontinuierlich über in den Zustand eines Schrottplatzes. Nochmal die Schwerter, ein-zweimal, dann aus 8

9 Doch langsam. Bei einem so ausgedehnten militärischen Ereignis wie die Wissenschaftler nüchtern die Schlacht bezeichnen, gibt es viel zu untersuchen. Und immer ist die Suche eine Zweifache. Denn zum einen geht es natürlich um das Erkunden des Ortes in seine Ausmaßen und seiner Fundkonzentration. Dann um das Verstehen des Feldes. Was ist wann, wo, und wie passiert? Und zum anderen muß bei der Schlachtfeldarchäologie die Methodik der Untersuchung überhaupt erst entwickelt werden. Es ist ein wenig ein Tasten im Dunklen, wobei eigentlich das, was man zu verstehen hofft, schon verstanden ist, nur eben noch nicht im neuen Kontext. Generell: wie so oft ist es learning bei doing. 17. O-Ton: Dr. Wilbert-Rost/ DLRB 0013/06:55 Wir haben anfangs gedacht, dass wir aus der Anzahl der Funde und aus der Dichte der Fundstreuungen auf die Intensität von Kampfhandlungen schließen können. Und das hat sich durch theoretische Überlegungen meines Mannes, wie versteht man überhaupt ein Schlachtfeld, und die Funde, die sich dort zu erkennen geben, diese Überlegungen haben sich als falsch erwiesen. Das das Wissenschaftler-Ehepaar immer wieder die Plünderungen so betont, die es nach jeder Schlacht, und auch hier in Kalkriese, gibt und gegeben hat, hat einen für diese neue Disziplin der Archäologie fundamentalen Grund. Dr. Rost erklärt diesen Grund sehr anschaulich bei einer jüngeren Schlacht. 18. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 4:55 Ballistische Untersuchungen und genauere Analysen, auch der Fundverteilung, sind besonders erfolgversprechend bei jüngeren Schlachtfeldern. Gerade jetzt bei Little Big Horn, Also Ende 19. Jahrhundert. Da haben wir eine Bewaffnung, wo man tatsächlich die Einzelwaffen schon durch ballistische Analysen definieren kann. Und man auch nachvollziehen kann, wo welche Hülsen von welchen Geschossen von 9

10 bestimmten Waffen abgegeben wurden. Und man kann quasi den Weg der einzelnen Waffen auf dem Schlachtfeld verfolgen. Das erlaubt eine sehr detaillierte Rekonstruktion der Kampfhandlung. Das ist auch bei Little Big Horn sehr spannend, weil man eben die historische Überlieferung, oder die Berichte von Augenzeugen in gewisser Weise kriminalistisch objektiv gegen kontrollieren kann. Etwas Ähnliches versuchen gerade die Forscher beim vor kurzem entdeckten antiken Schlachtfeld in Kalefeld, unweit von Kalkriese. Auf diesem rund 1800 Jahre alten Schlachtfeld, als gut 200 Jahre nach der Varusschlacht, haben die Römer mit neun Katapulten auf Germanen gefeuert. Dazu wurden unzählige Pfeile verschossen, Speere geschleudert und Lanzen - Pila - geworfen. Man kann mit dieser ballistischen Methode Aussagen über den Kampfverlauf, die Dynamik der Auseinandersetzungen machen. Doch auch das ist nicht sicher, meint Achim Rost. 19. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 5:45 Also die Einzelwaffe als individuelle Wafffe zu verfolgen, macht überhaupt keinen Sinn. Es ist natürlich auch bei uns schon interessant zu schauen, wo Lanzen, Pila, wo Waffen, die geworfen werden, wo die konzentriert vorkommen, wo Hinweise auf Schwerter vorliegen, die im Nahkampf verwendet wurden. ( ) Erheblich mehr Aussagen gibt die Ausrüstung ab, meint der Wissenschaftler, die die Legionäre am Körper hatten. 15 Kilo insgesamt wogen die zwei römischen Wurfspeere, dazu der Helm mit Nacken- und Wangenschutz, das Kettenhemd, die Tunica, also das Unterkleid aus Wolle, dann der Gladius, der Schwertgürtel mit Kampfschwert, der Dolchgürtel, die mit nahezu 10

11 90 Eisennägeln versehenen Sandalen, und zuletzt das Scutum, das mit Eisen beschlagene Kampfschild. 20. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 5:45 Und grade die am Körper fixierte Ausrüstung kann interessante Hinweise geben über die Dinge, die nach den Kämpfen abgelaufen sind. Grade eben auch die Dinge, die als Leichenfledderei bezeichnet werden können. Da entstehen in größerer Zahl eben auch Fragmente der am Körper fixierten Ausrüstung, weil diese Plünderung so brutal sein kann, dass Verschlusshaken und Scharnieren eben dabei auch aufgebrochen werden oder auf der Strecke bleiben, und dann als Kleinteil abgebrochen im Gras dann gelegentlich bei den weiteren Plünderungen übersehen werden. Musik wieder ab hier einsetzen Und generell, sagte der Wissenschaftler, sind die Archäologen die letzten Beteiligten an einer solchen Schlacht. 21. O-Ton: Achim Rost/ DLRB 0014/ 13:30 Denn nach den Plünderungen durch die germanischen Krieger hier erfolgte dann natürlich auch noch das Einsammeln durch ortsansässige Bauern in den Jahrhunderten danach. Und letzten Endes bis heute. Es sind ja die Landwirte gewesen, die auch immer wieder Silbermünzen aufgesammelt haben und abgegeben haben, auch damals schon. Es bleibt also sehr wenig zurück, und man muß sich klarmachen, dass auf einem Schlachtfeld, auch aus römischer Zeit, sehr viel weniger zu holen ist, um es mal so auszudrücken, als man sich vorstellt. Musik wieder als kleine Hörpause. Dann 8. Atmo: Schleifen in der LWL- Werkstatt ( Landschaftsverband Westfalen-Lippe) darüber. Musik geht weg, Atmo frei ist eklig wie beim Zahnarzt dann kurz noch unterlegen 22. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/1:00 Wir haben hier einen Zelthering aus der Porta Westfalica, Barkhausen, der römischen Befunden zugeordnet wird. Für den Laien ist es erst einmal ein rostiger Aglomeratklumpen, und in der Restaurierungswerkstatt wird der eben frei präpariert. Atmo kleine Zäsur, dann weiter 23. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/1:45 11

12 Ein römischer Zelthering ist ungefähr 20 Zentimeter lang, weitet sich oben auf, ist durchlocht und hat einen Ring, an dem die Schnüre befestigt waren, mit dem das Zelt eben aufgebaut wurde. Atmo noch etwas, dann geht sie aus 24. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/1:00 Wie Sie gerade gehört haben mit dem Schleifgerät, ähnlich dem, die die Zahnärzte verwenden. Diese Technik wird in Kombination mit dem Feinsandstrahlgerät eingesetzt. Das Ziel ist es, die Originaloberflächen frei zu präparieren, um die optimale Lesbarkeit des Objektes zu bekommen. ( ) Eugen Müch ist Restaurator in der Werkstatt des LWL, des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe in Münster. 25. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/2:03 Der Fundort ist Porta Westfalica, Barkhausen. Ein Fundort, an dem Gegenstände aus augusteischer Zeit gefunden wurden. Das Eugen Müch den Fundort des Zeltherings betont, hat seinen Grund. Denn in dem vor einem Jahr entdeckten Römerlager vermuten die Archäologen das Abmarschlager des Varus. 26. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/4:40 Aus Barkhausen habe ich ganze Fundkisten. ( Müch dreht sich etwas weg) Der erste Arbeitsschritt ist die röntgentechnische Sichtung der Funde. Die Agglomeratklumpen aus Eisen sind so für den Laien nicht ansprechbar, auf dem Monitor sehen Sie solche Röntgenaufnahmen. 7. Atmo Röntgenatmo jetzt. Was immer die Archäologen in Westfalen-Lippe finden, landet meist bei Eugen Müch und seinen Kollegen in Münster auf dem Tisch, beziehungsweise erstmal in der Röntgenkammer. 12

13 27. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/16:08 Das ist eine Röntgeneinrichtung mit Digitalempfänger, wo wir im Livebild sofort erkennen können, um welches Objekt es sich handelt. Die Vorteile dieser Methode sind, ich kann mit Hilfe dieser Bewegungseinrichtung relativ schnell große Mengen an Funden durchsichten, um sie zu identifizieren. Ich lege mal ein Stück jetzt hier auf den Träger der Röntgenplatte. Jetzt müssen wir den Raum verlassen, um uns nicht zu verstrahlen. Atmo Gehen aus dem Röntgen, und Atmo Schließen des Raumes. Gut, ich schalte die Anlage an, (Atmo kurzes Piepen) Und nun sieht man an dem Agglomeratklumpen, dass es sich um einen römischen Eisennagel handelt. Und so kann ich jedes Stück identifizieren. Hier handelt es sich, das weiß ich, zufällig um eine Pilumklemme. Ein Pilum war ein römischer Wurfspieß 28. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/16:08 Weitere Aufgaben neben der Sichtung, ist bei der röntgentechnischen Untersuchung technologische Untersuchungen zu machen. Wir können also Aufbauten innerhalb des Objektes beurteilen, wie zum Beispiel die Metallurgie. Handelt es sich zum Beispiel um damaszierte Objekte? Handelt es sich um Überfangusstechniken, wie sie in der Bronzetechnik angewendet wurden? Wie ist ein Objekt konstruktiv aufgebaut? Solche Fragen können mit Hilfe der Röntgentechnik beantwortet werden. Ohne Naturwissenschaften wäre archäologische Forschung heute nicht denkbar. Anthropologen etwa können an menschlichen Knochen rückschließen, wann der Mensch lebte, wie alt er geworden ist, welche Lebensumstände er hatte, welche Krankheiten und seine Todesursache. Archäozoologen bestimmen Tierknochen, erforschen die Entwicklung der Tiere. 13

14 Archäobotaniker analysieren Pollen, Pflanzenreste, Holzarten und können so Hinweise dazu beisteuern, in welchem Klima und Umfeld der Mensch seinerzeit lebte. Und Bodenkundler gewinnen wichtige Informationen darüber, wie der Mensch über die Jahrtausende hinweg den Boden nutzte und wie er ihn bewirtschaftete. Auch in der Werkstatt von Eugen Müch kommen immer mehr naturwissenschaftliche Methoden zum Einsatz. 29. O-Ton: Eugen Müch/ LWL/DLRB0015/24:35 Wir haben hier ganz unterschiedliche Materialgruppen, für die wir letztendlich auch ganz unterschiedliche Methoden anwenden. Alle Objekte, die von Grabungen kommen, das können organische Objekte, Holz, Leder, Glas, Keramik, Metalle sein, bedürfen eigentlich einer individuellen Restaurierung. Die Kernaufgabe ist eben tatsächlich die handwerklich manuelle Arbeit. Wir erstellen dann dazu Zustandsprotokolle und Beobachtungsprotokolle, in denen wir freigelegten Befunde festhalten, dokumentieren, und dann letztendlich der archäologischen Forschung als Mosaiksteinchen zur Verfügung stellen. Atmo Schleifen wieder, nur kurz So eine Schlacht hinterläßt eigentlich viel, sagt die Expertin für provinzialrömische Archäologie, Bettina Tremmel. Atmo Zäsur, dann weiter, dazu jetzt Musik wieder 14

15 Die noch junge Archäologin steht neben Eugen Müch und sieht zu, wie der 2000 Jahre alte Zelthering langsam in den Händen des Restaurators aus dem Gesteinsbrocken erscheint. 30. O-Ton: Tremmel/ DLRB0015/33:19 So eine Schlacht hinterlässt Leichen. In römischer Zeit war es auch nicht üblich, die Schlachtfelder zu räumen. Man hat die Toten liegen lassen, weil man sie ja auch nicht mehr identifizieren konnte. Sie waren zu sehr verstümmelt, teilweise verwest. Niemand wusste mehr, wer die Toten eigentlich sind. Deswegen hat man sie liegen lassen. Und das, was auf dem Schlachtfeld bleibt, wird peu a peu von der Erde im Laufe der Jahrhunderte abgedeckt, und sobald man so einen Fundplatz findet, kann man natürlich von Schlachtfeldarchäologie sprechen. Man muss sich überlegen: wie kann es aussehen? Mit welchen Funden, Befunden muss ich rechnen, wie kann ich das interpretieren? So auch in Kalkriese. Sechs Jahre nach der Niederlage des Varus sieht der Feldherr Germanicus den Ort der Vernichtung von mehr als Mann der drei Legionen 17, 18 und 19 sowie mehrerer Reitereinheiten. Der römische Geschichtsschreiber Tacitus schreibt. Sprecher: Mitten im freien Feld lagen die bleichenden Gebeine zerstreut oder in Haufen, je nachdem die Leute geflohen waren oder Widerstand geleistet haben. Daneben langen zerbrochene Waffen und Pferdegerippe, an Baumstämmen waren Schädel befestigt. In Hainen in der Nähe standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen ersten Ranges geschlachtet hatten. Musik geht wieder unter folgender Atmo aus. Atmo 10. Heben und Senken des Blockes mit den Germanenknochen. Dann 9. Atmo: Kratzen am Gebiß. 15

16 Es sind kaum noch Überreste von Menschen zu finden. Weder in Kalkriese auf dem vermuteten Varusschlachtfeld, noch in Barkhausen, dem theoretischen Abmarschlager des Varus. Auch in Kalefeld, dem Ort einer 200 Jahre späteren Schlacht, ist alles in den Jahrtausenden beinahe vergangen. 31. O-Ton: Müch/DLRB0015/ 6:00 Normalerweise sind Knochen, die im Sandboden liegen, vergangen aufgrund sauren Milieus. Hier haben wir etwas Kalk mit im Boden gehabt, und dadurch einen Minimal- Erhaltungszustand. Die Aufgabe jetzt hier war, aus dieser Blockbergung die Knochen frei zu präparieren, um letztendlich eine Beurteilung dann vornehmen zu können. Nur in Haltern am See gab es vor kurzem seltsame Knochenfunde. Haltern am See liegt heute nahe Recklinghausen im Ruhrgebiet. Einst war hier wegen des Flusses Lippe, auf dem Nachschub transportiert werden konnte, die größte Garnison Roms innerhalb des Imperiums. 32. O-Ton: Askamp/7:10 Also es sind Knochen von 24 Individuen in dieser Grube gefunden worden, die damit ein Massengrab darstellt, weil diese Leichen seinerzeit entkleidet und einfach übereinander in diese Grube gelegt, und dann mit entsprechendem Töpfereiabfall zugedeckt worden sind. ( ) Woran die Menschen starben, sagt Rudolf Askamp, der ebenfalls Experte für provinzialrömische Archäologie ist, läßt sich kaum nachvollziehen. Nur durch wen sie umkamen, ist klar. 33. O-Ton: Askamp/10:03 Da wir wissen, wie die römischen Truppen ihre Toten in Haltern bestatteten, nämlich in Brandgräbern, also die Toten wurden zunächst verbrannt, und dann in Gräbern beigesetzt inklusive teilweise großen Grabbauten, und sich diese Art und Weise deutlich davon unterscheidet, müssen wir zunächst mal davon ausgehen, dass wir hier einen ganz andern Sachverhalt haben. 16

17 Der mutmaßliche Zusammenhang und die Zeit, in die das alles passt, ich sage jetzt mal grob kurz vor oder nach 9 nach lässt an ( ) eine kriegerische Auseinandersetzung zwischen Römern und Germanen ( ) denken, bei der diese Germanen den Kürzeren gezogen haben. Und deswegen von den Römern an Ort und Stelle, jetzt sage ich mal das harte Wort, entsorgt worden sind. Das ist ja keine Bestattung, sondern die sind ja einfach verscharrt worden. ( ) Gleich ansetzen 35. O-Ton: Müch/ 11:49 Wir sehen jetzt hier die Reste von Langknochen, Kalotten, Zahnstellungen, Rippen. ( ) Man hat versucht die DNA zu extrahieren. Soweit ich weiß, ist das nicht gelungen, aufgrund des doch relativ schlechten Erhaltungszustandes. Doch weder die C14 Methode, noch die DNA-Analyse konnte bei den Toten aus Haltern angewendet werden. Susanne Wilbert-Rost erklärt warum. 36. O-Ton: Wilbert-Rost/DLRB0013/21:40 Das ist eine Methode der Datierung in der Archäologie, die C14-Methode, bei der man organische Reste auf das Alter anhand von Kohlenstoff untersucht, radioaktiven Kohlenstoff. Das Problem ist, dass wir hier praktisch keine organischen Reste haben, nur ganz spärliche Reste, und die C14-Methode ist nie auf ein Jahr exakt. Je älter, desto größer ist der Spielraum. Deswegen findet man immer bei Datierungen mit Hilfe von C14 den Hinweis plus/minus 20 oder 200 Jahre, je nachdem, um welchen Zeitraum es sich handelt. Das heißt hier, wenn es sich um die Klärung der Frage... ist es 9 nach Christus ( ) dann hilft es uns nicht, wenn wir sagen könen, es ist cirka 9 nach plus/minus 10 oder 20 Jahre. Darum griffen die Forscher zu einem anderen Verfahren. 37. O-Ton: Müch/ 12:28 ( ) Und das ist diese Isotopenzuordnung, wo man sagen kann, dass diese Menschen ihren Großteil ihres Lebens im süddeutschen böhmischen Bereich verbracht haben. Atmo Kratzen an den Knochen wieder. 17

18 Die Isotopenanalyse ist eine Art biochemischer Daumenabdruck, der noch nach Jahrtausenden funktioniert. Dabei nutzen die Forscher die Tatsache, dass jede Biomasse, also jedes organische Material auf der Erde hauptsächlich aus chemischen Elementen wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Schwefel und Stickstoff besteht. Jedes dieser Elemente hat unterschiedliche Isotope, also Atome, die wiederum unterschiedliche Massen besitzen, die sich zuordnen lassen. Das für die Archäologie wichtigste Isotop ist das C14-Kohlenstoff-Isotop. 38. O-Ton: Müch/ 38:55 Also ein Lebewesen nimmt zu Lebzeiten dieses Isotop C14 auf. In dem Moment, wo es stirbt, nimmt es kein weiteres C14 auf, und dann beginnt der Verfall dieses Isotops. Und anhand der Restradioaktivität kann man eine Altersbestimmung vornehmen. ( ) Atmo 4. Kalkriese Schlachtfeld/Grabungsatmo Frühling wieder. Um Fundstellen zu entdecken, werden die für Archäologen interessanten Gebiete per Satellit kontrolliert. Denn einstige Mauern und Gräben hinterlassen Spuren im Gelände, die in großer Höhe sichtbar werden. Auch die Internet-Suchmasche Google ist ein Mittel. Inzwischen steht ein Computer neben den Gruben, vermißt dreidimensional das Areal und zeichnet auf. Neben der Tastatur steht oft noch die gute, alte Schaufel des Archäologen. Doc h immer mehr Leute sind vor Ort, oft Naturwissenschaftler der unterschiedlichsten Disziplinen. Der Typ des allein vor sich hin grabenden Alterskundlers hat anscheinend ausgedient. 18

19 Erneut Atmo, kleine Zäsur, jetzt Musik dazu. Die Schlachtfeldarchäologie wird helfen zu verstehen, was passiert ist, und warum es so gekommen ist. In Kalkriese oder anderswo. 39. O-Ton: Achim Rost/ 8:47 Auch in Amerika und in England wird es so gesehen. In den Ländern hat die Untersuchung von Schlachtfeldern schon eingesetzt. Da die Überlieferungsbedingungen eine ganz eigene Qualität haben, ist auch die Herangehensweise an diese Fundplätze, die ja auch für die Archäologie ein Problem einer extrem ausgedehnten Flächen mit sich bringen, das ist bis hin zur Denkmalpflege ein ganz eigenes Problem. Man wird wirklich sagen müssen, das ist eine eigene Fundstellenkategorie, etwas völlig Neues. Erneut Atmo mit Musik kleine Zäsur. Die Toten sind tot, ihr Blut ist vor Jahrtausenden in den Boden gesickert, die Knochen längst vergangen. Doch der Entsetzensschrei des Kaisers Augustus hallt bis in unsere Tage. Jetzt ohne Musik nur Schaufeln auf dem Feld. Sprecher: Quintili, Vare, legiones redde! Atmo jetzt aus. Feature endet trocken. Quintictilius Varus, gib die Legionen zurück! 19