Bildgebung in der Strahlentherapie: ein Überblick

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1 Bildgebung in der Strahlentherapie: ein Überblick 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014 Andreas Lindbaum (FH OÖ, Campus Linz, Studiengang Medizintechnik) Abbildung: Enghardt et al., Nucl. Instrum. Methods Phys. Res. A 525, (2004) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 1

2 Inhalt: Motivation Bildgebung im Bestrahlungsraum unmittelbar vor und während der Bestrahlung ( Image-Guided Radiation Therapy IGRT) Beispiele für bildgebende Systeme für die IGRT ohne ionisierende Strahlung Besonderheiten der Partikeltherapie In Situ Dosismonitoring in der Partikeltherapie mittels PET mittels prompt-γ Emission Schlussfolgerungen 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 2

3 Motivation: Faktoren, welche die Präzision der Bestrahlung mindern: Fehler im Setup : Ungenauigkeiten in der Positionierung von knöchernen Referenz-Strukturen relativ zum Koordinatensystem des Bestrahlungsgerätes Organbewegungen: Veränderungen von Lage und Form des Ziels (z.b. Tumor) und von Normalgewebe relativ zu den knöchernen Referenz-Strukturen Beispiele für Ursachen: Verschiebung von Haut-Markierungen Bewegungen andere Fehler bei der Patienten- Positionierung Beispiele für Ursachen: Atmung Herztätigkeit Bewegungen des Darms Volumsveränderung der Harnblase Notwendigkeit der Verwendung von bildgebenden Systemen nicht nur bei der Bestrahlungsplanung, sondern auch direkt beim Bestrahlungsgerät (inkl. einer robotergesteuerten Patientenliege mit 6 Freiheitsgraden) IGRT (erfordert schnelle Algorithmen zur Bildregistrierung, d.h. Koordinatensysteme der Planungsbilder und der Bilder vor/während der Bestrahlung müssen in Übereinstimmung gebracht werden) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 3

4 Bildgebung im Bestrahlungsraum unmittelbar vor und während der Bestrahlung ( Image-Guided Radiation Therapy IGRT) Beispiel: TRILOGY (Varian) Drehbare Gantry Therapie -strahl Portal Imaging Device: Bildgebung mit der Strahlungsquelle des Linearbeschleunigers (LINAC), d.h. Bildgebung mit Megavolt- Photonenstrahlung ermöglicht gute Abbildung von knöchernen Strukturen ( Verifikation der Patienten-Positionierung) und Verifikation der Bestrahlungs-Dosis On Board Imager (Bildgebung mit Kilovolt- Photonenstrahlung) erlaubt Bildgebung auch mit gutem Weichteilkontrast (2D Projektions- Röntgenbilder, Röntgendurchleuchtung, 3D-Cone- Beam-CT) Bewegungen können erfasst und berücksichtigt werden vor und während der Bestrahlung (z.b. auch in Kombination mit IRreflektierenden Markern, die von einer IR-Kamera erfasst werden, um den Atemzyklus zu verfolgen) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 4

5 Beispiel: VERSA HD (Elekta) grundlegendes Design ähnlich zu TRILOGY (Varian) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 5

6 Beispiel für einen ring-basierten Aufbau: VERO (Brainlab/MHI) Ring um 360 drehbar Portal Imaging Device Therapiestrahl: Strahlaustritt des Linearbeschleunigers ist zusätzlich in 2 Ebenen schwenkbar Kompensation von Bewegungen während der Bestrahlung (realtime tumor-tracking) 2 unabhängige Kilovolt-Röntgenbildgebungssysteme: 2D-(Stereo-)Röntgen, 3D-Cone-Beam-CT ± 60 drehbar 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 6

7 Beispiel: CTVision (Siemens): CT on rails mit drehbarem Behandlungstisch direkt beim Linearbeschleuniger Beispiel (Siemens): In-line Cone-beam CT mit dem Photonenstrahl des LINACs, dessen Energiespektrum durch Verwendung von speziellen Targets für die Bildgebung optimiert werden kann (Spektrum zu weicherer Strahlung hin verschoben besserer Weichteilkontrast): Photonenstrahl für Bildgebung kommt von LINAC Vorteil: höhere Präzision durch gemeinsames Isozentrum des Behandlungs- und Bildgebungs-Strahls. Detektor für Cone-Beam-Imaging 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 7

8 Beispiel: Imaging Ring (medphoton): geeignet für die Integration auch in Partikeltherapie-Systeme (z.b. MedAustron) Abbildungen: M. Hubauer-Brenner, medphoton GmbH (am Institut für Technologieentwicklung in der Strahlentherapie an der Universitätsklinik für Radiotherapie und Radio-Onkologie, Salzburg) Ermöglicht: - planare Bildgebung - Cone-Beam-CT - Großes Field of View (FOV) - Dual-Energy Bildgebung (zur Verbesserung des Weichteilkontrasts) - Isozentrische und nicht-isozentrische Bildgebung Detektor und Röntgenquelle unabhängig voneinander drehbar 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 8

9 Beispiele für bildgebende Systeme für die IGRT ohne ionisierende Strahlung IGRT mit Ultraschall: Typische Anwendung: Konturen des Zielgebiets werden mittels US und/oder CT bei der Bestrahlungsplanung erstellt. Diese Konturen werden dann mit US-Bildern verglichen, welche unmittelbar vor der Bestrahlung im Bestrahlungsraum gemacht werden Kontrolle bzw. Korrektur der Position des Zielgebiets. Vorteile: keine Strahlenbelastung, schnell, kostengünstig Nachteile: Genauigkeit hängt stark vom Anwender ab, Druck der US-Sonde kann zu Gewebeverschiebungen führen, generell ungenauer als z.b. Cone-Beam CT, ungeeignet für Gebiete hinter Knochen IGRT mit Kamera-basierten Systemen: Typische Anwendungen: z.b.: Monitoring der Atmung ( gating), Anpassung der Patientenposition bei der Behandlung von Brustkrebs 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 9

10 IGRT mit Magnetresonanztomografie (in Entwicklung): Zwei Lösungsansätze: 1) Integrierte Systeme, d.h. LINAC (oder Cobalt-60 Strahlungsquelle) und MRT sind in einem Gerät integriert: erlaubt MR-Bildgebung (hoher Weichteilkontrast) während der Bestrahlung Beispiel UMC Utrecht: Prototyp mit fixiertem supraleitenden 1,5 Tesla Magneten und LINAC mit Gantry (in Kollaboration mit Philips Healthcare und Elekta): Abbildung: J.J.W.Lagendijk, Department of Radiotherapy University Medical Center Utrecht 2) Lösungen mit getrennten Geräten (plus Patienten-Transfer-System): Beispiel Universitätsklinik Umea (Schweden): Abbildung: D.A. Jaffray, Univ. Toronto, Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 10

11 Große technische Herausforderung (vor allem für integrierte Systeme): MR-Empfangsantennen müssen von den EM-Feldern des LINAC abgeschirmt werden LINAC muss vom Magnetfeld des MRT-Gerätes abgeschirmt werden (Lorentz-Kraft: Elektronenbahnen im LINAC werden durch ein Störmagnetfeld abgelenkt Störung der Photonenerzeugung Störung der Dosisverteilung) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 11

12 Besonderheiten der Partikeltherapie, d.h. der Bestrahlung mit geladenen schweren Teilchen (z.b. mit Protonen oder Kohlenstoff-Ionen): 1) Charakteristischer Tiefendosisverlauf mit ausgeprägtem Maximum in der Tiefe (Bragg-Maximum) U. Weber, G. Kraft, Cancer Journal 15 (2009) 2) Aktive Strahlführung durch elektrische und magnetische Felder 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 12

13 Aktive Strahlformung (Abtastsysteme, Raster-Scan-Verfahren, scanning beam systems): Ein dünner Strahl (pencil beam technique) wird Voxel für Voxel auf den Tumor angewendet. Wenn die gewünschte Dosis in einem Voxel erreicht wird, kommt der nächste Voxel an die Reihe: Abbildung: Prinzip des intensity-controlled magnetic scanning systems der GSI. Strahlenergie: 80 bis 430 MeV/u 12 C-Ionen Haberer et al., Nucl. Instrum. Methods Phys. Res. A 330 (1993) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 13

14 erlaubt eine präzisere Bestrahlung von tiefgelegenen Tumoren nahe an Risiko-Organen, vor allem dann, wenn die Tumore eine hohe Strahlenresistenz gegenüber konventioneller Strahlung (Photonen, Elektronen) aufweisen. d.h. aber auch: noch höhere Präzision als bei der konventionellen Bestrahlungstherapie mit Photonen erforderlich! Während der Bestrahlung ist neben dem Einsatz von vorher besprochenen bildgebenden Systemen (wie z.b. Cone-Beam CT) auch eine Verifikation der im Patienten applizierten Dosis wünschenswert. 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 14

15 In Situ Dosismonitoring in der Partikeltherapie mittels PET Dosismessung im Patienten während der Bestrahlung durch in-vivo in-beam PETmonitoring: D. Schardt, T. Elsässer, D. Schulz-Erner, Rev. Mod. Phys. 82, 1 (2010) Erklärung: Durch die Bestrahlung mit schweren Ionen können durch Kernreaktionen auch radioaktive Atomkerne im Gewebe entstehen ( Autoaktivierung ), die β + -aktiv sind (Positronenstrahler). Bei Bestrahlung mit 12 C-Ionen beispielsweise wird ein kleiner Teil der Ionen (<1%) in β + -aktive 11 C-Ionen umgewandelt, welche ein sehr ähnliches Eindringverhalten wie die ursprünglichen 12 C-Ionen haben und mit PET-Bildgebung erfasst werden können. D.h. die PET kann das β + -Aktivitätsprofil bestimmen, welches mit der applizierten Dosis zusammenhängt. 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 15

16 Zusammenhang zwischen β + -Aktivitätsprofil und Dosis: 140 MeV Protonen 260 MeV/u 12 C-Ionen Abbildung: K. Parodi et al 2005 (IEEE TRANSACTIONS ON NUCLEAR SCIENCE Vol. 52) β + -Aktivitätsprofil eines PMMA-Targets durch Bestrahlung mit 260 MeV/u 12 C-Ionen (rechts) und 140 MeV Protonen (links). Activity: Tiefenprofil der β + -Aktivität Dose: Tiefendosisprofil des primären Strahls Bei Protonen gibt es keinen ausgeprägten Peak im β + -Aktivitätsprofil, da hier keine β + - aktiven Atomkerne entstehen, die sich wie die Primärteilchen als Projektile in Primärstrahlrichtung weiterbewegen. 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 16

17 Abbildung: Beispiel für in-beam PET-monitoring bei der Bestrahlung eines Kopftumors. Links: Geplante Dosisverteilung in Überlagerung mit dem CT-Bild. Das Zielvolumen und der Hirnstamm als Risikoorgan sind hervorgehoben. Mitte: Vorhergesagte β + -Aktivitätsverteilung, berechnet aus dem Bestrahlungsplan. Rechts: Gemessene β + -Aktivitätsverteilung. Der Vergleich mit der Vorhersage zeigt, dass die Ionen vor dem Hirnstamm gestoppt wurden. Enghardt et al., Nucl. Instrum. Methods Phys. Res. A 525, (2004) 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 17

18 In Situ Dosismonitoring in der Partikeltherapie mittels prompt-γ Emission Neuer Ansatz zur Echtzeit-Dosismessung (in Entwicklung) Prinzip: Partikel (z.b. Protonen) führen, wenn sie in Materie eindringen, zu Wechselwirkungen, welche einzelne γ-photonen erzeugen Diese Prozesse laufen sehr schnell ab, d.h. die γ-photonen entstehen in weniger als 1 Nanosekunde nach den Reaktionen der Protonen entlang ihres Wegs durch die Materie ( Bezeichnung prompt) Ziel: Abbildung des tatsächlichen Dosisprofils entlang des Pfads eines pencil-beam Partikel-Strahles durch das Gewebe Wäre von großer Bedeutung für die pencil-beam-abtastung eines Tumors 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 18

19 F. Roellinghoff et al., Phys. Med. Biol. 59 (2014) Real-time proton beam range monitoring by means of prompt-gamma detection with a collimated camera Experimenteller Aufbau (mit einem single-slice Detektor, in der klinischen Anwendung würde ein multi-slice Detektor verwendet werden): 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 19

20 F. Roellinghoff et al., Phys. Med. Biol. 59 (2014) Real-time proton beam range monitoring by means of prompt-gamma detection with a collimated camera Ergebnis: Position des Bragg-Peaks (Energie der Protonen: 160 MeV) Strahleintritt in das PMMA-Target Blau: ohne Time of Flight (TOF) Korrektur Grün: mit TOF Korrektur (Neutronen- Hintergrund minimiert) Rot: Differenz zwischen Messung ohne TOF und mit TOF Fazit: Lage des Bragg-Peaks kann mit einer Ungenauigkeit von 1-2 mm bestimmt werden. 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 20

21 Schlussbemerkungen: IGRT ist in einer sehr schnellen Entwicklung: Es ist davon auszugehen, dass ca. 80% der aktuell neu verkauften Bestrahlungs-LINACS mit einem cone-beam CT für die IGRT ausgestattet sein werden (siehe z.b. D.A. Jaffray 2014 in Intraoperative Imaging and Image-Guided Therapy) Die IGRT und die dadurch ermöglichte Anpassung der Bestrahlung an Veränderungen (d.h. Betrachtung als 4D-Problem adaptive Strahlentherapie) ermöglicht die Anwendung von aggressiveren Behandlungsplänen: insgesamt höhere Tumordosis bei gleichzeitiger Schonung des Normalgewebes weniger Fraktionen kürzere Behandlungszeiträume Zur Zeit wird die IGRT weiterentwickelt auch z.b. in Richtung MR-IGRT und spezieller Verfahren für die Partikeltherapie. 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 21

22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! 11. Linzer Forum Medizintechnik, 5. November 2014, Andreas Lindbaum 22