Gedanke zu Blick auf Vila Prudente, eine Favela in São Paulo, Brasilien. Großstadt
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- Frieder Scholz
- vor 8 Jahren
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Transkript
1 Leben in einer lateinamerikanischen bedeutet vor allem, Kontraste erleben und aushalten, sich innerhalb eines Millionenmolochs mit Menschen aus verschiedensten Kulturen und Schichten vermischen, in einem Strom bewegen und versuchen, im Lärm des unkontrollierbaren Verkehrs das Atmen nicht zu vergessen. Ein Hochhaus steht stolz neben einer Wellblechhütten-Siedlung, ein Herr im Armani-Anzug und ein Straßenkind überqueren gemeinsam die Kreuzung, die beiden Endpunkte einer Metrolinie stehen für zwei Welten. Die ist ein Ort für überlebenswichtige Kreativität. Hier wird an jeder Ecke Essbares und Selbsthergestelltes verkauft, ein Dienst angeboten (Schuhe putzen, Autoscheiben waschen, Telefonkartenverkauf etc.) oder Feuerschlucker, Akrobaten, Musiker und Clowns führen gegen eine Spende ihre Kunst vor, um das nächste Essen oder tröstenden Alkohol bezahlen zu können. Die reiche, kleine und inzwischen von vielen Armensiedlungen umgebende Oberschicht lebt wie in einem Ghetto in großen Villen am Rande der Stadt, mit Chauffeur, beachtlichen Alarmanlagen und Sicherheitsdienst. Von der offensichtlichen Armut riechen, sehen und schmecken sie kaum etwas, denn das Schutzbedürfnis und die Abriegelung beginnen nicht am eigenen Haus, nicht in der eigenen Straße, sondern dehnen sich auf das ganze Viertel aus. Wo sich die Schichten berühren könnten, wo Kommunikation, Austausch und Hilfe auf der Hand liegen, dominieren meist Stille, blindes Chaos, Angst vor dem anderen, Vorurteile und wenig zwischenmenschliche Dynamik. Wenn dann ein Geschäftsmann doch gebratene Bananen auf der Straße im Stadtzentrum kauft oder sich die Schuhe putzen lässt, gibt es manchmal Sternmomente: ein Gespräch, ein persönlicher Kommentar, ein Lächeln, ein Innehalten und die Wiederkehr an denselben Ort. Bernadette Kalz, Freiwillige in Mexiko
2 Babel Ninive Ciudad de México São Paulo Stadtpläne und -karten, die so verdächtig gleich aussehen: hohes Zentrum und breite, flache Ränder Stahl Beton Spiegel Glas Ewigkeit Utopie Well Blech Pappe Bruch Buden Zug Luft Realität Hochfinanz und Gossenleben Je steiler die schmale Mitte des Luxus, desto tiefer der breite Ring der Armut Stadt: Alle wollen leben! Pass auf, Stadt, dass dieser Ring Dich nicht erstickt, eines schönen Tages Deine arroganten menschenverachtenden Spitzen Wolkenkratzer Leistungs Türme eines jüngsten Tags zusammenstürzen wie ein Kartenhaus, weil Du auf die falsche Karte gesetzt hast. Nicht Arm gegen Reich! Ungerechtigkeit als Erzfeind aller Menschen. Kpl. Klaus Kleffner, Münster Gemeindeerfahrungen in Brasilien
3 Heruntergekommen und völlig fertig Heruntergekommen und völlig fertig ist das, was wir sehen. Enge, improvisierte, hässliche Behausungen, die wegen häufiger Überschwemmungen etwas über dem Straßenniveau liegen und deshalb nur über primitive Stiegen erreicht werden können. Kein Blumentopf, kein Gärtchen. Scheinbar nichts, was dem Leben Farbe und der Seele Nahrung geben würde. Leben, das sich, wie die Bäume im Hintergrund, schon längst im Grau aufgelöst hat. Vielleicht noch schlimmer als das, was wir sehen, ist das, was wir nicht sehen: Sich selbst überlassene Kinder. Hoffnungslos überforderte Mütter. Väter so abwesend wie der Staat, die Stadtverwaltung und die Solidarität der Bessergestellten. Leben, das weder Distanz noch Privatsphäre kennt und das so trostlos ist wie die traurige Hütte, die zum Verkauf steht. Selbstwertgefühl, das ebenso mickrig ist wie die erbärmlichen Buden. Leben im Slum: Die Hoffnung ist schon längst im Alltagsgrau ertrunken. Die Verzweiflung wird oft mit Drogen betäubt, im Alkohol ertränkt und in Gewalt kanalisiert. Geliebt wird so, wie das Leben wahrgenommen wird: Hart und unbarmherzig, ohne Poesie und Magie. Ein berühmter Architekt hat einmal gesagt, dass man einen Menschen mit einer Wohnung genauso totschlagen kann wie mit einer Axt. Wahrscheinlich hat er recht. Heruntergekommen und völlig fertig sind deswegen weniger die Slumbewohner und nicht einmal die Lebensumstände, denen sie ausgesetzt sind. Richtig heruntergekommen und fertig sind vielmehr ein Wirtschaftssystem, das Elendsviertel einkalkuliert; Entscheidungsträger, denen deren Existenz gleichgültig ist und all jene Menschen, die angesichts des Elends ihre Augen und Herzen verschließen. Michael Kuhnert, Länderreferent bei ADVENIAT, zzt. AGEH-Kraft in Argentinien Erfahrungen in kirchlichen Sozialprojekten in Kolumbien und Argentinien
4 Brasilien ist das größte Land Lateinamerikas, und es hat die größten Städte des Kontinents wie São Paulo oder Rio de Janeiro mit vielen Millionen Einwohnern. In den Großstädten wird die Kluft zwischen Reichtum und Armut schon im Stadtbild deutlich. In den Zentren stehen die modernen Hochhäuser, in den Gürteln rund um die Städte siedeln sich in groben Hütten die Armen an, die meist vom Land in die Stadt flüchten, weil sie dort auf Arbeit und Einkommen hoffen. Im Durchschnitt müssen die Armen in den Elendsvierteln von etwa zwei Euro am Tag leben. Das reicht nicht einmal zum Überleben. In den Armen und Leidenden, so sagt das II. Vatikanische Konzil, erkennt die Kirche das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war (Lumen gentium Nr. 8), und so entdeckt die Kirche Lateinamerikas in den konkreten Zügen der Armen das Leidensantlitz Christi (Puebla Nr ), weil Jesus selbst sich mit den Geringsten identifiziert hat, wie es im Evangelium nach Matthäus nachzulesen ist (Mt 25, 31-46). Prof. Dr. Michael Sievernich SJ, Frankfurt / Mainz Professor für Pastoraltheologie an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und Seelsorge und Dozententätigkeit in Mexiko, Argentinien
5 ! Hier brummt das Leben. Hier ist was los! Die schläft nicht. Hier wird gefeiert, gearbeitet, gelebt, was das Zeug hält. Hier werden Geschäfte abgewickelt, Millionen transferiert, Waren produziert, Projekte entwickelt. Hier lebt die Kultur, das Theater, die Musik, die Kunst. Hier gibt es Geschäfte, Kommunikation, Restaurants, Parks, Universitäten. Hier gibt es Bildung, Erziehung, Urbanität. Hier wird die große Politik gemacht, Gesetze beschlossen, Parteien gegründet und wieder aufgelöst. Hier gibt es elektrisches Licht, Trinkwasseranschlüsse, Abwassersysteme, Busverbindungen. In der kann man leben, da findet man alles, was das Herz begehrt.! Hier gibt es Millionen von Menschen, die von all dem ausgeschlossen sind. Dr. Stefan Silber, Sailauf Pastoralreferent und Theologe, Katechetenausbildung in Bolivien
6 Die Reichen leben innen, die Armen außen! Warum kann kein Friede herrschen? Die Reichen sollen den Armen etwas abgeben! Arme können kaum was! Sie sollen in die Schule und lernen! Warum geht es nicht? Die Schulkosten sind zu hoch! Sie müssen arbeiten, um Essen zu bekommen! Anna S., 8 Jahre
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