Kopfschmerzen. Kopfschmerzen. Kopfschmerzen. Migräne. Migräne. IHS-Klassifikation. 2. IHS Klassifikation Diagnosekriterien
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- Joseph August Koenig
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1 Kopfschmerzen Kopfschmerzen 2. IHS Klassifikation Diagnosekriterien 220 Kopfschmerzformen, 14 Hauptgruppen Primäre Sekundäre Nicht Kopfschmerzen Kopfschmerzen Neuralgien klassifizierbar 92% 7,8% 0,2% ca.1-2% MOH Olesen, Rev Neurol (Paris) Jul;161(6-7): Kopfschmerzen Primäre Kopfschmerzen Beschreibung: Wiederkehrende Kopfschmerzerkrankung Attacken von 4-72 Stunden Dauer Typische Kopfschmerzcharakteristika: einseitige Lokalisation pulsierender Charakter mäßige bis starke Intensität Verstärkung durch körperl. Routineaktivitäten begleitendes Auftreten von Übelkeit und/oder Licht- und Lärmüberempfindlichkeit
2 Epidemiologie ist eine der häufigsten Kopfschmerzformen Etwa 6 8% aller Männer und 12 14% aller Frauen leiden unter einer Die Lebenszeitprävalenz liegt bei Frauen bei > 25%. Vor der Pubertät beträgt die Häufigkeit der 4 5%. Jungen und Mädchen sind gleich häufig betroffen. Die höchste Inzidenz der attacken besteht zwischen dem 35. und 45. Lebensjahr. In dieser Lebensphase sind Frauen dreimal häufiger betroffen als Männer Pathophysiologie Dorsal raphe nucl. Locus coeruleus superior salivatory nucl. Nucleus Raphe Magnus Mod. nach Lipton et al. Neurology 1993; 43 (suppl 3) S6-10 Goadsby, Pathophysiologie Aktivierung von Hirnstammstrukturen (periaquäduktales Grau, Nucl. dorsalis raphe, Locus coeruleus) Aktivierung der freien Nervenendigungen afferenter trigeminaler Fasern an duralen Gefäßen Freisetzung vasodilatorischer Neuropeptide (z. B. calcitonin-gene-related peptide (CGRP)) Vasodilation Erhöhte Transmission des Nucl. caudalis spinalis N. trigemini Aktivierung trigemin. Afferenzen (pulsierender) Kopfschmerz Vorboten-Symptome Prodromi (limbisch/diencephal vermittelte Symtome) Ankündigungs-/ Vorbotensymptome bei ca. 80 % der Patienten Stunden bis 1 2 Tage vor einer attacke mit oder ohne Aura. Müdigkeit Stimmungslabilität Heißhunger Hypo-/ Hyperaktivität Vermehrtes Gähnen Sprachstörungen Schwierigkeiten beim Lesen/ Schreiben ohne Aura (85 90 %) Kriterien nach Dauer: unbehandelt 4 72 Stunden Charakteristika ( 2): einseitig (60 %) Pulsierend mittlere oder starke Schmerzintensität Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten oder deren Vermeidung Begleitphänomene ( 1): Übelkeit und/oder Erbrechen Licht- und/oder Geräuschempfindlichkeit Verlauf: 5 Attacken Ausschluss symptomatischer Ursachen mit Aura (10 15 %) Wiederkehrende Erkrankung anfallsweise reversible fokale neurol. Symptome (z. B. visuelle Phänomene, Sprachexpression, Sensibilität, Motorik ) allmählich Entwicklung über 5 20 Minuten Dauer max. 60 min, meist ca min Meist folgen Kopfschmerzen wie bei ohne Aura, gel. andere oder keine KS Verlauf: 2 Attacken Ausschluss symptomatischer Ursachen
3 Hadjikhani et al., 2001 aura Cortical Spreading Depression Freisetzung von Kaliumionen in den Extrazellularraum. Fehlfunktion von Ionenkanälen für Kalzium, Natrium und Kalium sowie eine Fehlfunktion inotroper Glutamat-Rezeptoren kann daran beteiligt sein. Kaliumionen führen zu einer Depolarisierung, die sich über einen Bereich der Hirnrinde ausbreitet. Eine langsame Ausbreitung dieser Depolarisation über das Sehzentrum = elektrophysiologisches Korrelat wandernder Flimmerskotome. aura Typische aura Aurasymptome ( 1, vollständig reversibel): visuelle Symptome mit positiven (z. B. flackernde Lichter, Punkte, Linien) und/oder negativen Merkmalen (Sehverlust) sensible Symptome mit positiven (Kribbelmissempfindungen) und/oder negativen Merkmalen (Taubheitsgefühl) dysphasische Sprachstörung keine motorische Schwäche Auracharakeristika ( 2): homonyme visuelle und/oder einseitige sensible Symptome wenigstens ein Aurasymptom entwickelt sich allmählich über 5 Minuten hinweg und/oder verschiedene Aurasymptome treten nacheinander in Abständen von 5 Minuten auf, jedes Symptom hält 5 Minuten und 60 Minuten an Visuelle Aura Visuelle Aura mit Aura (10 15 %) Phasen einer attacke Familiäre hemiplegische (FHM): zusätzlich vollständig reversible motorische Schwäche Genetik: wenigstens ein Verwandter ersten oder zweiten Grades mit Attacken, die die gleichen Kriterien erfüllen Sporadische hemiplegische : Kriterien wie bei familiärer Form, aber ohne Auftreten bei Verwandten ersten oder zweiten Grades vom Basilaristyp : Charakteristisch verlaufende Aurasymptome (mindestens 1): Dysarthrie, Schwindel, Tinnitus, Hörminderung, Doppeltsehen, Sehstörungen gleichzeitig sowohl im temporalen als auch nasalen Gesichtsfeld beider Augen, Ataxie, Bewusstseinstörung bis zum tiefen Koma, simultane bilaterale Parästhesien; keine motorische Schwäche Kopfschmerz: erfüllt Kriterien für ohne Aura, beginnt während der Aura oder folgt innerhalb von 60 Minuten mit prolongierter Aura: nicht mehr in ICHD-II mit akutem Aurabeginn: nicht mehr in ICHD-II Retinale : Symptome: vollständig reversible, monokuläre, positive und/oder negative visuelle Phänomene (Flimmern, Skotome oder Blindheit) in Verbindung mit Kopfschmerzen wie bei ohne Aura, die während oder innerhalb von 60 Minuten danach beginnen, normaler opthalmologischer Untersuchungsbefund außerhalb der Attacke. Ausschluß von symptomatischen Ursachen (Amaurosis fugax) wichtig Chronische : Kopfschmerz wie bei ohne Aura an 15 Tagen/Monat über > 3 Monate hinweg, kein Medikamentenübergebrauch. Status migränosus: Wie ohne Aura aber > 72 Std. anhaltend und von starker, erheblich beeinträchtigender Intensität häufig in Verbindung mit Medikamentenübergebrauch Migränöser Infarkt: Hirninfarkt im Ablauf einer typischen mit Aura ein oder mehrere Aurasymptome persistieren > 60 Minuten in der Bildgebung ein ischämischer Infarkt in einem relevanten Hirnareal nachweisbar Ophthalmoplegische jetzt unter die kranialen Neuralgien eingeordnet; Symptome: migräneähnliche Kopfschmerzen mit oder gefolgt von einer Parese eines oder mehrerer Augenmuskeln (N. III > N. VI >> N. IV); Kopfschmerz oft > 1Woche, Latenz zwischen Kopfschmerz und Beginn der Ophtalmoplegie bis zu 4 Tagen, Parese kann den Kopfschmerz um Tage überdauern Ausschluss Tolosa-Hunt-Syndrom und anderer symptomatischer Ursachen notwendig
4 Trigger und Verstärker Clinical Pathway - Therapie Triggerfaktoren (Auslöser) u. Aggravierende Faktoren Östrogenabfall bei ca. 30% der Patientinnen (prämenstruell, Ovulation, Pillenpause) Verschiebung innerer Zyklen (unregelmäßige Mahlzeiten, Schlaf/Wachphasenwechsel, Wechsel des Stressniveaus z.b Wochenendmigräne) Medikamente (Nitrate, Kalziumantagonisten, Dipyridamol, Sildafenil) Umwelt (Lärm, Kälte, Flackerlicht, Höhe) Nahrungsmittel (Rotwein, Schokolade, Käse, Südfrüchte) Therapie - Basis Therapie - Basis Allgemeine Maßnahmen Reizabschirmung, körperliche Entspannung, Hinlegen, Schlaf, Eis lokal Medikamentöse Behandlung der leichten - mittelschweren Attacke bei Ankündigungssymptomen: Domperidon (Motilium ) 30 mg +/- ASS 500 mg p. o. Bei Kopfschmerzattacke: Metoclopramid 20 mg p. o. oder rektal, oder Domperidon 30 mg p. o. (verbessert Resorption und Wirkung des Analgetikums) nach 10 Minuten eines der folgenden Medikamente: ASS 1000 mg als Brauselösung bzw. Kautablette oder Ibuprofen mg p. o. oder Diclofenac-K (Voltaren ) mg p. o. oder Naproxen (Proxen ) mg p. o. oder Paracetamol 1000 mg p. o. bzw. rektal oder Metamizol 1000 mg p. o. oder 2 x ASS 250 mg+paracetamol 200 mg+coffein 50 mg (Thomapyrin ) Therapie Triptane Serotonin 5-Hydroxytryptamin, 5-HT Sumatriptan
5 Wirkansätze Triptane Wirkansätze Triptane Triptane zentrale Schmerzübertragung Vasokonstriktion 5-HT1B Dorsal raphe nucl. Locus coeruleus superior salivatory nucl. Nucleus Raphe Magnus hemmen die Ausschüttung vasoaktiver Neuropeptide (CGRP, Substanz P, Neurokinin A) über 5HT1D-Rezeptoren. verursachen vasokonstriktive Effekte über 5 HT1B-Rezeptoren auf der glatten Gefäßmuskulatur wirken evtl. zentral an 5HT1B/D-Rezeptoren in den nozizeptiven Strukturen d. Hirnstamms? Kombination aus peripherer Wirkung am Gefäß mit der Bindung an zentralen Strukturen? 5-HT1D-Rezeptoren Hemmt CGRP Ausschüttung Goadsby, Therapie Triptane 2 Medikamentöse Behandlung der mittelschweren bis schweren Attacke mit Triptanen (5HT 1B/1D-Agonisten) Wirkung: im Gegensatz zu Ergotamin zu jedem Zeitpunkt innerhalb der Attacke, auch auf Übelkeit und Erbrechen deutliche Kopfschmerzlinderung nach 2 Stunden bei > 70 % der Patienten Nebenwirkungen: Übelkeit, Schwächegefühl, Engegefühl in Brust/Hals, Schwindel, Schläfrigkeit, Parästhesien medikamenteninduzierte Kopfschmerzen (Einsatz an maximal 10 Tagen / Monat) Kontraindikationen: KHK, TIA/Schlaganfall in der Anamnese, pavk, unzureichend eingestellte Hypertonie; Schwangerschaft aus Sicherheitsgründen keine Einnahme während der Aura, bei Patienten mit vom Basilaristyp, hemiplegischer, ophthalmoplegischer Medikamentöse Behandlung der mittelschweren bis schweren Attacke mit Triptanen (5HT 1B/1D-Agonisten) bessere und nachhaltigere Wirkung bei früher Einnahme nie zusammen mit oder nach Ergotaminen einnehmen Therapie Triptane 1 bei Unwirksamkeit der ersten Gabe zweite Dosis meist sinnlos bei Wirkungslosigkeit eines Triptans kann anderes wirksam sein bei initialer Besserung, aber Wiederauftreten des Kopfschmerzes nach 2 24 h (15 40 % der Patienten) zweite Gabe meist wirksam initiale Kombination mit lang wirksamem NSAR (Naproxen) kann bei manchen Patienten Wiederauftreten der KS verhindern Therapie Triptane Neu und kurz vor der Zulassung in Deutschland: Selektive CGRP-Antagonisten Olcegepant (BIBN4096BS) Telcagepant (MK-0974 ) Therapie CGRP-Antagonisten
6 Therapie Regeln Auslöser identifizieren (KS-Kalender) Nach Möglichkeit Trigger vermeiden Attackentherapie so früh wie möglich Mit dem richtigen Medikament In der richtigen Dosis Mindestens 3 Attacken behandeln Akutmedikation max. 10 Tage/Monat und max. 3 Tage hintereinander! Sonst: Gefahr medikamenteninduzierter Kopfschmerzen! (MOH) Nichtmedikamentöse Prophylaxe Medikamentöse Prophylaxe Der medikamentösen Prophylaxe gleichwertig sind: progressive Muskelrelaxation nach Jacobson thermales Finger-Biofeedback und muskuläres (EMG-) Biofeedback kognitiv-behaviorales Schmerzbewältigungstraining aerobe Ausdauersportarten (Schwimmen, Joggen, Radfahren) klassische und Schein -Akupunktur Wirksamkeit nicht belegt für Homöopathie HWS-Manipulationen (evtl. kurzzeitige Besserungseffekte) Verschluß eines offenen Foramen ovale Botox Durchtrennung des Musculus currogator Indikationen für eine medikamentöse prophylaxe hoher Leidensdruck und Einschränkung der Lebensqualität mehr als 3 attacken im Monat häufige attacken >72 Stunden attacken mit unzureichendem Ansprechen und/oder nicht tolerablen Nebenwirkungen einer adäquaten Akuttherapie Medikamenteneinnahme an mehr als 10 Tagen/Monat attacken mit subjektiv stark belastenden Auren (Basilarismigräne, hemiplegische, prolongierte Auren ) erlittener migränöser Hirninfarkt Medikamentöse Prophylaxe Medikamentöse Prophylaxe Substanzen 1. Wahl β-rezeptoren-blocker Metoprolol mg oder Propanolol mg Wahrscheinlich wirksam: Bisoprolol, Atenolol, Nebivolol Calciumantagonist Flunarizin 5 10 mg z. N. Antikonvulsiva Topiramat (Topamax ) mg/tag auch bei chronischer wirksam Valproinsäure (off label) mg/tag Langsame Aufdosierung! Substanzen 2. Wahl Antidepressiva Amitriptylin mg/tag (off-label) gleichzeitig chronische Spannungskopfschmerzen, Schlafstörungen, Depression, Colon irritabile mit hoher Stuhlfrequenz Venlafaxin (off label) mg/tag (eine Studie) NSAR (Naproxen) mg/tag Pflanzliche Präparate Pestwurz (Petadolex ) 2 75 mg/tag (2 x 3 [2] Kps) Mutterkraut (Tanacetum parthenium, engl. feverfew) Ohne sichere Wirksamkeit Magnesium; neben β-blockern aber in SS einsetzbar ASS: (Rezidiv-) Prophylaxe migränöser Infarkt Riboflavin (Vitamin B2): eine RCT mit 400 mg/tag; Nahrungsergänzung Dihydroergotamin sollte wegen MOH nicht mehr eingesetzt werden
7 Klassische Prophylaxe meist unwirksam Kurzzeitprophylaxe 5 Tage vor erwarteter Regelblutung bis Ende der Blutung Naproxen mg oder Triptane, z. B. Sumatriptan 2 x 25 mg über 5 6 Tage Kontinuierliche Kontrazeptiva-Einnahme ohne Pillenpause verhindert menstruationsabhängige Attacken östrogenhaltige einphasige Kombinationspräparate ovulationsinhibitorischen Gestagenen (Cerazette ) Nuvaring Prophylaxe der menstruellen Migäne Beurteilung des Therapieeffekts nach 8 12 Wochen Weiterführung 6 bis 9 Monate, danach Ausschleichen Spontanverlauf? ggf. Wiederbeginn Medikamentöse Prophylaxe Basis: Kopfschmerzkalender! Kopfschmerzkalender Primäre Kopfschmerzen Sumatriptan T 100 Primäre Kopfschmerzen Kopfschmerz vom Spannungstyp Epidemiologie Prävalenz weltweit ca. 42 %, Europa 80 %, Nordamerika 30 %, Asien 24 % Lebenszeitprävalenz episodischer Typ % chronischer Typ 2 3 % der Bevölkerung Geschlechtsverteilung: M:F = 1.5:1 Altersverteilung Erstmanifestation am häufigsten 2. Lebensdekade episodischer Typ gleich in allen Altersgruppen chronischer Typ nimmt mit dem Alter zu
8 Kopfschmerz vom Spannungstyp Pathophysiologie (hypothetisch) Individuell variable Interaktionen zwischen peripheren Veränderungen der perikranialen/cervikalen myofaszialen Schmerzempfindlichkeit/Muskelspannun g und der deszendierenden zentralen Kontrolle trigeminaler/cervikaler nozizeptiver Neurone. Kopfschmerz vom Spannungstyp Diagnostische Kriterien nach IHS Kopfschmerzdauer liegt zwischen 30 Min. und 7 Tagen Mindestens 2 der folgenden Charakteristika: beidseitige Lokalisation Schmerzqualität drückend oder beengend, nicht pulsierend leichte bis mittlere Schmerzintensität keine Verstärkung durch körperliche Routineaktivitäten wie Gehen oder Treppensteigen Beide folgenden Punkte sind erfüllt: Keine Übelkeit oder Erbrechen (Appetitlosigkeit kann auftreten) Photophobie oder Phonophobie, nicht jedoch beides kann vorhanden sein Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen Kopfschmerz vom Spannungstyp episodischer 15 Tage/Monat sporadisch auftretender KS v. Spannungstyp > 10 Tage/Monat häufig auftretender KS v. Spannungstyp chronischer >15 Tage/Monat Kopfschmerz vom Spannungstyp Differentialdiagnosen Symptomatische Ursachen Hypertonie, chronische Sinusitis, Medikamenten-Nebenwirkungen (Nitrate, Kalzium-Antagonisten, Koffein, Hormonpräparate), Analgetika-induzierter Kopfschmerz, posttraumatischer Kopfschmerz, intrakranielle Raumforderung, chronisches Subduralhämatom, chronische Meningitis, Arteriitis temporalis, chronisches Glaukom, Schlaf-Apnoe-Syndrom, Sinus-Venen-Thrombose, Hydrocephalus occlusus, idiopathische intrakranielle Hypertension, Liquorunterdrucksyndrom, kranio-cervikale Übergangsanomalien, oromandibuläre Dysfunktion Andere primäre Kopfschmerzen (nicht selten Kombinationskopfschmerz!) Differenzialdiagnosen und Red Flags Warnsymptome (Red Flags) Änderung der bisherigen Kopfschmerzsymptomatik, Auftreten fokalneurologischer Symptome, Persönlichkeitsveränderungen, epileptische Anfälle oder Synkopen, Fieber und Nackensteifigkeit, heftiger, bisher nicht bekannter Kopfschmerz weitergehende Diagnostik Sekundäre Kopfschmerzen Kopfschmerz vom Spannungstyp Therapie Attackentherapie bei der episodischen Form Medikamentöse Behandlung ASS mg oder Paracetamol mg oder Ibuprofen mg oder Naproxen (Proxen ) mg oder Metamizol mg oder 2 Tbl. à ASS 250 mg+paracetamol 200 mg+coffein 50 mg (Thomapyrin ) Einnahmefrequenz auf max. 8 /Monat begrenzen Bei häufigeren Einnahmen Therapie wie chronische Form Triptane haben keinen Effekt! Topisch: Pfefferminzöl großflächig auf beide Schläfen/ Nackenregion
9 Kopfschmerz vom Spannungstyp Kopfschmerz vom Spannungstyp Prophylaxe Therapiemaßnahmen bei der chronischen Form Nicht-medikamentöse Behandlung systematische Beratung bzgl. ungünstiger Lebensführung (überzogene Tagesstrukturierung, Termindruck, überhöhte Leistungsanforderungen, unphysiologische Körperhaltungen, Bewegungsmangel, Schlafmangel u. a.) Ausdauersport (Joggen, Schwimmen, Radfahren) 2 3x/Woche verhaltensmedizinische Behandlung (wirkt bei ca. 40 %) Therapie / Prophylaxe Medikamentöse Behandlung/Prophylaxe chronischer SK Indiziert bei Kopfschmerzfrequenz > 10 Tage/Monat, > 12 Stunden/Tag und > 3 Monate, wenn nichtmedikamentöse Maßnahmen nicht ausreichen. Regelmäßige Analgetikaeinnahme Medikamentenübergebrauchskopfschmerz Amitriptylin bzw. Amitriptylin-oxid bis max. 150 (120) mg/tag; Wirkung erst nach ca. 4 8 Wochen sicher abschätzbar; wirkt bei ca. 40 % Doxepin mg/tag, Clomipramin mg/tag, Imipramin mg/tag progressive Relaxation nach Jacobson Mirtazapin mg/tag Stressbewältigungstraining Venlafaxin 150 mg/tag reduzierte Kopfschmerztage um 45 % (Placebo 19 %) EMG-Biofeedback Medikamente ohne sicheren Wirksamkeitsnachweis kognitive Techniken Physiotherapie; kranio-cervikales Training über 6 Wochen (isometrische Belastungs-/Ausdauerübungen) am besten. Primäre Kopfschmerzen Sulpirid, Moclobemid, SSRI, Tizanidin, Topiramat? Primäre Kopfschmerzen Wenigstens 5 charakteristische Attacken Starke oder sehr starke einseitig orbital, supraorbital und/oder temporal lokalisierte Schmerzattacken. Unbehandelt 15 bis 180 Minuten. Begleitend wenigstens 1 x ipsilaterale konjunktivale Injektion +/- Lakrimation ipsilaterale nasale Kongestion +/- Rhinorrhoe ipsilaterales Lidödem ipsilaterales Schwitzen Stirn oder Gesicht ipsilaterale Miosis +/- Ptosis körperliche Unruhe oder Agitiertheit (pacing around) Attackenfrequenz 1 x jeden 2. Tag bis 8 x / Tag Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen IHS-Kriterien Epidemiologie Lebenszeitprävalenz %; Geschlechtsverteilung M:F = 3 4:1 Altersverteilung epis. CK beginnt 3. Dekade (80%) Saisonale Verteilung Häufung im Frühjahr und Herbst (ca.50% der Pat.) Ø 1 Episode/Jahr (episod. Form) Periodendauer durchschnittlich 2 12 Wochen freies Intervall (Remissionsphase) im Mittel 6 24 Monate Weitere Daten Episodische Form überwiegt mit ca. 80 %. Korrekte Diagnosestellg. Ø 7 Jahre nach Erstmanifestation. 50 % der Patienten mit Erstkonsultation bei HNO/Zahnarzt werden fälschlicherweise operiert!
10 Zentrale Dysregulation im Hypothalamus Pathophysiologie (erklärt Zirkadiane Rhythmik und jahreszeitliche Häufung von Clusterepisoden) Aktivierung des caudalen nozizeptiven trigeminalen Kernkomplexes im Hirnstamm Stimulation parasympathischer Kerngebiete (Nucl. salivatorius superior) Kopfschmerz mit autonomen Begleitsymptomen. Alkohol Histamin Nitroglyzerin Kalziumantagonisten z. B. Nifedipin Relaxation Körperliche Anstrengung Höhenaufenthalte Blendlicht Flimmer-/Flackerlicht Parfums Organische Lösungsmittel Auslöser/ Triggerfaktoren Differenzialdiagnosen Anamnese ggf. Neurographie: Blinkreflex (Schädigung V1?) ggf. Ausschluss Glaukom bildgebende Diagnostik bei Erstmanifestation CCT der Schädelbasis (knochendestruierender Prozess?) Diagnostik MRT des Schädels mit kraniocervikalem Übergang, ggf. MRT- Angiographie (Ausschluss mittelliniennaher Prozesse mit Beteiligung des Sinus cavernosus, z. B. Hypophysentumor, paraselläres Meningeom, ACI-Aneurysma, AVM u.a.) iatrogen ausgelöste Attacke (in Zweifelsfällen) 1 mg Nitroglyzerin sublingual nach min Attacke Voraussetzung: aktive Clusterepisode, keine medikamentöse Prophylaxe, keine spontane Attacke in den letzten 8 Stunden, keine Einnahme vasokonstr. Substanzen in den letzten 24 h. Therapie Medikamentöse Prophylaxe Beratung über Krankheitsbild Erkennen und Vermeiden von Auslösefaktoren bei bekanntem, typ. Cluster-Kopfschmerz ambulant bei Suizidalität, bei Therapieproblemen und ggf. zur erstmaligen Sauerstofftherapie stationär Medikamentöse Behandlung Sauerstoff 7 15 l/min 100 % O2 (15 20 min) über Maske Wirkt bei ca % der Attacken nach 7 10 Minuten Sumatriptan (Imigran -Inject) 6 mg s. c. (Autoinjektor) Beendigung >75 % der Attacken innerhalb von 5 20 Minuten Zolmitriptan (AscoTop 5 mg nasal) ~wie Sumatriptan s.c. Lidocain-Lösung (4 %) ipsilaterale nasale Instillation von 1 ml wirkt bei ca %, keine Nebenwirkungen Infiltration bzw. elektr. Stimulation N. occipitalis major Wegen hoher Attackenhäufigkeit generell empfohlen. Fortführung bis ca. 14 Tage über die letzte Attacke hinaus. 1. Wahl Verapamil mg/tag; einschleichend (CAVE: AV-Block > I, absolute Bradykardie, Schenkelblock) - Wirkung Ø nach 2 3 Wochen - Toleranzentwicklung reversibel nach Therapiepause bei kurzen Episoden oder überbrückend: Predniso(lo)n-Stoßtherapie oder Ergotamin 2. Wahl Lithium Methysergid Topiramat Ergotamintartrat Valproinsäure Gabapentin Pizotifen Melatonin
11 Neuralgien Neuralgien Diagnostische Kriterien nach IHS Paroxysmale Schmerzattacken von Bruchteilen einer Sekunde bis zu 2 Minuten Dauer, die einen oder mehrere Äste des N. trigeminus betreffen. Der Schmerz hat folgende Charakteristika (mind. 1): starke Intensität, scharf, oberflächlich, stechend ausgelöst über Triggerzone oder durch Triggerfaktoren Beim einzelnen Patienten stereotypes Muster Klinisch kein neurologisches Defizit nachweisbar Nicht auf eine andere Erkrankung zurückzuführen Auslösung Lokalisation Spontan Berührung in Triggerzonen (Nasolabialfalte, Kinnpartie) Alltagsbetätigungen wie Waschen, Rasieren, Kauen, Rauchen, Sprechen, Zähneputzen gelegentlich auch durch intensive Geschmacksreize, helles Licht, laute Geräusche Refraktärphase bei der klassischen Form nach Schmerzauslösung bei chronischen Verläufen manchmal dumpfer Hintergrundschmerz bei der symptomatischen Form keine Refraktärphase V1 <5% V2 18% V3 15% symptomatisch? V2 + V % Nie Seitenwechsel Selten beidseitig
12 Mikrovaskuläre Kompression Neurovaskuläre Kompression Schädigung v. Myelinscheiden im Bereich pathologischer Gefäß-Nerv-Kontakte Impuls springt von markhaltigen Berührungsfasern (A β) auf marklose Schmerzfasern (C) (ephaptisch) Axonale Degeneration Sensibilisierung zentraler Interneurone (Deafferentierung) Intraoperativ findet sich bei ca. 80 % ein Gefäß-Nerv- Kontakt durch die A. cerebelli superior Schwannom N. trigeminus Therapie klassische Form primär medikamentös-konservativ Versagen bzw. Nachweis symptomat. Ursachen invasiv/operativ Medikamentöse Therapie Carbamazepin retard bis 800 mg, bei Bedarf bis mg initiale Ansprechrate ca. 90 %, langfristig ca. 50 % Oxcarbazepin vergleichbar gut wie Carbamazepin 2. Wahl Phenytoin i. v.-aufsättigung mögl., oral bis 300 mg, bei Bedarf bis 500 mg Baclofen bis Ø 60 mg Lamotrigin als Zusatzmedikation zu Carbamazepin oder Phenytoin Valproinsäure bis mg/tag, verzögerter Wirkeintritt Gabapentin mg/tag Pregabalin mg/tag - wirksam bei 74 % der Patienten Topiramat mg/tag - nur Fallberichte Pimozid (Orap ): 4 12 mg; strenge Indikation (zur Krisenintervention) Kombi von Carbamazepin oder Phenytoin mit Baclofen oder Lamotrigin Erstmanifestation: nach 4 6-wöchiger Symptomfreiheit ausschleichen Rezidiv: nach 6 8 Monaten ausschleichen Patienten vor sinnlosen Eingriffen im Zahn-/Kiefer-Bereich bewahren! Invasive Therapieverfahren Invasive Therapieverfahren Blockade des peripheren Nerven mit Alkohol oder Phenol Durchtrennung eines Trigeminusastes Mikrovaskuläre Dekompression (nach JANETTA) Injektion von Glycerol oder Alkohol in das Ganglion Thermokoagulation des Ganglions Abb. Adapt. V. Lindsay, Bone, Callander, 1996 Stereotaktische Radiochirurgie (Gamma-Knife ), Kryoneurolyse
13 Gamma-Knife Radiochirurgie mir Kobalt 60 Arteriitis temporalis Diagnostische Kriterien (American College of Rheumatology) Alter > 50 Jahre neuartige oder neuauftretende Kopfschmerzen abnorme Temporalarterien (Druckdolenz, Pulsation) BSG > 50 mm in der ersten Stunde histologische Veränderungen bei Biopsie A. temporalis Auf der Innenfläche eines Kugelsegments sind 201 kleine, ca. 1 mm 2 im Querschnitt messende Kobalt-60-Strahlenquellen angeordnet und projizieren alle auf den gleichen Punkt. Dieser wiederum liegt in der Mitte des Gerätes und ist in seiner Lage exakt bekannt. Durch die Strahlungsdivergenz misst dieser Fokus im Isozentrum 3 mm. Dieser Durchmesser kann durch Sekundärkollimatoren (Strahlungsblenden) in seiner Größe modifiziert werden. 3 von 5 Kriterien Sensitivität 93.5 %, Spezifität 91.2 % Arteriitis temporalis Klinisches Bild Allgemeinsymptome: Beginn meist schleichend mit Abgeschlagenheit, Muskelschmerzen, Fieber, Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit, Depression Kopfschmerzen (> 70 %): meist erstes Symptom, neu auftretend, bohrend-stechend, starke Intensität, eher unilateral, Zunahme b. Kopfbewegung, Kauen, meist frontotemporal Augenbeteiligung (15 50 %): Visusverlust durch anteriore ischämische Opticus-Neuropathie (AION) bzw. Zentralarterienverschluß (ZAV); Augenbewegungsschmerz, Doppelbilder (Befall der Augenmuskulatur), Ptosis Claudicatio masticatoria (30 %): pathognomonisches Zeichen, Mangeldurchblutung der Kaumuskulatur Arteriitis temporalis Klinisch Temporalarterien verdickt, druckdolent, geschlängelt. Sensitivstes Zeichen: Puls fehlt oder ist seitendifferent. Empfindliche Kopfhaut, lokale Rötung. Labor BSG, CRP, Antiphospholipid-AK (30-50%), F VIII, IL-6 Zusatzuntersuchungen Farbduplex der Temporalarterien Wandverdickung (echoarmer Halo ) Biopsie der Temporalarterien wenn Klinik und Farbduplex uneindeutig Histopathologie mit Nachweis zahlreicher mehrkerniger Riesenzellen in der Gefäßwand einer betroffenen Hirnarterie. Elastikafärbung. Diagnostik Arteriitis temporalis Therapie Kopfschmerzen Clinical Pathway - Diagnostik Therapiebeginn bereits bei dringendem Verdacht! Steroide (Predniso[lo]n) = Mittel der Wahl Initialdosis je nach Klinik kein Organbefall (Auge) 1 mg/kg KG/Tag einseitige Erblindung (je nach Akuität) (1000) mg/tag für 3 5 Tage Dosis im Verlauf hohe Dosis 3 5 Tage, dann Reduktion auf 1mg/kg KG/Tag weitere Reduktion 30 mg frühestens nach 4 Wochen Erhaltungsdosis unter 7.5 mg/tag für > 24 Monate (!) Steuerung nach Klinik u. CRP (schnell) bzw. BSG (träge) Evtl. zusätzl Immunsuppressiva: z.b. Methotrexat, Azathioprin ASS (100 mg/tag): retinale/cerebrale Ischämie.
14 Kopfschmerzen Fragen an den Patienten Kopfschmerzen Dauer Frequenz Attackendauer Verlauf Attacke, Auftreten Schmerzqualität Schmerzstärke (VAS) Lokalisation Prodromi Aura Begleiterscheinungen Auslöser/Trigger Familienanamnese Reaktion auf Med. Med.-Einnahme was, wieviel? Ein KS oder verschiedene?? Gutartiger stechender Kopfschmerz SUNCT Episod. Spannungs-KS Chron. Spannungs-KS Medikamentenübergebrauchskopfschmerz Sekunden Minuten Stunden Tage Wochen Monate Jahre
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