Erfahrungsbericht Auslandspraktikum

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1 Erfahrungsbericht Auslandspraktikum in Nishnij Nowgorod, Russland Name: Heimathochschule: Gasthochschule: Studienfächer: Patrizia Sandmaier Pädagogische Hochschule Weingarten Linguistische Universität Nishnij Nowgorod Deutsch, Theologie, Geographie Erweiterungsstudiengang DaF/DaZ Studienabschluss: 1. Staatsexamen Semester: WS 2013/14 Aufenthalt: September - November

2 1. Entscheidung für ein Land bzw. eine Hochschule Bevor ich über meinen Aufenthalt in Russland erzähle, möchte ich zunächst erläutern, wie es dazu kam, dass ich mich ausgerechnet für dieses Land entschied. Da ich keine Russisch-Muttersprachlerin bin, ist es eher ungewöhnlich, dorthin für ein Praktikum zu reisen und in meinen Vorbereitungen wurde ich immer wieder mit Leuten, die verwundert waren, konfrontiert. Die Reaktionen waren sehr interessant, vor allem aber besorgt, und dennoch ließ ich mich von dem Gedanken, dort mein DaF-Praktikum zu absolvieren, nicht abbringen. Während meiner Studienzeit in Weingarten lernte ich Studentinnen von der Partneruniversität LUNN (Linguistische Universität Nishnij Nowgorod) kennen. Jene machten mich auf die Kooperation zwischen den beiden Hochschulen aufmerksam und ich wurde neugierig darauf. Etwas später lernte ich auch die zuständige Professorin der Linguistischen Hochschule Nishnij Nowgorod, Frau Dr. Kuligina, kennen, die für einen Besuch in Weingarten war. Ein weiteres Kriterium stellte mein Interesse an der russischen Sprache und Kultur dar. Im Gymnasium lernte ich drei Jahre lang Russisch, jedoch ist dies nun schon eine lange Zeit her. Da es in Deutschland auch viele Menschen aus russischsprachigen Ländern gibt, war es mir ein Anliegen, besonders als angehende Lehrerin deren Heimatland, -kultur und -sprache etwas besser kennenzulernen. Da ich Deutsch als Fremdsprache als Erweiterungsstudiengang an der PH studierte, war es außerdem obligatorisch, ein Praktikum im Ausland zu absolvieren. 2. Vorbereitung des Aufenthaltes Der erste Schritt der Vorbereitungen, nachdem ich persönlich ein Land in die engere Auswahl genommen hatte, führte ins International Office der PH. Natürlich ist es sinnvoll, rechtzeitig mit der Planung zu beginnen. Meiner Meinung nach ist es nicht die größte Hürde, ein Visum zu organisieren usw., sondern die Planung des gesamten Studiums auf das Auslandssemester auszurichten. Da man an der PH das Studium jedes Semester weitgehend selbst strukturiert, ist es wichtig, schon in den ersten Semestern an eine solche Zeit im Ausland zu denken. Ich ging ca. ein Jahr vor Praktikumsbeginn zum ersten Mal zum International Office. Die zuständige Person im International Office war für mich Manuela Dornfeld. Sie gab mir beim ersten Gespräch grundlegende Informationen zur Partnerhochschule und bot mir an, Kontakt mit Frau Kuligina aufzunehmen, die für mich in Russland zuständig war. Manuela Dornfeld hat mich bei allen auftretenden Fragen und Problemen tatkräftig unterstützt und ich konnte sie jederzeit kontaktieren. Für das Praktikum war es erforderlich, eine Bewerbung zu schreiben mit Lebenslauf und Motivationsschreiben. Außerdem war ein Nachweis über Sprachkenntnisse Russisch notwendig. Nachdem ich alle Unterlagen eingereicht hatte, bekam ich sehr schnell eine Zusage von russischer Seite. Die Planung konnte beginnen. Das International Office ließ mir bald eine Checkliste zukommen, auf welcher sämtliche Dinge aufgelistet waren, die noch zu erledigen waren. Außerdem kontaktierte ich die Studentin, die vor mir das Praktikum absolvierte. Insgesamt fühlte mich in der Planung und Vorbereitung nie allein gelassen und fand immer Hilfe, wenn Fragen auftraten. Nachdem ich die grundsätzlichen Dinge geklärt hatte wie Dauer des Aufenthalts, Bewerbung für ein Stipendium usw. kam eine Phase, in welcher es nicht viel zu organisieren gab. Das Visum für Russland kann erst drei oder zwei Monate vor Einreise organisiert werden. Für mich war das russische Konsulat in Frankfurt zuständig, da mein Hauptwohnsitz in Baden-Württemberg ist. Leider konnte ich von deren Homepage nur entnehmen, dass man persönlich für die Visumsbeantragung vorbeikommen müsse. Hierfür waren einige Unterlagen erforderlich, z.b. der Nachweis einer Auslandskrankenversicherung (z.b. ADAC) oder Einladung einer Institution, was in diesem Falle die Einladung der LUNN wäre. Dieses Dokument ist sehr wichtig. Auch zur Abholung musste ich 2

3 nach Frankfurt fahren. Anscheinend gibt es auch einen Dienst über den man das Visum organisieren lassen kann, dafür müsst ihr aber Gebühren bezahlen. Ihr könnt euch darüber im Internet informieren. Neben dem Visum habe ich mich beispielsweise im Voraus um Impfungen gekümmert: Für Russland ist auf jeden Fall über die Grundimpfungen hinaus, Hepatitis A und B zu empfehlen. Für die weiteren Planungen habe ich mit Frau Kuligina über s kommuniziert. Sie hat mir zum Beispiel angeboten, einen Wohnheimsplatz für mich zu besorgen. Von Bekannten wusste ich schon, dass es in Russland üblich ist im Studium das Zimmer mit ein oder zwei Leuten zu teilen. Obwohl wir dies aus Deutschland überhaupt nicht kennen und ungern diesen Luxus des Einzelzimmers aufgeben, habe ich dennoch zugestimmt und mir gedacht, dass es bestimmt eine wertvolle Erfahrung sein dürfte. Eine weitere Sache war der Flug. Es gibt drei verschiedene Möglichkeiten, die man hier hat. Entweder man nimmt einen Lufthansa-Direktflug nach Nishnij Nowgorod, welchen es allerdings nur von Frankfurt (Main) aus gibt und von den drei Varianten die teuerste ist. Ich habe mich für diese Variante entschieden, weil es einfach die komfortabelste ist. Ich habe für meine Flüge zusammen 450 Euro bezahlt. Wenn man von Stuttgart oder einer anderen Stadt aus reisen möchte, muss man zunächst nach Moskau und dann umsteigen. Dann gibt es auch noch die Möglichkeit, ab Moskau mit dem Zug weiterzureisen. Viele Russen haben gemeint, dass das wohl das billigste sei. Ich persönlich würde dies aber nur empfehlen, wenn du dich in Russland und mit Russisch schon ein bisschen auskennst. Bevor es losging lernte ich noch selbstständig Russisch. Meiner Meinung nach ist dies sehr wichtig, da man mit Englisch in Russland überhaupt nirgends außerhalb der Universität hinkommt. Es bietet sich hier auch an, an der HS Weingarten Russischkurse zu besuchen, die für PH-Studierende kostenlos sind. 3. Ankunft Ich muss ehrlich sagen, dass ich am Tag der Abreise ziemlich nervös war, da für mich einfach alles Neuland war. Ich war noch nie zuvor in Russland und kannte es nur von Erzählungen und aus den Medien. Darüber hinaus stimmte mich die Tatsache nervös, dass ich mitten in der Nacht ankommen sollte und nicht genau wusste, wer mich abholen wird. Obwohl der Flug pünktlich war, kam ich ungefähr erst 1/1/2 Stunden später aus dem Flughafen heraus, da die Passkontrollen so lange dauerten. Jeder der nach Russland einreist, muss eine Migrationskarte ausfüllen. Darauf ist auch eine Lücke für den Vatersnamen: Kreativ wie ich bin, hab ich mir natürlich erst mal einen Namen gegeben. Ab sofort bin ich also Frau Patrizia Stepanowna. Als ich aus dem Flughafen herauslief, war ich überglücklich als ich ein bekanntes Gesicht sah, das mich in die Arme schloss. Wir fuhren zum Wohnheim und kamen um 5 Uhr morgen dort an. Mir wurde noch Sasha, meine Mitbewohnerin, vorgestellt. Am nächsten Morgen ging es an die Universität und mir wurde alles gezeigt und ich wurde in die Arbeit eingewiesen. Ich wurde sehr herzlich empfangen und Frau Kuligina stand für alle Fragen immer zur Verfügung. 4. Praktikum im Gastland Bereits in meiner ersten Woche begann ich an der Universität zu unterrichten. Die Linguistische Universität Nishnij Nowgorod (LUNN) ist eine staatliche Hochschule, welche zu den besten seiner Art in Russland zählt. An dieser Universität studieren mehr als 3000 Menschen. Die Universität unterhält zahlreiche internationale Beziehungen zu anderen Hochschulen, darunter auch die Pädagogische Hochschule Weingarten. Neben Fremdsprachenlehrern werden dort auch Dolmetscher ausgebildet. Außerdem werden dort auch Studiengänge 3

4 wie internationale Beziehungen angeboten. Mein Praktikum war in der Fakultät der Germanistik und Romanistik angesiedelt. An meinem ersten Tag wurde mir aufgetragen, die Studierenden des zweiten Studienjahres zu unterrichten. Dies entspricht unserem dritten Semester. Genauer gesagt war es meine Aufgabe, den Studierenden die deutsche Umgangssprache beizubringen. Was sich anfangs noch sehr einfach anhörte, darf keinesfalls unterschätzt werden. Desweiteren unterrichtete ich nicht nur eine Gruppe in diesem Bereich, sondern zusätzlich auch die Parallelgruppe. An der LUNN ist es meist so, dass es immer eine Gruppe gibt, die Deutsch bereits in der Schule hatten, die anderen Studenten haben Deutsch erst an der Universität begonnen. Daher war es auch schwierig, den gleichen Stoff in der gleichen Zeit zu behandeln. Die Gruppe, die Deutsch schon in der Schule hatte, war leistungsstark, motiviert und sehr aktiv. Die andere Gruppe hingegen, musste stets animiert werden. Gemeinsam mit einer Lehrbeauftragten erarbeitete ich die Unterrichtseinheiten für jede Sequenz. Dabei spielten folgende Elemente der Umgangssprache eine Rolle: Abkürzungen, Interjektionen, pronominaler Gebrauch des bestimmten Artikels, umgangssprachliche Wörter, Partikeln. Besonders die Partikeln, die wir in unserem Alltag so selbstverständlich verwenden, sind oftmals so unterschiedlich konnotiert, dass es mir manchmal schwer fiel deren Verwendung zu erläutern. Dennoch war es für mich eine außerordentlich wertvolle Erfahrung, die Umgangssprache vermitteln zu dürfen, da man dadurch eine neue Beziehung zu ihr gewinnt und sensibler damit umgehen kann. Darüber hinaus unterrichtete ich eine Gruppe des ersten Studienjahres in der Phonetik. Es wurden die verschiedenen Laute des Deutschen vermittelt. Die Studierenden sitzen hier mit Spiegeln im Unterricht und sprechen den Laut korrekt nach. Während meiner Zeit an der Universität entdeckte ich auch Unterschiede am russischen Hochschulsystem, allerdings weiß ich nicht, ob dies an anderen Hochschulen anders abläuft. Die Studierenden sind in Kleingruppen eingeteilt, man kann sagen noch kleiner als bei uns Seminare. Natürlich ist dies für das Erlernen einer Fremdsprache durchaus von Vorteil. Allerdings erinnerte mich der Umgang mit den Studierenden eher an meine Schulzeit. Jeden Tag werden sehr viele Hausaufgaben aufgegeben und auch der restliche Kontakt zwischen Lehrern/Dozenten und Studierenden erinnert eher an die deutsche Schule. Mir als Praktikantin war diese Tatsache jedoch sehr angenehm, da die Schülerinnen und Schüler und Studierenden sehr respektvoll mit den Lehrpersonen umgehen. Neben dem Praktikum an der Linguistischen Universität, unterrichtete ich auch am Gymnasium No 1, welches ein Gymnasium mit erweitertem Deutschprofil darstellt. Hier wurde mir die 11. Klasse anvertraut. In Russland ist dies die letzte Klasse vor dem Abitur. Neben dem konventionellen Deutschunterricht, war es hier meine Aufgabe, deutschen Literaturunterricht zu erteilen. An jenem Gymnasium herrschte eine hohe Disziplin und gegenseitiger Respekt. Das Unterrichten bereitete sehr viel Freude und die Schülerinnen und Schüler waren bestrebt, etwas zu lernen. Auch die zuständige Lehrerin Frau Schachowa stand mit Rat und Tat zur Seite. Die Schule erreichte ich zu Fuß. 5. Aufenthalt im Gastland An meinem ersten Tag sollte ich mich im International Office der Universität anmelden. Die Angestellten benötigten dafür meinen Reisepass für einige Tage und erstellten mir einen Ausweis, mit welchem ich Zutritt zur Universität und zum Wohnheim hatte. Mein Zimmer im Wohnheim befand sich auf dem sechsten Stock, der eigens für internationale Studierende renoviert wurde. Dennoch teilte ich mir mein Zimmer mit zwei russischen Studentinnen. Dies stellte für mich anfangs eine große Herausforderung dar, da wir dies in Deutschland in dieser Weise nicht haben. Allerdings sah ich dies als eine positive Erfahrung. Auch nach diesen zwei Monaten kann ich nur bestätigen, dass dies eine wertvolle Zeit war. Man lernt rücksichtsvoll miteinander umzugehen, und obwohl ich manchmal das allein wohnen vermisste, war es trotzdem schön, dass immer jemand da war. Auf unserem Stock gab es zwei Küchen, die sehr spartanisch eingerichtet waren. Man konnte also selbst kochen oder in der Mensa an der Uni essen. Wir teilten uns zu viert ein Bad. In Russland ist es in Wohnheimen üblich, dass immer eine Frau für ein oder 4

5 zwei Stockwerke eingeteilt ist. Sie schaut, dass in der Küche alles in Ordnung ist, schaut nach den Waschmaschinen und schließt nachts um zwölf auch die Türen der Küche und des Stockes ab. Das bedeutet, wenn man nach Mitternacht kommen oder gehen wollte, musste man das schon im Vorfeld anmelden. Ich fand es auch interessant, mal in die anderen Stockwerke zu schauen, da sie noch einfacher eingerichtet sind. Außerhalb meines Arbeitslebens in Russland standen zahlreiche Aktivitäten an. Ich unternahm viele Ausflüge so zum Beispiel nach Susdal, einer historischen Stadt des goldenen Rings, nach Gorodez, nach Moskau und auch nach Boldino, wo Puschkin sehr viele seiner Werke verfasste. Ein Höhepunkt meiner Reise war definitiv, als ich von einer russischen Freundin für ein paar Tage zu ihren Eltern aufs Land eingeladen wurde. Dachte ich anfangs, dass sich die russischen Städte schon deutlich von unseren westlichen Städten unterscheiden, bekam ich hier erst mal eine Vorstellung davon, dass dies nichts ist im Vergleich zum Leben auf dem Land. Diese Tage auf dem Land waren so unbeschreiblich schön und ich konnte hier die russische Kultur hautnah erleben. Natürlich durften hier auch nicht die russische Banja (Sauna) und ein Geburtstag mit allen Verwandten fehlen. Über diese Ausflüge hinaus bestand der Alltag aus folgenden Ereignissen. In Russland ist es sehr üblich, dass man sich zum Teetrinken trifft. Dazu wird natürlich auch fleißig genascht. Eigentlich traf ich mich fast jeden Abend mit russischen Freunden, um den Tag mit Tee und Schleckereien ausklingen zu lassen. Manchmal unternahmen wir auch noch etwas, gingen ins Planetarium, in die Oper, ins Ballett, in Museen, Cafés und vor allem gingen wir sehr oft an der Promenade an der Wolga spazieren. 6. Praktische Tipps Mein erster Tipp ist der Sprache gewidmet. Bereitet euch so gut es geht auf Russisch vor. Wenn man die Uni verlässt, hat man in einer Stadt wie Nishnij Nowgorod kaum Chancen auf Englisch oder Deutsch zu kommunizieren. Die Menschen helfen aber gerne weiter, wenn man sich bemüht und russisch nicht fließend spricht. Natürlich ist es auch erforderlich, wenn man sich verabreden möchte, dass man sich eine russische Handynummer zulegt. Die sind in sämtlichen Supermärkten und Ständen erhältlich. Es gibt auch ganz günstige Prepaid-Anbieter. Im Wohnheim kann gewaschen werden. Hier hilft einem die Deshurnaja gerne weiter, bei welcher man auch bezahlt. Das Waschen ist sehr günstig dort. 7. Persönliche Wertung des Aufenthalts Meine Zeit in Russland war leider viel zu schnell vorüber. Das Praktikum war eine wahre Bereicherung und die beste Vorbereitung für das bevorstehende Referendariat. Besonders wertvoll empfand ich, dass ich für die Planung und Durchführung des Unterrichts an der Schule und Universität Freiheit bekam und dennoch immer nachfragen konnte, wenn ich Hilfe brauchte. Auch konnte ich hier meine eigene Lehrerpersönlichkeit selbstständig weiterentwickeln. Die Vermittlung von Deutsch als Fremdsprache hat mir in besonderem Maße Freude bereitet und verdeutlicht, dass das Studium des Erweiterungsstudiengangs DaF keine Fehlentscheidung war. Darüber hinaus habe ich während dieser Zeit so viele liebenswürdige Menschen kennengelernt. Mir fiel es nicht schwer, in dieser Zeit Freundschaften zu knüpfen. Die Reaktionen auf meine Nationalität waren eigentlich immer positiv und es gab ein Zusammentreffen der Kulturen ohne Barrieren. Ich würde das Praktikum sofort wieder in Nishnij Nowgorod absolvieren. 5

6 8. Bilder mit eigenen Eindrücken Teetrinken mit Ksenia und Tanja Das Gymnasium No 1 Zusammenfluss der Oka und Wolga Meine Klasse am Gymnasium Familie Makarowy, die mich so herzlich aufgenommen hat 6

7 9. Zustimmungsklausel Hiermit stimme ich, Patrizia Sandmaier, zu, dass mein Erfahrungsbericht mit den zugehörigen Bildern auf der Homepage des Akademischen Auslandsamtes/International Office veröffentlicht werden darf. Patrizia Sandmaier Weingarten,