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- Mona Frank
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1 ix 05/2010, Seite 100: Urknall vertagt Bernd Schöne Das größte Physikexperim ent aller Zeiten kom m t in Gang. Schw arze Löcher und Urknall-Energien sind zunächst nicht zu erw arten. Im m erhin gelang den Physikern endlich das, w as die Inform atiker schon 2003 zustande brachten: ein Weltrekord. Am 30. März um 13:06 Uhr w ar es so w eit. Im Kontrollzentrum des Genfer CERN verkündeten die Monitore einen Weltrekord: Erstmals verfügen die Teilchenphysiker mit dem Large Hadron Collider (LHC) über ein Instrument, das Beschleunigungsenergien von bis zu 3,5 TeV (Tera- Elektronenvolt) zu erzeugen vermag. In seinem Innern zirkulieren zw ei Ströme von Helium-Kernen gegenläufig. An bestimmten Punkten lässt man sie gezielt kollidieren. Das macht bei einem Frontalcrash eine Kollisionsenergie von 7 TeV. Auch w enn CERN-Verlautbarungen anderes vermuten lassen, der Ring erreichte damit nicht seine geplante Maximalenergie von 2 x 7 TeV, also 14 TeV, w ohl aber eine brauchbare Arbeitsgrundlage. Jetzt folgen w eitere Tests und echte Physik. Darauf hatten die Physiker seit der Demontage des Vorgängerrings Ende 2000 gew artet. Auch in einem w eiteren Punkt ist man Jahre von der Leistungsfähigkeit der Anlage entfernt. Statt 2808 Paketen mit je 100 Mrd. Protonen müssen sich die Experimentatoren mit zw eien zu je fünf Mrd. Protonen begnügen. Die Aussicht auf Erfolg versprechende Kollisionen sinkt entsprechend. Wie ein Formel-1-Bolide in der Boxengasse rumpelt der LHC im zw eiten Gang Richtung Rennstrecke. Diese, das w eiß man schon jetzt, w ird er frühestens 2012 erreichen, nach w eiteren Umbauten und Reparaturen Erst dann dürfen sich ängstliche Gemüter vor einem schw arzen Loch und dem Weltuntergang gruseln. Ursprünglich w ollten die Physiker die 3,5-TeV-Marke schon 2006 knacken. Darum stand vor allem die IT unter Druck. Nirgendw o sonst verlangt man, solch enorme Datenmengen zu speichern, und nirgendw o sonst verlangt man, dass jedes Ereignis noch nach einem Jahrzehnt quasi auf Knopfdruck für neue Berechnungen verfügbar ist. Im Jahr 2003 schaffte das Team um IT-Chef Wolfgang von Rüden einen Weltrekord im Schnellspeichern langanhaltender Datenströme, als Test für den für Ende 2007 geplanten Ernstfall. 45 StorageTek-9940B- Bandlaufw erke schrieben über Stunden hinw eg 1,1 GByte/s, in Spitzen 1,2 GByte/s. Das w ar gut, aber die Anforderungen sind höher. Heute liegen die kontinuierlich speicherbaren Ströme im Mittel bei 2 GByte/s, maximal bei 4 GByte/s mit Spitzenraten von über 5 GByte/s. Quelle der vielen Daten sind vier Großexperimente, die 100 Meter unter der Erde an den Kollisionspunkten der 27 km langen Ringstrecke eingelassen sind. Stück für Stück haben Kräne sie in die Tiefe befördert, w o ganze Schw ärme von Technikern über Jahre schraubten und schw eißten. Jedes der Geräte ist eine Spitzenleistung der Ingenieurkunst. Ihre Aufgabe ist es, unaufhörlich Daten zu liefern, damit Physiker in monatelanger Arbeit herausarbeiten können, w as im Innern passierte. Unterirdische Hochhäuser Sensoren in den haushohen Detektoren ALICE, ATLAS, CMS und LHCb filmen die Kollisionen. Noch in den 70ern nutzte man Fotoplatten, die man anschließend mühsam digitalisierte. Heute fangen Blei-Wolfram-Kristalle die 1 von :12
2 Gammastrahlung der beteiligten Teilchen auf und verw andeln sie proportional zu ihrer Energie in sichtbare Lichtblitze, die Fotodioden in computergerechte elektrische Signale umw andeln. Wenn der Ring irgendw ann mit Volllast läuft, prallen hier pro Sekunde 40 Millionen Atomkerne mit nahezu Lichtgeschw indigkeit aufeinander mit einer Energie von 900 Autos bei Tempo 100. Doch w enn es nicht gelingt, den enorm energiereichen Strahl exakt in die Bahn zu zw ingen, könnten die Heliumkerne den Mantel des Rings zerstören. Da die Stoßparameter Zufall sind, heißt es w arten. Bei Beschleuniger-Experimenten gilt die Regel: Je höher die Energie, desto kleiner sind die maximal aufgelösten Strukturen; je höher die Teilchendichte, desto größer die Wahrscheinlichkeit des Erfolgs; je mehr Sensoren, desto detailreicher das Bild. Der Detektor ALICE etw a besitzt Kristallplatten à 200 Dollar. Allein von ALICE gilt es die Events aus 100 Millionen Datenkanälen auszuw erten, ATLAS liefert ebenso viele Informationen, CMS und LHCb stehen dem nur w enig nach. Jede Kollision in einem der vier Detektoren hinterlässt eine Datenspur von rund einem MByte. Direkt an der Quelle entsteht ein Strom von einem PByte/s. Da das nicht zu bew ältigen ist, treffen schnelle Embedded-Rechner in der Maschine eine Vorausw ahl (s. Abb.). Einen Datenstrom von mindestens 500 MByte/s gilt es über Stunden und Tage aufzuzeichnen. Jährlich lief ert der Ring 15 PByte Daten ins RZ das entspräche 3 Millionen DVDs, die dauerhaft zur Verfügung stehen müssen. Alle Archivdaten sind Produktionsdaten. Kein Wunder, dass die Physiker unmittelbar vor dem geplanten Start im November 2007 etw as ängstlich auf die IT schauten. Nur knapp w urde sie fertig. Doch alles, w as die Rechen- und Speichersysteme dann an Nahrung bekamen, w aren simulierte Daten und solche von kosmischen Partikeln, die sich in die teuren Messzellen verirrten. Der Ring selber taumelte von einem Problem zum nächsten. Seine w ichtigsten Bestandteile, die Magnete, w iesen einen Konstruktionsfehler auf und bedurften der Nachbesserung. Dann trat ein Fehler bei den Dehnungsfugen auf. Sie federn die Längenänderungen ab, w enn sich das Material beim Abkühlen zusammenzieht im Innern liegt die Temperatur nahe dem absoluten Nullpunkt. Schließlich fand man Konstruktionsfehler bei den Quadropolmagneten, die den Strahl kurz vor den Kollisionspunkten bündeln. Als alles bereit w ar, hatte man viel Zeit und Geld verloren. An den Detektoren filtern Chips die jeweils 100 Millionen Datenkanäle von ATLAS und ALICE. Daten, die die nächste Auswahl nach ersten Analysen durch spezielle Rechner passiert haben, landen zur weiteren Verarbeitung auf dem großen Cluster des RZs und anschließend als Umso w ichtiger w ar die pompöse Eröffnung mit viel Prominenz: Am 10. September 2008 umrundete ein Protonenpaket zum ersten Mal den gesamten Ring. Lange Gesichter dann neun Tage später: Eine Explosion beschädigte den 2,5 Milliarden teuren Ring stark; der LHC schien kurz vor dem Aus. Zw ar hatte man die Energie im Ring langsam erhöht, doch w ohl nicht langsam genug. Eine schlechte elektrische Verbindung erhitzte sich durch die elektrischen Ströme so stark, dass das Metall des Magneten schmolz. Das Helium, das die Magnete auf supraleitfähige Temperatur hält, trat mit einer gew altigen Explosion aus. Sie beschädigte mehrere Magnete und riss eine ganze Sektion aus der Verankerung. Es folgte eine neue Zw angspause von über einem Jahr. Nach dieser Pannenserie musste ein Erfolg her, vielleicht deshalb das gigantische Medienecho nach dem 30. März mit teilw eise haarsträubenden Fehlinformationen. Für die IT bedeuteten die Verzögerungen ein deutlich entspannteres Arbeiten, denn ein Probebetrieb ist eben etw as anders als der Ernstfall, bei dem jede Kollision den Nobelpreis bedeuten kann. Hierin liegt die eigentliche Herausforderung: Erst nach sorgfältigen Berechnungen lassen sich die Ereignisse bew erten. Die Sensoren liefern nur einen w inzigen Ausschnitt. Die Physiker müssen Art und Energie jedes der entstandenen Teilchen erst rekonstruieren. Zudem sind die Ergebnisse, vor allem bei bahnbrechende Entdeckungen, in Fachkreisen nicht unumstritten. Darum w erfen die Physiker nichts w eg. Das Prinzip lautet: Alles, w as vom Instrument kommt, w ird im CERN aufbew ahrt und zugleich w eitergeleitet. 2 von :12
3 Kopie im Grid. Analysieren im Grid Als schnelle Speicher im hauseigenen Rechenzentrum dienen NAS-Server, deren JBODs 14 PByte auf Disks fassen. Dahinter stellen Bandbibliotheken mit insgesamt 150 Laufw erken der Firmen IBM und Storagetek- Sun-Oracle 48 PByte Langzeitspeicher auf mehreren Zigtausend Tapes bereit. Eine geringere Haltbarkeit w eist der Linux-Cluster auf, der die Daten aufbereitet. Dass hier alle drei Jahre sämtliche Knoten ausgetauscht w erden, führte dazu, dass vom Cluster des Jahres 2006, unmittelbar vor dem geplanten Start, heute nichts mehr vorhanden ist. Die 5000 Server-Tow er mit je zw ei Single-Core-Xeons sind 6900 Mehrkern-Systemen mit insgesamt Cores gew ichen. Der IT kommt entgegen, dass sich die Aufgaben leicht parallelisieren lassen. Gern w ürde sie einige Rechner mehr ordern, doch w ie so oft spielt die Kühlung nicht mit das RZ stammt aus Mainframe-Tagen. Von den fünf verfügbaren Megaw att w andern drei in die Rechner und zw ei in die Kühlung. Zudem verbietet es das massiv gedeckelte Budget des CERN, alle Daten redundant im eigenen Hause zu speichern geschw eige denn zu analysieren. Deshalb hatte man schon früh entschieden, die Last zu verteilen im LHC Computing Grid, kurz LCG, in dem die CERN-eigenen Rechen- und Speicherressourcen die Stufe 0 oder Tier 0 binden. Über eigene 10-GBit-Leitungen zum europäischen EGEE (Enabling Grids for E-sciencE) fließen Kopien ins w eltw eite Speicher- und Rechen-Grid, in dem die eigentlichen Analysen stattfinden. Erste Stationen sind zw ölf über den Erdball verstreuten Rechenzentren mit großen Storage-Systemen und Clustern mit mehreren Tausend CPUs (Tier 1) in Deutschland das Forschungszentrum Karlsruhe. Danach w andern die Bits zu den über hundert Rechenzentren nationaler Institute und Universitäten (Tier 2) und schließlich zu den Arbeitsgruppen (Tier 3) und Anw endern (Tier 4). Ab Mai w ird das Eurogrid in Amsterdam die Organisation übernehmen. Zusätzliche Rechenressourcen stellt das Heimanw ender-grid lhc@home bereit. Wer einen Blick vom Originalring erhaschen w ill, w ird enttäuscht. Das Besucherzentrum des CERN steht zw ar jedem offen, nach unten dürfen nur die Servicetechniker. Trotzdem kann man sich die Magnete ganz von Nahem anschauen das Deutsche Museum in München besitzt ein Original. (sun) Bernd Schöne ist freier Journalist. Version zum Drucken Per v ersenden Heft bestellen Kom m entare: Re: neeneenee (sm ay :34) Re: neeneenee (Joachim Durchholz :53) den Operateuren zuschauen (sm ay :39) 3 von :12
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