Positionspapier. zur Initiative der EU in Bezug auf Offshore Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas in Europa. Einleitung
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- Theresa Buchholz
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1 Positionspapier zur Initiative der EU in Bezug auf Offshore Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas in Europa Einleitung Der schwere Ölunfall im Golf von Mexiko am 20. April 2010 und der darauf folgende massive Austritt von Erdöl verursachte ökologische und ökonomische Schäden in noch nicht abschätzbarem Umfang. Die Untersuchungen zu den Unfallursachen und sämtlichen Auswirkungen auf die Ökosysteme dauern derzeit immer noch an. Bereits im Sommer 2010 hat dies zu förmlichen Äußerungen des Europäischen Parlaments 1, der EU- Kommission 2 und speziell des zuständigen Kommissars Oettinger (Energie) geführt 3. Im Vordergrund steht dabei jeweils die Vermeidung derartiger Unfälle durch die Erhöhung der entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen. Erörtert wird aber auch die Frage der notwendigen finanziellen Mittel zur Sanierung von Umweltschäden und zur Befriedigung etwaiger zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche von betroffenen Fischern oder Anrainern. Eine obligatorische Deckungsvorsorge in Form einer Pflichtversicherung wird dabei als ein möglicher Lösungsansatz angesehen. Die Kommission beabsichtigt noch vor Sommer 2011 Vorschläge für konkrete Rechtsvorschriften und/oder andere Maßnahmen vorzulegen. 1 Erklärung des Kommissars Oettinger am 7. Juli 2010 vor dem Plenum des Europäischen Parlaments 2 Entschließung zu EU-Maßnahmen zur Ölexploration und Ölförderung in Europa, verabschiedet am 7. Oktober Mitteilung der Kommission vom zur Sicherheit von Öl- und Gasbohrungen Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V. Wilhelmstraße 43 / 43 G, Berlin Postfach , Berlin Tel.: Fax: , avenue de Cortenbergh B Brüssel Tel.: Fax: Ansprechpartner: Anke Klein Haftpflichtversicherung a.klein@gdv.de
2 Derzeitige Rechtslage und Überlegungen zur Fortentwicklung Offshore Aktivitäten innerhalb der EU sind in verschiedenen Richtlinien 4 und Verträgen 5 geregelt, insbesondere auch in der Umwelthaftungs- Richtlinie zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden. Grundlegendes Prinzip dieser Richtlinie ist das polluter pays principle, d. h. dass ein Betreiber, der durch seine Tätigkeit einen Umweltschaden oder die unmittelbare Gefahr eines solchen Schadens verursacht, dafür finanziell verantwortlich ist. Nach Ansicht der Kommission sind Offshore Ölbohraktivitäten derzeit bereits vom Umfang der Umwelthaftungs-Richtlinie umfasst und unterliegen sogar der verschuldens-unabhängigen Haftung gemäß Anhang III der Richtlinie. Jedoch müsse die Richtlinie noch hinsichtlich des räumlichen Anwendungsbereichs auf Meeresgewässer gemäß der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie (Richtlinie 2008/56/EG) erweitert werden. Erfasst wird von der Umwelthaftungs-Richtlinie allerdings nur die öffentlich-rechtliche Verpflichtung der Betreiber zur Sanierung von Umweltschäden, nicht jedoch die Befriedigung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen etwaiger Geschädigter. Gleichwohl wird die Kommission bestehende Instrumente für die finanzielle Absicherung von Großhavarien mit Blick auf die Frage der Einführung einer obligatorischen finanziellen Sicherheit auch im Rahmen der Umwelthaftungs-Richtlinie - erneut prüfen. Sie untersucht auch, ob die geltenden finanziellen Obergrenzen ausreichen und gegebenenfalls durch andere Instrumente zur Risikoabsicherung wie Fonds, Versicherungen oder Garantien, ergänzt werden müssen. Position der Versicherungswirtschaft Die rechtliche Einordnung von Offshore Aktivitäten in den Anwendungsbereich der Umwelthaftungs-Richtlinie durch die Kommission und die geplante Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs auf Meeresgewässer gemäß der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie sind nicht zu beanstanden. Ausweitungen der Umwelthaftungs-Richtlinie (eventuell systemfremde Aufnahme zivilrechtlicher Schadenersatzansprüche und einer obligatorischer Deckungsvorsorge), die möglicherweise auch für weitere von der Umwelthaftungs-Richtlinie erfassten beruflichen Tätigkeiten gelten könn- 4 Insbesondere: RICHTLINIE 94/22/EG über die Erteilung und Nutzung von Genehmigungen zur Prospektion, Exploration und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen; RICHTLINIE 96/82/EG des Rates zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso II); RICHTLI- NIE 89/391/EWG DES RATES vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit; RICHTLINIE 2004/35/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (UH-RL); RICHTLINIE 96/61/EG DES RATES über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung. 5 z.b.: BESCHLUSS DES RATES vom über den Abschluss des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (93/626/EWG) Seite 2 / 6
3 ten, steht der Verband jedoch ablehnend gegenüber. Würden privatrechtliche Schadenersatzansprüche, wie beispielsweise Ansprüche von Fischern oder Anrainern auf Verdienstausfall oder sonstiger Vermögensschäden, in die Umwelthaftungs-Richtlinie integriert werden, hätte dies eine deutliche Haftungserweiterung der Betreiber zur Folge und würde sich damit unmittelbar negativ auf die Kalkulierbarkeit und Versicherbarkeit aller Risiken im Rahmen der Umwelthaftungs-Richtlinie auswirken. Das sehr diffizile und hoch komplexe Risiko von Offshore Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas bedarf im Hinblick auf Sicherheitsaspekte, Betriebssicherheit, Haftung, finanzielle Absicherung, Notfallmanagement und internationale Zusammenarbeit separater Normen in einem eigenen Regelwerk. Partielle Ergänzungen bestehender Richtlinien wie z. B. der Umwelthaftungs-Richtlinie oder der verschiedenen EU-Richtlinien zu Gesundheit und Sicherheit 6 sind nicht Ziel führend, da diese eine Vielzahl von beruflichen Tätigkeiten regeln, die mit dem Betrieb von Offshore Erdöl und Erdgasexploration und -förderung nicht vergleichbar sind oder diese nur ausschnittsweise betreffen. Spezielle Regelungen in unterschiedlichen Dossiers und Richtlinien wären zudem unübersichtlich und würden die Umsetzung in nationales Recht erschweren. Hinsichtlich der Ausgestaltung eines eigenen Regelwerkes für Offshore Tätigkeiten sollte Folgendes beachtet werden: Einheitlicher Sicherheitsstandard in Europa Der beste Schutz für Mensch und Umwelt ist, Katastrophen wie Deepwater Horizon von vornherein zu vermeiden. Die Vermeidung von Umweltschäden durch Offshore Tätigkeiten muss deshalb an erster Stelle stehen. Dies kann nur gelingen, wenn ein EU-weit verlässliches Regelwerk existiert, welches klare, verbindliche und nachvollziehbare Vorschriften für die Genehmigung, die Betriebssicherheit und den Umweltschutz beinhaltet. Hierbei kann sich die EU von den bereits bestehenden internationalen Übereinkommen 7 leiten lassen. Insbesondere ist auf das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen ( United Nations Convention on the Law of the Sea, UNCLOS) zur Regelung des Seerechts hinzuweisen. Neben der Festlegung von gemeinsamen Sicherheitsstandards ist auch die Genehmigung und Überwachung durch die zuständigen Behörden von besonderer Wichtigkeit zur Vermeidung etwaiger Schäden. 6 z.b. RICHTLINIE 96/82/EG DES RATES vom 9. Dezember 1996 zur Beherrschung der Gefahren bei schweren Unfällen mit gefährlichen Stoffen (Seveso II); RICHTLINIE 89/391/EWG DES RATES vom 12. Juni 1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit 7 Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Nordatlantiks (OSPAR); Übereinkommen zum Schutz des Schwarzen Meeres vor Verschmutzung (Bukarest-Übereinkommen); Übereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des Ostseegebietes (Helsinki-Übereinkommen); Leitlinien des Arktischen Rates für die Erdöl- und Erdgasförderung 2009 Seite 3 / 6
4 Verantwortungsvolle Genehmigungsverfahren Das bestehende EU-Genehmigungsrecht 8 berücksichtigt derzeit lediglich Wettbewerbsaspekte. Es soll sicherstellen, dass Unternehmen EU-weit gleichberechtigten Zugang zu nationalen Ausschreibungen haben. Deshalb erteilen die Mitgliedsstaaten derzeit gemäß den nationalen Anforderungen, die selbstverständlich höchst unterschiedlich sein können, für das jeweilige Hoheitsgebiet bzw. Hoheitsgewässer die Genehmigungen und Erlaubnisse. Demgegenüber wären einheitliche Anforderungen in den Mitgliedsstaaten an das Genehmigungsverfahren, die dann auch insbesondere grundlegende Sicherheitsanforderungen, Umweltverträglichkeitsprüfung, Krisenplan, Notfallmanagement sowie den Nachweis finanzieller Mittel zur Absicherung etwaiger eintretender Schäden beinhalten sollten, geeignet, die erforderliche Sicherheit für Mensch und Umwelt zu gewährleisten. Darüber hinaus würde auch der mögliche Run auf Länder mit weniger strengen Genehmigungsverfahren unterbunden werden und die Gefahr potentieller Umweltschäden reduziert. 9 Internationale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten Sollte es dennoch zu einem Schadenfall bei Offshore Tätigkeiten kommen, ist die internationale Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten zur Abwendung unfallbedingter Ölverschmutzungen von besonderer Bedeutung. Auf das besondere Risiko zugeschnittene Handlungsverpflichtungen, wie z. B. Beobachtungs- und Informationspflichten, internationale Koordinierung und Bereitstellung von Fachkräften, Ressourcen etc., können dazu beitragen, die Unfallfolgen und damit auch die wirtschaftlichen Nachteile für alle Beteiligten zu begrenzen. Finanzielle Absicherung Der Betreiber von Offshore Anlagen kann derzeit sein Haftungsrisiko grundsätzlich durch Eigenkapital, Fonds, Garantien oder Versicherungen absichern. Hierbei ist der Betreiber frei, einen auf sein spezielles Unternehmen und sein persönliches Haftungsrisiko zugeschnittenen Risikotransfer zu wählen. Ein wesentlicher Vorteil der Risikoabsicherung durch eine Versicherung liegt in der Eigenkapitalneutralität, d. h. der Unternehmer kann sein Haftungsrisiko auf die Versicherung transferieren ohne sein Eigenkapital durch Rückstellungen für potentielle Schadenszenarien in der Bilanz und seine Kreditlinie bei seinem Finanzinstitut zu belasten. 8 Richtlinie 94/22/EG über die Erteilung und Nutzung von Genehmigungen zur Prospektion, Exploration und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen 9 Vgl. hierzu auch das Grundsatzurteil des Internationalen Seegerichtshof vom 1. Februar 2011 zur Frage des Tiefseebergbaus und daraus resultierender Umweltschäden Seite 4 / 6
5 Gerade die Katastrophe im Golf von Mexiko hat gezeigt, dass sich der Markt insbesondere der Versicherungsmarkt angesichts der daraus resultierenden Herausforderungen schnell und angemessen entwickeln kann. Es werden bereits Sonderlösungen für die Versicherung von Ölbohrvorhaben entwickelt, die das spezielle Risiko für die Betreiber adäquat absichern können. Sollte jedoch eine Deckungsvorsorgepflicht in Form einer Pflicht- Haftpflichtversicherung erwogen werden, geben wir Folgendes zu bedenken: Würde für Offshore Erdöl- und Erdgasexploration und -förderung eine Pflichtversicherung eingeführt werden, so müsste zunächst pauschal ein Mindeststandard an Versicherungsschutz festgelegt werden. Hierbei wäre die Frage nach der Höhe der angemessenen Versicherungssumme im Verhältnis zur Haftung rechtssicher für alle Off-shore Erdölund Erdgasexplorationen und -förderungen in der EU festzulegen. Aufgrund der Folgen des Unfallereignisses im Golf von Mexiko müsste man grundsätzlich von einem Schadenpotential in Milliardenhöhe ausgehen. Obligatorischer Versicherungsschutz in einem solchen Umfang würde in dem noch begrenzten Versicherungsmarkt für Umweltversicherungen zu einer weiteren erheblichen Verknappung der Kapazitäten und als Folge daraus zu einer Verteuerung der Versicherungsprämien führen. Sollte sich eine Pflichtversicherung auf alle an einer Offshore Tätigkeit Beteiligten, also auch auf etwaige Dienstleister oder Zulieferer erstrecken, entspräche der geforderte umfangreiche Versicherungsschutz in der Regel nicht dem Haftungsrisiko des jeweiligen Dienstleisters und würde diese Unternehmen wirtschaftlich durch entsprechend hohe Versicherungsprämien überfordern. Die Einführung einer Pflichtversicherung wird außerdem häufig mit der Erwartung des Gesetzgebers verknüpft, die Versicherer könnten die behördliche Funktion als Überwacher von Sicherheitsstandards übernehmen. Eine solche Überwachungsfunktion können die Versicherer allerdings grundsätzlich nicht erfüllen. Sie sind Dienstleister für ihre Versicherungsnehmer und verfügen nicht über die für eine solche Überwachung notwendigen, hoheitlichen Kompetenzen. Zudem orientiert sich die Risikoprüfung der Versicherer an unternehmensindividuellen Entscheidungen Der Versicherungsschutz für Offshore Erdöl und Erdgasexploration und -förderung in der EU sollte deshalb auf den individuellen Absicherungsbedarf der jeweiligen Aktivität zugeschnitten werden können. Nur so wird am ehesten gewährleistet, dass Risiko adäquater Versicherungsschutz zur Verfügung steht. Aus den vorgenannten Gründen und in Anbetracht der guten Erfahrungen mit freiwilligen Versicherungslösungen im Umweltbereich hat Seite 5 / 6
6 die EU-Kommission in ihrem Bericht nach Artikel 14 der Umwelthaftungs-Richtlinie über die Effektivität der Richtlinie hinsichtlich der tatsächlichen Sanierung von Umweltschäden, über die Verfügbarkeit von Versicherungen und anderer Formen der Deckungsvorsorge zu vertretbaren Kosten vom auch auf die Einführung einer obligatorischen Deckungsvorsorge verzichtet. Position der Versicherungswirtschaft Offshore Erdöl- und Erdgasexploration und -förderung ist ein hoch komplexes und diffiziles Risiko, das spezielle, kohärente und transparente Regelungen erforderlich macht. Dies sollte am besten in einem eigenen, separaten Regelwerk erfolgen. Ergänzungen und Erweiterungen bestehender Richtlinien, insbesondere der Umwelthaftungs-Richtlinie, wären nicht Ziel führend und unpraktikabel. Verantwortungsvolle Genehmigungsverfahren und kontinuierliche, wirksame Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsstandards tragen wesentlich zur größtmöglichen Sicherheit für Mensch und Umwelt bei. Die Sicherheit von Offshore Erdöl- und Erdgasexploration und förderung sollte bei den weiteren Überlegungen innerhalb der EU die zentrale Rolle spielen. Offshore Tätigkeiten sind spezielle, mit anderen umweltgefährdenden Tätigkeiten nicht vergleichbare Betätigungsfelder und erfordern deshalb von allen Beteiligten auch den Versicherungsunternehmen spezielle und risikoadäquate Lösungen. Die Einführung einer obligatorischen Deckungsvorsorge in Form einer Pflichtversicherung führt zu Nachteilen und Problemen. Die erfolgversprechendere Alternative hierzu wäre, das Vorliegen der finanziellen Absicherung möglicher zukünftiger Schäden im Genehmigungsverfahren des jeweiligen Bohrvorhabens zu überprüfen und nur dann die Genehmigung zu erteilen, wenn eine adäquate finanzielle Absicherung z. B. durch individuelle Versicherungslösungen, Bankbürgschaften, Garantien, Bonds oder eigene Rückstellungen nachgewiesen werden kann. Berlin, den Seite 6 / 6
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