SchiedsamtsZeitung 66. Jahrgang 1995, Heft 03 Online-Archiv Seite 40b-43 Organ des BDS
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- Claus Giese
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1 Aus der Rechtsprechung Schock wegen tödlicher Bißverletzung eines Hundes BGB 833, 847 Erleidet jemand, der einen fremden Hund ausführt, einen Schock, weil diesem Hund von einem Rottweiler tödliche Bißverletzungen zugefügt wurden, so gehört dies zum allgemeinen Lebensrisiko und begründet keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. LG Cottbus, Urt. v C 124/93 Zum Sachverhalt: Der dreizehnjährige Kl. führte am den Spitzmischlingsrüden der Frau K. aus. Bei einer Begegnung mit dem Rottweiler der Bekl. gerieten beide Hunde ineinander. Hierbei fügte der Rottweiler dem Spitzmischlingsrüden der Frau K tödliche Verletzungen zu. Der Kl. behauptet, er habe einen Schock erlitten, da er die Tötung des Hundes der Frau K. durch den Rottweiler der Bekl. habe mit ansehen müssen. Trotz ärztlicher Behandlung leide er noch immer unter Schlafstörungen und Alpträumen. Er verlangt Schmerzensgeld in Höhe von mindestens DM 2.500,--. Die Klage ist unbegründet. Der Kl. hat gegen die Bekl. keinen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gern , 847 BGB. Auch dann, wenn die Behauptung des KI., er habe durch die Beobachtung der Tötung des Spitzmischlingsrüden einen Schock erlitten, zutrifft besteht kein zur Haftung der Bekl. erforderlicher Zurechnungszusammenhang zwischen dem Verhalten des Rottweilers, für den die Bekl. als Tierhalter gern. $ 833 BGB grundsätzlich verantwortlich ist und dem vom Kl. behaupteten Schadenseintritt. Denn die Bekl. haftet im Rahmen der 249 ff BGB lediglich für solche Schäden, die durch das Verhalten ihres Tieres ursächlich herbeigeführt worden sind und außerhalb des allgemeinen Lebensrisikos liegen. Denn der Bereich des allgemeinen Lebensrisikos ist von dem 249 ff BGB nicht erfasst. Hierzu gehört es aber, wenn jemand einen ihm nicht gehörenden und von ihm nicht regelmäßig betreuten Hund ausführt und bei dieser Gelegenheit den Tod des Tieres beobachten muss. Eine andere Betrachtungsweise wäre nur dann gerechtfertigt, wenn sich zwischen dem getöteten Tier und dem Kl. durch längere Kontakte eine feste Beziehung entwickelt hätte. Auch der vergleichbare Fall, dass ein PKW-Fahrer auf der Autobahn einen tödlichen Verkehrsunfall beobachtet und hierdurch einen Schock erleidet ist dem von Schadensersatz- bzw. Schmerzensgeldansprüchen nicht erfassten Bereich des allgemeinen Lebensrisikos zuzurechnen. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 1/5
2 Abhandenkommen von Reinigungsgut und grobe Fahrlässigkeit AGBG 11 Nr. 7 Beim Abhandenkommen von Reinigungsgut, dessen Ursache nicht (mehr) aufgeklärt werden kann, ist ein Fall von grober Fahrlässigkeit des Reinigungsunternehmers gegeben. AG Kassel, Urt. v (871) C 7653/93 Zum Sachverhalt: Der Kl. übergab dem Bekl., der eine chemische Textilreinigung betreibt, eine Hose zum Aufbügeln. Ohne dass die Ursache aufgeklärt werden konnte, ging die Hose beim Bekl. verloren. Unter Berufung auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bekl. ersetzte dessen Haftpflichtversicherung nur den 15fachen Betrag des Aufbügelpreises, DM 52,50. Mit der Klage macht der Kläger einen weiteren Schaden in Höhe von DM 100,-- geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Der Bekl. haftet dem Kl. wegen Verletzung einer Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Werkvertrag gern. 631 BGB, der die Reinigung bzw. das Bügeln der Hose zum Gegenstand hatte. Denn der Bekl. war im Rahmen dieser vertraglichen Nebenpflicht gehalten, dafür zu sorgen, dass die Hose während seiner Besitzzeit nicht abhanden kam. Von dieser Verpflichtung kann sich der Bekl. auch nicht durch seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen befreien. Dem steht es nicht entgegen, dass es in der Rechtsprechung anerkannt ist, dass ein Reinigungsunternehmen sich durch Allgemeine Geschäftsbedingungen von umfassender Haftung im wesentlichen freistellen kann. Diese Haftung bezieht sich aber dann auf das Risiko, dass täglich eine Vielzahl verschiedener Textilien abgeliefert werden und es aus diesem Grunde schwierig ist, die jeweils zutreffende Reinigungsmöglichkeit für bestimmte Textilien zu wählen. Durch das Abhandenkommen der Hose ist allerdings nicht dieses typische Reinigungsrisiko eingetreten. Das Risiko des Abhandenkommens des überlassenen Kleidungsstückes kann der Bekl. nicht durch Allgemeine Geschäftsbedingungen auf Kunden abwälzen. Regelmäßig liegt grobe Fahrlässigkeit dann vor, wenn ein solches eingeliefertes Kleidungsstück abhanden kommt. Aus diesem Grund muss sich der Kl. nicht mit dem 15fachen des gezahlten Reinigungspreises entsprechend der Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Bekl. zufrieden geben, sondern kann darüber hinaus als Ausgleich für den Zeitwert der Hose weitere DM 100,--ersetzt verlangen. Denn der Kl. hat durch Vorlage eines entsprechenden Beleges nachgewiesen, dass er die Herrenhose kurz zuvor für DM 189,-- erworben und kaum getragen hatte. Da es sich zudem um eine hellgraue Hose aus reiner Schurwolle handelte, ergibt sich, dass eine derartig klassische Hose nicht so schnell im Zeitwert absinkt wie ein modisches Kleidungsstück. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 2/5
3 Schmerzensgeld für Mieter wegen Lärms aus Fernsehmusiksender des Nachbarn BGB 823, 847 Ein Mieter, der einen Fernsehmusiksender über längere Zeit so laut hört, dass der Gesundheitszustand des Mieters der darunterliegenden Wohnung leidet, ist zur Zahlung eines Schmerzensgeldes (hier DM 1.000,--) verpflichtet. AG Dortmund, Urt. v C 6541/93 Zum Sachverhalt: Der Kl. verlangt von seinem Mitmieter, dem Bekl., Schmerzensgeld wegen ruhestörenden Lärms. Die auf Zahlung von DM 2.000,-- gerichtete Klage hatte in flöhe von DM 1.000,-- Erfolg. Die Klage ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme in Höhe von DM 1.000,-- begründet. Dem Kl. steht gegen den Bekl. ein Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld gern. jag 823, 847 BGB zu. Nach der Beweisaufnahme steht fest, dass der Bekl. ruhestörenden Lärm dadurch verursacht, dass er sein Fernsehgerät beim Empfang eines Musiksenders so einstellt, dass seine Mitmieter in ihrem Ruhebedürfnis erheblich gestört werden. Der Lärm aus der im 6. Obergeschoß gelegenen Wohnung des Bekl. dringt bis in die im 5. Obergeschoß gelegene Wohnung des Kl. Diese ruhestörenden Beeinträchtigungen ziehen sich bereits über einen längeren Zeitraum hin und finden sowohl tagsüber als auch nachts statt. Der KI. hat nachgewiesen, dass sich durch die Lärmbeeinträchtigung sein Gesundheitszustand verschlechtert hat. Dies ergibt sich aus einer vom KI. vorgelegten ärztlichen Bescheinigung. Bei der Bemessung des dem Grunde nach geschuldeten Schmerzensgeldes war neben der langen Dauer der Störungen auch zu berücksichtigen, dass der Kl. ohnehin nicht über den besten Gesundheitszustand verfügt. Aus diesem Grunde konnte ein Schmerzensgeld nur in Höhe von DM 1.000,-- zugesprochen werden. Gefährdungshaftung des Pferdehalters bei Überlassung aus Gefälligkeit BGB 833 Die Tierhaftung nach 833 BGB kommt auch dem Reiter zugute, dem das Pferd aus Gefälligkeit überlassen wird. BGH, Urt. v Vf ZR 53/92 (OLG Düsseldorf) Zum Sachverhalt: Nachdem der Bekl. einen Ausritt bei einem Gaststättenaufenthalt unterbrochen hatte, gestattete er dort der 15einhalbjährigen Kl., der Tochter des Nachdruck und Vervielfältigung Seite 3/5
4 Gastwirtes, auf deren eindringliches Bitten, kurz mit seinem Pferd zu reiten. Die Kl., die über keinerlei Reiterfahrung verfügte, setzte sich über ein dem Bekl. unbekanntes Verbot der Mutter hinweg und begab sich auf einen Ritt mit dem Pferd des Bekl. Später wurde sie bewusstlos neben dem Pferd des Bekl. aufgefunden, da sie einen schweren Schädelbruch erlitten hatte. Die Kl. verlangt von dem Bekl. Schmerzensgeld in Höhe von DM ,--, Ersatz der Auslagen von Taxifahrten in Höhe von DM 601,20 und die Feststellung, dass der Bekl. zur Erstattung auch zukünftiger Schäden verpflichtet sei. Das Landgericht hat der Klage unter Verneinung eines Mitverschuldens der Kl. in vollem Umfang stattgegeben. Das OLG hat ein Schmerzensgeld in Höhe von DM 8.000,-- für angemessen erachtet. Ausgehend von einem Gesamtschaden in Höhe von DM 8.601,20 hat es dem Bekl. unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens der Kl. in Höhe von 1/3 zur Zahlung von DM 5.734,13 verurteilt und darüber hinaus die Pflicht des Bekl., zukünftige Schäden zu 2/3 zu ersetzen, festgestellt. Die Revisionen beider Parteien hatten keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat eine Haftung des Bekl. aus 833 BGB zu Recht bejaht. Die Kl. ist durch ein Verhalten des Reitpferdes, dessen Halter der Bekl. war, verletzt worden. Auch wenn sich nicht hat klären lassen, ob die Kl. die Kopfverletzungen beim Herunterfallen unmittelbar durch einen Hufschlag des Pferdes oder in Folge des Aufpralles auf den Boden erlitten hat, steht dies einer Haftung des Bekl. nicht entgegen. Denn auch bei einer Verletzung als Folge eines Aufpralls auf den Boden handelt es sich um einen Schaden infolge typischer Tiergefahr. Die Tierhalterhaftung des Bekl. kommt grundsätzlich auch einem Reiter des Pferdes zugute. Auch wenn ein Reiter sich auf ein ihm gefälligkeitshalber überlassenes Pferd setzt und die von ihm ausgehende Gefahr freiwillig auf sich nimmt und diese ihm nicht aufgezwungen wird, so hat der Tierhalter dennoch dafür einzustehen, dass er andere, wenn auch erlaubtermaßen, mit den Gefahren, die von Tieren ganz allgemein ausgehen, belastet. Diese Überlassung des Pferdes an eine andere Person liegt im Rahmen dessen sozial üblicher Nutzung. Dadurch, dass sich der Reiter aus eigenem Interesse auf das Pferd setzt, stellt er sich nicht außerhalb des Schutzzweckes der Gefährdungshaftung des Tierhalters. Allerdings trifft die Kl. ein mitverursachendes Verschulden i.s. des $ 254 BGB. An die Prüfung dieses Verursachungsbeitrages ist ein strenger Maßstab anzulegen. Das Mitverschulden der Kl. liegt darin, dass sie sich unter Missachtung des Verbotes ihrer Mutter ohne ausreichende Reitkenntnisse auf das Pferd gesetzt hat. Bei der Zuwiderhandlung gegen das ausdrückliche Reitverbot der Mutter der Kl. spielt es keine Rolle, ob die Befolgung elterlicher Weisungen oder Verbote lediglich eine sittliche Pflicht des Minderjährigen begründet. Es kann auch dahinstehen, dass das Verbot der Mutter nur zugunsten der Kl. zu wirken vermag, nicht aber dem Bekl. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 4/5
5 zugute kommen sollte. Zweifellos stellt aber die Missachtung des Verbotes einen das Mitverschulden erhöhenden Umstand dar. Denn durch das Verbot der Mutter war die Kl. gewarnt. Ihre Sorgfaltspflichtverletzung, die in der Übernahme des Pferdes ohne erforderliche Reitfähigkeiten liegt, wiegt unter diesen Umständen umso schwerer. Ob darüber hinaus ein zusätzliches, dass Mitverschulden erhöhendes falsches Reitverhalten der Kl. den Unfall mit verursacht hat, konnte nicht festgestellt werden. Nachdruck und Vervielfältigung Seite 5/5
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