Leitfaden. Nachhaltigkeit. der Bundesfinanzdirektion Südwest Beschaffung für die Bundesfinanzverwaltung
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- Julian Reuter
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1 Leitfaden Nachhaltigkeit der Bundesfinanzdirektion Südwest Beschaffung für die Bundesfinanzverwaltung 1. Auflage: Stand März 2014 Seite 1 von 24
2 Inhaltsverzeichnis 1 EINLEITUNG WAS BEDEUTET ÜBERHAUPT NACHHALTIGKEIT? BESCHAFFUNGSPRAXIS IN RF WIRTSCHAFTLICHE ASPEKTE NACHHALTIGER BESCHAFFUNG RECHTSGRUNDLAGEN GESETZ GEGEN WETTBEWERBSBESCHRÄNKUNGEN (GWB) VERGABEVERORDNUNG (VGV) VERGABEVERORDNUNG VERTEIDIGUNG UND SICHERHEIT (VSVGV) VERGABE- UND VERTRAGSORDNUNG FÜR LEISTUNGEN (VOL/A) KREISLAUFWIRTSCHAFTSGESETZ (KRWG) VERWALTUNGSVORSCHRIFTEN UMSETZUNG IN DIE VERGABEPRAXIS BEDARFSANALYSE UND AUSWAHL DES AUFTRAGSGEGENSTANDES EIGNUNGSKRITERIEN LEISTUNGSBESCHREIBUNG UMWELTZEICHEN ZUSCHLAGSKRITERIEN LEBENSZYKLUSKOSTEN / BETRIEBSKOSTEN AUFTRAGSAUSFÜHRUNG / VERTRAGLICHE REGELUNGEN SOZIALE KRITERIEN OBERHALB DER SCHWELLENWERTE NACHHALTIGKEITSKRITERIEN UNTERHALB DER SCHWELLENWERTE ANSPRECHPARTNER Seite 2 von 24
3 Cultura Oeconomica Hinweis zum Leitfaden: Die Arbeitsgruppe Nachhaltigkeit in RF 5 (AG Nachhaltigkeit) hat den vorliegenden Leitfaden aus den zur Verfügung stehenden Informationsquellen erarbeitet. Die Arbeitsgruppe weist darauf hin, dass dieser Leitfaden keine umfassende wissenschaftliche Ausarbeitung darstellt. Insbesondere kann diese Abhandlung insbesondere angesichts der Vielfalt und der Dynamik dieses Themas nicht abschließend sein. Seite 3 von 24
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5 Das Konzept der Nachhaltigkeit beschreibt die Nutzung eines regenerierbaren Systems in einer Weise, dass dieses System in seinen wesentlichen Eigenschaften erhalten bleibt und sein Bestand auf natürliche Weise regeneriert werden kann [1]. Der Ursprung der Nachhaltigkeit geht ins 18. Jahrhundert zurück. Damals war Holz der alles dominierende Rohstoff, heute ist es die Kohle oder das Rohöl. Die Ausgangssituation ist also vergleichbar. Zitat: Dauerhaft ist eine Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können [2]. Abbildung 1: Energievorrat 1 Deutscher Bundestag, 14. Wahlperiode: Schlussbericht der Enquete-Kommission Globalisierung der Weltwirtschaft Herausforderungen und Antworten Drucksache 14/9200, 12. Juni Brundtland-Kommission 1987 Seite 5 von 24
6 1 Einleitung Am 17. April 2002 beschloss die Bundesregierung die nationale Nachhaltigkeitsstrategie "Perspektiven für Deutschland" und hat damit unterstrichen, dass eine nachhaltige Entwicklung zentrales Ziel ihres Regierungshandelns ist. Die Bundesregierung hat mit ihrem Maßnahmenprogramm vom Nachhaltigkeit im Verwaltungshandeln umsetzen die Umsetzung der nachhaltigen Entwicklung durch die öffentliche Verwaltung gefordert, so dass sich das Leitprinzip einer nachhaltigen Entwicklung auch im Verwaltungshandeln äußert. Die öffentlichen Auftraggeber werden dieser Vorbildfunktion nur gerecht, indem sie gezielt Waren und Dienstleistungen beziehen, die umweltverträglich und unter menschenwürdigen Bedingungen hergestellt wurden. Mit der Reform des deutschen Vergaberechts im April 2009 erlangten die öffentlichen Auftraggeber erstmalig die Möglichkeit, soziale, umweltbezogene und innovative Aspekte (nachfolgend als Nachhaltigkeitsaspekte bezeichnet) rechtssicher für die Ausführung von Aufträgen zu verlangen, sofern diese im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Ziel dieses Leitfadens ist es, gesetzlich vorgeschriebene und weitere mit dem Beschaffungsauftrag zu vereinbarende Nachhaltigkeitsaspekte sowie den Prozessschritt innerhalb der Vergabeverfahren aufzuzeigen, in dem diese berücksichtigt werden können. Für ausgewählte Produktgruppen, die durch RF 5 beschafft werden, wurden zu diesem Zweck als zentraler Bestandteil dieses Leitfadens Produktblätter entwickelt (siehe Anlagen). 1.1 Was bedeutet überhaupt Nachhaltigkeit? Der Begriff Nachhaltigkeit setzt sich aus ökologischen, ökonomischen und sozialen Komponenten zusammen, auch als Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit bezeichnet. Ziele sind der Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen für heutige und zukünftige Generationen, ökonomische und ökologische Entwicklungen in den Vergabeprozess zu integrieren und soziale Aspekte zu berücksichtigen. Seite 6 von 24
7 Damit wird versucht, der Entwicklung einer sozial ausgleichenden Gesellschaft, die eine lebenswerte und tragfähige Zukunft für alle Gesellschaftsmitglieder ermöglicht, näher zu kommen Beschaffungspraxis in RF 5 Viele Nachhaltigkeitsaspekte werden bereits in den Vergabeverfahren des Referates RF 5 berücksichtigt. Dies hat eine zur Vorbereitung dieses Leitfadens durchgeführte Bestandsaufnahme in RF 5 und die Auswertung von KdB - Daten gezeigt. Darunter sind Aspekte, die aufgrund bereits bestehender Rechtsquellen angewendet werden müssen, z.b. die Vermeidung von Verpackungsmüll sowie die Beschaffung wieder verwertbarer und langlebiger Produkte gem. 45 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrWG). Es werden aber auch nachhaltige Kriterien in den Vergabeverfahren aus anderen Gründen berücksichtigt, z.b. aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Darunter fallen beispielsweise Überlegungen zur Nutzungsdauer, ob ein Bürogerät repariert statt ausgetauscht wird oder die Vorgabe der Reparaturmöglichkeit in Ortsnähe. In Leistungsbeschreibungen werden Umweltauswirkungen durch Anforderungen zum Energieverbrauch, durch Anforderungen an eine Begrenzung von Emissionswerten sowie der Festlegung von Zuschlagskriterien berücksichtigt. Dies geschieht z.b. in der Form, dass ein niedrigerer Energieverbrauch oder ein geringerer Schadstoffausstoß bei der Beschaffung von Kraftfahrzeugen eine bessere Bewertung erhält oder der Energieverbrauch bei Elektrogeräten in die Wertung einfließt. Da diese Eigenschaften ebenso vielfältig sind, wie die vom Referat RF 5 beschafften Produkte, hat sich die AG Nachhaltigkeit dazu entschieden, in diesem Leitfaden neben den allgemeinen Ausführungen zur Nachhaltigkeit schwerpunktmäßig auf folgende Produktgruppen näher einzugehen (siehe Anlagen): Dienstkleidung und Stoffe Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge Fahrzeugreifen Möbel 3 Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesministerium der Finanzen: Gutachten Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik Konzepte für eine langfristige Orientierung öffentlicher Haushalte (Heft 71), Berlin, November 2001 Vgl. ngnahmen/gutachten_und_stellungnahmen.html Seite 7 von 24
8 Büroverbrauchsmaterialien Büromaschinen Papier Lampen / Leuchten / Vorschaltgeräte Einzelheiten zu diesen Produkten bzw. Produktgruppen finden Sie in den dazugehörigen Produktblättern, die diesem Leitfaden als Anlagen beigefügt sind. 1.3 Wirtschaftliche Aspekte nachhaltiger Beschaffung In der Beschaffungspraxis besteht zwischen dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auf der einen Seite und der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten auf der anderen Seite ein Spannungsverhältnis. Es ist denkbar, dass bei der Einbeziehung von Nachhaltigkeitsaspekten in ein Vergabeverfahren die Leistungen (bezogen auf den Einzelpreis) teurer werden. Durch nachhaltige Beschaffung kann sich aber auch ein finanzielles Einsparpotenzial ergeben, wenn die Lebenszykluskosten miteinbezogen werden. Bei der Lebenszykluskostenberechnung werden neben den Anschaffungskosten beispielsweise auch Energiekosten oder Entsorgungskosten berücksichtigt. Der höhere Einzelpreis relativiert sich dabei auf lange Sicht und bewirkt trotz höherer Anschaffungskosten durchaus eine effiziente Beschaffung Letztendlich hängt der Erfolg nachhaltiger Beschaffung aber davon ab, welche strategische Ausrichtung die Auftraggeber verfolgen und welche Mittel sie bereit sind, dafür einzusetzen. Dabei müssen die Auftraggeber über den Tellerrand hinausschauen, denn auf lange Sicht werden die Anschaffungskosten der öffentlichen Hand nur reduziert, wenn sich alle Beschaffungsstellen der nachhaltigen Beschaffung verschreiben. Ein Auftraggeber hat im Rahmen seines Leistungsbestimmungsrechts durchaus die Möglichkeit, die Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien im Rahmen seines Beschaffungsauftrags zu fordern, sofern diese Kriterien im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen. Seite 8 von 24
9 2 Rechtsgrundlagen Rechtsgrundlagen für die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten im öffentlichen Beschaffungswesen in Deutschland sind im Oberschwellenbereich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV), die Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV), die Sektorenverordnung (SektVO), die EG-Regelungen in VOL/A und VOB/A sowie die nationalen Regelungen in VOL/A, VOB/A und VOF im Unterschwellenbereich. Weiterhin ist im nationalen Bereich noch das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrwG) von Bedeutung. Das Übergewicht an supranationalen Rechtsgrundlagen bedeutet nicht, dass bei Verfahren unterhalb der Schwellenwerte geringere Maßstäbe anzulegen sind als bei Verfahren oberhalb der Schwellenwerte. Dies ist daran ersichtlich, dass in den drei Vergabe- und Vertragsordnungen VOL/A, VOB/A und VOF sowohl für den nationalen als auch für den supranationalen Bereich Umwelteigenschaften bei der Zuschlagsentscheidung zu berücksichtigen sind und darüber hinaus beispielsweise für die Beschaffungen des Bundes die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen (AVV-EnEff) gilt. Aus diesem Grund sollte bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten sowohl im Unterschwellenbereich als auch im Oberschwellenbereich einheitlich verfahren werden, um sich als öffentlicher Auftraggeber nicht dem Vorwurf auszusetzen, bei nationalen Vergabeverfahren weniger nachhaltig zu verfahren. Der Leitfaden verweist im Wesentlichen auf deutsche Normen. Es wird nur dort auf die europäischen Vergaberichtlinien Bezug genommen, wo diese noch nicht in das deutsche Recht umgesetzt worden sind und dies zur Verdeutlichung notwendig ist. Gleiches gilt für die Rechtsprechung. 2.1 Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Mit dem Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts vom 20. April 2009 (Vergaberechtsmodernisierungsgesetz) wurde die ausdrückliche Zulassung sozialer, umweltbezogener und innovativer Aspekte bei der Auftragsvergabe in 97 Abs. 4 GWB ( ) in supranationalen Vergabeverfahren erstmals gesetzlich verankert. Nach 97 Abs. 4 Satz 1 GWB werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Die geforderte Gesetzestreue eines Bieters bedeutet, dass ein Bieter z.b. die Einhaltung der Tarifverträge sicher stellt und sich an Umweltgesetze zu halten hat. Seite 9 von 24
10 97 Abs. 4 Satz 2 GWB regelt die Möglichkeit für den Auftraggeber, zusätzliche d.h. über die in Satz 1 formulierten Eignungsanforderungen hinausgehende Anforderungen an die Bieter zu stellen. Dies sind insbesondere soziale, unweltbezogene und/oder innovative Aspekte. Voraussetzung ist allerdings der sachliche Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand und die Zuordnung dieser Aspekte in der Leistungsbeschreibung. 97 Abs. 5 GWB regelt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichsten Angebot zu erteilen ist. Wirtschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang das günstigste Verhältnis zwischen der gewünschten Leistung und dem angebotenen Preis zu erzielen. 2.2 Vergabeverordnung (VgV) Die VgV enthält in 4 Abs. 4 6 b materielle Regelungen zur Beachtung von Umweltkriterien bei der Lieferung von energieverbrauchsrelevanten 4 Waren, technischen Geräten oder Ausrüstungen in supranationalen Vergabeverfahren oder wenn deren Einsatz wesentliche Voraussetzung zur Ausführung einer Dienstleistung sind. Die Abs des 4 VgV enthalten materielle Regelungen zur Berücksichtigung von Energieverbrauch und Umweltauswirkungen bei der Beschaffung von Straßenfahrzeugen. Die einzuhaltenden Regelungen werden in den Produktblättern für Büromaschinen sowie für Personenkraftwagen und leichte Nutzfahrzeuge erläutert. In geeigneten Fällen sind nach 4 Abs. 6 Nr. 2 VgV ( ) eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten (Absatz 6 Nr. 2 a) oder die Ergebnisse einer vergleichbaren Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit (Absatz 6 Nr. 2 b) zu fordern. Geeignet ist eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten immer dann, wenn ein zu beschaffendes Gerät in verschiedenen Betriebsmodi mit variierendem Energieverbrauch betrieben wird oder wenn eine langfristige Nutzung beabsichtigt ist, beispielsweise die 10-jährige Nutzung eines Fotokopierers. Für den Fall, dass Energieverbrauch und Umweltauswirkungen von Straßenfahrzeugen finanziell bewertet werden sollen gilt 4 Abs. 9 VgV mit den Anlagen 2 und 3 der VgV. 5 4 Energieverbrauchsrelevant sind Waren oder technische Geräte nach Artikel 2 Buchstabe a) der RL 2010/30/EU, wenn diese selbst Energie verbrauchen oder zur Einsparung von Energie beitragen. 5 Vgl. Nr. 3.6 des Leitfadens Seite 10 von 24
11 2.3 Vergabeverordnung Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) Zur Umsetzung der Richtlinie 2009/81/EG des europäischen Parlaments und Rates vom 13. Juli 2009 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe bestimmter Bau-, Liefer- und Dienstleistungsverträge in den Bereichen Verteidigung und Sicherheit in nationales Recht wurden das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die Vergabeverordnung (VgV) und die Sektorenverordnung (SektVO) geändert. Die Verfahrensvorschriften wurden in einer separaten Vergabeverordnung für die Bereiche Verteidigung und Sicherheit (VSVgV) ( ) geregelt. Die in den Anwendungsbereich der VSVgV fallenden Vergaben berühren wichtige nationale Verteidigungs-, Sicherheits-, und Geheimhaltungsinteressen. Nach der Begründung zur VSVgV hat diese keine Auswirkungen auf Fragen der Nachhaltigkeit. Zu beachten ist 28 VSVgV - Nachweis für die Einhaltung von Normen des Qualitäts- und Umweltmanagements. 28 VSVgV regelt, inwiefern öffentliche Auftraggeber Nachweise der Unternehmen über ihr Qualitäts- und Umweltmanagement fordern und bei der Eignungsprüfung berücksichtigen dürfen. 2.4 Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/A) Die VOL/A ist unterteilt in Abschnitt 1 (Verfahren unterhalb der Schwellenwerte) und 2 (Verfahren oberhalb der Schwellenwerte). Die meisten konkreten Bestimmungen zu Nachhaltigkeitsaspekten sind in Abschnitt 2 zu finden. In Abschnitt 1 sind einzig in 16 Abs. 8 VOL/A Umwelteigenschaften und Lebenszykluskosten aufgeführt, die bei der Entscheidung über den Zuschlag als Kriterien berücksichtigt werden können. Das bedeutet jedoch nicht, dass bei Verfahren unterhalb der Schwellenwerte Nachhaltigkeitsaspekte nicht berücksichtigt werden sollten. Grundsätzlich haben öffentliche Auftraggeber unterhalb der Schwellenwerte sogar einen größeren Handlungsspielraum als im Geltungsbereich des Europäischen Vergaberechts. Das liegt zunächst daran, dass die ersten Abschnitte der VOL/A für den Unterschwellenbereich lediglich den Charakter von Verwaltungsvorschriften haben. Diese entfalten somit lediglich eine Binnenwirkung für die Verwaltung. Hinzu kommt, dass der am Ende des Vergabeverfahrens abzuschließende Vertrag der Privatautonomie unterliegt. Der hiermit einhergehende Grundsatz der Vertragsfreiheit ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern somit, auch ökologische und soziale Belange in Unterschwellenverfahren oder aber im abzuschließenden Vertrag zu berücksichtigen. Seite 11 von 24
12 2.5 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) Mit dem neuen KrWG, das am im Wesentlichen in Kraft getreten ist, wurde die EU Abfallrahmenrichtlinie (2008/98/EG) 6 in nationales Recht umgesetzt. Mit dieser Regelung soll eine nachhaltige Verbesserung des Umwelt- und Klimaschutzes sowie der Ressourceneffizienz in der Abfallwirtschaft durch Stärkung der Abfallvermeidung und des Recyclings von Abfällen erreicht werden. Die für die Beschaffung relevanten Regelungen finden sich in 45 KrWG 7. Aus 45 Abs. 1 KrWG ergibt sich, dass bei der Beschaffung auch zu prüfen ist, ob Erzeugnisse eingesetzt werden können, die im Wege der Vorbereitung zur Wiederverwendung oder des Recyclings hergestellt worden sind oder die sich nach Ablauf ihrer Lebensdauer auf diese Weise verwerten lassen. Diese Prüfung hat bereits bei den Vorüberlegungen zu einer Neu- oder Ersatzbeschaffung zu erfolgen. Nach 45 Abs. 3 KrWG sind dabei u.a. Regelungen zum Schutz von Mensch und Umwelt zu berücksichtigen. 2.6 Verwaltungsvorschriften Durch verschiedene Vorschriften/Regelungen sind Bundesbehörden direkt aufgefordert, Umweltaspekte bei der Beschaffung zu beachten, z.b. durch den gemeinsamen Erlass der Ministerien BMWi, BMELV, BMU und BMVBS zur Beschaffung von Holzprodukten 8 und die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Beschaffung energieeffizienter Produkte und Dienstleistungen 9 (AVV- EnEFF) ( Darüber hinaus beinhaltet auch das Maßnahmenprogramm der Bundesregierung Nachhaltigkeit in Verwaltungshandeln umsetzen vom 6. Dezember 2010 verschiedene Maßnahmen zur nachhaltigeren Ausrichtung des Beschaffungswesens. Der Staatssekretärsausschuss für nachhaltige Entwicklung 10 hat unter Punkt 6 seines Maßnahmenprogramms wichtige Aussagen hierzu getroffen. Insbesondere handelt es sich um folgende Maßnahmen. Die Bundesressorts sowie die Behörden und Dienststellen der Geschäftsbereiche werden im Rahmen der geltenden rechtlichen Bestimmungen unter Beachtung des vergaberechtlichen Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes nur noch Produkte der jeweils höchsten Energieeffizienzklasse (z.b. Bürogeräte) beschaffen, sofern die Produkte das erforderliche Leistungsprofil aufweisen; v. 27. Dezember Stand: 16. Januar Ist gemäß BMF-Erlass vom III A 5 O 1080/11/10003 verbindlich anzuwenden! Seite 12 von 24
13 bei Ausschreibungen, wo dies bereits möglich ist, die Kriterien des Umweltzeichens Blauer Engel verwenden; ansonsten werden die Kriterien des Europäischen Umweltzeichens, des Energy Stars oder vergleichbaren Label genutzt oder deren Standards; den Anteil des Einsatzes von Recyclingpapier (z.b. für Kopierarbeiten, Briefumschläge und Druckerzeugnisse) wo wirtschaftlich und technisch möglich schrittweise von heute rund 70 % auf mindestens 90 % in 2015 steigern; die Energieeffizienz ihrer Fuhrparks verbessern; ausgenommen sind wo erforderlich - Sonderfahrzeuge. Bei der Beschaffung handelsüblicher Dienstwagen wird bis 2015 ein durchschnittlicher Emissionswert der Dienstwagenflotte von 130 g C0²/km angestrebt; bei geeigneten Ausschreibungen bei Bietern als Nachweis ihrer technischen Leistungsfähigkeit eine Zertifizierung nach einem Umweltmanagementsystem (EMAS und ISO oder nach gleichwertigen Standards) abfragen. Seite 13 von 24
14 3 Umsetzung in die Vergabepraxis Je nach Produkt und Branche gibt es unterschiedliche Möglichkeiten, Nachhaltigkeitsaspekte in die Ausschreibung einzubeziehen. Als Hilfestellung liegen diesem Leitfaden Produktblätter zu unterschiedlichen Warengruppen bei. Hier kann der SB Vergabe die von ihm gewählten (notwendigen) Maßnahmen zum Vergabeablauf zuordnen. Die Produktblätter können in die interne Dokumentation (in AI) abgelegt werden. Nachfolgend werden die Möglichkeiten 11 erläutert, Umweltaspekte und soziale Kriterien einzubeziehen. 3.1 Bedarfsanalyse und Auswahl des Auftragsgegenstandes Im ersten Schritt geht es darum, die relevanten sozialen Belange und ökologischen Kriterien zu identifizieren. Es gilt festzustellen, ob und in welcher Ausführung (nachhaltige Herstellung) das Produkt oder die Dienstleistung auf dem Markt verfügbar ist. Es sollte geprüft werden, ob der Bedarf auch auf andere Art und Weise (z.b. Tauschbörse, Reparatur) gedeckt werden kann, welche besonderen Anforderungen an das Produkt/Dienstleistung gestellt werden (Kaufen/Mieten/Leasen, Ersatzteillieferung, Nutzungsdauer des Produktes, bei energierelevanten Produkten ist zu prüfen, ob auf Sonderausstattungen verzichtet werden kann, da diese den E- nergieverbrauch erhöhen), welche Aspekte prioritär sind (z.b. leistungsstarker Aktenvernichter mit hohem Energieverbrauch oder ein leistungsschwächerer Aktenvernichter mit energieeffizienterem Stromverbrauch), wie das Produkt entsorgt wird. Bei dieser Prüfung sind bestehende Ausstattungskonzepte zu beachten. Weitere Überlegungen: Lange Lieferwege sind verbunden mit einem hohen CO² Ausstoß (ökologisch/ökonomisch?). Große Preisunterschiede können ein Indikator für schlechte Arbeitsbedingungen sein (sozial?). Gibt es ökologische Alternativen zum Beschaffungsgegenstand. 11 Siehe Handbuch für die umweltfreundliche Beschaffung, Teil B 8 Nr. 6.1, (Standort des Buches bei RF 5: Justitiariat) Seite 14 von 24
15 Praxistipp: Der SB Vergabe kann sich an den 5 W-Fragen orientieren: Wer sind meine Wirtschaftspartner? Wo wird das Produkt hergestellt? Was für Rohstoffe werden verwendet und gibt es Alternativen? Wie wird das Produkt entsorgt? Woher kommt das Halbfertigprodukt/Produkt? Diese sind ein wichtiger Einstieg, der nach 45 KrWG vorzunehmen ist. Langlebige Produkte dienen im Sinne des KrwG der Schonung der natürlichen Ressourcen und der Abfallvermeidung. Weitere Aspekte des 45 KrWG sind Wiederverwertbarkeit, Reparaturfreundlichkeit und Recycling. Diese potenziellen Umweltauswirkungen stehen am Anfang der Überlegungen. Diese Phase ist von besonderer Bedeutung für die umweltfreundliche Beschaffung. Denn für die Berücksichtigung von Umweltkriterien bei Vergabeverfahren ist eine frühzeitige Entscheidung erforderlich. Auch hat der öffentliche Auftraggeber die Möglichkeit, von vornherein einen umweltfreundlichen Gegenstand zu beschaffen. Beispiel: Die Vergabestelle kann sich darauf beschränken Recyclingpapier auszuschreiben. In der Leistungsbeschreibung sind dann Angaben aufzunehmen, die dieses Produkt präzisieren. Dabei ist zu beachten, dass vor allem Anbieter aus anderen EU-Mitgliedstaaten nicht diskriminiert werden dürfen. Artikel 8, 30, 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV - verbieten alle offenen Diskriminierungen von Waren und Dienstleistungen aus anderen Mitgliedstaaten, bei denen der öffentliche Auftraggeber ausdrücklich einheimische Waren oder Dienstleistungen bevorzugt. 3.2 Eignungskriterien Bei den Eignungskriterien werden Anforderungen an den Bieter erstellt. Von den Unternehmen dürfen zum Nachweis ihrer Fachkunde und Leistungsfähigkeit nur Unterlagen und Angaben gefordert werde, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind. Es werden grundsätzlich Eigenerklärungen verlangt. Die Prüfung der Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit bietet dabei auch Anknüpfungspunkte für die Berücksichtigung von Umweltkriterien. Seite 15 von 24
16 Leistungsfähigkeit Insbesondere bei der Prüfung der technischen Leistungsfähigkeit sind Umweltkriterien relevant. Bei der Beurteilung der technischen Leistungsfähigkeit kommt es vor allem darauf an, ob der Bieter über ausreichend personelle und maschinelle Ausrüstung zur Erfüllung des Auftrages verfügt. So können in Bezug auf die Leistungsfähigkeit auch umweltbezogene Kompetenzen oder Ausrüstungen gefordert werden. Voraussetzung ist allerdings, dass daran ein besonderes Interesse besteht und dieses im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand steht sowie sich aus der Leistungsbeschreibung ergibt ( 97 Abs. 4 GWB). Im Dienstleistungsbereich (nicht bei Lieferleistungen) besteht zudem die Möglichkeit, als Nachweis für die technische Leistungsfähigkeit vom Bieter die Einführung und Praktizierung eines Umweltmanagementsystems in seinem Unternehmen zu verlangen ( 7 EG Abs. 11 VOL/A). Als Nachweis kann eine Zertifizierung nach EMAS 12 oder nach anderen europäischen oder internationalen Normen vorgelegt werden. Gleichwertige Nachweise müssen auch anerkannt werden. Verbreitet sind folgende Zertifizierungen von Umweltmanagementsystemen: EMAS Zertifizierung, Zertifizierung nach DIN EN ISO 14001, Zertifizierung DIN ISO Zuverlässigkeit Nach 97 Abs. 4 GWB werden Aufträge an fachkundige, leistungsfähige sowie gesetzestreue und zuverlässige Unternehmen vergeben. Weiter enthält 6 EG Abs. 4 VOL/A eine Regelung zu Ausschlussgründen bei Vorliegen bestimmter Straftatbestände. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob ein Bieter wegen rechtskräftig festgestellten Verstoßes gegen Umweltrecht vom Verfahren ausgeschlossen werden kann. Es ist durchaus möglich, dass ein öffentlicher Auftraggeber im Rahmen seines Ermessens einen Bewerber oder Bieter vom Vergabeverfahren oder sein Angebot von der weiteren Angebotsprüfung ausschließen kann, wenn er zum Schluss gekommen ist, dass aufgrund eines Umweltdeliktes, das ein Bieter oder Bewerber begangen hat, eine schwere Verfehlung vorliegt ( 6 EG Abs. 6 c), 19 EG Abs. 4 VOL/A). Das bedeutet, dass bekannt gewordene Verstöße wegen eines Umweltdeliktes zur Unzuverlässigkeit und folglich zur Nichteignung eines Unternehmens führen können. 12 EMAS = Eco-Management and Audit Scheme - Seite 16 von 24
17 3.3 Leistungsbeschreibung Die Leistungsbeschreibung ist ein entscheidendes Instrumentarium für die Berücksichtigung von Umweltaspekten in einem Vergabeverfahren. Dies ergibt sich auch aus der Formulierung des 97 Abs. 4 S. 2 GWB, wo geregelt ist, dass u. a. Anforderungen mit umweltbezogenen Aspekten an Auftragnehmer gestellt werden können, wenn sie in sachlichem Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Auch die Regelungen in 4 VgV zur Berücksichtigung von Energieeffizienz bei der Beschaffung von energieverbrauchsrelevanten 13 Waren, technischen Geräten und Straßenfahrzeugen knüpfen an die Leistungsbeschreibung an. Es steht dem öffentlichen Auftraggeber frei, die von ihm benötigten Leistungen so zu beschreiben, dass möglichst umweltfreundliche Produkte zur Auswahl stehen. Dies kann in Form der konstruktiven Leistungsbeschreibung aufgenommen oder durch eine Mischform aus konstruktiver und funktionaler Leistungsbeschreibung umgesetzt werden. Nach 8 EG Abs. 5 VOL/A i.v.m. Abs. 2 Nr. 2 VOL/A können Umwelteigenschaften in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen als technische Spezifikation vorgegeben werden. Dies ist z.b. möglich durch das Einbeziehen von Produktspezifikationen. Der Auftraggeber kann z.b. verlangen, dass ein Produkt aus einem bestimmten Material (z.b. Holz statt Plastik) besteht oder bestimmte Inhaltsstoffe (z.b. Chemikalien) nicht enthält. Auch ist es möglich, eine Vorgabe für die Verwendung eines bestimmten Anteils von Recyclingmaterial in einem Produkt zu treffen. Weiter können bestimmte Produktionsverfahren gefordert werden, wenn sie dazu beitragen, das Produkt zu charakterisieren (Ökostrom bei Strom aus erneuerbaren Energien). Der Auftraggeber kann des Weiteren Bestimmungen zur Lebensdauer und Reparaturfreundlichkeit treffen sowie einen niedrigen Energieverbrauch und niedrige Emissionswerte verlangen. Bei energieverbrauchsrelevanten Waren, technischen Geräten oder Ausrüstungen bzw. wenn diese Gegenstand einer Lieferleistung oder wesentliche Voraussetzung zur Ausführung einer Dienstleistung sind, müssen in der Leistungsbeschreibung folgende Anforderungen gestellt werden: das höchste Leistungsniveau an Energieeffizienz ( 4 Abs. 5 Nr. 1 VgV), soweit vorhanden, die höchste Energieeffizienzklasse im Sinne der Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung - EnVKV- ( 4 Abs. 5 Nr. 2 VgV), konkrete Angaben zum Energieverbrauch ( 4 Abs. 6 Nr. 1 VgV), in geeigneten Fällen eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten oder die Ergebnisse einer vergleichbaren Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit ( 4 Abs. 6 Nr. 2 VgV / vgl. auch Produktblatt für Bürogeräte). 13 Energieverbrauchsrelevant sind Waren oder technische Geräte nach Artikel 2 Buchstabe a) der RL 2010/30/EU, wenn diese selbst Energie verbrauchen oder zur Einsparung von Energie beitragen. Seite 17 von 24
18 Die Energieeffizienzklasse ist eine Bewertungsskala für das europäische Energie-Label zur Förderung energiesparender (Haushalts-) Elektrogeräte. Eine Auflistung der Gerätetypen, für die in Deutschland Energieeffizienzklassen festgelegt wurden, enthält die Anlage I der EnVKV. Bei diesen Produkten hat der Auftraggeber laut Begründung der Bundesregierung zum Verordnungsentwurf noch genügend Spielraum für wertbare Unterschiede (Bundesrat Drucksache 345/11, S. 9). Ist für ein Produkt noch keine Energieeffizienzklasse vorhanden, sind anhand technischer Spezifikationen zur Erlangung einer Produktkennzeichnung Energieeffizienzkriterien festzulegen, z.b. Energy Star oder andere vergleichbare Label für energiesparende Bürogeräte. Die auf vorgenannte Art ermittelten Energieeffizienzkriterien sind als Mindestkriterien in die Leistungsbeschreibung aufzunehmen. Nach Festlegung der Kriterien müssen Anforderungen definiert werden, um eine vergleichende Bewertung der Angebote hinsichtlich ihrer Leistungsmerkmale zu ermöglichen. Energieeffizienzklassen gibt es auch für Reifen und Straßenfahrzeuge. Unzulässig ist es dagegen auch weiterhin, in der Leistungsbeschreibung Produkte einer bestimmten Marke oder eines bestimmten geographischen Ursprungs zu fordern. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und Transparenz erfordern auch bei der Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in der Beschaffung, dass die technischen Spezifikationen allen Bietern gleichermaßen zugänglich sind und die Öffnung der Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht ungerechtfertigt behindert werden. Sie sind daher so genau zu fassen, dass sie den Bietern ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln. Es wird empfohlen, die umweltfreundliche Beschaffung durch Schwerpunktsetzung schrittweise anzugehen. 3.4 Umweltzeichen Gem. 8 EG Abs. 5 VOL/A ist es zulässig, die in Umweltzeichen definierten Kriterien als Leistungs- und Funktionsanforderungen zu verwenden. Ein bloßer Verweis auf die Vergabegrundlagen zu den Umweltzeichen ist nicht zulässig (siehe 8 EG Abs. 2 Nr. 1 VOL/A). Es ist nicht zulässig den Bieter herausfinden zu lassen, welches die Spezifikationen im Einzelnen sind. Die Anforderungen, die das Umweltzeichen aufstellt und die die Vergabestelle übernehmen möchte, müssen vielmehr in der Leistungsbeschreibung ausdrücklich benannt werden. In der Ausschreibung muss darauf geachtet werden, dass neben dem Nachweis durch das Umweltzeichen ausdrücklich der Nachweis durch andere geeignete Beweismittel zugelassen wird. Andere Nachweise können beispielsweise technische Unterlagen des Herstellers oder Prüfberichte anerkannter Stellen sein. Hilfestellung bei der Suche nach umweltfreundlichen (Produkt-) Alternativen, die den Beschaffungszweck ebenso gut erreichen, bieten Umweltzeichen und andere Labels (bspw. an (siehe Anlage 9). Seite 18 von 24
19 Die Hinzuziehung von Umweltzeichen bedeutet für die Beschaffung eine erhebliche Vereinfachung. Umweltzeichen sind Kennzeichen/Label, mit denen eine oder mehrere bestimmte Umwelteigenschaften eines Produktes oder Dienstleistung belegt werden sollen und auf Antrag vergeben werden. So können Spezifikationen verwendet werden, die in europäischen, multinationalen oder anderen Umweltzeichen definiert sind ( 8 EG Abs. 5 VOL/A, EuGH-Urteil vom C 368/10). Die Anforderungen an die Umweltzeichen werden gem. 8 EG Abs. 5 VOL/A kumulativ wie folgt bestimmt: das Umweltzeichen muss zur Definition der Merkmale des Auftragsgegenstandes geeignet sein, die Anforderungen an das Umweltzeichen müssen auf der Grundlage von wissenschaftlich abgesicherten Informationen ausgewertet werden, das Erlassverfahren für das Umweltzeichen muss interessierten Kreisen wie staatlichen Stellen, Verbrauchern, Herstellern, Händlern und Umweltorganisationen eine Teilnahmemöglichkeit eröffnen und das Umweltzeichen muss für alle Betroffenen zugängig und verfügbar sein. Dies trifft auf Umweltzeichen zu, die durch die DIN EN ISO Umweltkennzeichnung Typ I zertifiziert sind: wie der Blaue Engel, der Nordische Schwan und die Euroblume. 14 Liegen diese Voraussetzungen vor, so können im Verfahren Waren oder Dienstleistungen, die damit ausgestattet sind, als die technischen Anforderungen erfüllend unterstellt werden. Umweltkriterien können Teil der geforderten Eigenschaften des Auftragsgegenstandes sein, solange sie notwendig sind, um den vorgegebenen Zweck zu erreichen und sich auf den Auftragsgegenstand beziehen. Eine beispielhafte Auflistung gängiger Zertifikate, Gütesiegel und Prüfsiegel, die neben Umweltkriterien auch soziale Kriterien berücksichtigen ist Anlage zu diesem Leitfaden. 14 Siehe Ratgeber Umweltfreundliche Beschaffung des UBA, S. 8 (Standort des Ratgebers: Bibliothek des Referates RF 5, Standort Offenbach) Seite 19 von 24
20 3.5 Zuschlagskriterien Als Zuschlagskriterien kommen verschiedene Kriterien in Betracht wie z.b. Preis, Qualität, Betriebskosten, Kundendienst, Lebenszykluskosten, Umwelteigenschaften ( 19 EG Abs. 9 VOL/A). Bedingung für die Einbeziehung der Zuschlagskriterien ist jedoch, dass auch diese Kriterien durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt sein müssen, in den Vergabeunterlagen aufgeführt sind und den Grundsätzen der Gleichbehandlung, der Nichtdiskriminierung und der Transparenz entsprechen. Zuschlagskriterien und somit auch die Umweltkriterien sind dann durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, wenn es sich bei diesen Kriterien um Eigenschaften handelt, die dem Produkt oder der Dienstleistung unmittelbar anhaften. Unter den vorgenannten Bedingungen können auch Umweltkriterien gewählt werden, die die Produktionsphase des Auftragsgegenstandes betreffen. Beispiel: Der Auftraggeber kann fordern, dass das Holz, aus dem Büromöbel gefertigt werden sollen, aus nachweislich legaler und nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammen soll. Unzulässig wäre es jedoch z.b. als Kriterium die Verwendung von Recyclingpapier in den Büros des Büromöbelherstellers zu bewerten, weil sich dieses Kriterium ausschließlich auf das allgemeine Umweltverhalten des Bieters bezieht und kein Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob Zuschlagskriterien aus Umweltschutzgründen zulässig sind, die zu einer Einengung auf wenige oder sogar auf einen einzelnen Bieter führen. Der EuGH hat hierin im Concordia Bus -Urteil hier waren nur wenige Bieter in der Lage, die vom Auftraggeber aufgestellten Kriterien zu erfüllen noch keine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes gesehen. 3.6 Lebenszykluskosten / Betriebskosten Werden in geeigneten Fällen nach 4 Abs. 6 Nr. 2 b) VgV minimierte Lebenszykluskosten oder die Ergebnisse einer vergleichbaren Methode zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit gefordert (vgl. Nr. 3.3), können diese miteinander verglichen werden. Im betriebswirtschaftlichen Sinne umfassen die Lebenszykluskosten neben den Energiekosten unter anderem auch Anschaffungs-, Schulungs-, Entsorgungs- und Abschreibungskosten. Die so verstandenen Lebenszykluskosten darf der Auftraggeber ohnehin bei der Wertung berücksichtigen. Dies stellt 19 EG Abs. 9 VOL/A klar, der ausdrücklich von Lebenszykluskosten spricht. Insofern kann mit dem Seite 20 von 24
21 Begriff der Lebenszykluskosten im Sinne des 4 Abs. 6 Nr. 2 a) VgV nicht die betriebwirtschaftliche Kategorie der Lebenszykluskosten gemeint sein. Mit dem Begriff der Lebenszykluskosten ist im Vergaberecht ein viel engerer minimierter Teilausschnitt aus dem weiten Spektrum der Lebenszykluskosten im Sinne der Betriebswirtschaft gemeint: Der im Verlauf des Lebenszyklus eines Gerätes typischerweise anfallende Nutzungsmix von Betriebsarten und der daraus resultierende Energieverbrauch wird in Stromkosten umgerechnet. Das Angebot mit den niedrigsten minimierten Lebenszykluskosten /Stromkosten ist zugleich das energieeffizienteste und damit, auf den Energieverbrauch bezogen, das wirtschaftlichste. Eine Analyse minimierter Lebenszykluskosten ist demnach immer dann notwendig, wenn das zu beschaffende Gerät in verschiedenen Betriebsarten mit variierendem Energieverbrauch betrieben wird. Derartig variierenden Energieverbrauch weisen beispielsweise Lüftung, Heizung, Klimaanlage ( an, aus, stark, schwach, warm, kalt ) oder Arbeitsplatz-PC, Zentraler-Daten-Server und Drucker auf ( an, aus, standby, Leerlauf, Volllast ). Um die Angaben im Rahmen der Analyse minimierter Lebenszykluskosten / Stromkostenberechnung gegebenenfalls auch überprüfen zu können, müssen Angaben zum Energieverbrauch für alle Betriebsarten, auch für die Betriebsbereitschaft, angefordert werden. Geeignete Fälle für die Forderung einer Analyse der minimierten Lebenszykluskosten können in der Beschaffung langlebiger Produkte mit zunächst höheren Anschaffungskosten liegen, deren Erwerb sich jedoch anhand einer solchen Analyse im Hinblick auf geringere Lebenszeit-Energiekosten als wirtschaftlich sinnvoll erweisen kann. Die Forderung einer Analyse minimierter Lebenszykluskosten ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Ergebnis für die Angebotswertung erheblich ist. In diesem Fall wird ein eigenes Zuschlagskriterium Lebenszykluskosten empfohlen. Fazit: Bei der Berechnung minimierter Lebenszykluskosten wird der Energieverbrauch eines energieverbrauchsrelevanten Produktes in umgerechnet. Es handelt sich somit um einen Teilausschnitt der Betriebskostenberechnung, die ohnehin bei Produkten mit einer langen Nutzungsdauer aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit durchzuführen ist. 4 Abs. 9 VgV eröffnet den öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit, den Energieverbrauch und die Umweltauswirkungen von Straßenfahrzeugen ebenfalls finanziell zu bewerten. Die Berechnungsweise der finanziellen Bewertung über die Gesamtlebensdauer des Fahrzeugs ist in Anlage 3 der VgV zu finden. Ein Berechnungsbeispiel ist dem Produktblatt für Personenfahrzeuge und leichte Nutzfahrzeuge als Anlage beigefügt. Seite 21 von 24
22 3.7 Auftragsausführung / Vertragliche Regelungen Auch in der Phase der Auftragsausführung können nachhaltige Umweltaspekte in Form von Vertragklauseln umgesetzt werden. Z.B. können Anforderungen an die Lieferung von Ware und ihre Verpackung und an die Rücknahme der Verpackung oder nicht mehr brauchbaren Produkten gestellt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass sich die Anforderungen konkret auf die Auftragsausführung beziehen. Jedoch ist zu beachten, dass Regelungen in der Auftragsausführung unzulässig sind, wenn sie Bieter diskriminieren. Über Vertragsbedingungen, die für den Vertragspartner verpflichtend sind, können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags gestellt werden. Es bietet sich auch an, sich für die in einer Leistungsbeschreibung geforderten Angaben z.b. zur Energieeffizienz über eine Garantiezusage im Vertrag Rechte zu sichern. Denn im Regelfall wird sich erst nach Inbetriebnahme herausstellen, dass z.b. die Energieeffizienzangaben die in der Leistungsbeschreibung gemacht worden sind, von dem Gerät nicht erfüllt werden. 3.8 Soziale Kriterien oberhalb der Schwellenwerte Zu den sozialen Belangen einer supranationalen Ausschreibung gibt es keine Handhabung, die Subunternehmer der deutschen Lieferanten zu kontrollieren. Deshalb ist die Forderung von einigen sozialen Kriterien wie z.b. Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen kritisch zu sehen. Auch bei der Einbeziehung sozialer Kriterien in Vergabeverfahren sind die vergaberechtlichen Grundsätze von Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Verhältnismäßigkeit der Anforderungen zu beachten. Weiter müssen die Anforderungen in Form der sozialen Kriterien im sachlichen Zusammenhang mit der Auftragsausführung stehen und sich aus der Leistungsbeschreibung ergeben. Die Möglichkeit zur Berücksichtigung von sozialen Aspekten bei der Eignung ist im Allgemeinen auf ein Minimum beschränkt. Der einzige soziale Aspekt, der im Rahmen der Eignungsprüfung ausdrücklich erwähnt wird, ist die Zahlung der Sozialbeiträge ( 6 EG Abs. 6 d) VOL/A). Sie steht im Zusammenhang mit den für die Zuverlässigkeit des Bewerbers bzw. Bieters relevanten gesetzlichen Pflichten zur Rechtstreue und Zahlung von Abgaben. Zu der in 97 Abs. 4 GWB geforderten Gesetzestreue eines Unternehmers zählt auch, dass der Unternehmer die Einhaltung von Mindestlohnregelungen (Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen) sicherstellt. Seite 22 von 24
23 In der Leistungsbeschreibung können geeignete soziale Aspekte dann berücksichtigt werden, wenn sie den Leistungsgegenstand nach Art, Eigenschaft und Güte beeinflussen. Am zweckmäßigsten erscheint jedoch die Möglichkeit, soziale Aspekte im Rahmen der Vertragsausführung einzubeziehen. Über Vertragsbedingungen, die für den Vertragspartner verpflichtend sind, können zusätzliche Bedingungen für die Ausführung des Auftrags gestellt werden. So ist es durch eine Vertragsklausel möglich, z.b. auf die Durchsetzung der Grundprinzipien und Kernarbeitsnormen der IAO15 hinzuwirken. Beispiele für eine vertragliche Regelung finden sich auch im Leitfaden Die Berücksichtigung sozialer Belange im Vergaberecht 16 des Deutschen Städtetags. 3.9 Nachhaltigkeitskriterien unterhalb der Schwellenwerte Begriffe und Instrumente wie Umweltzeichen und Umweltmanagementsysteme sind in den Regelungen zu den Unterschwellenverfahren nicht enthalten. Weder im Haushaltsrecht noch im ersten Abschnitt der VOL/A sind Regelungen zur Berücksichtigung sozialer und ökologischer Kriterien enthalten. Einzig in 16 Abs. 8 VOL/A sind Umwelteigenschaften und Lebenszykluskosten aufgeführt, die bei der Entscheidung über den Zuschlag als Kriterien berücksichtigt werden können. Das bedeutet jedoch nicht, dass solche Kriterien im Unterschwellenbereich nicht vorgesehen werden können. Die Anwendung der in den letzten Jahren getroffenen Regelungen zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsaspekten in Vergabeverfahren kann nicht von der Höhe eines geschätzten Auftragswertes abhängig gemacht werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die Vorgabe von Umwelteigenschaften und die Nutzung von Umweltzeichen im Rahmen einer Leistungsbeschreibung gem. 7 Abs. 2 Satz 2 VOL/A ebenso zulässig ist wie im Oberschwellenbereich, soweit die Grundfreiheiten des EU-Vertrages (Grundsätze der Nichtdiskriminierung, Gleichbehandlung und Transparenz) eingehalten werden 17. Es ist also auch im Unterschwellenbereich möglich Umwelteigenschaften zu fordern, ohne dass dies so ausdrücklich in Abschnitt 1 der VOL/A geregelt ist. Dies lässt sich insbesondere daraus ableiten, dass eine funktionale Leistungsbeschreibung die Freiheit einräumt, technische Neuerungen anzubieten (siehe auch Anhang IV zur VOL/A Kapitel III Erläuterungen zu 7 Abs. 2, Abs. 3 VOL/A. 15 Die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organization, ILO) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen und damit beauftragt, soziale Gerechtigkeit sowie Menschen- und Arbeitsrechte zu befördern. [ siehe Handbuch für die umweltfreundliche Beschaffung, Teil B 8 Nr. 6.1 Seite 23 von 24
24 Hinzu kommt, dass das KrWG, die AVV-EnFF, der gemeinsame Erlass zur Beschaffung von Holzprodukten sowie das Maßnahmenprogramm der Bundesregierung Nachhaltigkeit in Verwaltungshandeln umsetzen auch bei Unterschwellenverfahren anzuwenden sind. Auch soziale Kriterien können in Unterschwellenverfahren beispielweise im Prozess der Auftragsausführung berücksichtigt werden. Der in einem Vergabeverfahren abzuschließende Vertrag unterfällt der Privatautonomie. Der hiermit einhergehende Grundsatz der Vertragsfreiheit ermöglicht es öffentlichen Auftraggebern somit, auch soziale Belange im Verfahren oder aber im abzuschließenden Vertrag zu berücksichtigen Ansprechpartner Freiburg: Offenbach: Günter Leukel Elisabeth Heiny Nicole Bielewicz Benedikt Amann Angelika Kipper Joachim Unger Richard Krüger 18 Siehe vom Nachhaltige Beschaffung soziale und ökologische Kriterien im Vergabeverfahren. Seite 24 von 24
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