Überlegungen zu den Auswirkungen der Finanzkrise
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- Ulrich Hofmeister
- vor 8 Jahren
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1 Überlegungen zu den Auswirkungen der Finanzkrise Vortrag anlässlich des DRZW-Seminars Die Finanz- und Wirtschaftskrise in Deutschland und Russland Dresden, 1. Oktober 2009 Prof. Dr. Peter Reichling Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Lehrstuhl für Finanzierung und Banken 1
2 Themenkreise 1 Bonitätsspread und Risikoaversion 2 Geldmenge und Inflationserwartung 3 Zinsstruktur und -prognose 4 Thesen 2
3 1. Bonitätsspread und Risikoaversion 150 Spread 1-Monats-Euribor vs. 1-Monats-Eurepo 3 Basispunkte Jan. 07 Jul. 07 Jan. 08 Jul. 08 Jan. 09 (1) Aug. 2007: IKB / Sachsen LB (2) Nov. 2007: Milliardenabschreibungen bei Großbanken (3) Sept. 2008: Lehman Brothers / Washington Mutual / Hypo Real Estate 3
4 1. Bonitätsspread und Risikoaversion 80% 3 DAX-Volatilität 60% 40% 20% 1 2 0% Jan. 07 Jul. 07 Jan. 08 Jul. 08 Jan. 09 (1) Aug. 2007: IKB / Sachsen LB (2) Jan. 2008: Rezessionsängste; am schwarzen Montag ( ) fällt der DAX um über 7 % (3) Sept. 2008: Hypo Real Estate benötigt Staatshilfen / Lehman Brothers 4
5 1. Bonitätsspread und Risikoaversion Der EURIBOR (LIBOR bzw. FIBOR) galt Jahrzehnte lang als Proxy für den risikolosen Zinssatz (Bonitätsspread wenige Basispunkte) Im Verlauf der Finanzkrise (Vertrauenskrise) erreichte der Bonitätsspread ggü. EUREPO deutlich über 100 Basispunkte Die Refinanzierung auf EURIBOR-Basis kann relativ teuer sein (auch wenn der Bonitätsspread inzwischen wieder gesunken ist) Kundenseitig wird bei variabel verzinslichen Krediten (inkl. Swaps) die EURIBOR-Basis häufiger in Frage gestellt werden Einlagenseitig wird inzwischen bereits häufig auf Basis des EZB-Hauptrefinanzierungszinssatzes verzinst 5
6 1. Bonitätsspread und Risikoaversion Vertrauenskrisen äußert sich in deutlich gestiegener Risikoaversion (vgl. Platzen der.com-blase) Bei höherer Risikoaversion steigen die geforderten Risikoprämien (Kapitalkosten) Gestiegene Risikoprämien äußern sich in gesunkenen Preisen Zudem erhöhen in Crash-Perioden gestiegene Volatilitäten die geforderte Risikoprämien Bei höherem Risiko wird die Absicherung teuerer (Optionspreise steigen mit der Volatilität) 6
7 Themenkreise 1 Bonitätsspread und Risikoaversion 2 Geldmenge und Inflationserwartung 3 Zinsstruktur und -prognose 4 Thesen 7
8 2. Geldmenge und Inflationserwartung 6% Spitzenrefinanzierungszinssatz Prozentpunkte 4% 2% Euribor (1 Woche) Euribor (1 Woche) Hauptrefinanzierungszinssatz Einlagenzinssatz Reduzierung der Spanne 0% Jan. 07 Jul. 07 Jan. 08 Jul. 08 Jan. 09 Jul. 09 Zunächst stiegen die Interbanken-Zinssätze; durch die Zinssatzsenkungen der EZB konnten aber die Interbanken-Zinssätze beeinflusst werden 8
9 2. Geldmenge und Inflationserwartung Mrd. Euro Höhere Liquidität; unbeschränkte Refinanzierungsfazilitäten Refinanzierungsvolumen Differenz Einlagen 0 Jan. 07 Jul. 07 Jan. 08 Jul. 08 Jan. 09 Die Vertrauenskrise auf dem Interbankenmarkt und die Interventionen der EZB führten zu steigender Refinanzierung bei der EZB; gleichzeitig wuchsen auch die Einlagen bei der EZB Die EZB übernimmt (teilweise) den Interbanken- Geldmarkt 9
10 2. Geldmenge und Inflationserwartung Gestiegene Einlagen und Kreditaufnahmen bei der EZB zeigen, dass die EZB den wenig liquiden Interbanken- Geldmarkt ersetzt Teilweise legen Kreditinstitute bei der EZB zu ungünstigeren Konditionen an als auf dem Interbanken-Geldmarkt Zudem führt die geringere Liquidität am Swap-Markt (in Verbindung mit gestiegenen Bonitätsspreads) dazu, dass Kreditinstitute ihre präferierte Risikoposition nicht mehr erreichen können 10
11 2. Geldmenge und Inflationserwartung Wegen der geringen Liquidität am Interbanken-Geldmarkt ist die EZB-induzierte Geldmengenerhöhung noch nicht in der Kreditwirtschaft angekommen Bei Wiederbelegung des Interbanken-Geldmarktes greift der Geldschöpfungsmultiplikator Eine gestiegene Geldmenge bei gleichzeitigem Rückgang der produzierten Güter und Dienstleistungen lässt eine mittelfristige Inflationserwartung zu 11
12 Themenkreise 1 Bonitätsspread und Risikoaversion 2 Geldmenge und Inflationserwartung 3 Zinsstruktur und -prognose 4 Thesen 12
13 3. Zinsstruktur und -prognose Investoren finanzierten den Kauf langfristiger Mortgage-backed Securities durch Emission kurzfristiger Papiere (z.b. Asset-backed Commercial Papers) Prozentpunkte Zinsstrukturkurve (Bundeswertpapiere - Jan. 2004) Asset-backed Commercial Papers Laufzeit (Jahre) Mortgage-backed Securities 13
14 3. Zinsstruktur und -prognose Die Fristentransformation (Riding Down the Yield Curve) liefert bei normaler Zinsstruktur einen Strukturbeitrag Die Transformation kürzerfristiger Privatkundeneinlangen in längerfristigere Firmenkundenkredite ist im deutschen Hausbanksystem volkswirtschaftlich erstrebenswert Bei reinen Kapitalmarkttransaktionen muss der Term Spread auch darauf geprüft werden, welche Risikoprämie er enthält (Stichworte: Leverageeffekt, Liquidität) 14
15 3. Zinsstruktur und -prognose Historisch überwiegt eine normale Zinsstruktur; kurzfristige Zinssätze schwanken stärker als langfristige Mittlere Spot-Rates (Anfang Mitte 2004; Basis ca Swap-Curves) 10% 8% Swap-Rate 6% 4% 2% 0% Mittel - 1 Vola Mittel Mittel + 1 Vola Laufzeit 15
16 3. Zinsstruktur und -prognose Bei normaler Zinsstruktur liegen die Forward Rates über den korrespondierenden Spot Rates 8% Mittlere Swap-, Spot- und Forward-Rates (Anfang Mitte 2004; Basis ca Swap-Curves) Rate 7% 6% Laufzeit Swap-Rates Spot-Rates Forward-Rates 16
17 3. Zinsstruktur und -prognose Statistisch können die Forward Rates die zukünftigen Spot Rates nicht vorhersagen Prognosefähigkeit der Forward-Rate 1/2 für die zukünftige Ein-Jahres-Spot-Rate (Lag 1 Jahr) 15% Ein-Jahres-Spot-Rate (Lag 1 Jahr) 10% 5% 0% 0% 5% 10% 15% Forward Rate 1/2 17
18 Themenkreise 1 Bonitätsspread und Risikoaversion 2 Geldmenge und Inflationserwartung 3 Zinsstruktur und -prognose 4 Thesen 18
19 4. Thesen Die Vertrauenskrise hat zu aufgrund gestiegener Risikoaversion zu einem gestiegenen Bonitätsspread bei der Refinanzierung am Interbankenmarkt geführt; diese relative Verteuerung wird bei gestiegener Zuversicht wieder abnehmen Die geldpolitischen Maßnahmen der EZB haben die Geldmenge noch nicht spürbar erhöht; mit wachsender Geldschöpfung kann eine zunehmende Inflationsrate erwartet werden Die Inflationserwartung ist am Kapitalmarkt noch nicht eingepreist; allerdings lassen aktuelle Forward-Rates keine zuverlässige Zinsprognose zu 19
20 4. Thesen Die Finanz- und die Wirtschaftskrise sollten voneinander getrennt betrachtet werden Unternehmen haben in Aufschwungjahren bei ausgeschöpften Kapazitäten kaum Bedarf zu Modernisierungs- oder Rationalisierungsinvestitionen; der Nachholbedarf begünstigt Kreditanfragen von Firmenkunden, hat aber ungünstige Folgen für den Arbeitsmarkt Dieser Effekt trifft die neuen Bundesländer weniger, weil hier tendenziell mit jüngeren Technologien produziert wird Unternehmen scheinen sich auf eine baldige Erholung einzustellen (weniger elastische Arbeitskräftepolitik) 20
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