Inhaltliche Standards für eine Verbraucherbildung in Schulen
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- Rolf Beltz
- vor 8 Jahren
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1 Inhaltliche Standards für eine Verbraucherbildung in Schulen Schülerinnen und Schüler sind aktive und einflussreiche Konsumenten. Sie verfügen über eine hohe Kaufkraft (6 13-Jährige im Jahr 2005 = 6 Milliarden Euro), zeichnen sich durch vermeintlich hohes Markenbewusstsein aus und beeinflussen in nicht unerheblichem Maße Kaufentscheidungen ihrer Eltern. Gleichwohl sind Kinder und Jugendliche nicht automatisch aufgeklärte und mündige Verbraucher. Laut Institut für Jugendforschung in München haben sechs Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren durchschnittlich 370 Euro Schulden, 13 Prozent der 18- bis 20-Jährigen stehen bereits mit Euro in der Kreide. Immer mehr Jungen und Mädchen sind zudem schon bei der Einschulung übergewichtig und/oder leiden an ernährungs- bzw. haltungsbedingten Krankheiten. Der Anteil übergewichtiger Kinder im Alter von sechs Jahren stieg zwischen 1996 und 2004 um knapp 20 Prozent. Jeder fünfte Hauptschulabgänger ist mittlerweile übergewichtig oder fettsüchtig. Es ist sicherlich nicht Aufgabe der Schule, neben den vielen Aufgaben, die ihr aufgrund von Erziehungsdefiziten im Elternhaus inzwischen übertragen worden sind, auch noch individuelles Fehlverhalten beim Konsum zu korrigieren. Dennoch muss sie sich auch der Verbraucherbildung widmen. Konsum zeitigt nämlich nicht nur individuelle, sondern auch gesellschaftliche Konsequenzen. Fehlernährung zum Beispiel führt nicht nur zu den beschriebenen gesundheitlichen Problemen beim Einzelnen, sondern belastet durch erhöhte Aufwendungen der Krankenkassen oder durch notwendige Aufklärungskampagnen zum Gegensteuern auch die Etats von Ministerien und damit die öffentliche Hand. Unüberlegte Geldausgaben können nicht nur Privathaushalte aktuell in finanzielle Schwierigkeiten bringen, sondern sich auch in den Ausgaben der Sozialhaushalte niederschlagen. Denn öffentliche Kassen müssen Schuldner- oder Familienberatungsstellen finanzieren, um die Folgen dieses Missmanagements zu bearbeiten oder durch Leistungen der Sozialhilfe abzufedern. Darüber hinaus liegt es im gesamtgesellschaftlichen Interesse, dass junge Menschen frühzeitig die Folgen des eigenen Konsumverhaltens auf die konjunkturelle Entwicklung kennenlernen. Der private Konsum gilt als entscheidender Faktor für die anhaltend schwache Binnenkonjunktur in Deutschland. Mit einem Anteil von 62 Prozent an der volkswirtschaftlichen Gesamtnachfrage hat er die größte Hebelwirkung auf das Wirtschaftswachstum. Ebenso kann eine einseitige Orientierung der Verbraucher beim Kauf von Produkten am Kriterium Preis dazu führen, dass qualitätsorientiert arbeitende Hersteller gegenüber Billiganbietern ins Hintertreffen geraten. Mögliche Folgen sind Wettbewerbsverdrängungen, die nicht nur zum Abbau von Arbeitsplätzen führen können, sondern letztlich auch die Wahlmöglichkeiten des Einzelnen erheblich einschränken.
2 Seite 2 von 5 Unser marktwirtschaftliches Ordnungssystem wird immer komplexer. Technisierung und Globalisierung führen zu immer neuen Entwicklungen und Angeboten, die für den Einzelnen zunehmend intransparenter werden. Dem stehen immer weniger Möglichkeiten für Kinder und Jugendliche gegenüber, im Zuge des Heranwachsens eigene Erfahrungen zu sammeln und sich in unserer ökonomisch geprägten Gesellschaft zurechtzufinden. Für viele Jungen und Mädchen steht fest, dass Kühe lila sind oder der Strom aus der Steckdose und das Geld aus dem Automaten kommen. Gemäß Paragraf 2, Absatz 3 des nordrhein-westfälischen Schulgesetzes vermittelt die Schule die zur Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Werthaltungen und berücksichtigt dabei die individuellen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler. Sie fördert die Entfaltung der Person, die Selbstständigkeit ihrer Entscheidungen und Handlungen und das Verantwortungsbewusstsein für das Gemeinwohl, die Natur und die Umwelt. Schülerinnen und Schüler werden befähigt, verantwortlich am sozialen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen, beruflichen, kulturellen und politischen Leben teilzunehmen und ihr eigenes Leben zu gestalten. Die Ziele der Verbraucherbildung fügen sich nahtlos in den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule ein. Schülerinnen und Schüler sollen die für ihre Rolle als Verbraucherinnen und Verbraucher notwendigen Kenntnisse, Fähigkeiten und Verhaltensweisen erlernen und einüben. Angestrebt wird ein rechtlich und ökonomisch kompetenter Verbraucher, der seine Konsumentscheidungen in sozialer und ökologischer Verantwortung trifft. Klar ist, dass es sich dabei um das Idealbild eines Verbrauchers handelt, dem sich Schule immer nur annähern kann. Verbraucherbildung ist seit langem unbestrittenes Aufgabenfeld der allgemein bildenden Schulen. Entsprechende Zielsetzungen finden sich in unterschiedlichen Fächern und Lernbereichen (Arbeitslehre, Sozialwissenschaft, Wirtschaft/Politik usw.), weil diese komplexe Aufgabe nicht von einem einzelnen der vorhandenen Schulfächer geleistet werden kann. Die Vielzahl von Fächern, die konsumrelevante Ziele verfolgen, hat jedoch nicht dazu geführt, dass die Aufgaben der Verbraucherbildung von den Schulen hinreichend wahrgenommen werden. Notwendig ist daher eine sehr viele höhere Verbindlichkeit, mit der Konsumthemen im Unterricht behandelt werden müssen. Notwendig ist die Vorgabe von inhaltlichen Standards für die Verbraucherbildung, die sicherzustellen, dass Schüler und Schülerinnen aller Schulformen die für die Wahrnehmung ihrer Rolle als Verbraucher notwendigen Kompetenzen tatsächlich auch erlangen können. Wichtig ist dabei, dass die Themen vor allem aus Sicht der betroffenen Marktteilnehmer und nicht aus dem Blickwinkel von Unternehmen vermittelt werden. Das heißt, Informationen, Unterrichtsmaterialien etc. müssen aus anbieterunabhängiger Perspektive aufbereitet werden, was nicht ausschließt, dass auch Unternehmensinteressen thematisiert werden. Diese müssen nur als solche benannt werden.
3 Seite 3 von 5 Zusätzlich bedarf es weit reichender Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer, beispielsweise durch einschlägige Angebote in der Lehreraus- und -fortbildung. Angesichts der sich permanent weiterentwickelnden Wirtschaft müssen Erfahrungen aus der Verbraucherarbeit kontinuierlich in die Bildungspraxis einfließen. Lehrer müssen die Möglichkeit haben, sich regelmäßig mit Erkenntnissen der Verbraucherarbeit vertraut zu machen, um Schüler und Schülerinnen für den Konsumalltag fit zu machen. Dies gilt um so mehr, als gerade Bildungseinrichtungen ein beliebtes Tätigkeitsfeld von Anbietern geworden sind und Unterrichtende sowie Schüler/innen lernen müssen, mit der Einflussnahme von Unternehmen auf den Bildungssektor umzugehen. Die Verbraucherzentrale NRW legt hiermit inhaltliche Standards für die Verbraucherbildung vor. Sie will damit Denkanstöße geben, um eine bildungspolitische Diskussion in Gang zu setzen. Die Standards zielen auf folgende drei Kompetenzbereiche ab: 1. Allgemeine Konsumkompetenz 2. Finanzielle Kompetenz 3. Nachhaltige und gesundheitliche Kompetenz in deren Rahmen Schülerinnen und Schüler folgende Kenntnisse und Fertigkeiten erwerben sollten: 1. Allgemeine Konsumkompetenz Verbraucherrechte und deren Durchsetzung (zum Beispiel: Garantie/Gewährleistung, Widerrufsrechte, Möglichkeiten der Nutzung von Rechtsberatungen...) Mediennutzung im Hinblick auf finanzielle Aspekte (zum Beispiel: Online-Shopping, Mobilfunk...) Beschaffung von notwendigen produkt- und konsumrelevanten Informationen (zum Beispiel: Nutzung von Beratungsdiensten, Kenntnis von wesentlichen schriftlichen/elektronischen Informationsquellen, Tests...) Qualitätskriterien von Produkten (zum Beispiel: Genusswert, Eignungswert, Folgekosten, Tauglichkeit, Produktsicherheit...) Produktnutzen (zum Beispiel: Kosten-Nutzen-Analysen, objektiver und subjektiver Nutzen...) Preise und Angebote (zum Beispiel: Entstehung und Gestaltung von Preisen, Preisvergleiche,
4 Seite 4 von 5 Angebotsformen, Lockangebote...) Wechselwirkung zwischen Angebot und Nachfrage Werbung und Marketing (zum Beispiel: Absichten,, Wirkungsweisen, Methoden, Formen...) Bedürfnisse (zum Beispiel: Entstehung von Bedürfnissen, Motivation, Reflexion, Konsumalternativen...) Wirkungsweisen von Trends, Lebensstilen und Moden (zum Beispiel: Beeinflussung von Konsumentscheidungen, Reflexion der eigenen Abhängigkeit, Trendforschungsergebnisse...) 2. Finanzkompetenz Haushaltsführung (zum Beispiel: Verwaltung des eigenen Budgets, maßvolles Haushalten mit vorhandenen finanziellen Ressourcen...) Wohnen (zum Beispiel: Laufende Kosten, Mietverträge, Rechte und Pflichten...) Bank- und Geldgeschäfte (zum Beispiel: Verwaltung eines Bankkontos, Verständnis für grundlegende Bankgeschäfte und den alltäglichen Zahlungsverkehr, Anbieterinteressen...) Sparen und Geldanlage (zum Beispiel: Zinsen, Bedeutung, Ziele, Sparvertragsarten, Vermögenswirksame Leistungen...) Kredite (zum Beispiel: Abwägung von Kreditrisiken, Klein- und Großkredite, Ratenzahlungen...) Versicherungen (zum Beispiel: Wesentliche Versicherungsarten, Notwendigkeiten abwägen, Anbieterinteressen...) Altersvorsorge (zum Beispiel: Notwendigkeiten, Vergleich von Varianten, Perspektiven...) Lohn und Einkommen (zum Beispiel: Gehaltsauszug, Abzugsarten, Brutto und Netto...) 3. Nachhaltige und gesundheitliche Kompetenz ökologische Kriterien für Produkt- und Dienstleistungsentscheidungen (zum Beispiel Rohstoffverbrauch, Haushaltschemikalien, Abfallvermeidung und - verwertung, Auto- und Öffentliche Mobilität, Produktalternativen...)
5 Seite 5 von 5 soziale Kriterien für Produktentscheidungen (zum Beispiel: Fairer Handel, Unternehmensverantwortung (Corporate Sozial Responsibility, CSR), Folgen von Globalisierung, Arbeits- und Produktionsbedingungen, Kinderarbeit...) gesundheitliche Aspekte von Produkten (zum Beispiel: Mobilfunk, Kosmetik ) Grundaspekte richtiger/gesunder Ernährung (zum Beispiel gesundheitsfördernde Ernährung, Nahrungszubereitung...) Nutzen/Schaden von Nahrungsergänzungsmitteln und Zusatzstoffen Hintergründe und Bedingungen der Lebensmittelproduktion (zum Beispiel: Herkunft von Produkten, Produktionsbedingungen, Gentechnik, Transport...) Bedeutung von Kennzeichnungen und Siegeln (zum Beispiel: Produktkennzeichnungen, Bio- und Ökosiegel, Aussagekraft unterschiedlicher Kennzeichnungen...) Verbraucherzentrale NRW, Düsseldorf, im März 2006
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