Revitalisierung von Industriebauten Das Corporate Real Estate Management von Vattenfall Europe Berlin

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1 Revitalisierung von Industriebauten Das Corporate Real Estate Management von Vattenfall Europe Berlin Berlin Elektropolis Wandel einer Stadt im Industriezeitalter Viele historische Industriebauten sind längst zu attraktiven Gewerbe- und Kulturstandorten geworden. So haben sich die Tate Modern in London, die Centrale Montemartini in Rom oder das Vitra Design Museum in Berlin innerhalb kürzester Zeit zu Publikumsmagneten entwickelt. Gerade in Berlin zeugen zahlreiche Bauwerke von einer beispiellosen Industrialisierung im 19. Jahrhundert. Berlin war um 1900 nicht nur der größte, sondern auch der modernste Industriestandort Europas. Großunternehmen wie AEG und Siemens haben mit dem Berliner Energiedienstleister Bewag (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin) durch technische Innovationen den Aufbau einer modernen Stromversorgung in Berlin begründet und damit die Entwicklung in Deutschland maßgeblich beeinflusst. Zwischen 1925 und 1932 entstanden in Berlin unter anderem vierzehn große Abspannwerke. In denen wurde der von Großkraftwerken gelieferte Starkstrom auf die lokale Verteilungsspannung abgespannt. Verantwortlicher Architekt dieses Bauprogramms war Hans Heinrich Müller ( ), einst Regierungsbaumeister im Preußischen Kultusministerium, später leitender Architekt der Seite 1 von 5

2 damaligen Bewag. Nach Müllers Entwürfen entstanden in Berlin mehr als vierzig Stromverteilungsstationen. Heute sind sie auf Grund neuer technologischer Entwicklung überholt und haben ihren eigentlichen Zweck verloren. Die Gebäude aber stehen unter Denkmalschutz. Als Bauwerke der herausragenden Industrialisierung Berlins sind sie von großer Bedeutung. Sie gelten als gebaute Elektropolis. Ohne realisierbare Umnutzungskonzepte sind viele technische Denkmale jedoch dem Verfall preisgegeben. Berlins Energiedienstleister hat es sich in den letzten Jahren als Eigentümer der Immobilien zur Aufgabe gemacht, die Gebäude zu erhalten. Darüber hinaus werden mehr als m² Bruttogeschossfläche in ehemaligen Abspannwerken und Kraftwerken neuen wirtschaftlich trag- und umsetzbaren Nutzungen zugeführt. Zwischen 1997 und 1998 hat das Unternehmen für zahlreiche Immobilien dieser Art die systematische Bestandserfassung veranlasst und Konzepte entwickelt. Dazu gehören z. B. die Abspannwerke Leibniz, Buchhändlerhof, Scharnhorst und Marienburg sowie die Kraftwerke Schiffbauerdamm und Rummelsburg. Im Spannungsfeld zwischen Denkmalschutz, Wirtschaftlichkeit und Nutzerorientierung Der Erkenntnisprozess über die herausragende Qualität der Industriebauten hat Anfang der 80er Jahre eingesetzt, als Architekt Professor Dr. Paul Kahlfeldt begann, über Hans Heinrich Müller zu forschen. Vattenfall war sich der Denkmalwürdigkeit seiner Abspannwerke bewusst und hat die Verantwortung als Eigentümer in einem sehr umfangreichen, jährlich festgeschriebenen baulichen Instandhaltungsprogramm wahrgenommen. Umnutzungsstrategien wurden erarbeitet, um das denkmalpflegerische Ziel des baulichen Erhalts mit den wirtschaftlich umsetzbaren Zielen des Immobilieneigentümers im Rahmen eines stimmigen Gesamtkonzeptes in Einklang zu bringen und zielorientiert umzusetzen. Das Unternehmen musste das Gleichgewicht im so genannten magischen Dreieck von Einzeldenkmal, Denkmalschutz und Immobilienkonzeption herstellen. Als einer der großen Grundstückseigentümer in der Hauptstadt legte Vattenfall ein Konzept für das Immobilienportfolio fest. Dieses sah die Entwicklung von Vorhaltepolitik zu aktiver Verwertung vor. Dabei musste die besondere Immobiliensituation Berlins, die seit 1995 durch einen zunehmenden Leerstand und Preisverfall gekennzeichnet war, berücksichtigt werden. Entsprechend war die Nachfrage der professionellen, gewerblich tätigen Immobilien- Projektentwickler verhalten. Klassische Immobilieninvestoren und Kapitalsammelstellen wie Pensionskassen, Versicherungen und Immobilienfonds interessierten sich nur dann für diese Sondergebäude, wenn eine langfristige Mieterbindung erfolgte und der Umbau bereits abgeschlossen war, da so das Investitionsrisiko minimiert wurde. Für einzelne Gebäude jedoch kristallisierte sich eine potenzielle Käufergruppe heraus. Die ehemaligen Abspannwerke sind durch ihre Lage in nachgefragten Innenstadtbereichen und aufgrund der funktionalen Flächenzuschnitte und ökonomie besonders für Unternehmen aus den Bereichen Kommunikation, Medien, Informationstechnologie und Design nutzerseitig interessant und wirtschaftlich umsetzbar. Diese potenziellen Eigennutzer suchen vorzugsweise ehemalige Industriekomplexe, die der jeweiligen firmeneigenen Unternehmensphilosophie entsprechend eine architektonische und nutzungsspezifische Kombination aus klassischer Industriearchitektur der 20er Jahre und innovativen, kreativen Raumkombinationen anbieten können. Seite 2 von 5

3 Denkmal-Marketing Die Denkmal-Marketing-Strategien des Unternehmens tragen zu einer zeitnahen Umnutzung der ehemaligen Gebäude der Elektrizitätswirtschaft bei. Da die nach der Außerbetriebnahme erreichte Verfügbarkeit der Abspannwerke und Kraftwerke nur langsam bekannt wurde, stellte Berlins Energiedienstleister ab 1998 die Flächen auch für temporäre Kunst- und Kommerzprojekte zur Verfügung. Erfolgreiche Beispiele für diese Nutzungen sind Ausstellungskonzepte im Abspannwerk Paul-Lincke-Ufer, das Vitra-Design-Museum sowie das Opernprojekt Malpopita im Abspannwerk Humboldt. Durch anschauliche Dokumentationen, Publikationen und Ausstellungen wurde das Nutzungspotenzial der Komplexe, die auch unter veränderten Rahmenbedingungen langfristig zu erhalten sind, der interessierten Öffentlichkeit aufgezeigt. Im Jahr 2000 erhielt das Unternehmen vom Land Berlin die Ferdinand-von-Quast-Medaille, 2002 folgte der Preis für Denkmalpflege der Stiftung Denkmalschutz Berlin und im Jahre 2005 "Die Silberne Halbkugel", verliehen von dem Deutschen Nationalkommitee für Denkmalschutz. RTL, Vitra Design Museum, SPM und Vattenfall Europe Berlin: Beispiele zufriedener Nutzer und Revitalisierung durch Eigennutzung Mittlerweile hat Vattenfall in Zusammenarbeit mit den Architekten Professor Petra und Professor Dr. Paul Kahlfeldt, dem Landesdenkmalamt Berlin und unterschiedlichen Nutzern eine Reihe erfolgreicher Projekte realisiert. So zum Beispiel das 1926 erbaute Abspannwerk Humboldt in der Kopenhagener Straße im Prenzlauer Berg. Dort verbinden sich unterschiedliche Berliner Architekturtraditionen, wie Einflüsse Schinkels, dramatische Momente des deutschen Expressionismus und eine Kultur von Industriebauten. Der Bau wurde als Vitra Design Museum Berlin bekannt und bietet heute für namhafte kulturelle Projekte einen außergewöhnlichen Rahmen. Ein weiterer prominenter Nutzer der Denkmäler ist das Hauptstadtstudio von RTL, das sich im ehemaligen 1889 erbauten Kraftwerk Schiffbauerdamm in Mitte befindet. Das 1928 in der historischen Stadtmitte Berlins in der Mauerstraße errichtete Abspannwerk Buchhändlerhof ist heute Firmensitz eines Computer-Unternehmens. Orte wie dieses Abspannwerk symbolisieren den Anspruch, Funktionalität nicht ohne eine mindestens gleichwertige Ästhetik zu gewährleisten. Einem Anspruch, dem selten genug zur damaligen wie auch heutigen Zeit genügend Raum geboten wird, urteilt der Geschäftsführer. Es soll unsere Visitenkarte werden Identifikationspunkt für unsere Kunden wie auch die 200 Mitarbeiter. Auch die Firma MetaDesign ist seit 2001 mit ihrem neuen Firmenstandort im ehemaligen Abspannwerk Leibniz heute MetaHaus in der Leibnizstraße in Berlin-Charlottenburg sehr zufrieden. Das Ergebnis des Zusammenspiels zwischen Denkmalschutz, Wirtschaftlichkeit und Nutzerorientierung ist eine Architektur, die in idealer Weise die Unternehmenskultur von MetaDesign widerspiegelt, aber dabei dem besonderen Charakter des Hauses mit Respekt begegnet. Es wurde ein Ort gefunden, der es erlaubt, die Vorstellungen von moderner und humaner Arbeitsweise in idealer Weise zu realisieren. Das 1928 errichtete Großabspannwerk Scharnhorst in der Sellerstraße wurde nach seiner Außerbetriebnahme in den 90er Jahren wieder einer neuen, zukunftsfähigen Nutzung zugeführt. Der kompakte, axial-symmetrisch angelegte Bau ist das größte und bedeutendste Werk seiner Art. Es weist in seiner formalen Ausgestaltung, insbesondere mit den Faltungen Seite 3 von 5

4 an der Schaufassade zum ehemaligen Nordhafen, deutliche Anklänge an persische Architekturen auf. Im Juli 2006 ist hier das neue Vertriebszentrum von Vattenfall Europe eingezogen. Mit seinen kundenorientierten Organisationsstrukturen wird dieser Bereich an diesem Ort ideale räumliche Voraussetzungen für eine offene, kommunikative Arbeitsweise finden. Perspektiven für die Zukunft Vattenfall Europe Berlin zeigt mit dieser Umnutzungsstrategie, dass durch professionelles Denkmalmanagement der Denkmalwert eines Industriegebäudes gesichert, der Immobilienwert gleichzeitig gesteigert und durch die nachhaltige Nutzung ressourcenschonend gewirtschaftet werden kann. Nachdem die damalige Bewag erfolgreich einen Markt für denkmalgeschützte Umspannwerke geschaffen hatte, stellt sich nun die Aufgabe, einen Markt für denkmalgeschützte ehemalige Kraftwerke zu gestalten. Weitere erfolgversprechende Ansätze bestehen dabei für das Kraftwerk Charlottenburg. Hierzu hat das Unternehmen 2002/03 einen Studentenwettbewerb ausgelobt. Die große Beteiligung von Studenten und vor allem die planerische Qualität der Wettbewerbsbeiträge haben die Erwartungen der Initiatoren weit übertroffen. Es wurden realisierungsfähige Vorschläge gemacht, die für den Eigentümer Basis für weitere Gespräche mit den Genehmigungsbehörden und potenziellen Investoren bilden und konkrete Umsetzungschancen bergen. Das Wettbewerbsergebnis war für Berlins Energiedienstleister Ansporn und Verpflichtung zugleich. Aus diesem Grunde wurde 2003/2004 ein weiterer studentischer Ideenwettbewerb ausgeschrieben: Der Hans Heinrich Müller Preis 2004, der anlässlich des 125. Geburtstages des ehemaligen Chefarchitekten am 20. April 2004 verliehen wurde. Die Arbeiten zeigen vielfältige Revitalisierungskonzepte für das denkmalgeschützte, ehemalige Abspannwerk Wilhelmsruh auf. Die Chancen des Abspannwerkes Wilhelmsruh für eine baldige Umnutzung sind deutlich gestiegen. Die große Resonanz zeigt eine deutliche Steigerung des Interesses junger Planer an den Vattenfall-Bauten und der Bekanntheit des Wettbewerbes. Vattenfall hatte deshalb auch den Hans Heinrich Müller Preis 2006 für einen studentischen Ideenwettbewerb ausgelobt. Thema war die Umnutzung des Kraftwerkes Elbe in Vockerode. An diesem Standort sieht Vattenfall erfolgversprechende Ansätze für eine immobilienwirtschaftliche und denkmalgerechte Entwicklung eines ehemaligen Kraftwerkgeländes Das Corporate Real Estate Management von Vattenfall Europe Berlin in Zahlen und Daten Über 280 Mio. Verkaufserlöse von 1998 bis m² Flächen, die verkauft und umgenutzt wurden m² Flächen, die vermietet wurden 8 Abspannwerke, die erfolgreich revitalisiert wurden 6 weitere Abspannwerke, die projektiert sind Seite 4 von 5

5 Kontakt und Bildanforderung: Dr.-Ing. Hans Achim Grube Projekt- und Denkmalmanagement Gartenstr Berlin a-grube@versanet.de Bücher zu diesem Thema: Elektropolis Berlin, Historische Bauten der Stromverteilung, 1999, Bewag AG (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin) Elektropolis Chancen & Visionen, Projektarbeiten der TFH, 2002, Bewag AG (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin), Jovis Verlag Kraftwerke in Berlin, Das Erbe der Elektropolis, 2003, Bewag AG, Jovis Verlag Renaissance der E-Werke, Historische Industriearchitektur im Wandel, 2003, Hans Achim Grube, Jovis Verlag Konversion Ideenwettbewerb 2002/03 zur Nachnutzung denkmalgeschützter Industriebauten Kraftwerk Charlottenburg, 2003, Bewag AG & Co. KG (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin), Deutsche Stiftung Denkmalschutz Perspektiven junger Architektur - Hans Heinrich Müller Preis 2004, Ideenwettbewerb zur Nachnutzung des Abspannwerkes Wilhelmsruh, Bewag AG & Co KG (seit 2006 Vattenfall Europe Berlin), Jovis Verlag Kraft und Energie Kraftwerk Rummelsburg Berlin, Hans Heinrich Müller Preis 2005, Jovis Verlag Berlin leuchtet Höhepunkte Berliner Kraftwerksarchitektur, Verlagshaus Braun NachNutzung Kraftwerk Elbe in Vockerode, Hans Heinrich Müller Preis 2006, Jovis Verlag Stand: September 2011 Seite 5 von 5