Verprobung ganzheitlicher Geschäftsprozesse innerhalb des PLM-Labors
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- Dieter Kolbe
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1 Sicher Sicher Adaptieren Adaptieren Lean Innovation Eindeutig Eindeutig Priorisieren Priorisieren Datenkonsistenz Single source of truth Einfach Einfach Synchronisieren Synchronisieren Früh Früh Strukturieren Strukturieren Verprobung ganzheitlicher Geschäftsprozesse innerhalb des PLM-Labors Dr. Stefan Rudolf (Complexity Management Academy) / Elisabeth Schrey (WZL) Um die Arbeitsschritte einer PLM-Einführung zu verproben und die Grenzen eines PLM-Systems zu testen, wird am Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen zusammen mit der Complexity Management Academy ein Labor aufgebaut. Dort wird in 2015 eine Systemlandschaft mit verknüpftem Produkt- und Prozessmodell aufgebaut sowie weitere IT-Systeme eingegliedert. Die Beherrschung der Produktdaten bedingt durch die steigende Datenverfügbarkeit in der Industrie stellt Unternehmen aktuell vor große Herausforderungen. Gleichzeitig versprechen das Wissen und die Nutzung dieser Datenmenge enorme Potenziale, um Geschäftsprozesse effizienter zu gestalten. Das Forschungsgebiet Product Lifecycle Management (PLM) beschäftigt sich mit ebendieser Vielzahl an Aspekten. Das PLM-Labor des Werkzeugmaschinenlabors (WZL) der RWTH Aachen widmet sich diesem Forschungsgebiet unter dem Aspekt der Abbildung von konfigurierbaren Produktvarianten auf Basis eines Produktbaukastens. Damit sollen die Kernthemen der Abteilung Innovationsmanagement des WZLs, das Komplexitäts- und das Entwicklungsmanagement, unter informationstechnischen Aspekten weiterentwickelt und in einer realen Anwendungsumgebung erlebbar werden. Hierfür wird anhand eines Use-Cases mit den Daten eines elektrifizierten Kettcars, dem MAXeKART, eine PLM-Umgebung aufgebaut. Im Detail sollen folgende Ziele mit dem PLM-Labor erreicht werden: Identifikation und Aufbereitung der strukturellen Grundlagen (z. B. Prozesse, Datenstrukturen) zum Aufbau eines einheitlichen PLM-Verständnisses Aufbau einer durchgängigen IT-Landschaft um das PLM-System Konzeption verschiedener Nutzungsszenarien eines PLM-Systems (z. B. Nutzung als Datenmanagementsystem in der Entwicklung, Anbindung an einen Konfigurator, Abbildung eines Produktentwicklungsprozesses mit Verknüpfung von Anforderungen, Funktionen und Modulen) Definition ausgewählter Stakeholder/Rollen im PLM-Labor und Umsetzung in einem Rechtesystem Complexity Management Journal 02/
2 Abbildung der wesentlichen Funktionen innerhalb des Use-Cases MAXeKART für die zuvor definierten Nutzungsszenarien Exemplarische Einbindung von weiteren Beispielen zur anwendungsspezifischen Systemerprobung Das Vorgehen bei der Umsetzung der Teilziele sowie der zeitliche Rahmen sind zunächst für das Jahr 2015 in sieben Arbeitspaketen unterteilt. Für diesen Zeitraum sind ebenfalls drei geplante Snapshots des Systems vorgesehen, bei welchen der aktuelle Stand des PLM-Systems inkl. der eingebundenen Daten und Prozesse gespeichert wird und auf welche später das System zurückgesetzt werden kann. In 2014 wurden in den ersten drei Arbeitspaketen die Infrastruktur in Form von Hard- und Software beschafft sowie die benötigten Räumlichkeiten eingerichtet. Als erstes PLM-System wird das Teamcenter von Siemens mit einer NX-Anbindung verwendet. Als installierte Module dieser Software werden zum einen die klassischen Funktionalitäten für Konstrukteure verwendet. Zum anderen werden Module benötigt, bei denen selbst definierte Prozesse im System implementiert werden können und darüber hinaus solche Module, mit denen das System auf die Besonderheiten von modularen Produkten ausgerichtet werden kann. Dazu gehört zum Beispiel eine Erweiterung der Klassifikation von Komponenten auf Module. Diese werden klassifiziert in Standardmodule, wenn sie in sämtlichen Produktvarianten verbaut werden, und variante Module, wenn sie je nach Produktvariante unterschiedliche Ausprägungen besitzen. Das Vorgehen im PLM-Labor gliedert sich in sieben Arbeitspakete In den Arbeitspaketen vier und fünf werden die strukturellen Grundlagen des Produkt- und des Prozessmodells definiert. In einer ersten Produktstruktur, welche die aktuelle Entwicklungs- und Montagestückliste des MAXeKARTs berücksichtigt, wurden die Module und Submodule definiert. Darüber hinaus wurden aus den Informationen zu den geplanten Varianten die Modulvarianten abgeleitet und ebenfalls in der Produktstruktur hinterlegt. Die im PLM-Labor berücksichtigten Prozesse sind zunächst ein traditioneller Stage-Gate-Produktentwicklungsprozess (PEP) und ein Engineering Change Pro- 500 Watt Motor Sportsitze und -lenkrad Slicks als Rennreifen Scheibenbremsen Geeignet für Kartbahnen 250 Watt Motor Kindersitz Straßenreifen Scheibenbremsen Geeignet für Privabereich, Kindergarten, usw. 500 Watt Motor Crosssitz Allradantrieb Scheibenbremsen Geeignet für Crossstrecken Kart ist individuell (Motor, Bremsen, Sitze, usw.) und mit Außenverkleidung konfigurierbar z. B. mit Porsche-Design Für den Premium-Kunden Quelle: MAXeKART Abb. 1: MAXeKART als Objekt im Use-Case des PLM-Labors 18 Complexity Management Journal 02/2015
3 MAXeKART Qualität Vertrieb F&E Einkauf & Logistik Fertigung & Montage Service Kundenbetreuung Mechanik Beschaffung AV Ersatzteil-Mgt. Marktbeobachtung E/E Supply Chain Mgmt. Produktionsplanung Kundenbetreuung Anforderungsmgmt. Software Fertigung Gewährleistung Software Montage Service-Mgt. Quelle: E/E = Elektrik/Elektronik, AV = Arbeitsvorbereitung, Mgt. = Management Abb. 2: Im PLM-Labor berücksichtigte Unternehmensfunktionen für das MAXeKART cess (ECP). Beide beinhalten eine definierte Struktur aus Statusangaben für Dokumente, Freigaben und ein Rechte-/ Rollensystem. Hier ist es das Ziel, die für modulare Produkte spezifischen Besonderheiten von Prozessen zu ermitteln und Lösungsansätze zu erarbeiten. Dazu zählt zum Beispiel ein ECP, der für unterschiedliche Änderungsumfänge skalierbar ist. Für kleine Änderungen kann auf diese Weise ein schlanker Prozess mit wenigen Freigabezyklen durchgeführt werden und bei größeren Änderungen am Produkt werden höhere Hierarchieebenen in der Entwicklung und dem Produktmanagement involviert. Eine weitere Besonderheit von modularen Produkten und deren organisatorische Verankerung ist die Rolle der Modulverantwortlichen. Typische Aufgaben sind die Koordination der Modulentwicklung, Einhaltung von Qualitätsstandards und Kostenziele sowie die Definition von Modulroadmaps. Arbeitspaket sechs beinhaltet als kontinuierliche Aufgabe die Einarbeitung und Schulung der Mitarbeiter des PLM-Labors. Hervorzuheben ist die Einarbeitung in die Software Teamcenter sowie in weitere zu integrierende Systeme. Hierbei ist zum einen die reine Anwendung der Systeme und zum anderen die Planung der Konfigurationsaufwände der Software zu nennen. Die Umsetzung der Customizing-Aufwände wird dabei allerdings mit professioneller Unterstützung angegangen. Im Anschluss an die Schulung werden die Daten des MAXeKARTs in das System eingegeben, sodass die modulare Produktstruktur erkennbar ist. Dafür wurde eine Nomenklatur der Komponenten festgelegt, welche Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zu Modulen oder Normteilen zulässt. Dem Gesamtprodukt sowie den Hauptmodulen wurde eine sprechende Kombination aus zwei Buchstaben gegeben und auf der zweiten Gliederungsebene wurden die Submodule zweistellig nummeriert. Die dritte Gliederungsebene umfasst eine dreistellige Nummerierung von Komponenten des jeweiligen Submoduls. Ein weiterer Arbeitsschritt in diesem Arbeitspaket ist das Einpflegen der Materialien sowie der vorhandenen Fertigungs- und Montageangaben. Nach dem Aufnehmen der Produktdaten in das System ist der erste Snapshot geplant, um den Basisstand eines PLM-Systems zu dokumentieren. Anschließend werden der PEP und der ECP im System abgebildet, sodass für eine Neuproduktentwicklung oder Complexity Management Journal 02/
4 Änderungsanfragen eine definierte Freigaberegelung mit entsprechenden Meilensteinen und Deliverables vorliegt. Nach diesem Arbeitsschritt ist der zweite Snapshot des Systems geplant, um eine beispielhafte Umgebung zu speichern, in welcher die strukturellen Grundlagen eines PLM-Systems umgesetzt sind. Mit dem Abschluss dieses Arbeitspaketes sieben ist ein Stand im PLM-Labor angestrebt, in dem bereits erste Benefits einer PLM-Einführung erlebbar werden. Die systemische Abbildung einer Produktstruktur für variantenreiche und modulare Produktbaukästen und eines skalierten Änderungsprozesses, der auf den Grundlagen des PEPs basiert, soll die Potenziale eines PLM-Systems verdeutlichen, die in der Entwicklung entstehen. Im dritten und vierten Quartal von 2015 stehen die PLM-Funktionalitäten im Fokus der Aktivitäten im PLM-Labor, welche die Unternehmensfunktionen außerhalb der Entwicklung unterstützen. Für das MAXeKART werden im PLM-Labor die klassischen Unternehmensfunktionen berücksichtigt, die in Abbildung 2 abgebildet sind. Erkennbar ist, dass der Vertrieb, bestehend aus operativer Kundenbetreuung und einer strategischer Marktbeobachtung, ebenfalls die Produktprogrammplanung in Form des Anforderungsmanagements beinhaltet. Damit sind in dieser Funktion bereits verschiedene Erweiterungen des PLM-Systems vorstellbar. Beispielsweise besteht eine Kooperation mit einem Konfiguratoranbieter, der für die Produktvarianten die Konfigurationslogik zu einem Tool für den Vertrieb verarbeiten kann und damit ein IT-System als Erweiterung im PLM-Verständnis zur Verfügung stellt. Eine andere mögliche Erweiterung in der Wertschöpfungskette aufwärts stellt der Complexity Manager dar, der bspw. Variantenvielfalt visualisiert und Auswertungen bezüglich Kostenauswirkungen von einzelnen Komponenten ermöglicht. Eine weitere Erweiterung des PLM- Systems ist durch die Software geplant, in welcher die Anforderungen an ein Produkt über dessen Lebenszyklus verfolgt werden können. Zur Unterstützung in den Unternehmensfunktionen abwärts der Wertschöpfungskette wie dem Einkauf und der Logistik oder der Produktionsplanung Konfigurationsmanagement CAD/CAM- System E/E-Pläne Auftragsabwicklung PLM-System ERP-System Variantenmanagement Anforderungsmanagement Quelle: E/E = Elektrik/Elektronik, CAD/CAM = Computer Aided Design/Manufacturing, PLM = Product Lifecycle Management; ERP = Enterprise Resource Planning Abb. 3: Beispielhaftes Konzept der IT-Landschaft als Umgebung des PLM-Systems 20 Complexity Management Journal 02/2015
5 und -steuerung ist die Anbindung des PLM-Systems an mehrere ERP-Systeme vorgesehen. Häufig wird annähernd der gesamte Auftragsabwicklungsprozess in Unternehmen über solche Systeme durchgeführt, sodass entsprechende Schnittstellen essenziell für den Erfolg von PLM-Einführungen sind. In Abbildung 4 ist die geplante IT-Landschaft als Umgebung des PLM-Systems beispielhaft abgebildet. In Zukunft ist die Einbindung von weiteren PLM- Systemen geplant, um die Charakteristika der einzelnen Lösungen miteinander vergleichen zu können. Hier entsteht die Herausforderung, dass unterschiedlich arbeitende Systeme die gleichen Rahmenbedingungen aus Daten und Prozessen abbilden sollen. Abschließend ist festzuhalten, dass trotz des Greenfield-Ansatzes im PLM-Labor ein realitätsnahes Komplexitätsniveau in der Systemarchitektur abgebildet wird, um den Fragestellungen von Unternehmen, die eine PLM-Einführung in Erwägung ziehen, begegnen zu können. Dadurch ermöglicht das PLM-Labor die ganzheitliche Verprobung von Geschäftsprozessen innerhalb einer realitätsnahen Testumgebung. Anwenderspezifische Fragestellungen können so adressiert werden. Zu diesen Fragestellungen im Entwicklungsumfeld zählen beispielsweise die Definition von Schnittstellen zwischen Modulen oder die Abhängigkeiten von Varianten als Systemsicht in Baukastensystemen. Des weiteren sind für Normteile Klassen zu definieren, die über die üblichen C-Teile hinausgehen. Gerade im Baukastenmanagement ist der Umgang mit Standardmodulen oder solchen mit einer geringen Varianz von großer Bedeutung. Deswegen sind für die entsprechenden Klassifizierungen zwangsläufig individuelle Anpassungen der Systeme notwendig. Entscheidungen, die typischerweise eher in der Arbeitsvorbereitung getroffen werden müssen, beschäftigen sich damit, ob die Produktionsstückliste auftragsbasiert ausgeleitet wird oder, ob sie alle existierenden Modulvarianten enthält, die für Produktkonfigurationen zugelassen sind (150 %-Stückliste) und entsprechend gefiltert werden. Bisherige Erfahrungen aus Industrieprojekten und Erkenntnisse aus der Forschung zeigen, dass mit aktuellen IT-Systemen solche Aspekte zwar bereits implementierbar sind. Sie erfordern jedoch ein ganzheitliches Konzept unter Einbindung aller involvierten Unternehmensfunktionen sowie eine detaillierte Umsetzungsplanung. Eben diese und weitere Themen sollen durch das PLM-Labor adressiert und systematisch weiterentwicklet werden, um praxisnahe Lösungen für die Themen aus der industriellen Praxis zu beantworten. Kontakt Dr. Stefan Rudolf Geschäftsführer Complexity Management Academy GmbH Telefon: stefan.rudolf@complexity-academy.com Elisabeth Schrey Abteilung Innovationsmanagement Werkzeugmaschinenlabor WZL der RWTH Aachen Lehrstuhl für Produktionssystematik e.schrey@wzl.rwth-aachen.de Complexity Management Journal 02/
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