Wege zur Anerkennung Die Arbeit der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung (ZAA) des Diakonischen Werkes Hamburg

Transkript

1 Wege zur Anerkennung Die Arbeit der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung (ZAA) des Diakonischen Werkes Hamburg Dr. Martin Brussig, Dr. Ulrich Mill Drei Jahre Zentrale Anlaufstelle Anerkennung das ESF-Projekt zieht Bilanz Hamburg,

2 Anerkennung der im Ausland erworbenen Berufsabschlüsse als gesellschaftliche Aufgabe Die im Ausland erworbene Ausbildung ist in Deutschland nicht automatisch anerkannt, was eine gleichberechtigte Arbeitsmarktteilhabe behindert. Fast jede/r Fünfte in Deutschland hat einen Migrationshintergrund. Zuwander/innen tragen stärker als Einheimische Arbeitsmarktrisiken. Offene Gesellschaft gebietet faire Integration der Zugewanderten. Demographische Schrumpfung erfordert bessere Nutzung von vorhandenen Arbeitskräftepotenzialen. 2

3 Ein veränderter Rechtsrahmen mit dem BQFG und HmbBQFG Bislang: unterschiedliche Ansprüche auf ein Anerkennungsverfahren aufgrund der Herkunft der Antragsteller Neu durch BQFG (und Landesgesetze): Rechtsanspruch mit verbindlichen Fristen für alle Unverändert: Struktur der für die Anerkennung Zuständigen Stellen Zunehmend: Beratungsangebote durch Beratungseinrichtungen 3

4 Untersuchungsfragen und Datengrundlagen Untersuchungsfragen (1) Wurde eine Anerkennung ausländischer Abschlüsse erreicht? (2) Welche Wirkungen hat die Anerkennung auf Integration und Beschäftigung? (3) Was sind förderliche und hinderliche Faktoren auf dem Weg zur Anerkennung des Abschlusses? (4) Welche Rolle spielen Anpassungsqualifizierungen? Datengrundlagen Projektstatistik Online-Befragung (N=556 auswertbare Fälle) Leitfadengestützte Interviews mit Ratsuchenden (16) Zuständigen Stellen (4) Mitarbeiter/innen der ZAA (4) 4

5 Struktur der Ratsuchenden Projektstatistik Online-Befragung N=2.192* N=379 Frauen Männer 66 Prozent 34 Prozent 71 Prozent 29 Prozent Alter (Durchschn.) 36,4 35,9 Aufenthaltsdauer (Durchschn.) 8 Jahre 7 Jahre Herkunft aus einem Drittstaat (nicht EU) 79 Prozent 74 Prozent Akademischer Abschluss an einer Universität 72,2 Prozent 77,6 76 Prozent Berufserfahrung (Durchschn.) im In- und Ausland (ohne bzw. mit Personen ohne Berufserfahrung) 7,3 Jahre (6,3) 8 Jahre (6,7) Unbefristeter Aufenthaltsstatus (z.b. als Deutsche, als EU-Bürgerin, als Inhaberin einer Daueraufenthaltserlaubnis EG) Ohne Berufserfahrung im erlernten Beruf in Deutschl. 69 Prozent 70 Prozent Quelle: Projektstatistik der ZAA Quelle: Online- Befragung

6 Ergebnisse der Online-Befragung BILANZ DER ANERKENNUNG 6

7 Bedeutung der Anerkennung für die Ratsuchenden Quelle: Online-Befragung 7

8 Anerkennung erreicht? Quelle: Online-Befragung 8

9 Aktueller Status, nach Anerkennungsergebnis Quelle: Online-Befragung 9

10 Zufriedenheit mit der Lebenssituation in Deutschland Quelle: Online-Befragung 10

11 Wir sind Fachkräfte! Gebildete Migranten Höchste berufliche Qualifikation der Ratsuchenden Quelle: Online-Befragung Universitätsabschluss Beruflicher Abschluss (nicht universitär) Beruflicher Abschluss (unklar) Kein beruflicher Abschluss 11

12 WEGE ZUR ANERKENNUNG 12

13 Wege zur Anerkennung Beispiel 1: Ärzte Regelfall individuelle Gleichwertigkeitsprüfung Bei wesentlichen Unterschieden : theoretische bzw. erweiterte Kenntnisprüfung vor der Ärztekammer bzw. am Universitätsklinikum Anpassungsqualifizierungen in Form von Vorbereitungskursen (Sprachkurs, 6 Monate Praktikum, Prüfungsvorbereitung) Beispiel 2: Gesundheitsfachberufe In Deutschland an Fachschulen ausgebildet, in vielen anderen Ländern an Universitäten Gleichwertigkeitsfeststellung mit dem deutschen Referenzberuf führt zur Herabstufung ( Entakademisierung ) Folgen für Tätigkeit, Vergütung, Karrierewege Beispiel 3: Lehrerinnen und Lehrer Typisches Problem: Ausbildung zum Fachlehrer im Herkunftsland in nur einem Fach In Hamburg gibt es auch die Lehramtsbefähigung in nur einem Unterrichtsfach, wenn die Ausbildung dem zweiten Staatsexamen gleichgestellt wurde. Teilanerkennungen sind möglich Anpassungsqualifizierungen Schulpraxis, 12 bis 24 Monate, in einem eigenen Kurs zusammengefasst ( Weltlehrer ), in einem befristeten Anstellungsverhältnis Masters of Education in nur einem Fach > Zustimmung der Universität Hamburg zu diesem Angebot erforderlich Beispiel 4: Ingenieure Gleichwertigkeitsprüfung ausländischer Ingenieure zur deutschen Ausbildung möglich Volle Gleichwertigkeit führt zum Ingenieur (statt Diplom-Ingenieur) Verbreitet wird aber Ing. nicht als gleichwertig zum Dipl.Ing. wahrgenommen Beispiel 5: Juristen aus Nicht-EU-Staaten Die Anerkennung eines Jura-Studiums im Ausland genügt nicht für die Zulassung zum juristischen Vorbereitungsdienst Ein im Iran studierter und in Deutschland promovierter Jurist darf weder als Volljurist tätig werden, noch in den Vorbereitungsdienst 13

14 Wege zur Anerkennung: Fazit Ziele und Verfahren der Anerkennung hängen von der Fachrichtung ab. Dabei treten oft in Kombination mit der Herkunft typische Probleme auf. Lösung durch Organisation von Anpassungsqualifizierungen (Ärzte) Anpassung der mitgebrachten Bildungstitel an das System in Deutschland durch teilweise Entwertung ( Entakademisierung, Gesundheitsberufe) Anpassung der Zugangsvoraussetzungen in regulierte Berufe entsprechend typischen Ausbildungswegen im Ausland (Lehrer) Ohne Lösung Keine adäquate Tätigkeit möglich (Juristen aus Drittstaaten) Kein eingeführter Bildungstitel möglich (Ingenieure) Verlässlichkeit, Problemangemessenheit, Transparenz und Schnelligkeit der Verfahren haben sich verbessert. 14

15 Anpassungsqualifizierungen Bei fehlender voller Gleichwertigkeit sind Anpassungsqualifizierungen möglich. Anpassungsqualifizierungen sind sinnvoll, aber schwer zu organisieren bei schmal besetzten Qualifikationsprofilen. Sie sind leichter zu organisieren dann, wenn eine Zuständige Stelle für ein breites Spektrum an Kompetenzen / Berufen zuständig ist, wie z.b. die Handwerkskammer. Leichter zu organisieren außerdem durch unterstützende Projekte. Kosten der Qualifizierung (und des Verfahrens) können sehr hoch ausfallen 15

16 BERATUNG ZUR ANERKENNUNG 16

17 Der Beitrag der Zentralen Anlaufstelle Anerkennung Aufgabe der ZAA Beratung: ergebnisoffen, am Anliegen der Ratsuchenden ausgerichtet, unterstützend, Entscheidungsrechte beim Ratsuchenden ( Lotse im Anerkennungsverfahren ). Vernetzung: mit Zuständigen Stellen, der öffentlichen Arbeitsvermittlung und anderen Beratungseinrichtungen. Hohe Wertschätzung unter den Ratsuchenden 75 Prozent* sind zufrieden oder sehr zufrieden Teilweise hoher Orientierungsbedarf, teilweise hohe Eigenständigkeit unter den Ratsuchenden Zustimmung auch von Zuständigen Stellen und öffentlicher Arbeitsvermittlung * Quelle: Online-Befragung 17

18 FAZIT 18

19 Fazit Berufliche Anerkennung ist wichtig für die Arbeitsmarktchancen und die soziale Integration. Anspruch auf Anerkennungsverfahren wird nicht nur von neu Zugewanderten genutzt, sondern auch von Personen, die schon lange in Deutschland leben. Anerkennungsverfahren unterscheiden sich nun nicht mehr nach der Herkunft, aber nach der Fachrichtung. Es treten jeweils typische Probleme auf. Anpassungsqualifizierungen sind sinnvoll, aber schwer zu organisieren bei schmal besetzten Qualifikationsprofilen. Kosten des Verfahrens bleiben ein Problem; Klärung der Kostenfrage ist ein zentraler Erfolgsfaktor. Verlässlichkeit, Problemangemessenheit, Transparenz und Schnelligkeit der Verfahren haben sich verbessert. Beratung leistet wesentliche Beiträge für die Gestaltung der Anerkennungsverfahren und die Wahrnehmung der Rechte von Antragstellern. 19