2. Klassifizierung von PLT-Schutzeinrichtungen gemäß VDI/VDE-Richtlinie
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- Mareke Stieber
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1 Safety Integrity Level (SIL)-Einstufungen Inhaltsübersicht 1. Einleitung 2. Klassifizierung von PLT-Schutzeinrichtungen gemäß VDI/VDE-Richtlinie Weitere Ansätze und Hilfsmittel zur Klassifizierung prozessleittechnischer Einrichtungen Literatur Ratgeber Anlagensicherheit 27/13 I
2 II Ratgeber Anlagensicherheit 27/13
3 1. Einleitung Mit dem Betrieb prozesstechnischer Anlagen ist ein bestimmtes Risiko verbunden. Um dieses Risiko weitestmöglich reduzieren zu können, ist bereits in frühem Stadium eines Planungs- oder Entwicklungsprojektes die nachstehende Rangfolge anzustreben: 1. Inhärente Sicherheit von Anlagen und Verfahren durch eliminierende Maßnahmen. 2. Minimierung der Wahrscheinlichkeit des Ereigniseintrittes durch ereignisverhindernde/vorbeugende Schutzmaßnahmen, z. B. PLT-Schutzeinrichtungen. 3. Verringerung des Schadensausmaßes durch auswirkungsbegrenzende Schutzeinrichtungen (z. B. mechanische Sicherheitseinrichtungen wie Sicherheitsventile oder Berstscheiben). Die sicherheitstechnische Anforderung an PLT-Einrichtungen wird mit Hilfe des sogenannten Safety Integrity Level (SIL) beschrieben. Durch den Safety Integrity Level untergliedern sich prozessleittechnische Einrichtungen in sicherheitsrelevante Einrichtungen (PLT-Schutzeinrichtungen, Safety Instrumented Systems (SIS)) und nicht sicherheitsrelevante Einrichtungen (Betriebs- und Überwachungseinrichtungen, Basic Process Control Systems (BPCS)). Diese Unterscheidung ist von besonderer Bedeutung, da die Störfall-Verordnung PLT-Schutzeinrichtungen zu den sicher heitsrelevanten Anlagenteilen (SRA) zählt. 2. Klassifizierung von PLT-Schutz - einrichtungen gemäß VDI/VDE-Richtlinie Es ist notwendig, dem jeweils abzusichernden Risiko adäquate prozessleittechnische Maßnahmen zur Risikoreduzierung festzuschreiben, um (mindestens) das Grenzrisiko erreichen zu können. Dabei ist stets der gesamte leittechnische Kreis zu berücksichtigen, d. h. vom Sensor bis zum Aktor. Dieser Schritt, die sogenannte Klassifizierung, ist integraler Bestandteil der Störungsbetrachtung. Er erfolgt sofern zutreffend jeweils im Zuge der Risikobeurteilung eines konkreten Szenarios. Zur Ermittlung der jeweils erforderlichen sicherheitstechnischen Anforderung hat sich in der Prozessindustrie die VDI/VDE-Richtlinie 2180 Sicherung von Anlagen der Verfahrenstechnik mit Mitteln der Prozessleittechnik (PLT) etabliert, welche ihrerseits auf der harmonisierten Norm DIN EN (VDE 0810) basiert. Die VDI/VDE-Richtlinie 2180 umfasst fünf Blätter: Blatt 1: Begriffe, Klassifizierung, Risikograph, SIL Blatt 2: Managementsystem Blatt 3: Anlagenplanung, -errichtung, -betrieb Blatt 4: Berechnungsmethoden Blatt 5: Empfehlungen zur Umsetzung in der Praxis Inhärent sichere Anlage möglich? nein Unmittelbar wirksame Maßnahmen möglich? nein/allein nicht ausreichend PLT-Einrichtung(en) erforderlich Klassifizierung der PLT-Einrichtung(en) nicht sicherheitsrelevant Betriebs- und Überwachungseinrichtung(en) Basic Process Control Systems (BPCS) sicherheitsrelevant PLT-Schutzeinrichtung(en) ereignisverhindernd oder schadensbegrenzend Abschätzung des abzudeckenden Risikos z. B. mit Risikograph Festlegung von Anforderungen (Festlegung des SIL) Zuordnung technischer und organisatorischer Maßnahmen Safety Instrumented Systems (SIS) Bild 1: Sicherheitsrelevante und nicht sicherheitsrelevante PLT-Einrichtungen Ratgeber Anlagensicherheit 27/13 1
4 notwendige Risikoreduzierung tatsächliche Risikoreduzierung Bild 2: Risikoreduzierung mit PLT- und Nicht-PLT-Einrichtungen gemäß VDI/VDE-Richtlinie Blatt 1 der Richtlinie 2180 beschreibt die Vorgehensweise zur Festlegung der sicherheitstechnischen Anforderungen an PLT-Schutzeinrichtungen (Klassifizierung) mit Hilfe des Risikographen. Der Risikograph bewertet vier Risikoparameter: S, A, G und W (siehe Bild 3). Die Parameter A, G und W beschreiben gemeinsam die Eintrittshäufigkeit H. H R = * R = A * G * W * S S R = H = S = Risiko Häufigkeit des Schadenseintrittes, definiert durch: A = Aufenthalt im Gefahrenbereich G = Möglichkeit der Gefahrenabwehr W = Wahrscheinlichkeit des unerwünschten Ereignisses ohne Vorhandensein der PLT-Schutz - einrichtung Schadensausmaß Bild 3: Risikodefinition gemäß Risikograph 2 Ratgeber Anlagensicherheit 27/13
5 Die Risikoparameter sind gemäß VDI/VDE-Richtlinie folgendermaßen definiert: Schadensausmaß (S) S1: leichte Verletzung einer Person oder kleinere schädliche Umwelteinflüsse, die z. B. nicht unter die StörfallV fallen. S2: schwere, irreversible Verletzung einer oder mehrerer Personen, Tod einer Person oder vorübergehende größere schädliche Umwelteinflüsse, z. B. nach StörfallV. S3: Tod mehrerer Personen oder lang andauernde größere schädliche Umwelteinflüsse, z. B. nach StörfallV. S4: katastrophale Auswirkung, sehr viele Tote. Aufenthalt im Gefahrenbereich (A) A1: selten bis öfter A2: häufig bis dauernd Gefahrenabwendung (G) G1: möglich unter bestimmten Bedingungen G2: kaum möglich Eintrittswahrscheinlichkeit (W) W1: sehr gering W2: gering W3: relativ hoch Die VDI/VDE-Richtlinie 2180 verwendet zur Klassifizierung von PLT-Einrichtungen einen Risikographen. Der Risikograph führt die Risikoparameter S, A, G und W zu einem konkreten SIL (1 4) zusammen. SIL 4 sollte wegen des damit verbundenen überproportionalen erforderlichen Aufwands möglichst vermieden werden. Die Klassifizierung von PLT Einrichtungen sollte in ge - eigneter Weise dokumentiert werden. Diese Dokumente stellen somit als Geburtsanzeigen der einzelnen PLT- Schutzeinrichtungen die Grundlage der betrieblichen Doku - mentation dar. Keine PLT-Schutzeinrichtung (z. B. technische Arbeits schutzmaßnahmen) PLT-Schutzeinrichtung allein nicht ausreichend Bild 4: Risikograph gemäß VDI/VDE 2180 Ratgeber Anlagensicherheit 27/13 3
6 Dokument Klassifizierung von PLT-Einrichtungen 4 Ratgeber Anlagensicherheit 27/13
7 Ratgeber Anlagensicherheit 27/13 5
8 3. Weitere Ansätze und Hilfsmittel zur Klassifizierung prozessleittechnischer Einrichtungen Um eine möglichst vergleichbare Anwendung der Risikoparameter auch in unterschiedlich zusammengesetzten Sicher heitsgesprächs-teams zu gewährleisten, haben viele Unternehmen individuelle Konkretisierungen vorgenommen, etwa durch den Bezug von Häufigkeiten auf vorgegebene zeitliche Intervalle (Jahr, Generation, menschliches Leben etc.). Auf diese Weise lassen sich SIL Klassifizierungen in gewissen Grenzen tarieren, um die individuelle Sicher heitsphilosophie des jeweiligen Unternehmens abzubilden. Neben der VDI/VDE-Richtlinie 2180 existieren weitere Normen, welche Handlungsanweisungen zur Klassifizierung von PLT-Einrichtungen in spezifischen Anwendungsbereichen enthalten. Beispielhaft seien an dieser Stelle die DIN EN (Feuerungsanlagen) sowie die DIN EN (Maschinen) genannt. Literatur VDI/VDE-Richtlinie 2180 Sicherung von Anlagen der Verfahrenstechnik mit Mitteln der Prozessleittechnik DIN EN (VDE 0810) Funktionale Sicherheit Sicherheitstechnische Systeme für die Prozessindustrie DIN EN Elektrische Ausrüstung von Feuerungs - anlagen Bestimmungen für die Anwendungsplanung und Errichtung DIN EN Sicherheit von Maschinen Funktionale Sicher heit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Steuerungssysteme Die DIN EN Elektrische Ausrüstung von Feuerungsanlagen Bestimmungen für die Anwendungsplanung und Errichtung verwendet ebenfalls einen Risikographen. Das Ergebnis der Klassifizierungen sind Sicherheits- Niveau-Stufen : keine Sicherheitsanforderungen ( ); keine besonderen Sicherheitsanforderungen (a); sicherheitsbezogene Anforderungsstufen (1 bis 4); einfaches Schutzsystem ist nicht ausreichend (b). Die DIN EN Sicherheit von Maschinen Funktionale Sicherheit sicherheitsbezogener elektrischer, elektronischer und programmierbarer elektronischer Steuerungssysteme verwendet zur Risikoabschätzung eine Matrix. Diese liefert für die jeweilige Kombination von Schwere und Klasse den anzuwendenden SIL (1 bis 3) bzw. die Empfehlung, andere Maßnahmen zu ergreifen. 6 Ratgeber Anlagensicherheit 27/13
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