Auslandsstudium in Siena

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1 Auslandsstudium in Siena Ich habe von August 2009 bis Juni 2010 zehn Monate in Siena gelebt und an der Università per gli studi di Siena studiert. Für mein Studium der Kulturwissenschaft in Bremen konnte ich dort einen Schwerpunkt im Bereich Ethnologie setzen (mein Studiengang in Siena war Anthropologie). Vorbereitung Einleben, Unterkunft, Bekanntschaften Ich habe mich vor allem sprachlich auf meinen Auslandsaufenthalt vorbereitet (siehe nächster Abschnitt), aber auch viel Zeit eingeplant, um etwas früher in Siena anzukommen, eine Wohnung zu suchen und mich etwas einleben zu können. Diese zwei Wochen in Siena vor Beginn des Sprachkurses waren zwar nicht unbedingt nötig, haben mir aber gut getan, um mich etwas an das Umfeld gewöhnen zu können. Zudem ist Siena im August natürlich wunderschön und sehr warm. Ich habe mich besonders mit der Wohnungssuche beschäftigt und bin auf fündig geworden. Diese Seite bietet Zimmer für Studierende an. Zudem habe ich im Semester vor meiner Abreise Kontakt zu den Studierenden aus Siena gesucht, die wiederum gerade in Bremen waren und habe so erste Freunde in Siena gehabt. Zum Sprachkurs ist eine rechtzeitige Anmeldung nötig (hier gibt es sowohl ganztägige Intensivsprachkurse als auch halbtägige Sprachkurse für Erasmus-Studierende), meine sonstigen Unterlagen habe ich zwar vorab nach Siena gesandt, konnte die erforderlichen Absprachen real aber erst im September vor Ort treffen. Wer zum Wintersemester nach Siena geht sollte also den September nach Möglichkeit schon dort verbringen. Auf der Homepage der Universität in Siena ( sind die weiteren nötigen Informationen zu finden. Sprache Sprachkurs, Fortschritte und Grenzen Ich hatte ein Jahr vor Beginn meines Italien-Aufenthaltes angefangen, an der Uni Bremen italienisch zu lernen. Ich war vor meiner Ankunft in Italien auf dem Niveau B1 und habe dann im September vor Vorlesungsbeginn in Siena einen Sprachkurs für Erasmus-Studierende an der Università per Stranieri, Siena, besucht. Damit hatte ich bei Vorlesungsbeginn etwa das Niveau B2. Mit diesem Niveau war ich besser vorbereitet als eine hohe Zahl anderer Studierender, war allerdings noch lange nicht auf dem Niveau, alles zu verstehen. Gerade in Situationen, in denen viele Leute gleichzeitig sprechen, war ich noch recht hilflos. Die Fachsprache meines Studiengangs war hingegen einfacher zu verstehen, da es sich zum Teil um die gleichen (Fach-)Wörter handelt, wie sie im Deutschen auch existieren. Insofern hatte ich zu Beginn weniger sprachliche Probleme in einer Vorlesung als in einer Bar. Auch fiel es mir zu Beginn sehr schwer, Dialekte verstehen zu können insofern wuchsen und schrumpften meine Kapazitäten des Verstehens jeweils mit den einzelnen Lehrenden bzw. Personen und ihrer Sprechart. Vor allem mein italienischer Freundeskreis hat mir sprachlich sehr geholfen, auch Alltagssprache zu erlernen, sicherer in der Sprache zu werden und Dialekte zu erkennen und zu verstehen. Mit

2 meinen nicht italienischen Freund_innen habe ich mich zunächst zwingen müssen, nicht in einer anderen Sprache als der italienischen zu kommunizieren. Später wurde das für uns aber ganz normal und es hat uns sicherlich geholfen, sicherer im Italienischen zu werden. Insgesamt war ich sprachlich gut genug vorbereitet, um mich unterhalten zu können, nicht auf Englisch angewiesen zu sein und Prüfungen auf Italienisch ablegen zu können. Trotzdem fiel das Lesen von Fachtexten schwer und ich brauchte für ein Buch drei bis vier mal so lang wie für eines auf deutsch. Studieren Università per gli studi di Siena Die Vorlesungen an der Universität in Siena waren deutlich frontaler organisiert als ich Seminare oder Lektürekurse kenne, boten aber einen deutlich näheren Kontakt zwischen Studierenden und Lehrenden als solche Vorlesungen, wie ich sie von Universitäten aus Deutschland kannte. Die Vorlesungen bestanden zumeist aus etwa 30 bis 50 Personen, sodass eine Interaktion möglich war und die Lehrenden ihre Studierenden durchaus (wiederer-)kannten. Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Typen von Kursen (Seminar, Lektürekurs etc.) gab es in Siena nicht. Ungewöhnlich war für mich Art der Semesterabschlussprüfungen. In meinem Fachbereich wurden fast ausschließlich mündliche Prüfungen durchgeführt, ich musste also keine Klausuren oder Hausarbeiten schreiben und die Form der Referate war eher optional. Ich habe in einem meiner Kurse eine Präsentation gehalten, das war allerdings eher eine Art freiwilliger Vorleistung und wurde an sich nicht benotet. Die mündlichen Prüfungen wurden in einem Gespräch mit dem Professoren abgehalten. Dabei wurden Fragen über die Kursinhalte gestellt, wobei natürlich nur ein kleiner Teilbereich des gesamten Lernstoffs abgefragt wurde. Je nach Dozent variierte die Art dieses Prüfungsgesprächs: zum Teil wurde eher nach Meinungen gefragt, zum Teil nach präzisen Definitionen. Ich kann allerdings keine Aussage darüber treffen, ob diese Beobachtung an anderen Universitäten genauso zu machen wäre oder ob es sich um eine für Siena typische Eigenart handelt. Andere italienische Studierende haben mir zum Beispiel gesagt, sie hätten an anderen italienischen Universitäten schon andere Beobachtungen zu den Prüfungsformen gemacht. Ob die Prüfungen wirklich alle nur mündlich stattfinden, kann von Fakultät zu Fakultät variieren. So habe ich von Studierenden der Fakultäten Ökonomie oder Politikwissenschaft von schriftlichen Prüfungen gehört, während in meinem Studiengang Anthropologie, aber auch an der Fakultät für Rechtswissenschaften fast alle Prüfungen mündlich abgelegt werden. Abgesehen von der medizinischen Fakultät sind die Gebäude der Uni Siena über die Innenstadt verteilt und alle gut zu erreichen. Zugang zu Mensa, Bibliothek und Internet organisiert das International Office vor Ort. Wer am Hochschulsport teilnehmen möchte, sollte sich um eine ärztliche Bestätigung (deutsch reicht nicht aus!) über die Sporttauglichkeit kümmern. Arbeiten Praktikum ein einem italienischen Museum

3 Während meines Erasmus-Auslandsaufenthaltes habe ich ein kleines Praktikum in einem Museum in Prato absolviert. In die etwa 120 km entfernte Stadt Prato bin ich für einen Tag pro Woche gefahren, um dort im Museo della Deportazione e Resitenza italienische Schulklassen durch das Museum zu führen und Lehrmaterial zu erstellen. Das Praktikum habe ich in der zweiten Hälfte des Auslandsaufenthaltes gemacht, sodass ich meine Sprachkenntnisse schon deutlich gefestigt hatte, sie dort aber auch noch ausbauen konnte. Das etwas anstrengende Pendeln hat sich durchaus gelohnt, da ich in einem multinationalen Arbeitsumfeld und zu einem interessanten Thema arbeiten konnte und viel Einblick in die Arbeitsweise des Betriebs erhalten habe. Für mich war diese Arbeitserfahrung nicht zuletzt deshalb wichtig, weil ich das Bedürfnis hatte, mich nicht ausschließlich mit Studierenden meines Fachbereiches zu umgeben. Im Museum habe ich einen Arbeitsalltag erlebt und bin mit Menschen unterschiedlichen Alters in Kontakt gekommen das kann ein Studium hingegen weniger bieten. Leben Wohnsituation und Siena als Stadt Ich habe in Siena in einer 6er-WG gelebt mit italienischen Studierenden. Das hat mir sicherlich mitunter am meisten Einblick in Alltagssprache und Alltagsleben italienischer Studierender gegeben. Die Wohnung an sich war leider sehr teuer (gemessen an Wohnungspreisen in Bremen - verglichen mit anderen Wohnungen in Siena war das Zimmer mit 330 ohne Nebenkosten nicht besonders teuer), sehr schlecht isoliert und somit laut und kalt. Die Wohnungen werden in Süditalien jedoch eher günstiger. Wohnungen, in denen die Zimmer an Studierende vermietet werden, sind zumindest in Siena leider oft sehr schlecht isoliert, alt und kaum renoviert. Das größte Problem stellte für mich dar, dass es im Winter sehr kalt war und die Heizung sehr wenig gebracht hat so habe ich mehr gefroren als in jedem deutschen Winter bisher. Ich selbst hatte ein Einzelzimmer, insgesamt ist es jedoch in Italien viel üblicher, sich unter Studierenden ein Doppelzimmer zu teilen. Das ist im Studentenwohnheim nahezu Standard, aber auch in normalen Wohnungen sehr üblich, um so Kosten zu sparen. Zum Abschließen des Mietvertrages habe ich einen codice fiscale (so eine Art Steuernummer, wird zusammengesetzt aus dem Namen und dem Geburtsdatum) benötigt, den man sich in einem Finanzamt gegenüber dem Hauptgebäude der Uni holen kann. Abgesehen von den komplizierten Öffnungszeiten dieses Büros im Sommer ist der Vorgang recht einfach, nur ein Ausweis ist nötig. Siena ist eine eher kleine Stadt im Herzen der Toskana, liegt in der wunderschönen Chianti- Landschaft, was man auskosten sollte, und ist berühmt für ihren Piazza del Campo der Platz, in dem zwei mal im Jahr das härteste Pferderennen der Welt stattfindet, wovon die Stadt das ganze Jahr über geprägt ist. Ansonsten ist Siena eher ruhig, was seine Vor- und Nachteile hat. Das abendlich Ausgehen beschränkt sich eher auf die schon bekannten Orte und wenn etwas Außergewöhnliches stattfindet, dann ist das im Winter schon etwas besonderes im Sommer hingegen blüht die Stadt auf mit Konzerten, Lesungen und Events, zumeist unter freiem Himmel. Da Siena recht klein ist und sich das Leben hauptsächlich innerhalb der Stadtmauern, also dentro le mura abspielt, ist man kaum auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen. Bus und Bahn sind aber

4 sehr erschwinglich, nur abends und Sonntags eher weniger zuverlässig. Der Bahnhof Sienas liegt etwas außerhalb, ist aber gut mit dem Bus zu erreichen. Erasmus über Erfahrungen und Vorurteile... Als Erasmus-Studentin bin ich zum einen auf Vorurteile gestoßen, die dahin gingen, dass Menschen glaubten, schon zu wissen, was sie von mir zu erwarten hatten, weil ich Erasmus- Studentin bin. Das heißt: ich musste mich zunächst gegen die voreilig getroffene Einschätzung von Lehrenden durchsetzen, die dachten, als Erasmus-Studentin sei ich daran interessiert, möglichst wenig zu studieren und möglichst viel zu feiern, ansonsten aber keine großen Interessen an den Tag zu legen. Ich selbst kann über Erasmus-Studierende kaum mehr Aussagen treffen als über alle anderen Studierenden auch: die Interessen und Absichten sind individuell sehr unterschiedlich und so auch das Leben der einzelnen Studierenden. Ich selbst habe recht viel studiert, da ich in der ersten Jahreshälfte drei Prüfungen gemacht habe und in der zweiten Jahreshälfte meine BA- Arbeit geschrieben habe. Damit wurde ich zwar von einigen Menschen bewundert, die sich anderes unter einem Erasmus-Studien vorgestellt hatten doch kenne ich durchaus Erasmus- Studierende, die noch mehr und das ganze Jahr über konstant für ihr Studium gearbeitet haben. Noch mehr Erasmus Administratives... Zur Immatrikulation als Erasmus-Studentin konnte ich im Internet einen Termin vereinbaren, alle nötigen Informationen dazu habe ich im Hauptgebäude der Uni erhalten, Via Banchi di Sotto No 55. Dort waren das ganze Jahr über Ansprechpersonen zu finden. Blöderweise lag die Einführungsveranstaltung für Erasmus-Studierende genau während der Zeit, in der ich meinen Sprachkurs absolviert habe sodass ich darüber keine Auskunft geben kann. Grundsätzlich hatte ich mit der Erasmus-Verwaltung in Siena nie Probleme und es erscheint mir deutlich wichtiger, sich mit dem Erasmus-Büro der Heimatuniversität ausreichend zu verständigen. Lediglich die persönlichen Tutoren vor Ort stellen unterschiedliche Erwartungen. Bei meinem Tutor war ich zu Beginn, zum Ende und zur Halbzeit meines Studiums in Siena und er hat mich sehr hilfreich unterstützt und beraten, welche Kurse ich machen könnte. Formalitäten noch mehr Administratives... Mit der Heimathochschule müssen genaue Absprachen getroffen werden, welche Dokumente wann einzureichen sind. Ich habe es als sehr seltsam empfunden, dass die Universität Bremen zu Beginn meines Auslandsaufenthaltes eine Bescheinigung darüber haben wollte, bis wann ich im Ausland geblieben sei (!). Das konnte mir die Uni in Siena natürlich nicht bestätigen, was die Uni in Bremen wiederum verärgert hat. Zu Beginn des Aufenthaltes war für mich weder erahnbar noch berechenbar, wie lange ich in Siena bleiben würde und ich habe Angaben schätzen müssen, die sich hinterher anders bewahrheitet haben. Was man genau braucht, stand auf der Homepage der Uni Bremen allerdings genau beschrieben.

5 Ich hatte vor, meinen Wohnsitz in Siena zu melden, um mich formal richtig zu verhalten davon wurde mir aber von den italienischen Behörden abgeraten (!) und die Anmeldung wäre unglaublich aufwendig gewesen. Von einem Bankkonto rate ich ebenso ab, wenn man nicht gerade in Italien arbeiten möchte, da die Konten in Deutschland viel günstiger sind, man die Miete zumeist auch bar zahlen kann und sich das Konto selbst dann nicht rentiert, wenn man ab und zu Gebühren zahlen muss, um Geld abzuheben. Die Frage der Fragen Anerkennung von Leistungen Da dieser Bericht sofort nach Rückkehr aus dem Gastland einzureichen ist, kann ich noch keine abschließenden Angaben zur Anerkennung der Leistungen machen. Ich habe aber alle Kurse mit meiner deutschen Tutorin vor und während des Auslandsaufenthaltes genau besprochen und bisher keine Probleme bei der Anerkennung der Leistungen gehabt. Und zu guter Letzt... möchte vor den Tücken der Erasmus-Bürokratie warnen, ohne dabei zu vergessen, die Existenz und den Wert des Erasmus-Stipendiums zu loben. Ich bin in meinem fünften und sechsten Semester ins Ausland gegangen und wollte somit meinen Bachelor dort abschließen, habe die Bachelor-Arbeit in Siena (auf deutsch) geschrieben und hatte zuvor in Deutschland schon fast alle CP gesammelt. Dabei habe ich mich viele Stunden damit beschäftigen müssen, mein Tun mehrfach den verschiedenen Erasmus-Büros zu erklären und es zu verteidigen. Zugleich hat mir die Organisation des Erasmus-Austausches sehr vieles erleichtert und ermöglicht, was ich andernfalls allein hätte organisieren müssen, sodass ich dankbar für diese Unterstützung bin.