Patentierungsfeier Anwälte und Anwältinnen, 11. April 2014
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- Eduard Frank
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1 Patentierungsfeier Anwälte und Anwältinnen, 11. April 2014 Sehr geehrter Herr Regierungspräsident, geschätzte junge Anwältinnen und Anwälte, werte Gäste Es kommt wahrlich selten vor, aber für einmal weiss ich von was ich spreche, wenn ich hier sage, dass der heutige Abend etwas ganz Besonderes und Einzigartiges ist. Nicht wegen meiner Rede. Gott bewahre mich so viel Bodenhaftung habe ich nach dem Jahr als Präsident des Grossen Rates noch behalten und meine Einbildung in Bezug auf dieses Amt hält sich ebenfalls in Grenzen. Nein, ich meine natürlich die Patentierungsfeier selber, welche doch einen schönen und emotionalen Moment darstellt. Es dürfte nämlich für alle von Ihnen eine echte Genugtuung sein, das angestrebte Ziel nun erreicht zu haben. Vor 27 Jahren bin ich selber hier drinnen gesessen und kann deshalb ihre Gemüts- und Gefühlslage ganz gut nachvollziehen. Dem Obergericht und der Prüfungskommission danke ich herzlich für die Einladung. Nach mehreren Monaten harter Vorbereitung können Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen so pflegt man zu sagen Ihre Anwaltspatente entgegennehmen. Wobei ich nicht verhehle, dass ich mich auch heute immer noch eher schwer tue mit diesen förmlichen Anreden. Aber lassen wir das. Ich gratuliere Ihnen von ganzem Herzen zu diesen grossartigen Leistungen, auf die Sie zu recht stolz sein dürfen! Den Stolz auf Ihren Erfolg teilen Sie aber sicher auch mit Ihren Familien Eltern, Grosseltern, Brüdern, Schwestern, Ihren Partnerinnen und Partnern und Ihren Freundinnen und Freunden. Und bestimmt sind Sie auch gegenüber diesen Personen dankbar für die Unterstützung, die Ihnen während Ihrer Vorbereitung auf die Anwaltsprüfungen zuteil geworden ist.
2 Sie haben in Ihrem jungen Leben schon mehrere Prüfungen erfolgreich absolviert. Vielleicht erinnern Sie sich an den Moment, als Sie vor einigen Jahren Ihre Maturitätszeugnisse erhalten haben. Dann haben Sie auch die Hürden für den Bachelor und den Master gemeistert. Auch hier ein kurzer Einschub: Zu meiner Zeit ging das noch ganz anders. Da war man nach zwei Jahren und erfolgreicher Prüfung cand iur und am Schluss standen die Fürsprecherprüfungen in zwei Teilen an. Zwischen cand und Abschluss hing man ziemlich in der Luft. Aber zurück zu Ihnen. Sie erlebten also bereits früher solch schöne Momente. Aber heute Abend ist es speziell: Sie haben den Abschluss Ihrer beruflichen Ausbildung erreicht und gleichzeitig stehen Sie am Anfang Ihrer beruflichen Karriere, von der ich hoffe, dass sie spannend, bereichernd und erfolgreich sein wird. Das heutige Ereignis stellt einen Höhepunkt von besonderer Intensität in Ihrem Leben dar. Solche Momente gibt es eigentlich nicht viele in einem Menschenleben, und wie Sie wissen, sie dauern jeweils nur eine kurze Zeit. Deshalb ist es erlaubt, sie in vollen Zügen mit vollem Bewusstsein, hier und jetzt, zu erleben und zu geniessen. Ich habe vorhin vom Beginn Ihrer Karriere gesprochen. Sie alle werden bald den beruflichen Weg nach eigenen Präferenzen und Fähigkeiten einschlagen. Mit einem Anwaltspatent sind die beruflichen Möglichkeiten zahlreich: Ich denke an die Arbeit in der Advokatur natürlich, aber auch in der Privatwirtschaft, in der Verwaltung, in den Gerichten, in Organisationen und Verbänden oder auch in einem politischen Umfeld. Jean-Jacques Rousseau hat einmal Folgendes gesagt: "Ein Staat, in dem es mehr Gesetze gibt, als ein Bürger im Gedächtnis behalten kann, ist ein schlecht organisierter Staat, und ein Bürger, der nicht alle Gesetze seines Landes auswendig kennt, ist ein schlechter Bürger". Rousseau ist im Jahre 1778 gestorben. Seither sind die Verhältnisse zweifelsohne komplizierter geworden. Nicht zuletzt deshalb braucht es die Juristinnen
3 und Juristen. Für mich ist klar, dass die Juristinnen und Juristen eine der wichtigsten Rollen in Staat und Gesellschaft spielen. Sie entscheiden nämlich, ob es neue Regeln braucht, sie legen den Inhalt dieser Regeln fest und sie haben auch das letzte Wort bei der Interpretation der Regeln. Nötigenfalls können die Regeln geändert werden. Auch darüber entscheiden die Juristinnen und Juristen. Und dazu zählen Sie alle! Dies erfordert ein hohes Verantwortungsbewusstsein und viel Sorgfalt. Seien Sie sich dessen immer bewusst. Die Zusatzausbildung zum Anwaltspatent zeichnet sich dadurch aus, dass sie Theorie und Praxis, d.h. das Studieren mit dem Praktizieren verbindet. Darin sehe ich einen wesentlichen Vorteil dieses Studiengangs. Wie man es aktuell immer wieder liest, ist das schweizerische duale Modell der Berufsausbildung ein Erfolgsmodell. Das gilt auch für die Vorbereitungsphase auf die Tätigkeit als Anwältin oder Anwalt. Dabei ist das Praktikum eine sehr wertvolle Zeit. Es geht darum, das an der Universität Gelernte in der Praxis umzusetzen und sich neues juristisches Wissen anzueignen, aber auch darum, viele interessante menschliche Erfahrungen zu sammeln. Erlauben Sie mir, Ihnen in diesem Zusammenhang eine Begebenheit aus meiner Praktikumszeit zu erzählen. Die Geschichte liegt so lange zurück und wird so allgemein gehalten, dass ich kaum Gefahr laufe, irgendein Geheimnis zu verraten und plötzlich noch in Konflikt mit den vorher verlesenen Berufspflichten zu geraten. Als Kandidat an einem Richteramt habe ich für den Gerichtspräsidenten in meiner letzten Praktikums-Woche einen Entscheid in einem Gesuch um definitive Rechtsöffnung redigiert. Ich nehme an, dass dies auch heute noch zu den Aufgaben der Kandidatinnen und Kandidaten gehört. Also: Die Gesuchstellerin forderte kurz vor Eintritt der Verjährung eine güterrechtliche For-
4 derung, welche in einem Ehescheidungsurteil festgehalten worden war und in mehreren Raten zu bezahlen gewesen wäre. Der Gesuchgegner machte Verrechnung mit Kinderunterhaltsbeiträgen geltend, welche ihm zugestanden wären. Beide Parteien waren anwaltlich vertreten. Ich habe das Gesuch bewilligt und der Richter hat den Entscheid unterschrieben. Als ich am kommenden Montag in der Kanzlei nahtlos das Anwaltspraktikum begonnen habe, lag mein Entscheid auf dem Pult mit dem Vermerk: Bitte prüfen, ob sich eine Appellation aufdrängt. Nachdem der Fall bisher nur auf Rechtsschriften basierte, hatte ich dann zum ersten Mal Kontakt mit dem Gesuchgegner und er hat mir die ganze Geschichte erzählt. Entgegen dem Ehescheidungsurteil hat das Kind nur in den ersten paar Monaten bei der Gesuchstellerin gewohnt und ist dann zum Gesuchgegner gezogen und dort geblieben. Der Gesuchgegner hat den gerichtlich festgelegten Kinderunterhaltsbeitrag nicht bezahlt und statt selber eine Forderung auf Kinderunterhalt zu erheben, laufend eine Verrechnung mit der Güterrechtsforderung der Gesuchstellerin gemacht. Diese wiederum hat die einzelnen Raten nicht eingefordert, aber dann kurz vor Eintritt der Verjährung den ganzen Betrag in Betreibung gesetzt. Mein Gerechtigkeitsgefühl wurde angesichts dieses Ablaufes strapaziert und in der Folge habe ich meinen eigenen Entscheid wirklich bis ans Bundesgericht weitergezogen. Er wurde nicht gekippt und somit hat mir das oberste Gericht als Kandidat am Richteramt Recht gegeben und mir als Anwaltskandidat eine erste Niederlage beschert. Ich war also Sieger und Verlierer zugleich. Es ist aber noch weiter gegangen. Ich habe danach die Abänderung des Ehescheidungsurteils vorbereitet mit der Neuzuteilung der elterlichen Sorge und der Festlegung von Kinderunterhaltsbeiträgen und dafür zum Aussöhnungsversuch laden lassen. An diesem Termin habe ich zum ersten Mal die seinerzeitige Gesuchstellerin gesehen. Für diese Person
5 habe ich während der Dauer der Verfahren immer weniger Verständnis entwickelt. Mein Klient begrüsste seine Ex-Frau im Warteraum und dabei haben sich die beiden geküsst. Damit ist für mich erneut eine Welt zusammengebrochen. Dass ich dann am Schluss das Ziel erreicht habe, war eigentlich nur noch eine Nebensache. Was will ich Ihnen mit diesem nicht alltäglichen Rollenspiel sagen: Schauen Sie die Sachen in Ihrem Beruf immer von allen Seiten an. Versetzen Sie sich in verschiedene Rollen und bleiben Sie nicht einfach fixiert. Auch die Interessenvertretung für einen Klienten erfordert eine gewisse Distanz und Abgeklärtheit. Oder anders gesagt: Gefragt ist Engagement, aber nicht Identifikation und seien Sie sich bewusst, dass die Realität nicht unbedingt mit Ihren Vorstellungen und Erwartungen korrespondieren muss. Aber da sind Sie ja gewappnet. Die Ausbildung als Anwältin oder Anwalt ist umfassend. Sie verlangt Ausdauer und am Schluss sind die Prüfungen streng. Ich denke nur schon an die schriftliche Prüfung, bei der innerhalb einer Woche drei je fast eintägige Aufgaben geschrieben werden müssen; eine echte Durchhalteübung! Die bereits erwähnte Kombination von Studium und Praktikum macht die Anwaltsausbildung aber eben lehrreich und vielfältig, im fachlichen wie auch im menschlichen Bereich. Aus diesem Grund stellt sie eine sehr gute Vorbereitung auf die verschiedensten Situationen dar, die sich im beruflichen und im privaten Leben später ergeben können. Diese brauchen nicht immer so schräg zu sein, wie in dem von mir geschilderten Fall. Ich bin auch der Meinung, dass dieser Beruf Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu einem Engagement für die Gemeinschaft verpflichtet. Dank Ihrem Gelernten und Erlebten sind Sie befähigt ausserhalb des Beruflichen und Familiären Verantwortung in unserer Gesellschaft zu übernehmen. Ich denke dabei an den sozialen Bereich, an die Gemeinden (sei es Einwohner-, Kirch- oder Burgergemeinde), an die
6 Vereine oder Institutionen aber auch an die Politik. Gerade als Politiker ermuntere ich Sie deshalb gerne dazu, sich für ein politisches Amt zu interessieren und auf Ihre Weise einen Beitrag zum Wohl unserer Gesellschaft zu leisten. Ich selber durfte bereits während der Studienzeit Einsitz im Grossen Gemeinderat, dem Parlament von Langnau nehmen. Dieses politische Engagement habe ich im Laufe der Zeit zu einer wichtigen Nebenbeschäftigung machen dürfen. Ich konnte dabei sehr stark von meiner beruflichen Ausbildung profitieren und empfehle Ihnen solche Engagements und Mandate. Es ist wertvoll, dass man den Puls spürt. Ich komme damit zum Schluss: Mir sind drei Botschaften wichtig. Erstens: Behalten Sie ihrem Beruf die Bodenhaftung und nehmen Sie sich nie zu wichtig. Versetzen Sie sich zweitens in verschiedene Rollen und pflegen Sie damit eine Innen- und Aussensicht. Und als letztes: Das sage ich Ihnen als Anwalt ohne schillernde Mandate, sondern mit viel Unspektakulärem, aber immerhin einer recht grossen Erfahrung: Sie werden sehen, auch in unserem Berufsstand kochen alle nur mit Wasser. Lassen Sie sich nicht zu fest von grossen Namen beeindrucken und erstarren Sie nicht in Ehrfurcht. Liebe Kolleginnen und Kollegen, Ich wünsche Ihnen alles Gute und das nötige Glück für Ihre Zukunft, viel Erfolg und Befriedigung im Beruf und in den verschiedenen Ämtern oder Funktionen, die Sie übernehmen werden, darauf zähle ich! Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und nehmen Sie sich nun die Zeit, mit den Neupatentierten das Ereignis zu feiern! Ich habe fertig.
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