Risikomessung und Risikosteuerung. von Versicherungsunternehmen
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- Stefanie Kirchner
- vor 8 Jahren
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1 Risikomessung und Risikosteuerung von Versicherungsunternehmen Dr. Hato Schmeiser Humboldt-Universität zu Berlin
2 1. Einführung - Deregulierung - Liberalisierung - Globalisierung - Internationalisierung - Finanzinnovationen - Disintermediation - Terrorismus - gestiegene Volatilität - Intensivierung des Wettbewerbs - höhere Eigenverantwortung der Marktteilnehmer in Bezug auf Eingehung und Vermeidung von Risiken - wachsender Komplexitätsgrad einer Risikoanalyse - Angleichung der Marktbedingungen und Regelungen besondere Bedeutung der Risikosteuerung
3 Risikosteuerung besitzt in Versicherungsunternehmen eine große Bedeutung: - Konkurs eines Versicherungsunternehmens (VU) kann zu einem Ruin des Versicherungsnehmers (VN) führen [begrenzte Diversifikationsmöglichkeiten des VN] - Sicherheitsniveau des Versicherers hat einen direkten Einfluss auf die Produktqualität => Zahlungsbereitschaft der VN reagiert extrem sensitiv auf Veränderungen des Sicherheitsniveaus des VU [vgl. empirische Untersuchungen von Wakker/Thaler/Tversky (JRU 1997); Albrecht/Maurer (ZVersWiss 2000)] Position der Aktionäre => Analogie zur Kauf-Option Aber: Einhaltung eines hohen Sicherheitsniveaus kann aufgrund der VN-Reaktion shareholder value optimal sein
4 Risikosteuerung im VU unterliegt grundsätzlich einer massiven Regulierung => u.a. existieren zahlreiche Vorschriften zur Mindesteigenkapitalausstattung Warum überhaupt Solvabilitätsvorschriften? - Implizite Annahmen: Risikoanreizproblematik => Aktionäre haben einen Anreiz Risiken einzugehen, die gesellschaftlich bzw. volkswirtschaftlich unerwünscht sind Risikoadäquate Anpassung der Zahlungsbereitschaft durch die VN im Allgemeinen nicht möglich; Grund (u.a.): Informationsasymmetrien zum Nachteil des VN Aktuelle EU-Regelung zur Solvabilität sehr unbefriedigend => Novellierung der Solvabilitätsregulierung
5 Aktuell angedachtes Konzept: Abschaffung des 53 c VAG zugunsten eines zweistufigen Ansatzes (analog zur Eigenkapitalregulierung im Bankensektor) Stufe 1: - Für alle VU, die sich nicht im Sinne der Stufe 2 freistellen lassen - Solvenzkapital = Aufsummierung des Mindesteigenkapitals für einzelne Risikoklassen - Ansatz verwandt mit dem amerikanischen RBC-Ansatz und dem Capital Adequancy Model von Standard & Poor s Stufe 2: - VU haben die Möglichkeit, sich von Stufe 1 freistellen zu lassen
6 Stufe 2 (Fortsetzung): - Voraussetzung: Internes Solvenzsteuerungsmodell wurde durch das Aufsichtsamt zertifiziert Aus Sicht eines VU sind mit einem tragfähigen internen Steuerungsmodell grundsätzlich viele Wünsche auf einmal erfüllbar: - Externe Solvenzmessung gemäß Stufe 2 - KonTraG-Anforderungen - Internes Risikomanagement, Szenarioanalyse - Gewinnsteuerung <=> Asset Allocation, Rückversicherungsentscheidung => Im Folgenden: Darstellung eines Risikosteuerungsmodells für Kompositversicherer, das auch den Anforderungen an einen Stufe 2 -Ansatz gerecht werden kann
7 Weitere Vorgehensweise: - Diskussion zur Risikomessung auf Unternehmensebene => Ruinwahrscheinlichkeit (RW) versus Expected Policyholder Deficit (EPD) - Entwicklung eines Risikosteuerungsmodells - Darstellung der Praktikabilität des Ansatzes anhand von empirischen Daten eines deutschen Kompositversicherers - Darstellung der Simulationsergebnisse => unterschiedliche Szenarien bzgl. - Eigenkapitalausstattung - Asset Allocation - Korrelationbeziehung - Zeithorizont etc.
8 2. Risikomessung: RW versus EPD Risikomessung => zwei prominente Ansätze a) Ruinwahrscheinlichkeit (RW) b) Expected Policyholder Deficit (EPD) Ratio Approach zu a): RW => Wie groß ist die Überschuldungswahrscheinlichkeit des VU in einem bestimmten Zeitraum; formal z.b. für 1 Jahr: ψ ( 1) = Pr ob( U < 1 0) mit U = Eigenkapital des VU RW trifft keine Aussagen über mögliche Überschuldungshöhen
9 zu b): EPD => Erwartete Kosten der Überschuldung, formal z.b. für 1 Jahr: ( max( 0 U,0)) = Pr ob( U < 0) E( 0 U U 0) EPD = E < mit U = Eigenkapital des VU Es besteht eine substitutive Beziehung zwischen der RW und den erwarteten Kosten der Überschuldung im Falle eines tatsächlich eingetretenen Ruins => per se nicht völlig unproblematisch Um unterschiedlich große VU miteinander vergleichen zu können, wird typischerweise eine EPD ratio gebildet => z.b. EPD geteilt durch die Prämieneinnahmen
10 Empirische Untersuchung von Barth (JRI 2000) => Bestimmung der Mindest-EK-Ausstattung anhand einer maximal zulässigen EPD ratio - Ergebnis: Für große VU ist eine deutlich größere RW ausreichend - Problematisch, da Konkurs eines großen VU hohe indirekte Kosten produziert Gesamtergebnis: Es lässt sich keine grundsätzliche Vorteilhaftigkeit eines bestimmten Verfahrens zur Risikomessung propagieren Im Weiteren: Verwendung der RW
11 Modellierung der RW: Zeitdiskrete Betrachtung Zeitstetige Betrachtung Finiter Planungshorizont [0, T] Infiniter Planungshorizont [0, ]
12 - Simulationsmodell (Latin-Hypercube, Iterationen) - Datensatz eines deutschen Erstversicherungsunternehmens - VU betreibt sieben verschiedene Versicherungszweige aus dem Schaden-/Unfallversicherungsbereich - Analyse auf Basis von Marktwerten - Daten sind anonymisiert worden; Risikostruktur entspricht allerdings exakt der tatsächlich beobachteten - Darstellung der Ergebnisse anhand von unterschiedlichen Szenarien 3. Vorschlag für ein Risikosteuerungsmodell Vorbemerkungen
13 Grundformel U = U 1 + Z + I + OR = 1, 2,..., Θ G 4 U = Eigenkapital G = Gewinn Z = Versicherungstechnisches Ergebnis I = Investmentergebnis OR = Sonstiges Ergebnis
14 Beschreibung der einzelnen Elemente Zunächst: Planungshorizont 1 Jahr Versicherungstechnisches Ergebnis: Z 1 = π 1 S 1 + CS 1 E 1 π = Prämieneinkommen (netto) S = Gesamtschadenverteilung (netto) (Schadenaufwand, d.h. inkl. IBNR-Schäden), CS = Verteilung des Abwicklungsergebnisses (netto), E = Betriebsaufwendungen
15 Inputdaten versicherungstechnischer Bereich Tabelle 1 distribution parameter 1 parameter 2 mean standard deviation π ,346,880,000 - S 1 extreme value 1,144,082,000 39,190,000 1,166,702,860 50,263,128 CS 1 normal 90,000,000 18,000, ,000,000 18,000,000 E ,000,000 - Investmentergebnis: I 1 = C0 r0,1 IE1 C = Durchschnittliches Kapitalanlagevolumen; r = Rendite der Anlage (zufallsabhängig); IE = Kapitalanlageaufwendungen
16 Dabei gilt: r T T = w R w = ( w,...,w ) 0,1 1 z r1 z R = M w = j 1 j= 1 rz => Anlageklassen j = 1,...,z mit den dazugehörigen Renditen r j => der Anteil der Anlageklasse j an der Kapitalanlage wird mit w j bezeichnet Betrachtung von 8 Anlageklassen mit drei unterschiedlichen Asset Strukturen (w[1] ist die aktuelle Struktur des VU) w [] 1 = w [] 2 = w[] =
17 Inputdaten Investmentbereich Tabelle 2 j type relevant index distribution E ( r j ) std ( r j ) 1 real estate DIX normal 4.20 % 3.00 % 2 money market - normal 3.30 % 1.00 % 3 stocks DAX normal % % 4 stocks MSCI-Europe normal % % 5 stocks MSCI-World normal % 11.7 % 6 bonds REXP normal 6.90 % 5.70 % 7 affiliated enterprises - normal 7.30 % % 8 mortgage % 0.00 %
18 Korrelationen zwischen den Renditen der Anlageklassen j Tabelle 3
19 Sonstige Investmentdaten: - Kapitalanlagevolumen C 0 = 4,038,277,600 - Kapitalanlageaufwendungen IE 1 = 19,651,000 Sonstiges Ergebnis (nicht versicherungstechnisches Ergebnis): - OR 1 = - 29,924,000 Eigenkapital (zu Marktwerten) - U 0 = 1,573,759,200 => Einjahres-RW des VU (ψ(1)) und korrespondierendes S&P- Rating in Abhängigkeit - der EK-Ausstattung U 0 und - der Asset Allocation w
20 Einjährige Ruinwahrscheinlichkeiten in Abhängigkeit der Asset Allocation und der EK-Ausstattung Tabelle 4 w [1] w [2] w [3] U 0 = 1,573,759,200 ψ (1) % (S&P: AAA ) ψ (1) % (S&P: AAA ) ψ (1) % (S&P: AA ) U 0 = 1,000,000,000 ψ (1) % (S&P: AA ) ψ (1) % (S&P: AA ) ψ (1) % (S&P: BBB ) U 0 = 500,000,000 ψ (1) % (S&P: BB ) ψ (1) % (S&P: B ) ψ (1) % (S&P: B )
21 Erweiterung auf mehrere Perioden Integration von Dividenden- und Steuerzahlungen (D); für die Grundformel gilt nun: U = U + π S + CS E + C 1 r 1, IE + OR Z I 3 G D 1 ( mit = 1, 2,..., Θ). Für D gilt: D = 0.6 G 0 for for G G > 0 0.
22 Die Entwicklung des Kapitalanlagevolumens C ist abhängig vom Gewinn (G) und den Dividenden-/Steuerzahlungen (D): C C 1 = + G D - Annahmen: I: Stationäre Inputfaktoren Szenario [1] π = π 1 ; E = E1 IE = IE1 OR = OR1 für alle
23 II: Unabhängigkeitsannahme Schäden S sind identisch verteilt und unabhängig voneinander (i.i.d.); Abwicklungsergebnisse CS sind i.i.d.; Anlagerenditen r -1, sind i.i.d.; keine Korrelationen zwischen S, CS und r III: Asset Allocation w[1] (aktuelle Struktur des VU) IV: Inputdaten Analog zum Einperiodenmodell (vgl. insbesondere die Tabellen 1, 2 und 3)
24 Ruinwahrscheinlichkeiten bei 5-, 10- und 15-jährigem Planungshorizont Szenario [1] Tabelle 5 ψ () 5 ψ ( 10) ψ ( 15) U 0 = 1,573,759, % (S&P: AAA ) % (S&P: AAA ) % (S&P: AAA ) U 0 = 1,000,000, % (S&P: AA ) % (S&P: AAA ) % (S&P: AAA ) U 0 = 500,000, % (S&P: BB ) % (S&P: BB ) % (S&P: BB )
25 Szenario [2] Wie Szenario [1] Aber: Veränderung der Annahme I Neue Prämisse: jährlicher Prämienverfall Startwert wie bisher (π 1 = 1,346,880,000 ; vgl. Tabelle 1) Aber: π+ 1 = π
26 Ruinwahrscheinlichkeiten bei 5-, 10- und 15-jährigem Planungshorizont Szenario [2] Tabelle 6 ψ () 5 ψ ( 10) ψ ( 15) U 0 = 1,573,759, % (S&P: AAA ) % (S&P: AAA ) % (S&P: AA ) U 0 = 1,000,000, % (S&P: AA ) % (S&P: A ) % (S&P: BBB ) U 0 = 500,000, % (S&P: BB ) % (S&P: BB ) % (S&P: BB )
27 Szenario [3] Wie Szenario [1], aber Veränderung der Annahme II S 1 S 2 S 3... CS 1 CS 2 CS 3... S S S CS CS CS
28 Ruinwahrscheinlichkeiten bei 1-, 5- und 10-jährigem Planungshorizont Szenario [3] Tabelle 7 ψ () 1 ψ () 5 ψ ( 10) U 0 = 1,573,759, % (S&P: AAA ) % (S&P: AAA ) % (S&P: A ) U 0 = 1,000,000, % (S&P: AA ) % (S&P: A ) % (S&P: BB ) U 0 = 500,000, % (S&P: BB ) % (S&P: BB ) % (S&P: B )
29 4. Zusammenfassung Die Simulationsmethodik stellt ein sehr flexibles Tool zur Risikosteuerung da Insbesondere können unterschiedlichste Stress-Szenarien analysiert werden, z.b. - Zunahme der Schäden, gefährliche Verteilungsannahmen, Prämienverfall, negative Entwicklungen auf den Kapitalmärkten, gefährliche (Auto-)Korrelationsbeziehungen etc. Tragfähiges internes Steuerungsmodell erfüllt viele Wünsche auf einmal => externer Solvabilitätsnachweis (im Sinne der Stufe 2 ), KonTraG, interne Aufgaben: Risikomanagement und Gewinnsteuerung, Marktsignalisierung u.v.m.
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