I. Feststellung der Abstammung
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- Clemens Bachmeier
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1 223 Recht. Unterschiedliche Anknüpfungen gab es schließlich auch im internationalen Namensrecht für eheliche und nichteheliche Kinder (Art. 10 Abs. 3, Abs. 4 EGBGB a. F.). Seit dem ist im EGBGB nicht mehr von ehelichen und nichtehelichen Kindern die Rede. Die neuen Kollisionsnormen zur Abstammung (Art. 19 EGBGB), zur Anfechtung der Abstammung (Art. 20 EGBGB) und zu den Wirkungen des Eltern-Kind-Verhältnisses (Art. 21 EGBGB) gelten für alle Kinder, die Kollisionsnorm zur Legitimation wurde gestrichen, und auch im internationalen Namensrecht ist die Unterscheidung zwischen ehelichen und nichtehelichen Kindern entfallen. Im folgenden werden zunächst die Anknüpfungsregeln für die Feststellung der Abstammung und sodann die Anknüpfungsregeln für die Anfechtung der Abstammung dargestellt. In einem dritten Abschnitt wird dann nach der kollisionsrechtlichen Behandlung einer (nach ausländischem Recht erfolgten) Legitimation gefragt werden. I. Feststellung der Abstammung 1. Anknüpfungsalternativen Das frühere Recht unterschied bei der Frage der Abstammung danach, ob die Mutter des Kindes bei dessen Geburt oder im Zeitpunkt der Empfängnis verheiratet war oder nicht. Im ersteren Fall ging es um die Ehelichkeit des Kindes, im zweiten Fall um die Feststellung der Vaterschaft (u. U. auch der Mutterschaft). Ob das Kind den Status eines ehelichen Kindes hatte, richtete sich primär nach dem sog. Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 EGBGB). Hatten die Mutter und ihr Ehemann dieselbe Staatsangehörigkeit, so galt ihr gemeinsames Heimatrecht. Hatten sie nicht dieselbe Staatsangehörigkeit, so kam es auf das Recht des Staates an, in dem sie gemeinsam ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten. Alternativ konnte die Ehelichkeit des Kindes auch nach dem Heimatrecht der Mutter oder ihres Ehemannes jeweils zur Zeit der Geburt des Kindes festgestellt werden. War die Mutter weder bei der Geburt des Kindes noch bei dessen Empfängnis verheiratet, so konnte die (nichteheliche) Abstammung alternativ nach drei Rechten festgestellt werden: dem Recht des Staates, dem die Mutter bei der Geburt des Kindes angehörte, dem Recht des Staates, dem der Vater bei der Geburt des Kindes angehörte, und dem Recht des Staates, in dem das Kind (im Zeitpunkt der begehrten Feststellung) seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Art. 20 Abs. 1 EGBGB a. F.). Für die Feststellung der mütterlichen Abstammung kam es allein auf das Heimatrecht der Mutter an. In der Neufassung des Art. 19 EGBGB wurden die früheren Anknüpfungen miteinander verschmolzen. Primärer Anknüpfungspunkt ist nunmehr das Recht des Staates, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Daneben kann die Abstammung aber im Verhältnis zu jedem Elternteil
2 224 6 Abstammung auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Schließlich gibt es nach wie vor wenn die Mutter des Kindes verheiratet ist die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut z. Z. der Geburt des Kindes bzw. wenn die Ehe vorher durch Tod aufgelöst worden ist z. Z. der Auflösung der Ehe (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB). Die augenfälligste Neuerung ist die Dominanz der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (Art. 19 Abs. 1 S. 1 EGBGB). Anders als bisher kann die Abstammung eines Kindes vom Ehemann seiner Mutter auch dann z. B. nach deutschem Recht festgestellt werden, wenn beide Ehegatten Türken sind und lediglich mit dem Kind in Deutschland leben. Was schon bisher für nichteheliche Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland die Regel war, nämlich die Feststellung der Vaterschaft nach deutschem Recht, ist nunmehr also auch bei Kindern möglich, die einer Ehe entstammen. Eine zweite Neuerung ist die Wandelbarkeit der Anknüpfung. Die Artt. 19 und 20 EGBGB a. F. stellten unwandelbar sowohl für die eheliche als auch für die nichteheliche Abstammung eines Kindes auf das Ehewirkungsstatut bzw. auf das Heimatrecht der Mutter, ihres Ehemannes oder des nichtehelichen Vaters im Zeitpunkt der Geburt des Kindes ab. Eine Änderung des Ehewirkungsstatuts oder des Heimatrechts eines Elternteils hatte keine Auswirkungen auf die Anknüpfung. Nur die Feststellung der Abstammung nach dem gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes konnte nach dem Recht am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt erfolgen. Nach der Neuregelung kommt es auf den Zeitpunkt der Geburt nur noch an, wenn an das Ehewirkungsstatut angeknüpft wird (Art. 19 Abs. 1 S. 3 EGBGB). Das leuchtet ein. Ist die Mutter verheiratet (oder ist ihre Ehe kurz vor der Geburt des Kindes durch Tod aufgelöst worden), so hat das Kind schon bei seiner Geburt einen Vater. Nur bei einer unverheirateten Mutter kann es einige Zeit dauern, bis der Vater des Kindes festgestellt werden kann. Hat sich bis dahin die Staatsangehörigkeit des Vaters geändert, so erscheint es sinnvoll, an seine jetzige Staatsangehörigkeit und nicht an seine Staatsangehörigkeit z. Z. der Geburt des Kindes anzuknüpfen Rück- und Weiterverweisung Art. 19 Abs. 1 EGBGB stellt verschiedene Anknüpfungen zur Wahl: gewöhnlicher Aufenthalt des Kindes, Heimatrecht der Eltern, Ehewirkungsstatut. Der Sinn einer solchen alternativen Anknüpfung liegt auf der Hand: Die Feststellung der Abstammung soll sowohl ermöglicht als auch erleichtert werden. Läßt eines der berufenen Rechte die Feststellung der Abstammung nicht zu, soll ein anderes Recht zum Zuge kommen. Und führt eine der Anknüpfungsalternativen zum deutschen Recht, brauchen die anderen Anknüpfungsalternativen nicht mehr geprüft zu werden. Es herrscht das sog. Günstigkeitsprinzip. 1 Zur Aufrechterhaltung der Vaterschaft nach dem»alten«abstammungsstatut vgl. Looschelders, IPRax 1999, 420, 423 f.
3 225 Diese Zielvorstellung des Gesetzgebers hat Konsequenzen für die Beachtlichkeit einer Rück- oder Weiterverweisung. In Art. 4 Abs. 1 S. 1 EGBGB heißt es: Wird auf das Recht eines anderen Staates verwiesen, so ist auch dessen Internationales Privatrecht anzuwenden, sofern dies nicht dem Sinn der Verweisung widerspricht. Ist eine alternative Anknüpfung Ausdruck des Günstigkeitsprinzips, so würde es dem Sinn der Verweisungsnorm widersprechen, wenn durch die Anerkennung der Rückverweisung die Anknüpfungsalternativen weniger würden. Beispiel: Eine mit einem Türken verheiratete deutsche Frau bringt drei Monate nach ihrer Scheidung ein Kind zur Welt. Nach deutschem Recht (Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes) wird die Vaterschaft des früheren Ehemannes nicht mehr vermutet (vgl S. 1 BGB), nach türkischem Recht dagegen noch immer (Art. 241 türk. ZGB). Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB läßt die Feststellung der Vaterschaft auch nach türkischem Recht zu. Das türkische Kollisionsrecht unterstellt jedoch die Frage der ehelichen Abstammung dem Ehewirkungsstatut (Art. 15 türk. IPR-Gesetz). Ehewirkungsstatut ist nach türkischem Recht bei unterschiedlicher Staatsangehörigkeit der Ehegatten das Recht des gemeinsamen Wohnsitzes (Art. 12 Abs. 2 S. 2 türk. IPR-Gesetz). Würde man diese Rückverweisung des türkischen Kollisionsrechts akzeptieren, so würde sich der Kreis der anwendbaren Rechte verkleinern. Aus diesem Grund ist die Rückverweisung wegen Sinnwidrigkeit nicht zu berücksichtigen. Türkisches Recht bleibt anwendbar. Die Vaterschaft kann also ungeachtet der türkischen Kollisionsnorm auch nach türkischem Recht festgestellt werden. 3. Feststellung der Vaterschaft a) Geburt oder Zeugung des Kindes in einer Ehe Trotz der Gleichstellung ehelicher und nichtehelicher Kinder ist es bei der Feststellung der Abstammung noch immer von Bedeutung, ob die Mutter des Kindes bei der Geburt oder der Zeugung des Kindes verheiratet war. In diesem Fall wird nämlich regelmäßig ihr Ehemann als Vater des Kindes vermutet. Bringt eine in Deutschland lebende, mit einem Ausländer verheiratete Frau ein Kind zur Welt, so führt sowohl die Anknüpfung an das Ehewirkungsstatut (Art. 14 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB) als auch die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes (leben die Eltern des Kindes in Deutschland, so kann davon ausgegangen werden, daß auch das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat) zum deutschen Recht. Danach gilt 1592 Nr. 1 BGB: Vater des Kindes ist der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Voraussetzung der Vaterschaftsvermutung ist also das Bestehen einer Ehe. Die Vermutung greift nicht ein, wenn aus deutscher Sicht keine Ehe besteht, z. B. weil die Eltern des Kindes die Ehe nicht vor dem Standesbeamten, sondern vor einem nicht im Sinne des Art. 13 Abs. 3 S. 2 EGBGB ordnungsgemäß ermächtigten Geistlichen geschlossen haben. Eine Ehe besteht auch dann nicht (mehr), wenn die Eheleute bei der Geburt des Kindes bereits geschieden waren. Ist die Ehescheidung im Inland erfolgt, so ist 1592 Nr. 1 BGB nicht mehr anwendbar, sobald
4 226 6 Abstammung das Ehescheidungsurteil rechtskräftig geworden ist. Hat ein ausländisches Gericht die Ehe geschieden, so gilt das gleiche, vorausgesetzt, das ausländische Scheidungsurteil wird im Inland anerkannt. Die Anerkennung wirkt in diesem Fall auf den Zeitpunkt der Rechtskraft des Urteils zurück. Eine aus deutscher Sicht unwirksame Scheidung, z. B. eine Privatscheidung im Inland, läßt die Vaterschaftsvermutung fortbestehen. Wird nach deutschem Recht die Vaterschaft nicht vermutet, so kann die Ermittlung des Vaters auf zweierlei Weise betrieben werden: Entweder man geht den Weg weiter, den das deutsche Recht weist, und stellt denjenigen als Vater fest, der die Vaterschaft anerkennt ( 1592 Nr. 2 BGB), oder man prüft, ob nach dem Heimatrecht des (früheren) Ehemannes der Mutter eine Vaterschaftsvermutung besteht (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Daß nach dem Heimatrecht des Mannes eine Vaterschaftsvermutung besteht, obgleich das deutsche Recht eine solche ablehnt, kann verschiedene Gründe haben: Es kann sein, daß das ausländische Recht vom Bestehen einer Ehe ausgeht, die nach deutschem Recht nicht existiert, es kann sein, daß das Heimatrecht des Mannes ein deutsches Scheidungsurteil nicht anerkennt und deswegen nach wie vor vom Fortbestand der Ehe ausgeht, und es kann schließlich auch sein, daß nach ausländischem Recht anders als nach deutschem Recht die Vaterschaftsvermutung auch dann gilt, wenn das Kind innerhalb der Empfängniszeit nach Scheidung der Ehe zur Welt gekommen ist. Hängt die Vaterschaftsvermutung nach dem Heimatrecht des Mannes davon ab, ob er mit der Mutter des Kindes in einer bestehenden Ehe lebt, so kann diese Vorfrage unterschiedlich beantwortet werden, je nachdem, ob sie selbständig oder unselbständig angeknüpft wird. Selbständige Anknüpfung bedeutet Beurteilung aus der Sicht des deutschen (Kollisions-)Rechts, unselbständige Anknüpfung bedeutet Beurteilung aus der Sicht des Rechts, das über die Hauptfrage entscheidet. Haben zwei Griechen in Deutschland vor einem nicht ermächtigten Geistlichen die Ehe geschlossen, so ist aus deutscher Sicht eine Ehe nicht zustande gekommen, während das griechische Recht die Ehe für wirksam hält. Die Vermutung des griechischen Rechts, daß ein in einer Ehe geborenes Kind den Ehemann der Mutter zum Vater hat (Art griech. ZGB), greift darum nicht ein, wenn die Vorfrage nach dem Bestehen der Ehe selbständig angeknüpft wird. Dagegen wird bei unselbständiger Anknüpfung der Vorfrage der Ehemann als Vater vermutet. Die Vorfrage nach dem Bestehen einer Ehe pflegt in Deutschland selbständig angeknüpft zu werden 2. Vor dem Inkrafttreten des Kindschaftsrechtsreformgesetzes wurde demgegenüber von manchen Autoren auch eine alternative Anknüpfung empfohlen. Für eine solche alternative Anknüpfung berief man sich auf den die alte Kollisionsnorm (Art. 19 Abs. 1 EGBGB a. F.) prägenden favor legiti- 2 BGH FamRZ 1965, 311= StAZ 1965, 152; BayObLG FamRZ 1964, 45 = StAZ 1964, 11; 1966, 144 = StAZ 1966, 84; OLG Köln StAZ 1972, 140; KG FamRZ 1973, 313 = StAZ 1973, 217 m. Anm. Dilger 218; OLG Zweibrücken FamRZ 1974, 153.
5 227 mitatis. Nach geltendem Recht ist dieses Argument entfallen. Darum sollte es auch angesichts des ordre public-charakters des Art. 13 Abs. 3 EGBGB bei der selbständigen Anknüpfung der Vorfrage bleiben. Dem Kind entsteht dadurch kein Nachteil, da eine fehlende Vermutung die Feststellung seines wirklichen Vaters nicht hindert. Ebenfalls selbständig sollte die Vorfrage nach der Wirksamkeit einer Ehescheidung angeknüpft werden. Ist die Ehe der Mutter in Deutschland rechtskräftig geschieden, so kann das Bestehen einer Vaterschaftsvermutung nach dem Heimatrecht des Vaters nicht darauf gegründet werden, daß nach diesem Recht die Ehe noch bestehe. Anders ist die Situation, wenn das deutsche Recht und das Heimatrecht des Vaters lediglich die Reichweite der Vaterschaftsvermutung unterschiedlich bestimmen. Kommt ein Kind drei Monate nach rechtskräftiger Scheidung der Ehe seiner Mutter zur Welt, so wird zwar nicht mehr nach deutschem Recht, wohl aber z. B. nach griechischem oder türkischem Recht der frühere Ehemann der Mutter nach wie vor als Vater vermutet. Aufgrund dieser Vermutung kann er als Vater des Kindes eingetragen werden, ohne zuvor seine Vaterschaft ausdrücklich anerkannt zu haben. Hier zeigt sich, daß das Nebeneinanderbestehen mehrerer Anknüpfungsalternativen dazu führen kann, daß das Kind zwei Väter bekommt. Beispiel: Eine türkische Frau wird von ihrem ebenfalls türkischen Ehemann geschieden. Drei Monate nach der Scheidung bringt sie ein Kind zur Welt. Ihr neuer Lebenspartner erkennt die Vaterschaft zu dem Kind an. Alle Beteiligten leben in Deutschland. Früher hätte man als erstes gefragt: Hat das Kind den Status eines ehelichen Kindes? Diese Frage hätte man nach türkischem Recht (gemeinsames Heimatrecht der Eheleute bei Auflösung ihrer Ehe) bejaht; denn nach türkischem Recht hat ein Kind, das innerhalb von 300 Tagen nach Auflösung der Ehe seiner Mutter geboren wird, den früheren Ehemann zum Vater (Art. 241 türk. ZGB). Damit wäre eine Anerkennung des Kindes durch den jetzigen Lebenspartner der Mutter sowohl nach türkischem als auch nach deutschem Recht erst nach einer wirksamen Anfechtung der Ehelichkeit und der rechtskräftigen Feststellung der Nichtehelichkeit des Kindes in Frage gekommen. Der neugefaßte Art. 19 Abs. 1 EGBGB sieht eine solche Prüfungsreihenfolge nicht mehr vor. Der Lebenspartner der Mutter kann nach deutschem Recht das Kind anerkennen, falls nicht ein anderer Mann als Vater des Kindes vermutet wird ( 1594 Abs. 2 BGB). Letzteres ist nach deutschem Recht nicht der Fall, da die Ehe der Mutter nicht durch Tod, sondern durch Scheidung aufgelöst wurde ( 1592 Nr. 1, 1593 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Anerkennung wäre damit nach deutschem Recht wirksam, falls die Mutter ihr zugestimmt hat ( 1592 Nr. 2, 1595 Abs. 1 BGB). Nun kann aber die Abstammung eines Kindes im Verhältnis zu jedem Elternteil auch nach dem Recht des Staates bestimmt werden, dem dieser Elternteil angehört (Art. 19 Abs. 1 S. 2 EGBGB). Das bedeutet, daß die Abstammung des Kindes vom früheren Ehemann der Mutter auch nach dessen türkischem Heimatrecht
6 228 6 Abstammung festgestellt werden kann. Nach diesem gilt der frühere Ehemann als Vater des Kindes, weil das Kind innerhalb der Empfängniszeit nach Auflösung der Ehe zur Welt gekommen ist. Kann also die Vaterschaft sowohl nach deutschem als auch nach türkischem Recht festgestellt werden, so hat das Kind zwei Väter: Die Vaterschaft des einen wird nach türkischem Recht vermutet, die Vaterschaft des anderen ist durch Anerkennung nach deutschem Recht festgestellt worden. Will man dieses Ergebnis vermeiden, so bieten sich zunächst zwei Wege an: Nach 1594 Abs. 2 BGB ist die Anerkennung der Vaterschaft nicht wirksam,»solange die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht«. Ob eine solche anderweitige Vaterschaft besteht, muß nicht notwendigerweise gleichfalls nach deutschem Recht entschieden werden. Man könnte diese»vorfrage«auch nach Art. 19 Abs. 1 EGBGB anknüpfen und bejahen, wenn auch nur nach einem der dort genannten Rechte eine Vaterschaftsvermutung besteht. Geht man diesen Weg, so würde die Anerkennung nach deutschem Recht ausscheiden, solange nicht die nach türkischem Recht bestehende Vaterschaft wirksam angefochten worden ist 3. Der andere Weg ist der, einer der beiden Anknüpfungsalternativen den Vorrang einzuräumen, nämlich der, die für das Kind am günstigsten ist 4. Die für das Kind günstigste Lösung ist sicherlich die, die ihm ohne Umwege zu seinem wirklichen Vater verhilft. Würde man die Anerkennung nach deutschem Recht ausschließen (obwohl nach deutschem Recht keine Vermutung für die Vaterschaft eines anderen Mannes spricht), weil nach türkischem Recht der geschiedene Ehemann der Mutter noch als Vater gilt, so hinge die Feststellung des wirklichen Vaters davon ab, daß die nach türkischem Recht bestehende»ehelichkeit«des Kindes zuvor beseitigt worden ist. Dieser Weg ist beschwerlich und für das Kind ungünstiger (und dazu noch mit Kosten verbunden) als der, für den sich der deutsche Gesetzgeber bei der Regelung des materiellen Rechts entschieden hat. Das könnte dafür sprechen, die Anerkennung einschließlich ihrer Voraussetzungen allein dem deutschen Recht zu unterstellen, weil es die für das Kind günstigste Regelung darstellt. Für die Unterstellung allein unter das deutsche Recht läßt sich noch ein weiteres Argument in Feld führen: Die Geburt des Kindes nach Scheidung der Ehe ist nicht der einzige Fall, in dem die Vaterschaft des (früheren) Ehemannes der Mutter nicht mehr vermutet wird. Der Ehemann der Mutter gilt nach deutschem Recht auch dann nicht mehr als Vater des Kindes, wenn das Kind nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags (also noch vor Auflösung der Ehe) geboren wird, ein Dritter spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsurteils die Vaterschaft anerkennt und der (frühere) Ehemann der Mutter 3 Vgl. Hepting, StAZ 2000, Für eine generelle Priorität der Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes: Andrae Rz. 460.
7 229 der Anerkennung zustimmt ( 1599 Abs. 2 BGB). In diesem Fall ist 1594 Abs. 2 BGB nicht anzuwenden. Das heißt: Hier kann eine Anerkennung wirksam erfolgen, auch wenn (rechtlich) die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht. Hat eine türkische Frau in Deutschland nach Anhängigkeit des Scheidungsantrags ein Kind geboren, so kann also der wirkliche Vater des Kindes es anerkennen, wenn der frühere (türkische) Ehemann der Mutter der Anerkennung zustimmt Abs. 2 BGB steht hier der Anerkennung nicht entgegen. Es liegt nahe, diese Regel auch auf den Fall zu übertragen, daß das Kind erst nach Rechtskraft der Scheidung geboren wird. Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch hier ein Dritter die Vaterschaft zu dem Kind sollte anerkennen können, jedenfalls dann, wenn der frühere Ehemann der Mutter damit einverstanden ist 5. Das Einverständnis des früheren Ehemannes der Mutter muß aber nicht in jedem Fall eingeholt werden. Wird das Kind erst nach Rechtskraft der Scheidung geboren, wird die Mutter häufig den Kontakt zu ihrem früheren Ehemann verloren haben. Hier erschiene es formalistisch, auf der Einwilligung des früheren Ehemannes zur Anerkennung der Vaterschaft durch den Dritten zu bestehen. Konkurriert der unwahrscheinliche Vater mit dem wahrscheinlichen Vater, sollte sich diejenige Rechtsordnung durchsetzen, die dem Kind unmittelbar also ohne vorherige Anfechtung der Vaterschaft oder ausdrückliche Einwilligung des früheren Ehemannes zu seinem wahrscheinlichen Vater verhilft. Nur dann, wenn kein Dritter Anstalten macht, das Kind anzuerkennen, bleibt es bei der für das Kind zweitbesten Lösung, also der nicht nach deutschem, sondern nur nach ausländischem Recht vermuteten Vaterschaft des Ehemannes der Mutter. Aus Gründen der Rechtssicherheit wird man hier allerdings eine Frist setzen müssen, innerhalb derer der Dritte das Kind anerkannt haben muß. Dafür bietet sich wiederum die Analogie zu 1599 Abs. 2 BGB an. Nur bei Anerkennung des Kindes innerhalb eines Jahres nach Rechtskraft des Scheidungsurteils kann der Ehemann der Mutter aus seiner Rechtsposition als Vater, die ihm nach seinem Heimatrecht zukommt, ohne seine Zustimmung oder ohne vorherige Anfechtung der Vaterschaft verdrängt werden. Erfolgt die Anerkennung der Vaterschaft vor der Eintragung der Geburt, wird nur der Anerkennende als Vater eingetragen. Erfolgt die Anerkennung der Vaterschaft erst nach der Eintragung der Geburt (mit entsprechendem Randvermerk), so steht damit die Vaterschaft des Anerkennenden ebenso fest, wie wenn die Vaterschaft des in diesem Fall eingetragenen früheren Ehemannes der Mutter wirksam angefochten worden wäre. Bisher war von dem Fall die Rede, daß eine nach deutschem Recht wirksame Vaterschaftsfeststellung mit einer Vaterschaftsvermutung nach dem Heimatrecht des (vermuteten) Vaters kollidiert. Es gibt aber auch die umgekehrte Konstellation: die Vaterschaftsanerkennung nach ausländischem Recht, die mit einer nach deutschem Recht bestehenden Vaterschaftsvermutung kollidiert. Lebt 5 Für eine analoge Anwendung von 1599 Abs. 2 BGB in diesem Fall auch Gaaz, StAZ 1998, 241, 250 f.; Looschelders, IPRax 1999, 420, 422.
8 230 6 Abstammung beispielsweise ein italienisches Ehepaar in Deutschland und kommt in der Ehe ein Kind zur Welt, so gilt nach deutschem Recht (Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes) der Ehemann der Mutter als Vater ( 1592 Nr. 1 BGB). Nach italienischem Recht ist konstitutiv für den Status des Kindes nicht die Tatsache, daß das Kind von einer verheirateten Frau geboren worden ist, sondern die Erklärung darüber vor dem Standesbeamten und die Aufnahme der Erklärung in die Geburtsurkunde 6. Unterbleibt diese Erklärung, so kann das Kind von einem Dritten anerkannt werden: Die Abstammung vom Ehemann wird nicht vermutet. Dasselbe gilt, wenn ein Kind nach Ablauf von 300 Tagen nach der gerichtlichen Trennung (die der Scheidung der Ehe regelmäßig vorangeht) geboren worden ist (Art. 232 Abs. 2 C. c.). Das heißt, daß auch hier das Kind zwei Väter haben kann, je nachdem, ob der Feststellung der Vaterschaft das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes oder das Heimatrecht des Anerkennenden oder das Ehewirkungsstatut zugrunde gelegt wird. Zu fragen wäre hier nur, ob nach italienischem Recht nicht die nach deutschem Recht bestehende Vaterschaft anerkannt wird und dann die Anerkennung durch einen Dritten ausscheidet. Dies ist indessen nicht der Fall. Das italienische Kollisionsrecht knüpft sowohl die Rechtsstellung des Kindes als auch die Voraussetzungen für seine Anerkennung an das Heimatrecht des Kindes an. Das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes bleibt unberücksichtigt. Ob also das Kind nach dem Recht an seinem gewöhnlichen Aufenthalt bereits einen Vater hat, interessiert das italienische Recht nicht 7. Auch hier empfiehlt es sich, von den beiden Anknüpfungsalternativen diejenige zu wählen, die für das Kind am günstigsten ist, d. h. diejenige, die ihm ohne Umwege zu seinem wirklichen Vater verhilft 8. b) Das Kind einer unverheirateten Mutter Die Vaterschaft zu dem Kind einer unverheirateten Mutter wird regelmäßig durch Anerkennung festgestellt. Für diese Feststellung kommen zwei Rechte in Betracht: das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und das Heimatrecht des Anerkennenden (Art. 19 Abs. 1 S. 1 und 2 EGBGB). Ergänzend ist daneben noch das Heimatrecht des Kindes zu berücksichtigen (Art. 23 S. 1 EGBGB). Es entscheidet darüber, ob zu der Abstammungserklärung die Zustimmung des Kindes oder einer anderen Person, zu der das Kind in einem familienrechtlichen Verhältnis steht, im Regelfall also der Mutter, erforderlich ist sowie über die Art und Weise dieser Zustimmungserklärung. 6 Art. 67. Dekret Nr (Personenstandsordnung); vgl. Gabrielli, Das italienische Kindschaftsrecht, in: Schwab/Henrich, Entwicklungen des europäischen Kindschaftsrechts (2. Aufl. 1996) 59, Die Anerkennung durch den Dritten wäre allerdings nach italienischem Recht ausgeschlossen, wenn das Kind die deutsche Staatsangehörigkeit hätte oder auch nur ein Elternteil Deutscher wäre. Hier würde man die Feststellung des deutschen Rechts akzeptieren, daß das Kind den Ehemann der Mutter zum Vater hat. 8 Ebenso Hepting, StAZ 2000, 37.
9 231 Das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt des Kindes und das Heimatrecht des Anerkennenden stehen alternativ zur Verfügung 9. Ein deutscher Richter oder Standesbeamter wird darum die Wirksamkeit der Anerkennung zunächst nach deutschem Recht prüfen, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat oder der Anerkennende Deutscher ist. Das deutsche Recht bestimmt dann sowohl die Voraussetzungen einer wirksamen Anerkennung als auch die dabei zu beachtenden Formvorschriften. Eine wirksame Anerkennung setzt voraus, daß nicht die Vaterschaft eines anderen Mannes besteht ( 1594 Abs. 2 BGB) und daß die Mutter der Anerkennung zustimmt ( 1595 Abs. 1 BGB). Ist der Anerkennende nicht voll geschäftsfähig, so ist auch die Zustimmung seines gesetzlichen Vertreters erforderlich ( 1596 Abs. 1 BGB). Anerkennung und Zustimmung müssen nach deutschem Recht ö entlich beurkundet werden ( 1597 Abs. 1 BGB). Zur Beurkundung sind nicht nur die Notare, sondern auch die Standesbeamten und die Urkundspersonen beim Jugendamt befugt ( 29 a PStG, 59 SGB VIII). Andere Rechte stellen zum Teil andere Anforderungen, verlangen z. B. Erklärung des Vaters in Gegenwart eines Notars oder durch Testament und Einwilligung der Mutter durch Erklärung vor dem Notar (Art griech. ZGB). Hier sind zwei Fragenbereiche zu unterscheiden: In welcher Form können die Erklärungen abgegeben werden, und welche Behörden sind für die Beurkundung der Erklärung zuständig? Für die Form gilt Art. 11 Abs. 1 EGBGB: Einzuhalten ist entweder die Form, die durch das Abstammungsstatut vorgeschrieben wird, oder die Ortsform. Das bedeutet: Wird die Vaterschaft nach deutschem Recht festgestellt, sind die Formerfordernisse des 1597 BGB zu beachten. Wird die Vaterschaft nach dem Heimatrecht des Vaters festgestellt, so ist die Anerkennung der Vaterschaft auch dann formwirksam, wenn sie den Formvorschriften dieses Rechts entspricht, z. B. durch Testament erfolgt ist. Vor wem die Erklärungen abzugeben sind und wer befugt ist, sie zu beurkunden, ist nicht eine Frage der Form, sondern eine Verfahrensfrage (vgl. 59 SGB VIII, 29 a, 29 b PStG). Über sie entscheidet darum allein das deutsche Recht. Ein Vaterschaftsanerkenntnis kann darum in Deutschland auch dann vor dem zuständigen Beamten des Jugendamts abgegeben werden, wenn das Abstammungsstatut Abgabe gegenüber dem Matrikelführer verlangt; sie kann auch dann vom Standesbeamten beurkundet werden, wenn das Abstammungsstatut die Abgabe vor einem Notar fordert. Bei einer im Ausland erfolgten Anerkennung ist das CIEC-Übereinkommen über die Erweiterung der Zuständigkeit der Behörden, vor denen nichteheliche Kinder anerkannt werden können, v zu beachten Vgl. Gaaz, StAZ 1998, 241, Zu diesem Übereinkommen vgl. Staudinger/Kropholler (1996) Vorbem. 10. zu Art. 20 EGBGB.
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