S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Rechte Bedrohung Flüchtlingshelfer und Politiker in Angst

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1 Diese Kopie wird nur zur rein persönlichen Information überlassen. Jede Form der Vervielfältigung oder Verwertung bedarf der ausdrücklichen vorherigen Genehmigung des Urhebers by the author S Ü D W E S T R U N D F U N K F S - I N L A N D R E P O R T MAINZ S E N D U N G: Rechte Bedrohung Flüchtlingshelfer und Politiker in Angst AutorInnen: Frederike Buhse Swantje Hirsch Anton Maegerle Ulrich Neumann Kamera: Jonas Dickmeis Bernd Hermes Olaf Kreiß Ingo Manzke Schnitt: Andreas Hebenstreit Moderation Fritz Frey: Erinnern Sie sich noch an diesen Mann? Markus Nierth, der war mal Bürgermeister in einem Ort in Sachsen-Anhalt. Vor ein paar Monaten ist er zurückgetreten. Die Politik habe ihn im Stich gelassen, als Neonazis vor seinem Haus randalieren wollten, so seine Rücktrittsbegründung.

2 2 Und auch er, Landrat Erich Pipa aus Hessen, ist letzte Woche bedroht worden. Doch trotz einer konkreten Morddrohung will er sich nicht einschüchtern lassen er will weiter kämpfen für Flüchtlinge. Immer wieder werden Menschen von Rechtsradikalen bedroht und nicht nur auf Facebook, sondern ganz real. Besonders perfide: Zunehmend trifft es die, die sich, wie Landrat Pipa, für Flüchtlinge engagieren. Recherchen von Swantje Hirsch und Ulrich Neumann. Bericht: O-Ton, Karen Larisch, Die Linke, Stadtvertreterin Güstrow:»In Deutschland Alphabet: s, h, r «Seit Monaten engagiert sich Karen Larisch ehrenamtlich für Flüchtlinge, hat ein Begegnungszentrum in Güstrow aufgebaut. Deswegen wird die Stadtvertreterin der Linkspartei akut von Rechtsextremen bedroht. Sie zeigt uns Briefe und Hassmails aus dem Internet. Immer wieder wird Larisch dort der Tod oder Vergewaltigung gewünscht: O-Ton, Karen Larisch, Die Linke, Stadtvertreterin Güstrow:»Am Ende könnte ein Moslem unter ihnen vor lauter Dankbarkeit ihr auch noch den Kopf abschneiden. Dann hätte er Deutschland wenigstens eine kleine Gegenleistung für sein parasitäres Hiersein erbracht.«seit Januar hat sie schon 20 Mal Anzeige erstattet. Gegen unbekannt. Erst gestern war der letzte Vorfall. O-Ton, Karen Larisch, Die Linke, Stadtvertreterin Güstrow:»Da ist eine Sachbeschädigung. Da ist eine Sachbeschädigung. Der Beschuldigte rief im Internet zur Vergewaltigung der Geschädigten auf. Morddrohung.«

3 Euro Sachschaden ist bereits entstanden: Die Eingangstür des Begegnungszentrums wurde zerstört, das Büro verwüstet und immer wieder kommt es zu rechten Schmierereien. Bei den Flüchtlingen ist sie beliebt. Dagegen sind sie und ihre Kinder Hassobjekt Nummer eins bei den Rechten. Mehrfach haben Unbekannte versucht bei ihr zu Hause einzubrechen. Lauern ihr auf, versuchen sie körperlich zu bedrohen. O-Ton, Karen Larisch, Die Linke, Stadtvertreterin in Güstrow:»Irgendwie passen sie mich dann ab, dann sind sie zu fünft oder zu sechst, ich kann selber häufig nicht erkennen, wer genau es ist. Und dann stellen sie sich vor mich, drücken mich an die Hauswand, bedrohen mich. Und dann sind sie so schnell, wie sie irgendwie gekommen sind aus irgendeiner Ecke, auch wieder weg.«auch Heinrich Schmitz wird bedroht, weil er Asylsuchenden hilft. Der Euskirchener Rechtsanwalt hatte sich bei einer Internet-Petition für Flüchtlinge eingesetzt. Mit enormen Folgen. Denn kurz darauf gibt sich bei der Polizei jemand telefonisch als Schmitz aus, behauptet seine Frau umgebracht zu haben. Daraufhin stürmt die Polizei Schmitz Haus. Diese Aktion hat ihn eingeschüchtert. O-Ton, Heinrich Schmitz, Rechtsanwalt:»Ich habe die dann auch sehr sehr ernst genommen. Also erst mal gesehen, wie meine Frau, meine Tochter wirklich geschockt waren, und mir dann gedacht, naja, laufen also genügend Menschen in der Gegend rum, die auch tatsächlich gewalttätig werden, da könnte also tatsächlich irgendwas passieren.«obwohl er als Strafverteidiger Anfeindungen gewöhnt ist, hat Schmitz beschlossen, keine politischen Texte mehr zu schreiben. O-Ton, Heinrich Schmitz, Rechtsanwalt:»Also ich habe in diesem Punkt wirklich kapituliert, und das ist auch absolut ernst

4 4 gemeint, dass ich diese Leute nicht mehr provozieren möchte.«bundesweit werden immer häufiger Ehrenamtliche, Politiker und andere bedroht, wenn sie sich für Flüchtlinge einsetzen. Es gab diverse Brandanschläge auf Autos, Radmuttern wurden gelöst, gab aggressive Demonstrationen vor Privathäusern von Politikern, etliche Morddrohungen, Schmierereien an Wohnhäusern und fiktive Todesanzeigen. Außerdem wurde auf ein Parteibüro geschossen und eine Scheune in Brand gesetzt. REPORT MAINZ hat unter anderem Hörfunk-, Fernseh- und Zeitungberichte ausgewertet. Dazu Polizei-Meldungen. Außerdem haben wir bei Landkreisen nachgefragt. Das Ergebnis: Seit Januar kam es zu mindestens 183 Vorfällen. Auffällig ist, dass über die Monate die Anzahl der Bedrohungen deutlich steigt. Während es in den ersten beiden Monaten zu mindestens zwölf Vorfällen kam, wurden für Juli und August mindestens 60 Vorfälle gezählt. Vor einigen Tagen hat die Partei Die Rechte in Dortmund gegen Flüchtlingshelfer gehetzt: dort wünscht man den Helfern O-Ton, Christoph Drewer:»...dass die Männer unter euch brutal zusammengeschlagen und ausgeraubt werden. Und den Frauen unter euch wünsche ich dazu noch eine Vergewaltigung von den Asylbetrügern.«Der Politikwissenschaftler Samuel Salzborn beschäftigt sich seit Jahren mit rechtsextremen Bewegungen. Er sieht eine erschreckende Tendenz. O-Ton, Samuel Salzborn, Politikwissenschaftler Uni Göttingen:»Es gibt fraglos ein Klima der Angst und Bedrohung in der Bunderepublik für die Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Dieses Klima verschärft sich auch in den letzen Monaten. Auffallend an der gesamten

5 5 Übersicht ist, dass die Hemmschwellen der Gewalt deutlich gesunken sind.«tröglitz in Sachsen-Anhalt im März. Rechte marschieren im Ort gegen Flüchtlinge. Weil er sich von der Politik alleine gelassen fühlt, tritt Bürgermeister Markus Nierth zurück, wird damit zum Symbol der Hilflosigkeit. Wenige Wochen später brennt es in der geplanten Unterkunft. Die Täter: immer noch nicht gefasst. Selbst jetzt, Monate später, wird er weiter angefeindet. Er fährt mit uns durch Tröglitz. Aussteigen möchte er nicht. Die Kamera würde die Stimmung nur wieder unnötig anheizen, sagt er. Sein Leben hat sich deutlich verändert. O-Ton, Markus Nierth, ehemaliger Bürgermeister von Tröglitz:»Es kamen dann Morddrohungen, mehrere nacheinander gleich, aber auch üble Beschimpfungen und Drohungen aus dem näheren Umfeld, bis hin zu Briefen, die mit Fäkalien gefüllt waren, an meine Frau gerichtet über mehrere Wochen mit der Inschrift Lügenpack Nierth, verzieht euch aus Tröglitz.«Die Anfeindungen beeinflussen die gesamte Familie bis heute. Seine Frau geht nicht mehr im Ort einkaufen. Die Kinder werden von der Schule abgeholt. Die Nierths haben Polizeischutz. Aber dennoch sei die Angst immer präsent. O-Ton, Susanne Nierth:»Es gibt so viel offenen Hass und Ablehnung, weil wir uns für diese Menschen, die in Not sind, engagiert haben oder weil wir gegen die Rechten sehr deutlich reden, dass du nicht genau abschätzen kannst, wie weit gehen diese Menschen. Meine Kinder sind alle gebrieft in dem Sinne, wenn ich sage, wenn das und das ist und ich sage dieses Codewort, dann rennt ihr raus.«markus Nierth erzählt uns, dass er nach seinem Rücktritt auch von anderen Fällen rechter Bedrohung gehört hat.

6 6 O-Ton, Markus Nierth, ehemaliger Bürgermeister von Tröglitz:»Viele Bürgermeister haben sich danach bei mir gemeldet und haben gesagt, ja, wir haben es auch gemacht, wir sind auch zurückgetreten, aber haben uns nicht getraut, zu sagen warum, und wir haben uns auch nicht gewehrt.«rechte erreichen so durch bewusste Bedrohungen und Angriffe häufig ihr Ziel. O-Ton, Samuel Salzborn, Politikwissenschaftler Uni Göttingen:»Das heißt, dass hier im Prinzip alle Pfeiler der bundesdeutschen Gesellschaft angegriffen werden, ganz gleich welcher politischen Couleur, ganz gleich welchen Berufstandes, dass hier eben zum offenen Kampf gegen die Demokratie und nicht nur gegen einzelne Repräsentanten aufgerufen wird, und dieser Kampf gegen die Demokratie letzten Endes begonnen wurde.«