Liebe Gemeinde. Und der Pfarrer? Welches Privileg hat er? Er darf die Bibel lesen.
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- Pia Schenck
- vor 8 Jahren
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1 Predigt am 22. September 2013, Selbstbewusstsein durch Feiern Seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist eure Zuflucht! Nehemia 8, 10 Berthold W. Haerter Liebe Gemeinde 1. Privilegien Jeder Beruf hat seine Privilegien. Der Beck kann immer die frischesten Brötchen essen, der Metzger das beste Fleisch. Der Banker weiss genau wann und wo er sein Geld anlegen muss Und die Gärtnerin holt den grössten Nutzen aus ihrem eigenen Garten. Und der Pfarrer? Welches Privileg hat er? Er darf die Bibel lesen. Normalerweise sollte er dies täglich tun. Während andere sagen, ich habe dafür keine Zeit, ist es eigentlich die Pflicht des Pfarrers, sich mit dem Buch der Bücher auseinander zu setzen. Dabei hilft auch das Losungsbüchlein. Rechts unter Losung und Lehrtext steht für jeden Tag die fortlaufende Bibellese. Wenn man will, gibt es auch Bücher mit kurzen Erklärungen dazu. Manchmal springt einen beim Lesen der Bibel dann ein Satz in die Augen. So ist es mir vor zwei Wochen ergangen. Da lese ich mitten in der Beschreibung einer Art Jerusalemer Landsgemeinde: Seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist eure Zuflucht! Nehemia 8, 10 Was heisst das, so habe ich mich in den letzten Tagen gefragt? Was heisst das, nicht bekümmert zu sein, denn die Freude an Gott ist unsere Zuflucht. Gut ist es, dass man durch die fortlaufende Bibellese ein wenig über die Situation der Menschen damals um 445 v.chr. in Jerusalem eingeführt wird. Man versteht mehr und weitere Bibelstellen wie Lebenserfahrungen helfen einem weiter, zu verstehen. 2. Aus Freude weinen Sie kennen das auch: Das Erleben, dass man vor Freude weint. Mir ist es damals bei der Geburt unserer Töchter so ergangen. Da ist plötzlich so ein kleines Wesen da und es ist ein Teil von mir, ist mit mir mehr verbunden als viele andere Menschen. Oder als ich im Oktober vor 23 Jahren mit dem Zug in die Schweiz einreiste und vom Zug den Rheinfall sah. Da weinte ich vor Freude. 3 Jahre zuvor war in tiefsten DDR-Zeiten die Idee entstanden, ich könne doch in Zürich mal studieren. Keiner, ich selbst am wenigsten, hatte daran geglaubt, das es mal möglich würde.
2 Und plötzlich war es Realität. Ich nehme an, Sie alle haben in ihrem Leben Dinge erlebt, in denen sie vor Freude weinen mussten. Es ist eine Freude, die meist aus einer tiefen Dankbarkeit kommt. Es fehlen einem die Worte, seine Gefühle auszudrücken. Ähnlich muss es den Bürgern von Jerusalem ergangen sein. Die Jerusalemer weinten vor dankbarer Freude. 40 Jahre zwangsweises Leben im Ausland lagen hinter ihnen. Sie waren zurück in ihrer Heimat Jerusalem gekommen. Aber was fanden sie vor? Die Stadt bestand nur aus Trümmern. Die Lebensbedingungen waren katastrophaler als in Babylon. Nach etlichen Jahren dahin vegetieren findet sich endlich in Nehemia, einem bedeutenden Juden am Persischen Hof, und im Propheten Esra zwei begnadete Männer, die den Aufbau leiten können. Nehmia und Esra waren wie Bundesrat Wahlen und General Guisan bei uns im 2. Weltkrieg. Nehemia sorgt gegen den Widerstand der Nachbarverwaltungen dafür, dass die Stadtmauern aufgebaut und Stadttore eingefügt werden. Nun wird eine grosse Jerusalemer Landsgemeinde unter freiem Himmel einberufen. Es wird Gottesdienst gefeiert. Man liest aus der Bibel bzw. den damals vorhandenen Teilen vor. Viele haben noch nie so genau die Bibel gehört und erklärt bekommen. Die Leute fangen an zu weinen, sie sind erschüttert. Sie sind beeindruckt von einem Gott der trotz allem zu ihnen hält. Die Leute haben durch die Stadtmauern an Selbstbewusstsein gewonnen. Nun aber begreifen sie erst, durch wen ihn dies möglich wurde und wer ihnen durch die schwersten Zeiten ihres Lebens hindurch geholfen hat: Ihr Gott. Die Freude am Herrn lässt sie weinen. Ein Weinen aus Dankbarkeit. Die Menschen sind ihrem Gott wieder näher gekommen. Liest man uns aus der Bibel vor, geraten wir dann in weinendes sich freuen? Das geschieht vielleicht bei uns eher in einer besonderen Musik, die uns wie ein Schlüssel zu Gott ist. So vielleicht bei Bachs Weihnachtsoratorium oder Händels: Ich weiss das mein Erlöser lebet oder Brahms Requiem. Und doch können einen Bibelstellen anspringen, beschäftigen, Mut und Trost geben. Dafür sind in Kurzform die Losungsbüchlein da. 3. Warum diese Freude? Wir müssen uns nochmals die Situation damals vorstellen. Da ist eine Gruppe von Glaubenden, ja Suchenden versammelt. Sie haben viel geleistet und nun hören sie neu von einem Gott, der da ist. Da geht ihnen ein Licht auf. Es geht ihnen durch Mark und Bein. Sie verstehen nicht jedes Wort.
3 Aber sie verstehen, wie etwas Grosses, Nicht zerstörbares, nicht menschliches, Ihnen ganz menschlich nahe war und verspricht, weiter nahe zu sein. Sie haben es geahnt, aber nun hören sie es, wie ihre Altvorderen es auch erfahren haben und längst schwarz auf weiss aufgeschrieben hatten. Für mich sind solche Schlüsseltexte von Gottes Nähe die beiden im Gottesdienst gehörten Bibeltexte. Der Anfang des Johannesevangelium: Im Anfang war das Wort, der Logos, und der Logos war bei Gott, und von Gottes Wesen war der Logos. 2Dieser war im Anfang bei Gott. 3Alles ist durch ihn geworden, und ohne ihn ist auch nicht eines geworden, das geworden ist. Da muss man nicht jedes Wort verstehen, aber das am Anfang Gott war. Und mit Gott Jesus Christus ist, der zu uns Menschen kam, um mir seine Liebe zu zeigen, das verstehe ich. Ähnlich ist es mir letzte Woche mit dem Anfang des Hebräerbriefes gegangen, auch ein Text aus der fortlaufenden Bibellese: Nachdem Gott vor Zeiten vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern geredet hatte durch die Propheten, hat er am Ende dieser Tage zu uns geredet durch den Sohn, den er eingesetzt hat zum Erben aller Dinge und durch den er die Welten geschaffen hat. Jesus ist Gottes Sohn und er ist mein Bruder. Ich bin also ein Geschwister Jesus und Gott dann mein Vater. Da ist eine Nähe zu Gott, des Weltschöpfers und bewahrers, die ich nur erahnen kann, die mir aber einfach gut tut. Es ist etwas so Grosses. Es ist etwas kaum zu Begreifendes. Das macht mir feuchte Augen. Ich kann es annehmen und akzeptieren, bevor ich es hinterfrage. Da ist die Wurzel unseres Glaubens. Das sind Aha-Erlebnisse. Ich weiss nicht, wie Sie Schwimmen gelernt haben. Aber ich weiss, wie ich geübt und gekämpft habe. Immer wieder es versucht habe. Mein bester Kollege konnte es schon, bloss ich traute mich einfach nicht. Wieder einmal hatte ich ihn überzeugt mit mir schwimmen zu gehen. Und plötzlich merkte ich, das Wasser trägt mich. Ich kann schwimmen ganz egal ob ich noch stehen kann oder im Tiefen bin. Dieses Glücksgefühl, diese Freude, dieses Merken: Es geht und ich konnte es eigentlich schon vorher, aber ich traute mich nicht. Genau das erleben Menschen, wenn sie etwas von Gott in Wort oder Musik erfahren. Wenn es sie berührt.
4 Wenn sie sich dadurch wie beim Schwimmen trauen, sich auf Gott einzulassen, ihm etwas zutrauen, ja erkennen: Der war ja schon immer da. Ich habe es nur nicht bemerkt. Dankbare Freude, Freude wo man Weinen muss. Nicht nur die Leute damals in Jerusalem, auch ich kann das immer wieder erleben. 4. Gottesfreude als Zuflucht Wie kann nun diese erfahrene Freude über Gott aber eine Zuflucht werden? Sie kann es werden, wenn ich sie im Ernstfall auch anwende. Wenn diese Freude über Gottes Gegenwart so stark verinnerlicht ist, dass sie mir in grosser Not einfällt und ich alles darauf setze, dass Gott mir hilft oder mich schützt, wie es im Hebräischen auch heisst. Ich weiss nicht, ob sie das kennen? Aber mir hat jemand glaubwürdig dies erzählt und ich darf es weiter erzählen. Nach einer schweren Operation, bekam die Person immer wieder Panikzustände, besonders in der Nacht, besonders dann, wenn man nichts machen kann. Die Psychiaterin riet ihm, diese Panikanfälle durchzustehen, ruhig zu atmen. Er sollte sich abzulenken und an etwas denken, was ihn beruhigt. Wenn sie glauben, dann kann auch die Gegenwart ihres Gottes, sie beruhigen, hätte sie noch gesagt. Als nun wieder diese Panik über ihn kam, mitten in der Nacht, in absoluter Hilflosigkeit, da erinnerte er sich an diese Freude die er erlebt hat, als er Gott in seinem Leben entdeckt hatte. Er fing an mit Gott zu reden. Und zwar nicht so, um seine Gedanken zu ordnen oder um loszuwerden was ihn beschäftigt. Sondern er erwartete existentielle Hilfe. Gott Du musst mir helfen. Gott Du musst jetzt. Es war, so sagte er mir, ein Beten, was kein Geplauder sondern Ringen in Not war. Wenn wir die Bibel lesen, dann erfahren wir wie Jakob am Jabbok mit Gott kämpfte. Ich lass erst von Dir ab Gott, wenn Du mich segnest, sagte Jakob zu Gott. Jakob hat Angst, furchtbare Angst vor dem kommenden Tag. Er wusste er trifft seinem Bruder Esau, den er betrogen hatte und der geschworen hatte, ihn, Jakob, umzubringen, wenn er ihm je wieder begegnet. Jakob ringt in Verzweiflung mit Gott, weil er Gottes Hilfe braucht, um zu überleben. Oder denken sie an die Ausländerin, die will, dass Jesus ihre Tochter gesund macht. Jesu will sie abwimmeln. Aber die Frau weiss, wenn Jesus nicht hilft, dann stirbt meine Tochter. Sie lässt sich nicht abwimmeln. Sie kämpft um Jesu Hilfe. Wir sehen daraus: Gott will, dass wir mit ihm ringen. Gott will, dass wir mit ihm in Beziehung treten und wirklich etwas von ihm erwarten. Das hatte auch der Mann mit seiner Panik begriffen.
5 So kämpfte er, rang er mit Gott und im Betteln um Gottes Hilfe kommt er soweit, das er sagt: Gott Du bist da, das weiss ich und wenn Du nun willst, dann nimm mich und lass mich sterben. Dann ist es so, nicht mein Wille, dein Wille geschehe. Und glaubwürdig erzählte der Mann mir, wie er da in der Nacht wieder ruhiger wurde. Die Panik legte sich und als nach dieser schlaflosen Nacht der Morgen graute, er seiner Gedanken und Gefühle wieder Herr wurde, da war er nur noch dankbar, er weinte dankbar, denn die dankbare Freude über den Herrn, von der er gehört und die ihn innerlich berührt hatte, sie hatte er nun existentiell erlebt. Die Freude am Herrn war seine Zuflucht geworden. Seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist eure Zuflucht! Nehemia 8, 10 Diesem Mann muss man den Satz nicht mehr erklären, sondern er hat das erlebt was der Psalm 18, 30 sagt: Mit dir erstürme ich Wälle, mit meinem Gott überspringe ich Mauern. 5. Aufruf zur Freude als Schaltstelle zwischen liturgischer Feier und fröhlichem Fest Aber nochmals zurück zu Nehemia und dem Geschehen da in Jerusalem nachdem die Mauern aufgebaut waren. Einen Vormittag hatte das Volk andächtig aus der Bibel gehört. Sie weinten, erschüttert und dankbar. Da mitten hinein ergreift Nehemia das Mikrofon und sagt: Dieser Tag ist dem HERRN, eurem Gott, heilig! Trauert doch nicht und weint doch nicht. Geht, esst Fettes, und trinkt Süsses, und gebt davon denen ab, für die nichts zubereitet wird. Denn dieser Tag ist unserem Herrn heilig. Und seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist eure Zuflucht! Nehemia ruft auf, dass man nun, nachdem man begriffen hat, wer Gott ist, dass man nun feiern soll. Und man soll an die denken, die nichts zum Festen haben. Man soll teilen. Ich meine das ist der Schlüssel zu jedem christlichen Fest, eigentlich für jeden Sonntag. Wenn wir als Einzelner in einem Gottesdienst ein Stück von Gottes Liebe begreifen, dann bekommen wir Selbstbewusstsein für den Alltag. Das sollten wir feiern, miteinander uns freuen und teilen. Denn dieses Feiern und Weitergeben ist ein Feiern mit einem Grund. Es ist die Dankbarkeit über einen Gott, dem ich neu etwas zutraue, weil ich ihm vertraue. Das stärkt mich Ich verstehe nun, was Nehemia sagt und was ich Ihnen als Karte mitgegeben habe:
6 Seid nicht bekümmert, denn die Freude am HERRN, sie ist eure Zuflucht! Nehemia 8, 10 AMEN
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