Die Organische Marketing-Organisation
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- Ingeborg Brauer
- vor 8 Jahren
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1 Arbeitspapiere zum Systemischen Marketing und Management Herausgegeben von Prof. Dr. Gustav Bergmann Universität Siegen Gustav Bergmann Die Organische Marketing-Organisation Siegen 2001
2 Die organische Marketing-Organisation Von G. Bergmann 1 Strukturen von Unternehmen entwickeln sich häufig nach beobachtbaren Mustern. Als unternehmerische Organisationen starten sie in überschaubaren, einfachen Strukturen und entwickeln sich zu immer komplexeren Gebilden. Schließlich ist eine Destrukturierung und Reorganisation notwendig. Dies führt uns zu solaren Netzstrukturen, welche ermöglichen, dem Markt eine große Oberfläche zu bieten. Wichtig erscheint zudem, die innere Dynamik durch organisch- evolutionäre Strukturen zu erhalten. Organische Organisationsformen ermöglichen die Innovation Als organische Organisationwird eine Struktur bezeichnet, die sich permament weiterentwickelt und im Austausch mit den Umsystemen neue Formen ausprägt. Unnötige, Strukturen und Erstarrungen sollen dabei vermieden werden. Nach dem Prinzip der Selbstorganisation bilden sich die notwendigen Strukturen in Form von gemischten Gremien und Projektgruppen selbsttätig durch Austausch- und Anpassungsprozesse nach dem Vorbild natürlicher Systeme. Die konkrete Ausprägung wird in hohem Maße von der spezifischen internen Konstellation und insbesondere von den jeweiligen Teilnehmern bestimmt. Dabei begrenzen die äußeren Rahmenbedingungen lediglich den Möglichkeitenraum. Die Strukturen wachsen gemäß der spezifischen Bedingungen, denen sie unterworfen sind. Es werden keine neuen Abteilungen gegründet oder verordnet, sondern Akteure für die Mitarbeit gewonnen und Projekte gezielt gefördert. Initiative und Veränderung müssen, damit sie nicht in Routine und Ritualen steckenbleiben, bewusst und intensiv unterstützt werden. Das Innovationsmanagement schafft den geeigneten Rahmen und damit die Chance, neue Projekte zu initiieren. Es plant und koordiniert als zentrale Innovationsplanstelle alle notwendigen Aktivitäten intern und in Zusammenarbeit mit diversen Kooperationspartnern, greift aber nicht direkt in die Arbeit der Teams ein. Vielmehr legt es im Sinne einer Metasteuerung die allgemeinen Spielregeln und Orientierungen fest. Organische Organisationen sind besonders in kleineren Einheiten vorstellbar, also in kleinen Unternehmen oder eigenständigen Geschäftseinheiten größerer Konglomerate. Die Neuerungsfähigkeit wird bei größeren Unternehmen durch eine sogenannte Parallelorganisation erhalten. Einzelne Projektteams arbeiten neben der Stammorganisation autonom als innovative Inspirateure und Spezialisten-Teams und zwar im Rahmen gering spezifizierter Vorgaben. Eine solche Organisationsform kann als plural bezeichnet werden. Sowohl bereichs- und hierarchieübergreifende Gruppen als auch Routinestrukturen sind lose verkoppelt und werden nebeneinander toleriert. Es ist sinnvoll, sich zunächst einige der wesentlichen organischen Formen vorzustellen, die gerade im innovativen Marketing-Management erfolgversprechend zu sein scheinen: 2 Die organische Organisation ist ein idealistischer Typus der sich frei bildenden Struktur. Jede(r) erhält seinen Platz, indem sie oder er sich diesen selber aussucht oder anstrebt. Nicht der Mensch wird in die Struktur gezwängt, sondern die Konfiguration bildet sich aus den Potenzialen und Wünschen der Beteiligten. Es ist diese selbstorganisierende Struktur, welche das einzigartige Profil der Unternehmung erzeugt. Die Vielzahl der Fähigkeiten schafft einen hohen Grad an Multistabilität. Ich beschränke mich im Folgenden auf netzartig strukturierte Formen, die durch Polyzentrik und flache Konfigurationen gekennzeichnet sind. Die heterarchische Struktur 3 lässt autonome Spielräume für gemischte Gremien, die sich mit innovativen Themen beschäftigen. Die redundante und improvisierte Struktur ist dabei geradezu erwünscht, da sie die Kommunikation befördert. Kurzfristige Ineffizienzen werden bewusst in Kauf genommen, um zum rechten Zeitpunkt dann Potenziale entfalten zu können. Die destruktualisierten Organisationstypen haben sich in drei Stufen entwickelt: Zirkuläre Organisation - zirkuläre Kommunikation 1 Gustav Bergmann ist Partner der CoinCo- die Unternehmerberatung GmbH in Köln. 2 Vgl. P. Gomez / T. Zimmermann, 1992, S. 92ff. 3 Heterarisch bedeutet seitlich differenziert. Strukturen sind durch vielfältige nicht hierarchisch angeordnete Elemente charakterisiert.
3 Die Circular - Organisation 4 zeichnet sich bei stärkerer Aufrechterhaltung der Hierarchie durch intensive Abstimmung der einzelnen Abteilungen und Ebenen aus. Zwischen den organisatorischen Einheiten werden Kommitees konstituiert, die eine horizontale und vertikale Abstimmung vornehmen. Die intensive Kommunikation beflügelt zwar den Wissenstransfer und die Verständigung, wirkt insgesamt aber sehr aufwendig und umständlich. Insbesondere in größeren Organisationen erscheint es wenig praktikabel und sehr zeitaufwendig, Entscheidungsprozesse über verschiedene Ebenen ablaufen zu lassen. Insbesondere geschieht es häufig, dass innovative Gedanken und Anregungen in diesen langwierigen Abstimmungsprozessen versickern. Ein deutliches Problemsymptom sind in solchen Strukturen extra etablierte Koordinierungsstellen. Daher ist es notwendig, auf der Grundlage einer Vertrauenskultur, Kompetenzen in Teams und Gremien zu verlagern. So können die Vorteile einer zirkulären Entscheidungsfindung (Koordination, Synergie und Vermaschung) gewahrt bleiben, die Nachteile wie Zeitaufwand und Verkrustung aber reduziert werden. Laterale Teamorganisation das Nebeneinander verschiedener Projektgruppen Die Teamorganisation gründet sich auf dem Gedanken, dass die Motivation der Teilnehmer auch den Erfolg ausmacht. Das Inter-esse, also das Dazwischen-Sein erzeugt Engagement. Die gesamte Organisation wird als Verknüpfung unterschiedlicher Gruppen aufgefasst. Sogenannte linking pins verbinden die Teams durch jeweilige Doppelmitgliedschaften in vertikaler und horizontaler Sicht miteinander. Im Idealfall bilden sich netzartige Strukturen aus. Dabei sind die Teams lateral und gleichberechtigt organisiert. Diese heterarische Organisation ist besonders in konzeptionellen Bereichen sinnvoll. Kollektive Zielbildungsprozesse und Entscheidungen stellen die aktive Mitarbeit und somit das Engagement sicher. Innovationslösungen werden nach diesem Modell gemeinsam auf der Grundlage intensiver Dialoge einvernehmlich angenommen. Alle Mitglieder bringen in diesem hierarchiefreien Gremium ihr Spezialwissen und ihre Ideen ein. Die Teamorganisation lässt gerade wegen ihres dezentralen und partizipativen Charakters sehr eigenständige und innovative Konzepte erwarten und beschleunigt so die Entscheidungsprozesse. Insbesondere bei einer flachen Konfiguration der Gesamtorganisation lassen sich gemischte Gremien denken, die intern hierarchiefreie Diskurse zwischen den Kompetenzträgern ermöglichen. Venture teams werden speziell als Versuchsballons initiiert. Sie sind als virtuelle Abteilungen konstituiert, so dass aus ihnen neue Facetten der Organisation entstehen können. In Form von Venture Teams werden bewusst nur diejenigen Projekte gefördert, die von keiner vorhandenen Abteilung aufgegriffen werden. Initiateure werden ermächtigt, ihr Team zusammenzustellen und erhalten managerielle und materielle Unterstützung. Es können Organisationen ohne Grenzen entstehen. Dort wird weniger direkt kontrolliert als vielmehr ein Forum für innovatives Wirtschaften geschaffen. Ein geeignetes Ambiente und Klima lässt Konflikte kanalisieren und Ängste reduzieren. Die individuellen Stärken der Teilnehmer vereinigen sich im Team und entfalten damit synergetische Wirkungen. Negative Gefühle wie Neid und Eitelkeiten werden im Klima der Offenheit zurückgedrängt. In jedem Team und jeder Teamorganisation kann vom Moderator deutlich gemacht werden, dass Egoismen und persönliche Machtspiele negativ sanktioniert werden. Gruppendynamische Prozesse können durch eine angemessene Zusammensetzung (wie mit der Brain Map beschrieben) und die dialogische Kultur nutzvoll werden. Cluster und Fraktale - eigenständige Großgruppen Die Clusterorganisation kann als konsequente Weiterentwicklung der Teamorganisation angesehen werden. Die cluster setzen sich multidisziplinär aus dreißig bis fünfzig Personen zusammen, die ein Projekt vollkommen selbstbestimmt bearbeiten. Die Leitung wechselt je nach Problemschwerpunkt und gründet sich auf Fachkompetenz und natürliche Autorität. Alle temporären Gruppenleitungen, die aus kleinen Teams bestehen sollten, verpflichten sich zur koordinativen Regelung und Lenkung. Jobrotation, intensive laterale Kommunikation und die Unterstützung durch support groups gewährleisten einen weit überdurchschnittlichen Erkenntnisgewinn. Unternehmerisches Handeln und Denken wird vermittelt und gefördert. Die Organisation bleibt äußerst anpassungs- und lernfähig. Probleme erwachsen aus dem hohen Kommunikationsaufwand und etwaigen Friktionen. 4 Vgl. G. Bergmann, 1988, S. 289 und 1994 und 2001.
4 Deshalb arbeiten cluster zumindest im Übergang zu neuen Formen des Management als Fraktale. Fraktale sind Elemente eines Systems, die alle Merkmale des Ganzen aufweisen und im vorgegebenen Rahmen nur die Vorgehensweise selbst entwickeln und auswählen, nicht aber die Aufgaben und Ziele. Die cluster setzen die Kreationsphasen fort und arbeiten vornehmlich in operativer Sphäre an der Realisation und kontinuierlichen Verbesserung der Konzepte. Etwaige Arbeitsgruppen bilden sich aus den Innovationsteams. Es ist aber auch möglich, dass sie als (teil-) autonome Vertriebs-, Produktionsoder Logistikeinheiten agieren. Cluster arbeiten mit beträchtlicher Autonomie als aus kleineren Gremien entstandene Großteams. Die Entscheidungsfindung wird so nah wie möglich an den point of action verlegt. Nur wenn nicht genügend Erfahrungen vorliegen oder Entscheidungen koordiniert werden müssen, können support groups und übergreifende Stellen eingeschaltet werden. Laterale Kommunikation aller Akteure ist akzeptierte und gewünschte Praxis. Gesteuert werden Cluster lediglich durch allgemeine Leitlinien und Anweisungen. Die Kontrolle erfolgt nicht nach klassischem Muster, sondern durch Selbstorganisation, ein ausgeklügeltes und vielgestaltiges Bewertungssystem sowie die Moderatoren und coaches. Sie arbeiten kontinuierlich an der Verbesserung von Kommunikationskanälen und regeln die Ressourcenversorgung. Dieses mittlere Management der Teamleiter hat am Meisten umzulernen. Es soll weniger überwacht und kontrolliert als vielmehr erleichtert und gefördert werden. Sie koordinieren und moderieren und vermeiden die aufwendige Organisation von starren Strukturen. Sie kommunizieren im Dialog und reduzieren die Anweisungen. Cluster können auf spezifische Märkte und Aufgaben konzentriert sein und bieten im wechselvollen Wettbewerb höchst wichtige Flexibilitätspotenziale. Für das Innovationsmanagement erscheinen gerade die offenen multidisziplinären Teams und Cluster als sehr geeignet, da diese Strukturtypen besonders gut mit der Auffassung einer temporären Zeltorganisation harmonieren, die in ihrer Befähigung zu flexibler Neuorientierung und Beweglichkeit als überaus anpassungsfähig gilt. Der Grundidee des permanenten Wandels wird durch die immer nur vorläufig fixierten Strukturen und Aufgabenverteilungen entsprochen. Die Teamstrukturen unterscheiden sich deutlich von denen klassischer Projektgruppen, die in der Regel auf vorbestimmte Zeiträume und Inhalte festgelegt sind. 5 Eine organisch solare Organisation fördert die Motivation und interessiert qualifizierte und engagierte Mitarbeiter/innen, spart Kosten durch frühzeitige und flexible Anpassungsfähigkeit, regt Kreativität und Erneuerung an, schafft ein vertrauensvolles, lernorientiertes und kooperatives Klima, schafft Kundennähe und ermöglicht die schnelle Besetzung von fluiden Marktnischen und die Verschmelzung mit Szenen. Damit wird ein Unternehmen unverwechselbar und einzigartig. Es nutzt den Wandel und kann mehr Komplexität bewältigen. Die geschilderten Organisationsformen stellen hohe Ansprüche an die Akteure und nicht alle werden bereit und in der Lage sein, dieses hohe Maß an Selbstverantwortung und eigenständigem Handeln einbringen können. Es genügt aber schon, fünf Prozent mehr Motivation, Erneuerungswillen, Sinnstiftung etc. aufzubringen als andere, um einen entscheidenden Vorteil zu erzielen. Permanente Erneuerung bringt Erfolg. Die einzige Hierarchie, die hier gilt, ist die bessere Idee, der geeignetere Akteur und die höhere Problemlösungskompetenz. Weite Bereiche eines Unternehmens auch im Bereich Marketing können als Routinesysteme beschrieben werden. Hier sind andere Formen angemessen und effektiver. Aber auch hier sind innovative Elemente sinnvoll, um der Gefahr der Erstarrung entgegen zu wirken. Sukzessive sind die Spielräume für die Akteure möglichst zu erweitern. Vielfach besteht auch die Tendenz zum andauernden fire fighting. Das gesamte System wird in einem Dauerstress gehalten. Dabei fährt auch die Feuerwehr nur ca. 5% der Bereitschaftzeit zum Einsatz. Überwiegend ist ein konsultativer und dialogischer Führungs- und Organisationsstil angemessen, damit die Systeme sich fortentwickeln können. Ein wichtiger Ansatzpunkt für die Initiierung und Aufrechterhaltung der Dynamik sind innovative Reservate. Innovative Reservate geben dem Neuen eine Chance Grundsätzlich kann eine plurale Organisation durch zusätzliche Innovationskollegien, kreative Reservate oder eine durchgängige Parallelorganisation konstituiert werden. Innovationskollegien setzen sich aus Personen zusammen, die neben ihrer Haupttätigkeit zur Lösung spezifischer Probleme sporadisch in Produktteams aktiv werden (Sekundärorganisationen). In innovativen Reservaten 5 Vgl. P. Gomez/ T. Zimmermann, 1992, S. 180f.
5 arbeiten die Teilnehmer ausschließlich an grundlegenden Innovationen und lösen sich zumindest temporär aus der Primärorganisation. In Parallelorganisationen wird versucht, die Vorteile der mechanistisch routinierten Organisation mit der organischen zu kombinieren, indem Verknüpfungen beispielsweise in Form von task forces institutionalisiert werden. Wenn große Änderungswiderstände zu überwinden sind, sollten sogenannte spin outs erwogen werden, die vollkommen losgelöst und eigenständig arbeiten, um auf diese Weise einen kreativen Sprung zu schaffen. Wie kann die Balance zwischen Stabilität und Erneuerung gesteuert werden? Die Organisation muss eine Grundlage für vollkommen neue Projekte bieten, was durch redundante Organisationsnischen (organizational slack) erreicht werden kann. Innovative Gruppen und Einzelpersonen erhalten die Möglichkeit, eigene Projekte zu initiieren, indem dafür grundsätzlich Ressourcen bereitgestellt werden. Diesen Initiatoren winken nach erfolgreicher Realisation mit der Neuerung verbundene Positionsverbesserungen. Kreative Mitglieder haben damit die realistische Chance, ihre Ideen quer zur Organisation zu forcieren und andere für ihr Vorhaben zu gewinnen. Die interne Ordnung dieser Gruppen bildet sich selbstorganisierend im Verlaufe eines Projektes nach themenspezifischen Kompetenzen. Die Leiter eines Teams müssen nicht unbedingt technische oder gestalterische Experten sein. Vielmehr müssen sie als Moderatoren mit motivationalen Fähigkeiten über kommunikative und soziale Kompetenzen verfügen. Der Teamleiter bemüht sich um ein kreatives und erkenntnisorientiertes Klima, indem er Geltungsbedürfnisse und Machtspiele nach dem Prinzip des Sockelsturzes begrenzt, auch kanalisiert und für neue Gedanken ausreichend Zeit-Raum und Chancen schafft. Es ist vorstellbar, dass die Mitglieder der Pioniergruppe zunächst auch eigene Beiträge beispielsweise in Form von unbezahlten Überstunden leisten und damit ihr Engagement unter Beweis stellen. Improvisierend schreiten sie in Neuland vor, erleben neue Formen der Zusammenarbeit und entwickeln Neuerungen iterativ aus trial and error-prozessen. Die ursprünglichen Positionen werden den Initiateuren bei nicht erfolgreichen Projekten oder im Falle nicht durchsetzbarer Änderungen garantiert, um für die Mitarbeiter so das Risiko zu mindern. Die Unternehmung verhindert ein Abwandern oder die Frustration der besonders innovativen Mitarbeiter, indem Möglichkeiten zur engagierten Neuorientierung geschaffen werden. Sie wahrt damit die Chance zur kontinuierlichen Weiterentwicklung. Der allen sozialen Systemen inhärenten Tendenz zur Erstarrung und Oligarchisierung wird vorgebeugt, und es breitet sich ein unternehmerisches Klima aus, das Engagement und Kreativität fördert, dabei aber sozial abfedernd gestaltet ist und damit für Initiatoren überschaubar bleibt. Trendforscher weisen warnend auf die Tendenz hin, dass gerade Spitzenkräfte starre Konzernstrukturen verlassen, weil sie in größeren Freiräumen arbeiten und ihre Ideen und Anregungen erproben wollen. Andere, die die Risiken der Selbständigkeit oder eines Wechsels nicht auf sich nehmen wollen, verlieren sich in innerer Kündigung oder Resignation. Vorstellbar sind in Zukunft lose miteinander verkoppelte Gruppen, die von einer zentralen Logistik mit den notwendigen Ressourcen versorgt werden. Der Einsatz moderner Bürotechnologie erfordert zwar präzise Regeln und technische Abstimmungen (Schnittstellen), bietet auf dieser Basis aber auch ideale Voraussetzungen für dezentral autonomes Handeln. Die bessere Abstimmung mit den übrigen Abteilungen wird durch linking pins erreicht, also mit Doppelmitgliedschaften für die Innovationsmanager in den Teams und den Zentraleinheiten. Nach einer abzustimmenden Frist sollten die Teams die Möglichkeit erhalten, Außenkontakte aufzubauen, um externe Erkenntnisse einholen zu können und neue Beschaffungsquellen zu ermitteln. Auch aus Allianzen und Kooperationen können weitere Verknüpfungen erwachsen. Die lose verkoppelte Struktur bleibt äußerst anpassungs- und lernfähig. Zumindest die besonders innovativen und speziellen Aufgaben werden von reorganisierbaren Subeinheiten realisiert. Zur Wahrung einer gewissen Kontinuität und Stabilität bleiben zentrale Unternehmenseinheiten dauerhaft angelegt. Das zentrale Innovationsmanagement nimmt Anregungen und Entwicklungen auf und formt interaktiv eine Rahmenstrategie. Auf Grund der weitgehenden Autonomie, Dezentralisation, geringen Formalisierung und der offenen Kommunikationsstrukturen werden innovative Freiräume und Flexibilität geschaffen, es kann spontan auf neue Anforderungen reagiert und Komplexität besser bewältigt werden. Sowohl Selbstorganisation, also Schaffung eigener Neuerungen, als auch Umweltanpassung werden gefördert. Die Rahmenstrategie und die zentralen Service-Einheiten bieten stabilisierenden und integrierenden Rückhalt. Sie fördern Koordination und Synergieeffekte.
6 Das zentrale Innovationsmanagement initiiert und koordiniert die oben genannten Teams, entwickelt das geeignete Innovationsklima und sichert die kontinuierliche und beharrliche Innovationsorientierung mit der Entwicklung der generellen Grundsätze und briefings. Grundlegend ist hierbei, dass die klassischen Funktionsbereiche vollends aufgelöst sind und beispielsweise das Marketing operativen, strategischen und innovativen Aufgaben zugeordnet ist. Kreativität und Erneuerung kann man organisieren. Das Neue entsteht dort, wo Spielräume geschaffen werden. Designmanagement 6 als ein wesentlicher Teil des innovativen Bereichs trägt Veränderungen in die Organisation und macht sie damit entwicklungsfähig. Die Neuerungen fließen in Unternehmensund Marketingpläne ein und werden im operativen Bereich marktlich und technisch realisiert. Im innovativen Bereich starten die venture teams als gemischte Gremien, die einen Aufgabenbereich neu durchdenken wollen. Neben der Produktentwicklung sind ebenso der Umweltschutz (Öko-Teams) oder organisatorische Änderungen (Projektteams) mögliche Neuerungsobjekte. Die Mitglieder rekrutieren sich aus allen zur Realisation notwendigen Bereichen des Unternehmens. Weitere Unterstützung kann von zentralen Informationsstellen (Marktforschung/Controlling), dem Finanz- und Rechnungswesen (Budgetierung, Kalkulation) oder der Logistik angefordert werden. Kreativität und Erneuerung organisieren Insbesondere bei einer großen Anzahl von venture teams bietet sich eine Zusammenfassung der Informations- und Controllingaktivitäten in einer support group an. Diese kann entweder den Innovationsbereichen zugeordnet oder übergreifend tätig sein. In den einzelnen Teams sitzen jeweils Personen dieser Unterstützungs- und Kontrollgruppen oder aber der Teamleiter nimmt deren Funktionen wahr. Erst wenn erste brauchbare Ergebnisse vorliegen, wird der Sachverhalt konkretisiert und wächst der Planungsebene zu. Die ursprüngliche Gruppe bleibt personell bestehen und erweitert sich durch kompetente Personen. Die Realisierungsteams streben eine Verknüpfung mit den vorhandenen Strukturen an, indem Durchführungspläne zum Beispiel für die Marktplanung und technische Vorbereitung erstellt und koordiniert werden. Die Mitglieder der Ursprungsgruppe tragen weiter die Verantwortung bis in den operativen Bereich hinein. Die folgende Abbildung veranschaulicht den Entwicklungsgang eines Innovationsprozesses von der innovativen über die koordinative zur operativen Sphäre. Die Struktur gerät in Bewegung. Abb. : Die innovative Organisation Bei dieser dynamischen Organisationsform werden nur die Routinesysteme klar strukturiert. Alle innovativen Bereiche werden durch Selbstorganisation in einem leitorientierten Rahmen geschaffen. Es ist in der Organisation nur der generelle Weg aufgezeigt, er wird nicht inhaltlich konkretisiert. Die normative Ebene (Geschäftsleitung) bündelt die koordinierende und Sinn stiftende Rahmenplanung. 6 Vgl. G. Bergmann, 1994
7 Im innovativen Sektor können neue Ideen plaziert werden. Sie finden dort Ressourcen und Chancen zur Weiterentwicklung im strategischen und operativen Bereich. Moderne Unternehmen sollten sich mit ihrem Umfeld verknüpfen und insbesondere die wichtigen Mitarbeiter in das Unternehmen durch Partizipation an Entscheidungen und Erfolg einbinden. Es reicht nicht aus, die Integration durch eine überzeugende Unternehmensphilosophie anzustreben. Die Mitarbeiter müssen ihren Erfolg mit dem Unternehmenserfolg verknüpfen können, ansonsten werden über kurz oder lang andere Wege eingeschlagen. Genau wie gegenüber den Kunden und sonstigen Austauschpartnern sollte deutlich werden, worin der Nutzen des Partners besteht, wenn er sich für das Wohl der Unternehmung einsetzt. Daraus wird deutlich, dass eine kooperative und interdependente Vorgehensweise in der komplexen Gesellschaft vorteilhaft und zukunftsfähig ist. 7 Das Denken und die Wahrnehmung schaffen die Organisation Organisationen sind schlecht beobachtbare Systeme. Sie existieren eigentlich nur in den Köpfen der Beteiligten. Organisationen sind insofern immer virtuelle Gebilde, die von den Akteuren mit ihren individuellen Interaktionsformen gebildet werden. Im Normalfall werden äußere formale Zeichen gesetzt, um daraus wohl strukturierte Gebilde zu gestalten. Diese Artefakte werden in dynamischen Umfeldern schnell als anachronistisch und starr empfunden und es bilden sich die informellen Strukturen heraus. Diese fremdorganisierten Gebilde sind kaum steuerbar, hebeln die Formalorganisation aus und werden nicht allgemein akzeptiert. Sie weisen anarchistischen Charakter auf. Einwirkungen über die Formalorganisation werden als unangemessen empfunden. Die Struktur wird als unmenschlich eben nicht geistkonform angesehen. Die organische Organisation ist beobachtbar und erfahrbar. Sie ähnelt den informellen Strukturen in einem Unternehmen, hat aber den Vorteil, dass sie vertraut ist, dass sie betrachtet werden kann und den unmittelbaren Prozessen in der Organisation entspringt. Jeder Beteiligte kann via Selbstbeobachtung die Entstehungsprozesse nachvollziehen. Es ist unabdingbar, die geistigen Vorstellungen, die Wünsche und Emotionen der Beteiligten zu berücksichtigen. Im Geist der Menschen sind die Fragmente der Organisation enthalten. Das Zusammenspiel der Menschen schafft dann die einzigartige Organisation. Organische Organisationen entstehen aus bewussten oder unbewusssten interaktiven Prozessen der Akteure. Es bilden sich Kommunigramme aus den typischen Interaktionsformen. Es erscheint wenig erfolgversprechend, einseitig bestimmte Strukturen zu bestimmen. Die informellen Beziehungen prägen dann doch die Organisation. Es bilden sich sowieso bestimmte Trampelpfade in der Organisation, die die umständlichen Wegeplanung konterkarieren. 8 Insofern erscheint es effektiver, den Prozess der Srukturgestaltung durch systemische Interventionen und Rahmengestaltungen zu beeinflussen. Management hat dann weniger Strukturen vorzugeben, als vielmehr die Bedingungen für partizipative Strukturbildungsprozesse zu formen. Netzwerke beziehen sich auf ein vollkommen anderes Referenzsystem. Während Hierarchien von übersichtlichen und strukturierten Verhältnissen ausgehen, kann gerade die Netzstruktur die Vielfältigkeit und Unbestimmtheit der Prozesse besser bewältigen. Das System wächst mit den sich schnell wandelnden Anforderungen. Eine virtuelle Organisation ist in der Lage, durch Selbststeuerung die dynamischen Entwicklungen nachzubilden. Die Entwicklung zur Solaren Organisation Die Unternehmensentwicklung lässt sich nun auch in typischen Entwicklungsstufen veranschaulichen. Den Ursprung nehmen sie zumeist als unternehmerische Organisationen (U). Ein Unternehmer entwickelt eine marktreife Idee und konstituiert eine erste Struktur. Daraus bildet sich im Laufe der Zeit eine innovative Unternehmung (I) mit größerer Komplexität. Die Idee wächst zu einer differenzierten Marktbearbeitung heran. 7 Vgl. K. Bleicher, 1991, S. 86ff und Zum organisatorischen Wandel G. Wiswede, 1995, S. 260ff und H. G. Servatius, 1994, S. 39ff. 8 Auch Wege in Parks legt man möglichst nach den Trampelpfaden an. Wenn man eine umständliche Wegführung gestaltet, bilden sich dann doch die Sonderwege.
8 Abb. : Unternehmensentwicklung Bei weiterem internen Wachstum wird die Komplexität zunehmen. Mit einer gewissen Zwangsläufigkeit werden sich neue Abteilungen und Einrichtungen herausbilden. Es kann zu einer starken Bürokratisierung kommen, weil sich die neu hinzutretenden Mitglieder mehr um die eigene Bedeutung und Position bemühen, als dass sie von der ursprünglichen Leitidee des Gründers beseelt sind. Es werden immer neue Abteilungen und Bereiche hinzugefügt, die die Komplexität erhöhen. Es bildet sich eine divisionalisierte Organisation (D), die viel Komplexität verarbeiten kann, aber auch viel erzeugt. Letztlich werden die Strukturen unüberschaubar und ineffektiv. Dann ist es an der Zeit, die unternehmerischen Elemente wieder zu etablieren, indem die Organisation aufgeteilt und destrukturiert wird. Kleineren Bereichen wird mehr Selbstverantwortung übertragen, in anderen Bereichen wird Outsourcing betrieben. Auf diese Weise kann dann eine vernetzte und solare Organisation (V;S) entstehen. Vielleicht werden Teile als Professional Organisation (P) ausgegliedert. Es werden Beratungsfirmen gegründet, in denen Kenntnisse aus der Kernkompetenz anderen Firmen angeboten werden. Elemente der missionarischen Organisation (M) werden in Form einer prägenden Leitidee integriert, um die zentrifugalen Kräfte der Organisation zu reduzieren. Auf diese Weise können die Nachteile der Organisationstypen in einer vielfältigen und evolutiven Struktur vielleicht kompensiert werden. Die Komplexität kann, ohne an Elan einzubüßen, verarbeitet werden, wenn das unternehmerische und selbstverantwortliche Engagement wieder entfacht wird. Literatur: G. Bergmann: Die Kunst des Gelingens, Sternenfels 2. Aufl G. Bergmann, Strategisches Absatzkanalmanagement, Frankfurt, Bern, New York 1988 P. Gomez/ T. Zimmermann, 1992, G. Bergmann, Umweltgerechtes Produkt-Design- Management zwischen Ökonomie und Ökologie, Neuwied 1994, K. Bleicher, Konzept Integriertes Management, Frankfurt 1991 K. Bleicher, Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft sind wir auf dem Weg zu virtuellen Unternehmung? In: Podium Siegener Universitätsreden 09, Siegen 1997 G. Wiswede, Einführung in die Wirtschaftspsychologie, München, Basel 1995 H. G. Servatius, Re-engineering Programme umsetzen, Stuttgart 1994
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