Text: Sarah Meier Fotos: Sandro Bäbler
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- Daniela Dittmar
- vor 8 Jahren
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1 Die vier m schweizer illustrierte Sport September 2013
2 usketiere Alle für einen einer für alle. Das legendäre Motto der berühmten Musketiere gilt auch für die Schweizer Degenfechter. Wie Max Heinzer, Fabian Kauter, Florian Staub und Benjamin Steffen zusammen für Gold in Rio 2016 kämpfen obwohl sie einzeln auf der Fechtbahn stehen. Text: Sarah Meier Fotos: Sandro Bäbler Mehr als Schall und Rauch Florian Staub, Max Heinzer, Fabian Kauter und Benjamin Steffen (v. l.) verkörpern Fecht-Weltklasse.
3 84 stars Fechten max heinzer, 26 Wohnhort: Immensee SZ. Ausbildung: Bachelor of Science in Sportwissenschaften Universität Basel. Grösste Erfolge Einzel: 11 Wochen Nr. 1 der Weltrangliste, 6 Weltcupsiege, Team: WM-Bronze 2011, EM-Gold 2012, «Für einen Fechter bin ich eher klein, darum muss ich flinker und athletischer sein» fabian kauter, 28 Wohnort: Bern. Ausbildung: Studium der Betriebsökonomie an der Fernfachhochschule FFHS. Grösste Erfolge Einzel: 4 Wochen Nummer 1 der Weltrangliste, 2 WM-Bronze, 2 Weltcupsiege, Team: WM-Bronze 2011, EM-Gold 2012, 2013 «Mir gefällt das spielerische Element beim Fechten, den Gegner auszutricksen» Es ist Tag eins nach dem Ausscheiden im Sechzehntelfinal der Fecht- WM in Budapest. Er sieht etwas müde aus. Die Enttäuschung ist noch immer gross. Die Gefechte stecken ihm in den Knochen. Schmerzen im Fuss zwingen zu einer Pause. Trotzdem steht Max Heinzer, ein Viertel der Schweizer Fecht-Equipe, pünktlich und gut gelaunt im Fotostudio. «Diese Frisur ist etwas gewöhnungsbedürftig», sagt er, als er sich nach dem Styling im Spiegel sieht. Er grinst und zupft sich die Haare ein wenig zurecht. Im Lauf der folgenden Minuten treffen nach und nach seine Teamkollegen ein, Fabian Kauter, Florian Staub und Benjamin Steffen. Eine Stunde später sehen die vier aus, als wären sie gerade einem Film entsprungen. Wie Antonio Banderas und Anthony Hopkins in «Zorro», Johnny Depp alias Jack Sparrow in «Fluch der Karibik» oder Gérard Depardieu in «Die drei Musketiere». Die Kampfund Fechtszenen aus den Hollywood-Blockbustern faszinieren Gross und Klein mit ihren spektakulären Stunts und der blitzschnellen, exakten Klingenführung. Fast genauso siehts in der sportlichen Realität der vier Schweizer aus: Mit tänzerischer Leichtigkeit wirbeln sie über die Fechtbahn die Planche. Gelungene Angriffe enden mit emotionalem Kampfschrei. «Ich war schon als Bub ein riesiger Fan von Piratenfilmen», sagt Heinzer. Und als Mann hätte man das Kampffieber sowieso im Blut, erklärt er seine Passion. Anders Staub: «Mich haben diese Filme nie interessiert», sagt er, «zwischen Show- und schweizer illustrierte Sport September 2013
4 florian staub, 23 Wohnort: Basel. Ausbildung: Wirtschaftsstudium an der Universität Basel. Grösste Erfolge Einzel: 8. Rang Weltcup, Bronze Junioren- WM 2010 Team: WM-Bronze 2011, EM-Gold 2012, 2013 «Als Ersatzfechter muss ich jederzeit für einen Einsatz bereit sein» benjamin steffen, 31 Wohnort: Basel. Beruf: Gymilehrer in Englisch und Sport. Grösste Erfolge Einzel: 6 Weltcup-Podestplätze, Team: WM-Bronze 2011, EM-Gold 2004, 2012, 2013 «Meine Schwäche? Mir wurde schon oft gesagt, ich sei zu wenig egoistisch» Sportfechten ist sowieso ein grosser Unterschied. Bei uns gehts ja nicht um Leben und Tod.» Dafür um Erfolg und Medaillen. aus niederlagen gelernt Die verschiedenen Fecht-Disziplinen sind benannt nach den verwendeten Fechtwaffen: Florett, Degen und Säbel. Die Schweizer Equipe brilliert mit dem Degen. Ein solcher kostet rund 200 Franken und ist 420 bis 430 Gramm schwer. «Die Griffe passen wir jeweils genau auf unsere Hand an, und die Klinge müssen wir pro Saison 20 bis 25 Mal auswechseln», erklärt Beni Steffen. Diese Saison müssen die Klingen nicht mehr ausgewechselt werden sie ist mit der WM zu Ende gegangen. Als Team-Europameister und Sieger von drei Team-Weltcups, dazu mit Heinzer und Kauter zwei Titelanwärtern im Einzel, reisten die Schweizer mit hohen Ambitionen nach Ungarn. Am Ende gabs nur für Kauter etwas zu feiern: Er gewann die Bronze-Medaille. Das grosse Ziel, nach Bronze 2011 mit dem Team endlich auch den Weltmeistertitel zu gewinnen, schafften sie nicht: Schon im Sechzehntel-Final war gegen die Tschechen Endstation. Niederlagen zu verdauen, damit haben Heinzer und Kauter, die zwei erfolgreichsten Fechter im Team, schon Erfahrung. Die Olympischen Spiele in London 2012 endeten für die beiden Medaillenkandidaten mit einer Enttäuschung. Out im Achtelfinal. «Das war unglaublich bitter. Ich habe lange gebraucht, um mich davon zu erholen», sagt Kauter. Doch mittlerweile ist die Niederlage vergessen. «Wir sind zwar gescheitert, die Enttäuschung war damals gross und ist es auch jetzt, nach der WM. Aber wir haben September 2013 schweizer illustrierte sport
5 86 stars Fechten daraus gelernt, und unsere Ambitionen sind immer noch die gleichen», sagt Heinzer. Was er damit meint? Gold an den Olympischen Spielen in Rio Die Chancen dazu dürften dort besser stehen als in London: In drei Jahren ist der Degen-Mannschaftskampf wieder Teil des Programms. Nachdem Degenfechten seit 1900 olympisch geworden ist und seit 1940 auch als Teamwettbewerb ausgetragen wird, nahm das IOC ihn vor London 2012 zur Enttäuschung des Schweizer Teams aus dem Programm. «Italien ist eine der erfolgreichsten Fechtnationen. Der Unterschied zur Schweiz ist, dass dort faktisch alle Profis sind» Angelo Mazzoni, Trainer mit italienischem know-how Fechten gilt als typischer Einzelsport. Das Ziel sei es natürlich, auch im Einzel um eine Medaille zu kämpfen, doch «der Fokus liegt auf dem Teamwettbewerb, weil die Chancen grösser sind», sagt Heinzer. Kauter ergänzt: «Ein Sieg mit dem Team ist für mich schöner, weil ich die emotionalen Momente mit den andern teilen kann.» Er setze sich dafür im Team mehr unter Druck. Steffen geht etwas weiter: «Ich sehe mich mehr als Teamdenn als Einzelsportler.» Eine Mannschaft besteht aus drei Fechtern bei den Schweizern Heinzer, Kauter, Steffen und einem Ersatzfechter Staub. Der Wettkampf wird in neun Einzelgefechten ausgetragen. Jeder ficht gegen jeden Athleten der gegnerischen Mannschaft einen dreiminütigen Kampf. Was macht das Schweizer Team so stark? Ihre italienischen Trainer Gianni Muzio und Angelo Mazzoni wissen schon mal, wies geht: Mazzoni holte 1996 und 2000 mit dem italienischen Team Olympia-Gold. Muzio war sein Coach. Eine weitere wichtige Voraussetzung: Alle vier sind exzellente Einzelfechter mit guter Technik. Und wie siehts aus mit der Rollenverteilung? Beni Steffen ist der Team- Veteran, möchte sich aber nicht als Leader bezeichnen und verneint auch eine bestimmte Rollenzuteilung. «Ich bringe viel Erfahrung ein und vermittle zwischen dem Team und den Trainern.» Auch bei schlechter Stimmung würde er eingreifen. Das sei jedoch nicht oft nötig, sagt Kauter, «da wir uns wirklich gut ergänzen und am gleichen Strick ziehen». Kauter, der Temperamentvolle, mit unbändigem Willen und Kampfgeist. Heinzer, neben der Fechtbahn eher ruhig und überlegt, im Kampf aber explosiv und offensiv stark. Steffen ist der Erfahrene mit guter Physis und Staub der perfekte Ersatzfechter, der sich mit letzter Konsequenz für einen allfälligen Einsatz vorbereitet. «Die drei anderen sind gesetzt, das ist für mich klar. Ich trainiere genau gleich und bereite mich vor, wie wenn ich zum Einsatz käme», sagt Staub. Damit bringt er die Philosophie des gesamten Teams auf den Punkt: Es geht nicht um Gleichberechtigung, sondern um die bestmögliche Leistung als Gruppe. Im Schatten des Fussballs Obwohl der Fechtsport in der Schweiz grosse Tradition hat, bleibt er eine Randsportart. Die Basler Fechtgesellschaft, in der Heinzer, Staub und Steffen Mitglied sind, hat eine erfolgreiche Geschichte: Auch der Olympiasieger von Athen 2004, Marcel Fischer, hat dort sein Handwerk gelernt. Trotzdem gibt es in der Schweiz nur 3000 lizenzierte Fechter. Das findet Kauter, Mitglied des Fechtclubs Bern schade. Jugendliche zum Fechten zu animieren, liegt ihm denn auch am Herzen. «Es ist halt nicht so einfach wie beim Fussball, wo jeder einen Ball zu Hause, eine Wiese vor der Tür und einen Club im Dorf hat.» Wer ein guter Fechter werden will, muss schon im Kindesalter mit dem Sport anfangen. Als Fünfjähriger machte Heinzer seine ersten Schritte auf der Planche. Seine Schwester tat es ihm wenig später gleich. Und schliesslich in Umkehrung der üblichen Reihenfolge traten nach ihren Kindern auch die Eltern in den schweizer illustrierte Sport September 2013
6 Attacke! Florian Staub (l.) und Benjamin Steffen mit dem Degen in Aktion. Mit dieser Waffe zählt jeder Treffer auf Rumpf, Arme, Beine und Kopf. nen sich die zwei Aushängeschilder Kauter und Heinzer mit persönlichen und Verbandssponsoren ihren Lebensunterhalt finanzieren. Nach seinem Bachelorabschluss in Sportwissenschaften an der Uni Basel vor drei Jahren setzte Heinzer alles auf die Karte Sport. Kauter absolviert an der Fernfachhochschule Schweiz (FFHS) ein Studium in Betriebsökonomie. Es ist sehr individuell ausgerichtet und ermöglicht ihm, die Aus bildung mit dem Pensum als Spitzensportler zu kombinieren. «Ich brauche die Abwechslung und den Ausgleich vom Sport», sagt Kauter, der auch als Musiker erfolgreich ist. Er brachte unter dem Künstlernamen Yuri schon zwei Alben heraus. Staub studiert Wirtschaft an der Universität Basel. viele entbehrungen, ein ziel Vier verschiedene berufliche Tätigkeiten, drei verschiedene Wohnorte, zwei Trainingsorte. Da braucht es eine gute Organisation. Viel Freizeit bleibt bei den zahlreichen Trainingsstunden und Autofahrten nicht. Entbehrungen, die sie alle gern in Kauf nehmen. Für ein gemeinsames Ziel: Rio soll für die vier Musketiere aus der Schweiz das Gefecht ihres Lebens werden. haare & Make-up: fabienne pauli, styling: yvonne reichmuth, location: fotostudio light+byte Fechtclub ein. Nicht nur bei Heinzers ist Fechten Familiensache: Fabian Kauters Vater Christian gewann bei Olympia 1972 im Team Silber und vier Jahre später Bronze. Fabians älterer Bruder Michael war ebenfalls Mitglied der Schweizer Nationalmannschaft. Auch Beni Steffen kam durch Familienangehörige zum Fechtsport. Zuerst versuchte er sich in verschiedenen anderen Sportarten wie Leichathletik und Schwimmen. «Das Wasser war mir aber zu kalt», sagt Steffen, «und als Kind habe ich schon immer gern mit Plastikschwertern auf der Strasse gefochten.» So folgte er schliesslich seiner Zwillingsschwester und seinem Bruder in den Verein. «Damit erfüllte ich den Bubentraum meines Vaters, der die Sportart selber nicht ausüben durfte.» Einzig der Vierte im Bunde, Florian Staub, sticht etwas aus der Reihe. Er hat keinen Bezug durch die Familie. Er habe zu Hause bei einem Kollegen eine Fechtausrüstung im Schrank gesehen. «Sie hat mich sofort fasziniert», erzählt Staub. Mit sieben Jahren trat der Jüngste im Bunde der Fechtgesellschaft Basel bei. Abseits der Fechtbahn gehen die vier unterschiedliche Wege: So war die Koordination für den Shooting-Termin eine kleine Herausforderung. Beni Steffen arbeitet als Gymi lehrer in Basel, wo er Sport und Englisch unterrichtet. Auf die kommende Saison will er sein Pensum auf 75% reduzieren. Es sei neben dem Job schwierig, sich aufs Fechten zu konzentrieren, und «mein Schlaf kommt viel zu kurz» sagt er. Die Organisation des Trainings ist heute nicht einfach für die vier. Staub und Steffen wohnen in Basel, Kauter in Bern, und Heinzer kommt aus der Innerschweiz. So treffen sie sich je zweimal wöchentlich in Bern und in Basel. So ist der Reiseaufwand etwa für alle gleich. Sie müssen zusammen trainieren, denn: «Wir brauchen Sparring-Partner auf Augenhöhe», sagt Kauter. nur heinzer als profi Trotz Schattendasein des Fechtsports kön- Der Fechtsport fecht-arten Beim Degenfechten gilt der ganze Körper ohne Einschränkung als Trefferfläche. Mit dem Florett zählen Treffer auf den Rumpf inklusive des Schritts. Im Säbelgefecht schliesslich zählen Rumpf, Kopf und Arme als Trefferfläche. Das Anzeigen der Treffer mit roten bzw. grünen Lampen entsteht durch die Verbindung eines Kabels vom Fechter mit der elektronischen Meldeanlage. waffen Der Degen ist eine Stichwaffe, bestehend aus einem Griff, einem Handschutz und einer 90 cm langen Klinge aus Stahl. In die Klinge sind die Drähte eingelegt, damit sich bei einem Treffer der Stromkreis schliesst. Das Florett wird durch den Pistolengriff gekennzeichnet und seine dünne rechteckige Klinge. Die Klinge des Säbels hingegen wird zur Spitze hin schmaler. September 2013 schweizer illustrierte sport
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