1 Einleitung. 1.1 Ursachen für Ausfälle in Anlagen. Kupplungen 2% Hydraulik 3% Andere 7% Statische Verbindungen 9% Lager 10% Dichtungen 69%
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- Til Böhmer
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1 1 Einleitung In einem Vortrag anlässlich der Tagung Rohrleitungstechnik der GVC VDI Gesellschaft Verfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen am 9./10. November 1992 in Baden-Baden wurden für ein mittleres westdeutsches Chemieunternehmen in etwa folgende Zahlen genannt: 60 Anlagenkomplexe 12 Mrd. DM Wiederbeschaffungswert der Anlagen km Rohrleitungen in Produktion und Energieerzeugung 400 Mio. DM Wiederbeschaffungswert der Rohrleitungen Stück Flanschverbindungen Stück Armaturen Nicht erwähnt wurde die große Anzahl der Wärmetauscher und Apparate und der Apparateflanschverbindungen mit ihren besonderen Schwierigkeiten. Diese groben Angaben zeigen jedenfalls die Bedeutung sicherer Abdichtungen in allen Bereichen der komplexen Chemieanlagen. 1.1 Ursachen für Ausfälle in Anlagen Kupplungen 2% Hydraulik 3% Andere 7% Statische Verbindungen 9% Lager 10% Dichtungen 69% 1
2 Die Quelle für die Angaben im Diagramm ist leider nicht bekannt, doch dürfte die angegebene Verteilung der Ausfälle nicht untypisch sein. Es ist zu vermuten, dass unter Dichtungen auch Armaturendichtungen also Packungen gezählt wurden. 1.2 Erschwerende Umstände für eine sichere Dichtverbindung Mit dem Fortschritt der Technik sind die Betriebsbedingungen immer schärfer geworden. Als Folge der Globalisierung hat sich andererseits der wirtschaftliche Zwang stetig erhöht. Erschwerende Umstände sind beispielsweise: Höhere Betriebsdrücke Höhere Temperaturen Größere Abmessungen Sparsamere Konstruktionen durch höherfeste Werkstoffe Erhöhte Anforderungen an die Dichtheit Verschärfte Umweltschutzauflagen Irreführende Angaben in deutschen oder europäischen Normen Verändertes Einkaufsverhalten durch erhöhten Kostendruck (Der Einkäufer sieht in vielen Fällen nicht die Folgekosten eines niedrigen Preises unter einem gesamtbetriebswirtschaftlichen Gesichtspunkt) Gravierende Montagefehler aus unterschiedlichen Gründen wie z.b.: o Bedeutung nicht erkannt o Subunternehmer nicht richtig informiert o Subunternehmer ungeeignet o kein geeignetes Montagewerkzeug vorhanden 1.3 Voraussetzungen für sichere Dichtverbindungen Zur Beantwortung dieser Frage will das vorliegende Buch einen Beitrag liefern, indem es Theorie und Praxis verbindet. So simpel eine Dichtung auf den ersten Blick erscheinen mag im Vergleich zu den oft beeindruckenden abzudichtenden Rohrleitungen, Armaturen und Apparaten, so kompliziert sind die zu einem dauerhaft dichten System gehörenden Voraussetzungen. In einem ersten Teil, der die Kapitel 2 bis 7 umfasst, werden Dichtungen an verschraubten 2
3 Flanschverbindungen und ihre Arbeitsumgebung, die Flansche und Schrauben, besprochen. Daran schließt sich ein zweiter Teil mit den Kapiteln 8 bis 11 über Stopfbuchs-Packungen und ähnlich beanspruchte Deckeldichtungen an. In Kapitel 2 über die Dichtungsmechanik bei verschraubten Flanschverbindungen wird den für das Einleiten und Aufrechterhalten der Dichtheit erforderlichen Kräften im verspannten System nachgegangen. Dann werden die Eigenschaften der Dichtflächen an denen die Dichtheit stattfindet untersucht. Wie überall steckt auch hier der Teufel im Detail. Es werden deshalb auch nebensächlich erscheinende Dinge angesprochen und besprochen. Das sind zunächst die Dichtflächen der Flansche und Dichtungen. In Kapitel 3 wird der zweckmäßige Aufbau der Dichtungen besprochen, und es werden die wichtigsten Dichtungsarten für verschraubte Flanschverbindungen diskutiert. Das Kapitel 4 über Dichtungstechnologie befasst sich mit den sogenannten Dichtungskennwerten. Der Unterschied zwischen den bekannten Dichtungskennwerten und den anzustrebenden Dichtheitskennwerten wird deutlich gemacht. Es wird herausgearbeitet, dass die Dichtungskennwerte nur eine Dimensionierung der Flanschverbindung erlauben, aber keine Aussage zu einer sich einstellenden Leckagerate. Das allein vermögen die angesprochenen Dichtheitskennwerte. Mit dem oben Besprochenen als Rüstzeug wird in Kapitel 5 die Aufgabe von Flansch und Schraube sowie deren Zusammenspiel mit der Dichtung untersucht. Dazu gibt die Europäische Norm DIN EN 1591 eine vortreffliche Vorlage ab. Dies hindert aber nicht daran, auch die Schwächen der Norm offenzulegen. In Kapitel 6 werden einige wichtige erkannte Mängel der EN 1591 aufgegriffen und es werden Verbesserungen dazu vorgeschlagen, die sich bereits bei der Bearbeitung aktueller Probleme bewährt haben. Das betrifft die Folge von Differenzdehnungen, den Kriechfaktor, Verbindungen mit Losflansch, aber auch die Anwendung der Norm auf Hauptflanschverbindungen an Wärmetauschern mit eingespanntem Rohrboden sowie auf Dichtungen im Kraftnebenschluss. Fallbeispiele aus der Praxis verdeutlichen in Kapitel 7 die zahlreichen Fallstricke, die die Abteilungen Planung, Konstruktion, Montage und Betrieb zu überwinden haben auf dem Weg zu einer dauerhaft dichten Flanschverbindung mit den in Kapitel 2 bis 6 besprochenen Dichtungen. Im folgenden Kapitel 8 werden die grundlegend anderen Verhältnisse bei den dreiaxial verspannten Stopfbuchspackungen an Armaturen und Apparaten angesprochen. 3
4 Da die Beanspruchung im Gegensatz zu den statischen Flanschdichtungen als quasi-dynamisch bezeichnet werden kann und da es sich nicht um einzelne Dichtungen, sondern immer um Packungssätze handelt, wird eine Theorie der Stopfbuchspackungen entwickelt. Im Kapitel 9 werden die Eigenschaften beschrieben, die eine gute Spindelpackung aufweisen sollte, und es werden Konstruktionsrichtlinien für übliche Spindelpackungen und verschiedene Sonderfälle abgeleitet. Kapitel 10 beschäftigt sich mit den axial selbstdichtenden Verschlussdeckeldichtungen für Hochdruckarmaturen und -Apparaten. Sie sind ebenso dreiaxial verspannt wie die Spindelpackungen, werden jedoch quasi-statisch wie Dichtungen beansprucht. Auch sind die auftretenden Kräfte und Spannungen von anderer Art, woraus für die Verschlussdeckeldichtungen und die Gehäuseumgebung eigene Konstruktionsrichtlinien folgen. Im Kapitel 11 beschließen Fallbeispiele aus der Praxis zu Kapitel 8, 9 und 10 den Textteil. Kapitel 12 enthält ein ausführliches Literaturverzeichnis zu den in den einzelnen Kapiteln angesprochen Themen. 1.4 Zusammenfassung In den Kapiteln 2 bis 7 werden die wichtigsten Dichtungsarten für verschraubte Flanschverbindungen behandelt sowie in den Kapiteln 8 bis 11 Packungen für Stopfbuchsen und selbstdichtende Deckeldichtungen an Armaturen und Apparatekonstruktionen. (Dynamische Dichtungen, wie Gleitringdichtungen, Pumpenpackungen, berührungslose Dichtungen und dgl. mehr, sind nicht Gegenstand der hier vorliegenden Betrachtungen.) Damit stellt das Buch einen Beitrag zu sicheren und dichten Anlagen in der chemischen und petrochemischen Industrie, im Bereich von thermischen und nuklearen Kraftwerken sowie im Bereich des Energietransportes und der Lagerung dar. Seit der ersten Auflage in 2005 ergaben sich bedeutende Veränderungen bei den Normen zu den Dichtungskennwerten und zur Flanschberechnung. Hilfreich sind die vom Autor entwickelten Excel -Berechnungsblätter [1.1] zur Flanschberechnung nach DIN EN 1591 und die Excel -Berechnungsblätter zur Berechnung von Stopfbuchspackungen [1.2]. Mit ihrer Hilfe gelingt eine schnelle Bearbeitung und Analyse auch schwieriger Anwendungsfälle. Aber auch für die Konstruktion von ungenormten Dichtverbindungen ergeben sich mittels der Parametervariation tiefe Einblicke in die komplexen Zusammenhänge der aufeinander einwirkenden Bauteile. Auf der Website findet der Interessierte die neuesten Informationen zu Programmen zur Flanschberechnung und Packungsberechnung sowie zu weiterführenden Publikationen. 4
5 Teil 1: Dichtverbindungen mit verschraubten Flanschen im Anlagenbau 2 Dichtungsmechanik Zunächst ist es von Vorteil, sich mit dem Kraftfluss innerhalb einer verspannten Verbindung vertraut zu machen. Zum einen entsteht in der Regel bei der Montage ein geschlossener Kraftkreislauf über Schrauben, Unterlegscheiben, Flansch und Dichtung. Die Schrauben werden dabei gedehnt und auf Biegung und Torsion beansprucht, die Unterlegscheiben oder Dehnhülsen auf Stauchung und die Flansche auf Stülpung, wobei die angeschlossene Schale aufgeweitet wird. Dies gilt für übliche runde Flansche. Für Flansche mitrechteckiger Form, wie sie an vielen Apparaten wie z. B. Filterpressen und Kondensatoren häufig sind, gelten diese Überlegungen nur eingeschränkt. Weiter unten in diesem Kapitel werden die sich aus dieser Bauform ergebenden Besonderheiten angesprochen. 2.1 Das verschraubte System runder Flansche Je nach Anordnung der Dichtung und Ausbildung der Flansche sind einige wesentliche Arten des Kraftverlaufes wirksam, die in der Praxis nicht immer sorgfältig genug unterschieden werden Dichtung im Krafthauptschluss Bei einer Dichtung im Krafthauptschluss steht die Dichtung nach dem Verschrauben unter der vollen Schraubenkraft. Im Betriebszustand kann die Dichtkraft mit ansteigendem Innendruck sinken oder auch ansteigen. Beispiele für sinkende Dichtkraft bei zunehmendem Druck sind: Geflanschte Rohrleitungs- und Apparate-Verbindungen Verbindungen mit Rohrleitungs-Verschraubungen 5
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