Adipositastherapie was wirklich wirkt: Auf der Suche nach anerkannten Programmen

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1 Adipositastherapie was wirklich wirkt: Auf der Suche nach anerkannten Programmen Heinrich von Grünigen, Dr. med. h.c. Präsident Schweizerische Adipositas-Stiftung SAPS NUTRIDAYS März

2 Inhalt: Ausgangslage Zur Epidemiologie der Adipositas Adipositas und ihre Komorbiditäten Grenzen der Prävention Therapeutische Möglichkeiten Ausblick NUTRIDAYS März

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4 Das Geschäft mit dem Abnehmen boomt! Ganzseitige Inserate in der Boulevard-Presse Google-Werbung im Internet ( verlieren Sie bis zu 12 Kilo in 4 Wochen, garantiert ohne Jojo-Effekt! ) Institute mit Laser-, Vakuum-, Folien-, Kälteschock- und anderen Behandlungsmethoden Formula-Diäten in jeder Ausprägung Low-Carb, Low-Fat, Flexitarier-Diät NUTRIDAYS März

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6 Der Befund: jeder 2. ist zu dick! 40% der Bevölkerung haben Übergewicht 10% leiden an Adipositas (BMI > 30) Adipositas ist heute ein Unterschichten-Problem Das Gewicht kommt schleichend Von Jahre: + 13,6 kilos (im Schnitt) Das sind 450 g pro Jahr oder 1,5 g täglich! Genetik / Lebensstil / Umwelt NUTRIDAYS März

7 Ursache(n) der Adipositas Genetische Voraussetzungen Persönlicher Lebensstil (Ernährung/Bewegung) Einflüsse der Umwelt Genetics loads the gun, environment pulls the trigger. Belastende Umwelt-Faktoren: 24-Stunden-Gesellschaft = Schlafmangel Chemikalien (Endoktrine Disruptoren) Stress NUTRIDAYS März

8 Komorbiditäten (Folge-Erkrankungen) Typ 2 Diabetes, Bluthochdruck, hohes Cholesterol, Herz- Kreislauf-Krankheiten, Schlaganfall, Reflux, Schlafapnoe, verschiedene Krebs-Typen, Gelenkbeschwerden (Arthrose) Soziale Probleme: Stigmatisierung, Diskriminierung, geringes Selbstwert-Gefühl, Depression, Vorurteile bei der Jobsuche, erschwerte Partnerwahl, Benachteiligung im medizinischen Setting, Beeinträchtigung der physischen Leistungsfähigkeit NUTRIDAYS März

9 Neu: der gesunde Dicke 10-20% der Adipositas-PatientInnen bleiben von den typischen Komorbiditäten verschont bzw. diese treten erst im späteren Alter auf Menschen mit leicht erhöhtem BMI (25-30) sind gegenüber vielen Krankheiten resistenter ( lieber fett und fit als schlank und schlapp ) Problem: fehlende Akzeptanz der persönlichen Erscheinung (vor allem bei Frauen ) NUTRIDAYS März

10 Bedeutung und Grenzen der Prävention Sie steht im Vordergrund aller Bemühungen zur Eindämmung der weltweiten Adipositas-Epidemie Sie beginnt schon vor der Geburt durch Aufklärung der Eltern und hat die Kinder und Jugendlichen im Fokus Nationale und kantonale Programme für die Schulen, ein Angebot von Gesundheitsförderung Schweiz Handicap Freiwilligkeit Fehlende gesetzliche Grundlagen (Präventionsgesetz) Autonomie der Kantone NUTRIDAYS März

11 Wo kann/sollte Prävention ansetzen? Auf vielen Ebenen: Gemeinde: Planung von Verkehrswegen und Spielraum Schule: Lehrpläne, Verpflegung, Automaten Nährwert-Deklaration: Ampel-System Ernährung: Preisgestaltung, finanzielle Anreize Werbung: Regulierung der Werbung für Kinder Es geht nicht um Verbote oder Entmündigung Es geht um die Freiheit, in eigener Verantwortung die richtigen Entscheide zu treffen NUTRIDAYS März

12 Therapeutische Möglichkeiten Adipositas als multifaktorielle, chronische Krankheit Keine Heilung allenfalls eine Linderung bzw. eine Stabilisierung (> keine weitere Gewichtszunahme) Die klassischen Therapieformen: Veränderung des Lebensstils ( weniger essen / mehr bewegen ) Verhaltensänderung mit Unterstützung (begleitete Programme, Online-Coaches, Selbsthilfegruppen, Ernährungsberatung) Medizinisch betreute Programme in spezialisierten Kliniken, ev. mit medikamentösem Support Adipositas-Chirurgie (Bariatrie) mit lebenslanger Nachsorge NUTRIDAYS März

13 Veränderung des Lebensstils Die Aufforderung an einen adipösen Patienten, weniger zu essen und sich mehr zu bewegen ist so, als würde man einem Menschen, der an Depressionen leidet, empfehlen, er solle sich doch am Leben freuen Abnehmen an sich ist leicht mit welcher Methode auch immer. Aber die Rückfallquote (Rebound) beträgt weltweit um die 95 Prozent! Vorsätze betreffend eine Verhaltensänderung werden nach 28 Tagen (im Schnitt) über Bord geworfen NUTRIDAYS März

14 Begleitete Programme Beispiele (ohne Wertung!): BASEL-Programm, Body Reset, Dukan-Diät, ebalance, Metabolic Balance, ParaMediForm, PreCon, Profiline, Rohner Konzept, Weight Watchers Entscheidend ist, dass die gewählte Ernährungsform sich in den individuelle Alltag integrieren lässt, nach dem Prinzip: es darf ausprobiert werden! Wichtig: keine einseitigen und extremen Diäten! NUTRIDAYS März

15 Medizinisch betreute Programme Werden heute in vielen Kliniken mit interdisziplinären Teams (Stoffwechselspezialist, Psychologe, Ernährungs- beratung, Physiotherapie) angeboten: Inselspital Bern Spital Zofingen div. Adipositas-Zentren In der Regel von der Krankenkasse übernommen Mehrjährige Begleitung NUTRIDAYS März

16 Medikamentöse Therapie Wirkungsmöglichkeit beschränkt (4-5 Kilo!) In der Schweiz zugelassen: Xenical (Orlistat) und alli Fett-Aufnahme-Hemmer Victoza (Liraglutid) ein Antidiabetikum Topamax eigentlich gegen Epilepsie In der Pipeline: Belviq in USA zugelassen, für Europa pendent NUTRIDAYS März

17 Adipositas-Chirurgie (Bariatie) Bei BMI über 35 heute die wirksamste Methode Gängige OP-Formen: Magen-Bypass Schlauchmagen Magenband ( adjustable gastric banding ) In klinischer Erprobung: Endo Barrier Magen-Schrittmacher Magen-Ballon NUTRIDAYS März

18 Zentrale Rolle der Ernährungsberatung Bei allen therapeutischen Massnahmen kommt der ERB eine entscheidende Bedeutung zu: Durch das Vermitteln von Informationen über Lebensmittel und den richtigen Umgang mit der Ernährung im Alltag Durch Motivation und Begleitung in der Praxis Durch die Annahme der PatientInnen mit Empathie Denn NUTRIDAYS März

19 das gilt für Patienten mit Übergewicht Dicke haben eine dünne Haut Sie sind möglicherweise in ihrer Kindheit schon traumatisiert worden Sie beschäftigen sich täglich bis zum Überdruss mit ihrem Problem und haben ein Recht darauf, dass sie damit ernst genommen werden Sie erwarten, dass man ihnen zuhört und dass man Verständnis zeigt Dass man sie nicht für willensschwach, faul und dumm hält NUTRIDAYS März

20 Ausblick Es gibt kein Allheilmittel, es gibt nur Überlebenshilfen Die Forschung läuft auf Hochtouren Zahlreiche Studien und gegenläufige Auffassungen verunsichern die Betroffenen Das Gesundheitssystem ist dabei, eine Strategie für die nichtansteckenden chronischen Krankheiten (NCD) zu erarbeiten Die Ernährungsberatung leistet einen entscheidenden Beitrag NUTRIDAYS März

21 Zuletzt noch dies: Prof. Dr. Garry Egger vergleicht in seinem Buch Planet Obesity (2010) die Adipositas mit dem Kanarienvogel, der früher im Bergbau in einem Käfig mit in die Kohlengruben genommen wurde. Solange der Vogel wohlauf war, war die Belüftung in der Grube ok. Fiel der Vogel tot von der Stange, bestand für die Menschen Lebensgefahr. Egger sagt, es genüge nicht, den Vogel zu heilen, sondern: Wir müssen die Ursache der Ursache der Ursache bekämpfen! NUTRIDAYS März

22 Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit! NUTRIDAYS März