Psychische Gesundheit. Angststörung: Was ist das?
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- Alexander Vogt
- vor 8 Jahren
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1 Psychische Gesundheit Angststörung: Was ist das?
2 PSYCHISCHE GESUNDHEIT VORWORT Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass in jedem Augenblick 400 Millionen Menschen von neuropsychiatrischen Störungen betroffen sind. Die psychischen Störungen stellen ein großes Problem der Weltgesundheit dar, da sie in allen Altersklassen sehr häufig auftreten. Psychosoziale Beeinträchtigungen ziehen Schwierigkeiten im Alltagsleben, im Beruf, und in den zwischenmenschlichen Beziehungen nach sich. Seit Jahren kümmern wir uns intensiv um das Anliegen der psychischen Gesundheit im Land. Ich bin froh darüber, dass diesbezüglich sehr viel geleistet werden konnte. Eine geeignete Information der Bevölkerung über psychische Störungen und ihre Behandelbarkeit ist der erste Schritt zu einer wirkungsvollen Vorbeugung. Dadurch vermeiden wir Vorurteile und bekämpfen die Ausgrenzung psychisch Kranker. In diesem Sinne arbeiten wir mit dem RAI-Sender Bozen zusammen, und stellen im Rahmen verschiedener Sendungen diese wichtige Thematik in allgemein verständlicher Art vor. Drei Monate lang wird in allen Kinos Südtirols eine kurze Aufforderung an Betroffene gesendet, ihre oft begreiflichen Ängste auf der Suche nach Hilfe zu überwinden. Ich bin überzeugt, dass die neun Broschüren der Reihe Psychische Gesundheit, die die Sendungen begleiten und ergänzen, einen wesentlichen Beitrag zur Information und Sensibilisierung unserer Bevölkerung leisten können. Sie sind in leicht verständlicher Sprache gehalten und verweisen sehr konkret auf Möglichkeiten der Hilfe und Anlaufstellen im Land. Den Verfassern und Gestaltern der Broschüre gilt mein aufrichtiger Dank. Der Landesrat für Personal, Gesundheits- und Sozialwesen Dr. Otto Saurer PSYCHISCHE GESUNDHEIT SEELISCHE KRISE KEIN GRUND ZUM VERSTECKEN KEIN GRUND ZUR SCHAM ABER EIN GRUND, HILFE ZU SUCHEN Themen der Reihe: Psychische Gesundheit Depression Angststörung Aufmerksamkeits- Defizit- Syndrom, psychische Störungen bei Kindern Manie Zwangsstörung Schizophrenie Eßstörung Somatoforme Störung Dystymie 2 Wir danken der auf dem Umschlag abgebildeten Person für ihre unentgeltliche Mitarbeit sehr. Zwischen dem Abgebildeten und der vorgestellten Störung besteht kein Zusammenhang.
3 Angststörung: Was ist das? Angst zu haben ist normal Angst ist ein lebenswichtiges Gefühl, das bei Gefahr oder Bedrohung auftritt. Es versetzt unseren Organismus in eine erhöhte Alarmbereitschaft und führt zu einer Fluchtoder Kampfreaktion. Dieser Zustand ist zeitlich begrenzt. Ohne Angst würde der Mensch nicht angemessen funktionieren. Angst kann aber auch übermäßig werden und die Anpassung an die Umwelt erschweren. Angst umfaßt immer drei Bereiche: sie äußert sich im Körper, im psychischen Bereich und im Verhalten. Der Körper reagiert unter Angst mit einer vermehrten Anspannung: das Herz schlägt schneller, der Atem geht rascher, der Blutdruck steigt an, die Muskeln verspannen sich und beginnen zu zittern, kalter Schweiß tritt auf, der Mund wird trocken. Schmerzen in der Brust, Druck oder Leere im Kopf, Schwindelgefühle, Verdauungsbeschwerden oder Gefühllosigkeit in den Gliedern können Anzeichen der Angst sein. Auf der psychischen Ebene bewirkt Angst den Eindruck, bedroht zu sein, die Kontrolle zu verlieren, einen Herzanfall zu erleiden, verrückt zu werden oder zu sterben. Gedanken wie Ich bin verzweifelt, Ich muss hier weg" oder Es wird etwas Schlimmes geschehen sind typisch für starke Angst (Katastrophendenken). Im Verhalten zeigt sich Angst dadurch, dass der Betroffene sehr unruhig wird, vor angstauslösenden Situationen flieht oder sie gänzlich vermeidet. Es ist wichtig, zu wissen, wie sich bei einem selbst Angst äußert. Dadurch wird sie verständlicher und weniger bedrohlich. Man kann angemessener darauf reagieren. Angst ist ein normales Gefühl, wenn sie zur Situation passt und nützlich ist. Jede Angststörung ist eine Fehlsteuerung ganz normaler Vorgänge. 3
4 PSYCHISCHE GESUNDHEIT Angst kann selbst zur Krankheit werden, wenn sie... - ohne ersichtlichen Grund auftritt, also in Situationen oder unter Bedingungen, die völlig harmlos sind - zu häufig oder zu stark wird - zu lange dauert - zum Verlust jeder Kontrolle führt - großen Leidensdruck verursacht - Anlass ist, bestimmte ganz alltägliche Situationen zu vermeiden Angststörungen treten sehr häufig auf. Man kann davon ausgehen, dass etwa 10 Prozent der Bevölkerung darunter leiden. Sie ist nach der Depression die zweithäufigste psychische Störung weltweit. Frauen erkranken häufiger daran als Männer. Personen, die längere Zeit an einer Angststörung leiden, entwickeln oft depressive Symptome wie Niedergeschlagenheit, Hilflosigkeit und Erschöpfung und ziehen sich immer mehr von ihrer Umgebung zurück. Nicht selten werden Alkohol oder Beruhigungsmedikamente als "Mittel gegen die Angst" eingenommen. Depression, Alkohol- und Beruhigungsmittelabhängigkeit sind die häufigsten Folgekrankheiten von Angststörungen. Angststörungen sind Erkrankungen mit hohem Leidensdruck. Je früher die Behandlung beginnt, desto eher werden Folgekrankheiten vermieden. 4
5 Angststörung: Was ist das? Panik, Phobie und generalisierte Angst sind die drei Gesichter der Angststörung Die Panikstörung ist von immer wiederkehrenden, plötzlich auftretenden Angstattacken gekennzeichnet, für die es auf den ersten Blick keine Auslöser gibt. Im Vordergrund stehen dabei heftige körperliche Reaktionen, wie Herzklopfen, Brustschmerz, Schwindel und Atemnot. Ihnen folgt die Angst, die Kontrolle zu verlieren, wahnsinnig zu werden, oder zu sterben. Obwohl die einzelnen Panikattacken meist nur Minuten dauern, sind sie für die Betroffenen extrem belastend. Vor allem die auftretende Todesangst führt dazu, dass dringende Einweisungen ins Krankenhaus erfolgen. Die medizinische Abklärung ergibt keine bedeutsamen körperlichen Störungen. Wer öfter eine Panikattacke erlitten hat, entwickelt häufig eine dauernde Sorge davor, dass so etwas wieder geschehen könnte. Angst vor der Angst tritt auf. Diese Erwartungsangst erhöht das allgemeine körperliche und seeelische Anspannungsniveau und läßt weitere Panikattacken wahrscheinlicher werden. Ängste, die sich nur auf bestimmte Gegenstände oder Situationen beziehen, werden Phobien genannt. Man spricht zum Beispiel von einer Schlangen-, Blut- oder Hundephobie. Phobien können auch die Begegnung mit Menschen betreffen (soziale Phobie), oder den Aufenthalt an Orten, wo keine rasche Hilfe möglich ist (Agoraphobie), zum Beispiel in großen Menschenmengen oder in Situationen, wo man allein ist. Menschen, die von Phobien betroffen sind, versuchen die Angst auslösenden Situationen, Dinge oder Lebewesen zu vermeiden. Dieses Vermeidungsverhalten kann die Verwirklichung eines Menschen in der Gesellschaft schwer beeinträchtigen, wenn es sich auf mehrere Bereiche ausdehnt. Die Folge ist oft soziale Isolation. 5
6 PSYCHISCHE GESUNDHEIT Angststörungen haben viele Gründe Angst kann, anders als bei Panikstörungen oder Phobien, auch schleichend entstehen und über viele Monate als dauernde Unruhe, Sorge oder Anspannung vorhanden sein. Betroffene entwickeln viele Befürchtungen zu allen möglichen Lebensbereichen, obwohl kein Anlass dazu besteht. Die Angst bezieht sich nicht auf einzelne Situationen, sondern füllt den gesamten Alltag andauernd aus. Deshalb spricht man von generalisierter (=allgemeiner) Angststörung. Im Zusammenhang damit treten körperliche Probleme wie Schlafstörungen, Schwindel, Magenbeschwerden oder Hitzewallungen auf. Betroffene berichten oft von der Unfähigkeit, sich zu entspannen, wirken reizbar und körperlich unruhig. In manchen Fällen liegen der Angststörung körperliche Erkrankungen, wie zum Beispiel eine Schilddrüsenüberfunktion, zugrunde. Manchmal besteht eine teilweise vererbte Neigung, ängstlich zu reagieren. Häufig sind schlechte Erfahrungen in der Kindheit der Nährboden für spätere übermäßige Ängste. Angststörungen können auch durch den Umstand ausgelöst werden, dass man bestimmte Verhaltensweisen nie richtig gelernt hat, zum Beispiel sich durchzusetzen, Nein zu sagen oder vor anderen Menschen zu sprechen. Am häufigsten führen plötzliche oder lang andauernde seelische Belastungen zum Ausbruch einer Angststörung. Meistens wirken mehrere der geschilderten Umstände zusammen. Entscheidend dafür, ob Angst zur Krankheit wird, ist die Art und Weise, wie man mit der Angstproblematik umgeht. Angst wird immer dann zum Problem, wenn daraus ein Teufelskreis aus Erwartungsangst, Katastrophendenken, ängstlichen Gefühlen und körperlichen Angstsymptomen entsteht. 6
7 Angststörung: Was ist das? Angststörungen kann man gezielt und erfolgreich behandeln Manche Betroffene überwinden Phobien alleine, indem sie sich der Angst auslösenden Situation immer wieder bewusst aussetzen und ihre Ängste wegtrainieren. Auch Entpannungstechniken, Ausdauersport und körperliche Anstrengung sind hilfreich. Sie zeigen Betroffenen, dass eigenartige körperliche Empfindungen nur auf Anspannung zurückzuführen sind und kontrolliert werden können. Der Arzt für Allgemeinmedizin kann körperliche Ursachen ausschließen, die Störung mit Medikamenten behandeln und hilfreiche Beratung durchführen. Psychotherapeuten (Psychologen oder Psychiater) behandeln Angststörungen am gezieltesten. Mit Hilfe der Psychotherapie erwirbt der Betroffene Strategien, seine Ängste anders zu sehen und angemessener mit ihnen umzugehen. Psychotherapien sind bei mehr als 70 Prozent aller Angststörungen erfolgreich. Der Psychiater soll kontaktiert werden, wenn andere Behandlungsversuche erfolglos waren oder wenn Folgekrankheiten auftreten. Antidepressive Medikamente helfen bei regelmäßiger Einnahme nach zwei bis sechs Wochen gut gegen Ängste. Die Behandlung dauert in der Regel mehrere Monate, in manchen Fällen auch Jahre. Beruhigungsmittel werden vor allem als Soforthilfe verwendet: sie setzen die Erwartungsangst herab und entspannen. Aber sie können auch süchtig machen (zirka 5 Prozent der Benutzer) oder Gewöhnung erzeugen. Ihre Verschreibung ist deshalb nur bei hohem Leidensdruck gerechtfertigt. Häufig werden Psychotherapie und Medikamente kombiniert. Dadurch ist sowohl sofortige Hilfe wie dauerhafte Veränderung möglich. Selbsthilfegruppen leisten wertvolle Aufklärungsarbeit und bekämpfen die Gefühle der Isolation. Ängste sind unangenehm, aber nicht gefährlich. Sie können besser überwunden werden, wenn man sich ihnen stellt. Anlaufstellen finden Sie in der Mitte der Broschüre. 7
8 Anlaufstellen: In Notfällen, nachts und am Wochenende: - der diensthabende Arzt für Allgemeinmedizin (Hausarzt) oder - die Erste Hilfe-Stationen der Krankenhäuser Bozen, Meran, Brixen und Bruneck. Von dort aus wird der diensthabende Psychiater beigezogen. Untertags unter der Woche: Der Arzt für Allgemeinmedizin (der Hausarzt) Zentrum psychischer Gesundheit: Bozen Neubruchweg 3, Tel Mo-Fr Meran Schafferstr. 59, Tel Mo-Fr Brixen Romstr. 7, Tel Mo-Do / Fr Bruneck Spitalstr. 4 Tel oder Mo-Fr Psychologischer Dienst: Bozen Mendelstr. 49/B, Tel / Mo-Fr Meran Marlingerstr. 29, Tel / Mo-Do Fr Brixen - Milland Vintlerstr. 34, Tel / Mo-Do Fr Bruneck Andreas Hoferstr. 25, Tel / Mo-Fr Familienberatungsstellen in den Städten Bozen, Meran, Brixen und Bruneck Psychosomatische Abteilung (Innsbruck) oder psychosomatische Kliniken (Deutschland): Die Zuweisung erfolgt über die Psychiater der Zentren psychischer Gesundheit. Selbsthilfegruppen: - Selbsthilfeorganisation "Lichtung", Bruneck, Dantestrasse 4, Tel , mit D&A(Depression und Angst)-Gruppen im ganzen Land - Grain, Bruneck, Stadtgasse 46/2, Tel Ingeborg Forcher, Naturns und Schlanders, Tel Sozialsprengel Obervinschgau, Mals, Marktgasse 4, Tel Verein Auto Mutuo Aiuto, Bozen, Tel , Uhr Mo-Fr Impressum: 8 Herausgeber: Autonome Provinz Bozen Südtirol, Assessorat für Gesundheitsund Sozialwesen - Amt für Gesundheitssprengel - RAI Sender Bozen Inhalt und Gestaltung: Roger Pycha, Luisa Mairhofer, Erwin Kirchler und Rodolfo Tomasi Grafik: Diemme Bozen Fotos: Max Pattis Übersetzung aus dem Deutschen: Maria Antonella Telmon Druck: La Commerciale Borgogno 2001
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