Steuerfalle EU-Erbrechtsverordnung?
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- Magdalena Haupt
- vor 8 Jahren
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1 Langfassung Steuerfalle EU-Erbrechtsverordnung? Die Steuerfalle EU-Erbrechtsverordnung? stand im Mittelpunkt des Notarion XP, das am 29. Juni in der Notariatskammer stattfand. Univ.-Doz. DDr. Ludwig Bittner, Präsident der Österreichischen Notariatskammer, erklärte bei der Begrüßung, das Expertenforum zur EU-Erbrechtsverordnung greife ein brandaktuelles Thema auf. Planung vorweg sei bei grenzüberschreitenden Erbfällen wichtig. Man müsse wissen, welche Probleme durch das Hineinrutschen in fremdes Steuerrecht entstehen könnten. Vereinfachungen durch Erbrechtsverordnung Der Steuerberater und KPMG-Partner Univ.-Doz. Mag. Dr. Friedrich Fraberger erörterte in einem gemeinsamen Vortrag mit KPMG-Senior Partner MMag. Michael Petritz die Frage, ob die am 17. August in Kraft tretende EU-Erbrechtsverordnung Vereinfachungen bringe. Dies sei anteilig schon, anteilig nicht der Fall, so Fraberger. Er verwies auf capital gains tax-regelungen in anderen Ländern, die eine Einkommenssteuer auf den Todesfall darstellten. Zur Verdeutlichung der Herausforderungen und der Auswirkungen der Erbrechtsverordnung präsentierte Petritz einen Fall, der am Ende des Vortrags aufgelöst wurde: Ein deutscher Staatsbürger, Herr Müller, der auch den Großteil seines Lebens in Deutschland verbracht hat, zieht nach dem Antritt seines Ruhestandes im Jahr 2007 mit seiner Ehefrau nach Kärnten, wo er eine Liegenschaft kauft und eine Jagd pachtet. Die Familienwohnung in München wurde beibehalten. Weiters verfügt er über ein Bankdepot bei einer Münchner Bank mit großteils deutschen, englischen und französischen Aktien, die er aber nach wie vor über seine Münchner Adresse laufen lässt, sowie ein Ferienhaus in Spanien. Er verstirbt im Jahr Er hinterlässt seine Ehefrau, sowie seine beiden Töchter, wobei eine der Töchter in Deutschland und die andere in den Niederlanden lebt. Herr Müller hat Zeit seines Lebens kein Testament errichtet.
2 Während Österreich und einige andere europäische Länder keine Erbschafts- oder Schenkungssteuern haben, gilt dies für die meisten anderen Länder in Europa nicht. In Portugal existiert eine Stempelsteuer. 18 Länder erheben eine Erbschaftssteuer, 16 eine Schenkungssteuer. Seit 2000 haben fünf EU-Mitgliedsstaaten Erb- und Schenkungssteuern abgeschafft. Italien hat als einziger Staat die Erbschafts- und Schenkungssteuer wieder eingeführt, berichtete Petritz. Das Aufkommen aus Erbschafts- und Schenkungssteuern macht jedoch nicht viel aus: Es liegt bei 0,4 Prozent des gesamten Steueraufkommen in der EU. In Österreich wurden vor der Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer im Jahr 2008 im Durchschnitt 140 Mio Euro lukriert. Bei der geplanten Wiedereinführung hätten deren politische Anhänger Einnahmen von 500 Mio Euro sowie 1,5 Mrd. Euro aus Vermögenssteuern in Aussicht gestellt. Immer mehr grenzüberschreitende Erbfälle Für den konkreten Fall könne eine Erbschafts- und Schenkungssteuer wesentliche Bedeutung haben, so Petritz. Die Steuersätze liegen in Frankreich bei 60 Prozent, in Spanien bei 81,6 Prozent und in Belgien bei 80 Prozent. Im schlecht gelagerten Sachverhalt seien vier Fünftel der Erbschaft weg, bilanzierte er. Gäbe es in mehreren Ländern Anknüpfungspunkte für die Steuer, drohten eine Multiplikation und Belastungen von mehr als 100 Prozent. Fraberger unterstrich, dass in Belgien 80 Prozent auf den Verkehrswert erhoben würden und Schulden zudem nicht abzugsfähig seien. Hier handle es sich um eine materielle Enteignung, erklärte er mit Blick auf die 50 Prozent-Grenze, die das deutsche Bundesverfassungsgericht für die Besteuerung gesetzt hat. Unilaterale Erleichterungen seien meist Ermessensentscheidungen. Petritz verwies darauf, dass 2010 bereits 12,3 Mio Einwohner zeitweise in einem anderen EU-Staat gelebt haben. Der grenzüberschreitende Immobilienbesitz ist zwischen 2002 und 2010 um 50 Prozent gestiegen. Es gebe einen klaren Trend zu grenzüberschreitenden Investmentbeziehungen. Die EU-Kommission schätzte grenzüberschreitende Erbfälle auf bis pro Jahr. Mit der Erbrechtsverordnung habe man es ansatzweise geschafft, die Erbrechte zu
3 regeln. Nicht geschafft habe man bisher ein Erbschaftssteuerrecht. Derzeit seien die Erbschaftssteuern noch Sache der Mitgliedsstaaten. Bislang habe es im Bereich der direkten Steuern wenige Harmonisierungsmaßnahmen gegeben. Die EU- Kommission habe aber die Binnenmarkt-Hindernisse aufgrund der zahlreichen Steuerbürden im Bereich der Erbschaftssteuern erkannt. Besondere Bedeutung als Motor der Harmonisierung habe der EuGH, der aber lange nicht mit Erbschaftssteuern befasst war, so Petritz. Er präsentiert in diesem Zusammenhang einen Überblick über die diesbezügliche Rechtsprechung des EuGH seit Fraberger erklärte, im Gegensatz zu einer Erbschaftssteuerharmonisierung hätten multilaterale Doppelbesteuerungsabkommen höhere Chancen auf Erfolg. Im Bereich der Einkommenssteuer seien sie gang und gebe. Große Unterschiede bei Steuersätzen und Befreiungen Bei einem internationalen Fall lohne es sich jedenfalls, auf das Gemeinschaftsrecht zurückzugreifen, riet Petritz den Notaren. Internationale Erbfälle seien deshalb so fordernd, weil es Unterschiede in der persönlichen Anknüpfung gebe Erblasser, Erbe oder beide -, weil beschränkte oder unbeschränkte Steuerpflicht gelten könne wobei letztere an Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt anknüpft -, oder weil einige Staaten, wie die USA, an der Staatsbürgerschaft anknüpften. In diesem Fall unterliege man der amerikanischen estate tax. Die meisten Staaten würden jedenfalls auf den Erblasser abstellen, so Petritz. Fraberger verwies auf die Situation eines grenzüberschreitenden Erbfalls zwischen Österreich und Spanien: Österreich knüpfe an den Erblasser, Spanien an den Erben an. Das könne zu einer Doppelbesteuerung oder zu keiner Besteuerung führen. Daher sei die Planung vorab wichtig. Trete der Erbfall plötzlich ein, könne es sonst zu einer Katastrophe kommen. Auch bei den Steuersätzen gibt es große Unterschiede, machte Petritz anhand einer Übersicht über Steuersätze und Befreiungen in Europa deutlich. Zahlreiche Staaten befreiten direkte Angehörige wie Ehegatten und Kinder, in Deutschland liege der Freibetrag bei Euro. Bemessungsgrundlage sei meist der Verkehrswert.
4 Deutschland kämpfe mit einer Verschonungsregelung beim Erben von Unternehmen, die europäischer und deutscher Rechtsprechung entspricht. Fraberger argumentierte, diese Komplexität sei wohl auch mit ein Grund dafür gewesen, dass es in Österreich kein neues Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz gebe. Abhängig vom Zufall? Angesichts der Tatsache, dass die Doppel- oder Mehrfachbesteuerung der Regelfall sei, stelle sich die Frage, wie man sie eliminieren könne. In den meisten Staaten gebe es die Möglichkeit, sich von internationaler Doppelbesteuerung entlasten bzw. diese anrechnen zu können. Das Finanzministerium sei diesbezüglich recht großzügig, aber es handle sich um eine reine Ermessensnorm. Fraglich sei auch, was passiere, wenn eine ausländische Steuer mit dem heimischen System nicht harmoniere, wie die kanadische capital gains tax. Fraberger verwies diesbezüglich auf unterschiedliche Bewertungen dieser Steuer durch das Bundesfinanzgericht Linz, das diese Steuer als vergleichbar mit einer Erbschaftssteuer sieht, und den deutschen Bundesfinanzhof, der sie als Einkommenssteuer qualifiziert hat. Man sei mit einem völligen Zufallsspiel konfrontiert, das so oder so ausgehen kann, sagte Fraberger. Die EU-Erbrechtsverordnung stelle auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers ab. In Österreich gebe es keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage der maßgeblichen Erbrechtsordnung. Bei rein innergemeinschaftlichen Erbfällen werde man durch die Erbrechtsverordnung einen Harmoniezustand erleben, hier werde es möglicherweise einfacher werden, so Fraberger. Wo es kein Doppelbesteuerungsabkommen gebe, müsse man sich im Steuerrecht zu Fuß weiterbewegen. Bei der Involvierung von Drittstaaten habe sich an der Rechtslage nichts geändert. Hier seien weiter Schonwirkung oder Sperrwirkung zu prüfen. Auch Forum Shopping sei ein Thema. Petritz präsentierte schließlich die Lösung des eingangs geschilderten Falls: Nach
5 der EU-Erbrechtsverordnung ist die Verlassenschaft durch österreichisches Gericht und nach österreichischem Recht abzuwickeln, wenn der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte. In Österreich fallen daher weder Erbschaftsteuer noch Meldepflichten gegenüber dem Fiskus an. Mit Blick auf die unversteuerten Kapitaleinkünfte aus dem deutschen Depot gehen die Steuerschulden des Erblassers auf den Gesamtrechtsnachfolger im Ausmaß wie vom ABGB vorgegeben über. Wenn die Erben erkennen, dass der Erblasser die Steuererklärung unrichtig oder unvollständig oder gar nicht abgegeben hat, sind sie innerhalb von drei Monaten zur Richtigstellung verpflichtet - ansonsten haften sie für die Steuerschulden wie für eigene Steuerschulden. Zu entrichten ist die Grunderwerbsteuer auf die österreichischen Immobilien auf Basis des Grundstückswertes - fakultativ über fünf Jahre. In Deutschland könnte die Immobilie einen Wohnsitz darstellen und innerhalb des zehnjährigen nachgelagerten Fensters eine unbeschränkte Erbschaftssteuerpflicht nach sich ziehen. Alternativ wäre der Erbfall an die in Deutschland ansässige Tochter jedenfalls unbeschränkt steuerpflichtig. Während die Freibeträge in Deutschland für Angehörige großzügig sind (Ehegatten/Lebenspartner: Euro, Kinder: Euro), gilt für die in den Niederlanden lebende Tochter nur ein Freibetrag von Euro. Es gibt allerdings eine Optionsmöglichkeit für höhere Freibeträge im EU/EWR-Raum. Mit Blick auf die Niederlande gilt für die niederländische Tochter unbeschränkte Steuerpflicht und ein Freibetrag von Euro. In Spanien gilt für das Ferienhaus beschränkte Steuerpflicht. In Frankreich und Großbritannien fällt für die Aktien beschränkte Steuerpflicht an. Von der Steuerhölle in den Steuerhimmel Zwar verfügt Österreich über keine Erbschaftssteuer, aber über sieben Doppelbesteuerungsabkommen, so Petritz. Das wesentlichste sei jenes mit Frankreich. Aufgrund der Ansässigkeit des Erblassers in Österreich befreit Frankreich. Kein Doppelbesteuerungsabkommen gebe es mit Großbritannien und Spanien, weshalb für ein Ferienhaus unbeschränkte Steuerpflicht bestehe. Es sei
6 wichtig, sich die Gesamtsituation genau vor Augen zu führen. Fraberger resümierte, wenn es im Steuerrecht so etwas wie die Erbrechtsverordnung gebe, bewirke dies eine mehrfache Nicht-Besteuerung des gesamten Nachlassvermögens. Der Weg von der Steuerhölle zum Steuerhimmel sei ein kleiner - aber langer, wenn man sehe, wie lange die Harmonisierung dauere. Bei der von Notar Mag. Alexander Winkler moderierten Diskussion unterstrich Fraberger die Notwendigkeit, entsprechende Sachverhalte bereits zu Lebzeiten durchzudenken. Wenn der Tod eingetreten sei, fasse das Steuerrecht zu. Er plädierte für Risikoanalysen und notfalls für die Aufgabe von Wohnsitzen im Ausland. Zur Frage, ob der vom Bundesverfassungsgericht proklamierte höchste, zulässige Steuersatz von 50 Prozent auch für eine allfällige Erbschaftssteuer in Österreich gelten müsse, erklärte Fraberger, dies sei eine rechtspolitische Frage. Er gehe aber davon aus. Verfassungsrechtliche Diskussionen erspare man sich jedoch, wenn man das italienische Modell wähle: Es basiert auf den Verkehrswerten als Bemessungsgrundlage und hat niedrige Steuersätze zwischen zwei und acht Prozent. Verlassenschaftsverfahren dürften durch die EU-Erbrechtsverordnung kürzer werden. Zur Frage, ob die österreichische Finanzverwaltung aktiver an Doppelbesteuerungsabkommen herangehen werde, sagt Fraberger: Die Hoffnung stirbt zuletzt. Im Bereich der Einkommenssteuer seien solche Abkommen bereits Mode geworden.
1. Wenn kein Testament errichtet wird, können die Folgen fatal sein. Dann gilt die gesetzliche Erbfolge, die in jedem Land anders geregelt ist.
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