Werbung für Lebensmittel in Österreich
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- Jacob Heidrich
- vor 8 Jahren
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1 Werbung für Lebensmittel in Österreich Wissenschaftliche Evidenz des Regionalitätsbezugs Maria Glück und Victoria Dengg 1 Einleitung Die Werbung für Lebensmittel in Österreich setzt häufig auf das Attribut Regionalität. Dadurch steigt die Nachfrage für jene Lebensmittel, die in der Werbung als regional produziert und als nachhaltig angepriesen werden, jedoch nicht zwingend nur umweltschonende Seiten aufzeigen. Die Werbung vermittelt in der Regel nicht alle Facetten eines Produkts, und so gibt es auch Argumente, die gegen die Regionalisierung von Ernährungssystemen sprechen. Beispielsweise beziehen Pierre Desrochers und Hiroko Shimizu in ihrem aktuellen Buch eine relativ eindeutige ablehnende Position gegenüber regionalen Ernährungssystemen [1]. MacMillan fasst diese Perspektive in seinem Buch- Review zusammen: Local protectionism is a misguided way to achieve food security [2; S. 30]. Im Artikel Sustainable local food production and consumption [3], der als Basisliteratur verwendet wird, wird dieses Thema dem Leser ausführlich nähergebracht. Wir möchten in diesem Bericht erläutern, welche Stellung die Wissenschaft zu ausgewählten Argumenten der Werbung zur Regionalität von Lebensmitteln bezieht. Zu Beginn ist es noch von großer Wichtigkeit zu erwähnen, dass es verschiedene Definitionen von Regionalität gibt. In der wissenschaftlichen Literatur finden sich im Wesentlichen zwei Positionen. In einer spricht man von Regionalität, wenn ein Lebensmittel ein typisches Merkmal für eine bestimmte Kultur oder Gegend darstellt, welche man sofort damit assoziiert. Wo es konsumiert wird, ist dabei gleichgültig (z. B. italienisches Olivenöl). Mit der anderen Position ist gemeint, dass die Herkunfts-, Produktions-, Verarbeitungs-, Verpackungs- und Konsumregion eines Produkts dieselbe ist. Diese Position ist die Grundlage für die Analyse. Die Werbung stellt diese unterschiedlichen, meist als positiv bewerteten Definitionen oft auf dieselbe Ebene. Im Anschluss werden die Datengrundlage und die methodische Vorgehensweise beschrieben. In der Analyse werden häufige Argumente der Lebensmittelwerbung mit Ergebnissen der wissenschaftlichen Literatur verglichen. Zum Abschluss werden aus den Ergebnissen Verbesserungsvorschläge und Handlungsempfehlungen für eine bessere Kennzeichnung der Produkte gegeben. 1 Die Autorinnen absolvierten im August 2012 ein Praktikum im Rahmen der Initiative Rio+20 des BMWF. Fachliche Begleitung: Martin Schönhart, Erwin Schmid, Johannes Schmidt, Institut für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung, Universität für Bodenkultur Wien. 1
2 Daten & Methoden Der erste Schritt besteht darin, Werbeaussagen zu sammeln; die Datenquelle dafür bilden die Internetseiten, TV-Werbespots und Flugblätter von bekannten Handelsketten, zum Beispiel Billa, Hofer, Merkur, Spar. In einem weiteren Schritt werden häufige Statements herausgegriffen. Anschließend werden die Argumente der Werbung anhand der wissenschaftlichen Literatur, die jene bestätigt oder widerlegt, überprüft. Zum Schluss werden die Ergebnisse der Diskussion dargelegt und Vorschläge gemacht, wie man die Werbung von Konzernen, die oft keine Wissenschaftler/innen konsultieren, verbessern könnte. Analyse In Tabelle 1 werden Argumente zur Bewerbung regionaler Lebensmittel zusammengefasst. Die Hauptaussagen sind ähnlich: die Förderung des jeweiligen Orts, sowohl wirtschaftlich als auch im Sinne einer Bewahrung von Traditionen, indem einzelne Pflanzensorten und Techniken, welche aus einer bestimmten Region kommen, weiter gepflegt werden; kürzere Transportwege und damit geringerer CO 2 -Ausstoß; frischere Produkte; Nachvollziehbarkeit der Herkunft mit u. a. dem AMA-Gütesiegel und eine angeblich bessere Kontrolle, die zu einer indirekten Beziehung zum Hersteller führe und für mehr Qualität und Reinheit bürge. Zwei Argumente, Klimaschutz und Frische, werden in dieser Analyse anhand der wissenschaftlichen Literatur diskutiert. Tabelle 1: Aussagen der Werbung zur Regionalität Bewerber Produkt Argument Aussage Billa Heumilch von österreichischen Bauern, Nachvollziehbarkeit, aus dem Salzburger Tennengau, Förderung der (Klein-)Bauern, Tradition kleine Höfe mit großer Tradition Quelle: Hofer Brot und heimische Produktion, gesünder, schmackhafter, Bei Hofer kommen Brot und Milch nachvollziehbare Herkunft, frisch (weil schnelle Milchprodukte aus heimischer Anlieferung) Produktion. Quelle: McDonald s Rindfleisch 100 % österreichisch, qualitativ hochwertig, Reinheit, AMA-Gütesiegel, ohne Geschmacksverstärker, ohne Konservierungsstoffe, alle Produktionsschritte in Österreich Quelle: Für unsere Burger verwenden wir ausschließlich Rindfleisch aus Österreich. Merkur allgemein Österreichische Produkte sind frisch (werden direkt Bei Merkur wird täglich 2 3-mal angeliefert). frisches Gemüse angeliefert. Quelle: Spar Milchprodukte Bauern aus u. a. Tirol, artgerechte Haltung, gesunde u. Die Natur war schon immer pur (NaturPur) glückliche Kühe, natürlich, bio und unberührt, und bei Spar ist sie genau so geblieben. Quelle: Unimarkt Milchprodukte große Auswahl, Förderung von Produzenten u. Meisterbetriebe aus ihrer Region Lieferanten in Regionen, besserer CO 2 -Index (weil kürzere Transportwege), guter Geschmack, hohe Qualität Quelle: ; UNIMARKT, UNI FAMILY, 04/2008;
3 Regionale Lebensmittel werden häufig mit ihrer positiven Klimawirkung beworben. Ein Argument ist, dass die Transportwege kürzer seien, wenn die Produkte aus der Konsumregion stammen (siehe Tabelle 1). So wird vereinfachend angenommen, dass 10 % mehr regionale Lebensmittel den CO 2 -Ausstoß in Österreich um Tonnen pro Jahr verringern würden [4]. Kürzere Transportwege die überdies nicht unbedingt Produkte aus dem Inland betreffen, da beispielsweise für Wiener Konsumenten und Konsumentinnen ein Produkt aus Vorarlberg einen längeren Weg zurücklegt als eines aus Westungarn können zwar umweltschonender sein, doch kommt es dabei auch auf andere Faktoren an, z. B. die Lagerung, die ein Produkt benötigt. Auch muss, neben der Strecke, das Transportmittel in Betracht gezogen werden. Bei Lkws hängt der Energieverbrauch von der Ladekapazität pro Kilogramm der transportierten Ware ab [5]. Auch wurde errechnet, dass die Luftfracht für Lebensmitteltransporte aufgrund der Emissionen einen großen Einfluss auf das Klima hat [6]. Die Argumente Qualität, Frische, Gesundheitsförderung und Genuss werden in der Lebensmittelwerbung als Attribute mehrfach verwendet (siehe Tabelle 1). Dormandt und Leonhäuser befragten 1998/99 Konsumenten und Konsumentinnen zu ihren Erwartungen an eine regionale Ernährung. Für knapp 80 % war Frische das am häufigsten genannte Qualitätsmerkmal [7]. Eine Untersuchung im Jahr 2000 in Großbritannien auf einem Bauernmarkt zeigt, dass Konsumenten und Konsumentinnen häufig die Attribute Regionalität und Qualität gleichsetzen [8]. Dies deutet darauf hin, dass die eigene Gesundheit und der Genuss für viele Konsumenten und Konsumentinnen beim Kauf regionaler Lebensmittel eine wichtige Rolle spielen. Die häufig kürzeren Transportwege regionaler Produkte haben den Vorteil, dass pflanzliche und tierische Produkte sowie lebende Tiere nicht zu langen Reisen ausgesetzt sind. Bei direkter Anlieferung und kurzen Transportwegen kann die Frische tatsächlich länger erhalten bleiben. Bei Genuss von Produkten außerhalb der Erntesaison bedarf es aber wieder einer Lagerung, die zu einem zentralen Kriterium wird: Freshness depends more on duration and storage between harvest and food intake [3; 179]. Hier schließt sich wiederum der Kreis zur Umweltwirkung, denn der Energieaufwand der Lagerung wirkt den Vorteilen kurzer Transportwege entgegen. Fazit In diesem Bericht versuchen wir, die Komplexität nachhaltiger Ernährung darzustellen. Hierzu bedarf es noch intensiverer Forschung, denn am Endenergieverbrauch kann der alleinige Vor- oder Nachteil von regionalen Lebensmitteln nicht festgestellt werden [9]. Weitere Kriterien sollten für eine Bewertung herangezogen werden. 3
4 Als regional angepriesene und dadurch allgemein besser dargestellte Produkte sind nicht zwingend die klimafreundlichere, frischere Variante. Ein regionales Produkt kann qualitativ hochwertig und seine Entstehung für die Verbraucher transparent sein. Dies kann aber genauso für ein nichtregionales Produkt zutreffen [10]. Denn die lokale Herkunft von Lebensmitteln garantiert nicht, dass die Ware qualitativ hochwertiger oder frischer ist, wie häufig in der Werbung behauptet wird. Es ist nötig, dass die Werbeproduzenten nicht nur an den Gewinn der Lebensmittelkonzerne denken, sondern auch an das Wohl der Kunden. Deshalb wäre es auch im Sinne der ethischen Vertretbarkeit von Vorteil, Wissenschaftler/innen und empirische Fakten zu Rate zu ziehen und in der konkreten Reklame die tatsächlichen Eigenschaften eines Produkts anzugeben. Zudem genügt die regionale Auswahl vielen Konsumenten und Konsumentinnen nicht. Sie wollen zu jeder Zeit jedes Lebensmittel verfügbar haben, wodurch Regionalität aus Sicht dieser Konsumenten/Konsumentinnen zu einer Einschränkung der Lebensqualität führen kann. Vor allem können oft nicht alle essenziellen Produkte besonders Obst- und Gemüsesorten in jeder Gegend angebaut bzw. gezüchtet werden: while the local option may be the better choice for some foods difficult-to-ship products [...], for example it cannot be said that local food is always better, or delivers healthier products [8]. So ist es unbedingt nötig, dass im Alltag, sei es in der Schule, am Arbeitsplatz oder im Lebensmittelgeschäft, eine bessere Aufklärung über Lebensmittelqualität stattfindet, damit sich gegenwärtige wie künftige Generationen bewusster im Sinne der Nachhaltigkeit ernähren. Literaturverzeichnis [1] Desrochers, P., Shimizu, H. (2012): The Locavore s Dilemma. Public Affairs: New York. [2] MacMillan, T. (2012): Eating globally, Nature Vol. 486, [3] Schönhart, M., Penker, M., Schmid, E. (2009): Sustainable local food production and consumption. Outlook on Agriculture, Vol. 38, [4] AMA (2007): CO 2 -Rucksack von Lebensmitteln ist Problembereich. Presseaussendung , ( ). [5] Van Hauwermeiren, A., Coene, H., Engelen, G., Mathijs, E. (2007): Energy Lifecycle Inputs in Food Systems: A Comparison of Local versus Mainstream Cases, Journal of Environmental Policy & Planning Vol. 9, [6] Havers, K. (2008): Die Rolle der Luftfracht bei Lebensmitteltransporten, Öko-Institut e.v. Berlin. [7] Dormandt, S., Leonhäuser, I. (2001): Aus der Region für die Region: Förderung eines nachhaltigen Lebensmittelkonsums in privaten Haushalten. In: Schrader, U., Hansen, U. (Hrsg.): Nachhaltiger Konsum. Forschung und Praxis im Dialog. Campus Forschung Band 831, Schwerpunktreihe Marketing und Verbraucher Band 10. Frankfurt, New York: Campus Verlag, [8] Born, B., Purcell, M. (2006): Avoiding the Local Trap, Journal of Education and Research Vol. 26, [9] Demmeler, M., Heißenhuber, A., Jungbluth, N., Burdick, B., Gensch, C. (2005): Ökologische Bilanzen von Lebensmitteln aus der Region, Natur und Landschaft Vol. 80, [10] Ermann, U. (2001): Regional Essen? Wert und Authentizität der Regionalität von Nahrungsmitteln. Gedrich, K., Oltersdorf, U. (Hrsg.): In: Ernährung und Raum: Regionale und ethnische Ernährungsweisen in Deutschland. 4
5 23. Wissenschaftliche Jahrestagung der Arbeitsgemeinschaft Ernährungsverhalten e.v. (AGEV), Oktober 2001, Freising/Weihenstephan, Bundesforschungsanstalt für Ernährung: Karlsruhe,
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