Wirtschaft Beruf WISSENSTRANSFER. Zeitschrift für berufliche Bildung. INTERVIEW Der Gesellschaft etwas zurückgeben

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1 66. Jahrgang ISSN W&B Wirtschaft Beruf Zeitschrift für berufliche Bildung WISSENSTRANSFER INTERVIEW Der Gesellschaft etwas zurückgeben TRANSFERTECHNIK Unerträgliche Leichtigkeit oder die Qual der Wahl LERNEN 2.0 Viel mehr als Blended Learning

2 Was nutzt interkulturelles Training? Wenn die Teilnehmer zufrieden waren, beweist das noch nicht, dass das Training auch einen positiven Effekt im Sinne eines Return on Investment hatte. Es geht darum, die Ergebnisse des interkulturellen Training zu messen: eine bessere Verständigung oder verändertes Verhalten. Steffen Henkel und Johannes Klemeyer Stellen Sie sich vor, Sie lassen ein Haus bauen. Eines Tages kommt der Architekt zu Ihnen, sagt, das Haus sei nun fertig, und übergibt Ihnen den Schlüssel. Sie betreten das Haus und finden das, was Sie sehen, durchaus schön. Erstaunlicherweise stört es Sie nicht, dass das Haus gar kein Dach hat, und deshalb bezahlen Sie anstandslos den vereinbarten Preis. So beziehungsweise so ähnlich stellt sich häufig die Situation bei der interkulturellen Personalentwicklung und wahrscheinlich auch bei anderen Softskill-Themen dar. Wenn es nämlich darum geht, eine interkulturelle Weiterbildung in Anspruch zu nehmen, wird üblicherweise wenn knappe Ressourcen wie Geld und Zeit aufgebracht werden sollen überprüft, was das Defizit einer Situation ist und mit welchen Maßnahmen auf diese Situation reagiert werden kann. Es geht schließlich darum, die Situation zu verbessern und das Defizit abzustellen. Dabei muss alles einem Kriterium entsprechen: Der Gewinn aus der Verbesserung der Situation muss den Kosteneinsatz dafür übersteigen, denn sonst lohnt sich die Investition nicht. Es muss also einen Return on Investment geben. Um diesen Return on Investment feststellen zu können, ist es notwendig, sich vorher gründlich Gedanken über die Ziele der Maßnahme zu machen und anschließend zu evaluieren, ob das Ziel auch erreicht worden ist. Erstaunlicherweise geschieht eben dies bei interkulturellen Trainings meist nicht. Stattdessen passiert vielmehr Folgendes: Es werden Trainingsmaßnahmen beschlossen. Es wird sorgfältig darauf geachtet, welche Ressourcen in das Training gesteckt werden. Dazu muss der Trainer seine Qualifikation nachweisen, erklären, mit welchen Methoden er arbeitet, Auskunft geben, wie er Nachhaltigkeit und Transfer in den Arbeitsalltag sicherstellt und dergleichen mehr. Kurz gesagt: Es wird alles dafür getan, um die Kontrolle darüber zu haben, was alles in das Training hineingesteckt wird. Wer zu situativ plant und handelt, verengt und verkürzt die Wirkung Wirtschaft und Beruf 47

3 Dann wird das Training oder Seminar schließlich durchgeführt, und anschließend erfolgt eine Befragung der Teilnehmer mittels nicht umsonst so genannter Happy Sheets, wie das Training zu bewerten ist. Es ist bekannt, dass diese Feedbackbögen weniger den Erfolg des Trainings ergründen als vielmehr abfragen, wie die Teilnehmer den Tag oder die zwei Tage gefunden haben. Hierbei ist es ein offenes Geheimnis, dass ein gutes Mittagessen und ein Abschluss des Trainings ca. 15 Minuten vor dem ursprünglich avisierten Zeitpunkt eine gute Seminarbewertung zumindest unterstützen das Happy Sheet lässt grüßen. Happy Sheets lassen grüßen Und nun sind auch schon alle Aufgaben erfüllt: Die beauftragende Personalabteilung hat zufriedene Kollegen und wird im Bedarfsfall den jeweiligen Trainer wieder einsetzen. Die Feedbackbögen verschwinden in einem Ordner, und ihre Ergebnisse fließen bestenfalls in eine Statistik ein, mit welcher der Erfolg der Personalentwicklung in einem Unternehmen bewiesen werden soll. Das Haus jedoch ist ohne Dach. Denn etwas Entscheidendes fehlt: Es wird nicht überprüft, ob die Situation tatsächlich besser geworden ist. Sind die intendierten Änderungen eingetroffen? Können nun beispielsweise ein Mitarbeiter und seine Familie in China besser zurechtkommen, als dies ohne Training der Fall gewesen wäre? Sinkt durch die Einführung interkultureller Entsendungstrainings die Abbruchquote bei den Expats? Verlaufen Verhandlungen mit Geschäftspartnern in Indien oder Frankreich jetzt tatsächlich oder zumindest subjektiv empfunden besser als ohne Trainingsmaßnahme? Oder um es auf den Punkt zu bringen: Gibt es einen Return on Investment? Es erstaunt immer wieder, wie wenig zumindest im Bereich interkultureller Trainings Weiterbildungsmaßnahmen hinterfragt werden. Nun könnte man als Anbieter natürlich sagen: Ist doch kein Problem, solange die Trainings weiter gekauft werden. Aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht mag das stimmen. Wenn man mit seiner (Dienst-)Leistung jedoch tatsächlich etwas verändern bzw. verbessern möchte, wenn man wirklich helfen möchte, dann bleibt diese Situation unbefriedigend. Sie verhindert nämlich, dass man weiter daran arbeitet, immer bessere Methoden zur Unterstützung von Menschen, die international arbeiten, zu entwickeln und auszuprobieren. Und sie führt dazu, dass das interkulturelle Training die ultimative Maßnahme bleibt, um auf tatsächliche und auch eingebildete Probleme zu reagieren. Es wird ja nicht hinterfragt. Und damit wird letztlich sogar innovatives Denken in diesem Bereich verhindert. Interessant dabei ist, dass diese Situation besteht, obwohl es mittlerweile mannigfaltige Hinweise darauf gibt, dass die Wirkung reiner interkultureller Trainings weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Wir wissen inzwischen, wie wenig aus einem Training und das gilt nicht nur für interkulturelle Trainings in den Arbeitsalltag übertragen wird. Wir haben erkannt, wie viele Informationen bereits kurz nach einem Training Wir wissen, wie wenig aus einem Training in den Arbeitsalltag übertragen wird wieder vergessen werden. Und wir sind uns im Klaren darüber, dass Lernen und die damit verbundene Veränderung ein Prozess ist, der sich durch einmalige Lernevents kaum erfolgreich und nachhaltig durchführen lässt. Was ist die Konsequenz aus dieser Erkenntnis? Zum einen, dass sich an der Herangehensweise an eine interkulturelle Weiterbildungsmaßnahme und der Bewertung, was ein gutes Training ausmacht, etwas ändert. Letzteres kann geschehen, indem man überprüft, ob ein Mitarbeiter nach einem Training wirklich eine Verbesserung im Umgang mit seinem Umfeld verspürt, sich als kompetenter empfindet und besser vorbereitet fühlt. 48 Wirtschaft und Beruf

4 Bei der Herangehensweise sollte man sich zunächst anschauen, um was es genau geht, und dann entscheiden, welche Art der Weiterbildung am sinnvollsten ist. In diesem Zusammenhang muss man sich klarmachen, dass ein Training nicht immer das Mittel der Wahl ist und eine punktuelle, meist einmalige Veranstaltung darstellt. Denn ein Training ist dann sinnvoll, wenn es darum geht, Wissen zu vermitteln oder etwas zu erarbeiten. Sollen aber ein Mitarbeiter oder auch ein Team in der Praxis und damit auf regelmäßiger und dauerhafter Basis unterstützt werden, ist ein Training hierfür nicht geeignet. Das Gleiche gilt übrigens, wenn es um eine kurzfristige Vorbereitung geht, bei der einfach keine Zeit mehr besteht, um ein Training zu organisieren. In diesen Fällen müssen Maßnahmen entwickelt, angeboten und durchgeführt werden, die dem Entwicklungsprozess gerecht werden und ihn unterstützen. Das Internet bietet dazu heute einige Möglichkeiten: Leicht abrufbare, kurze Lerneinheiten setzen immer wieder Impulse, die angestrebte Veränderung zu unterstützen. Über VoIP-Anbieter stehen auf der ganzen Welt kompetente Ansprechpartner zur Verfügung, die Fragen beantworten und einen aktiven Kompetenzaufbau ermöglichen. Selbstlernkurse kommen dann in Frage, wenn es darum geht, sich neues Wissen ortsunabhängig und selbstbestimmt anzueignen. Da in Präsenztrainings ein intensiver Austausch erfolgen kann und ein Training außerdem Motivation erzeugt, kann durch eine Verknüpfung von Online- und Präsenzdienstleistungen eine Feinabstimmung der Maßnahmen erfolgen und somit echte Nachhaltigkeit aufgebaut werden. Bleibt wieder die Frage nach dem Return on Investment. Hierfür ist es zum einen notwendig, nachzuhaken, ob die jeweilige Weiterbildungsmaßnahme tatsächlich wirksam war, etwa durch die Frage Gibt es etwas, das Sie in den letzten Wochen anders gemacht haben, weil Sie sich an Inhalte aus Ihrer Personalentwicklungsmaßnahme erinnert haben? Zum anderen müssen mit steigender Vielfalt der Angebote diese untereinander hinsichtlich ihrer Effektivität verglichen werden. Kürze Lerneinheiten setzen Impulse, die Veränderungen unterstützen Das Aufbrechen herkömmlicher Seminarstrukturen und die damit einhergehende Messbarkeit des tatsächlichen Return on Investment können jedoch erst geschehen, wenn nicht mehr das Happy Sheet zum Maß aller Dinge wird, sondern die Gedanken über die Wirkung einer Maßnahme zum Erfolgskriterium werden. Wie beim Haus ohne Dach geht es eben nicht nur um die Materialien, die ich in den Bau hineinstecke, sondern auch und gerade darum, ob ich danach ein Dach über dem Kopf habe oder nicht. o Steffen Henkel Geschäftsführer der change.project gmbh, ein Anbieter interkultureller Personalentwicklungsmaßnahmen. steffen.henkel@ crossculture-academy.com Johannes Klemeyer Baute gemeinsam mit Steffen Henkel das interkulturelle Onlineportal crossculture academy auf. johannes.klemeyer@ crossculture-academy.com Wirtschaft und Beruf 49

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