Erfahrungsbericht Chillán
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- Bärbel Martina Siegel
- vor 8 Jahren
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1 Erfahrungsbericht Chillán Warum wollte ich nach Chile? Ich hatte im Jahr, bevor ich Pläne für mein PJ schmiedete, einen Chilenischen Studenten kennen gelernt, der in Deutschland sein Internado machte. Auch kam mir der Umstand zugute, dass mein bester Freund ein Jahr zuvor nach Chillán gegangen war, um 4 Monate dort im Krankenhaus zu arbeiten. Somit wusste ich ziemlich genau, was auf mich zukommen würde.so dachte ich zumindest. Vorbereitung: Da meine Entscheidung für Chile dann eher kurzfristig fiel, empfand ich das Ausfüllen der Bewerbungsformulare nicht als Druck. Die Zusage bekam ich recht spät, so begann ich erst im April mit den Reisevorbereitungen. Ich schaute nach Flügen (TAM, LAN), besuchte Reisebüros (STA-Travel oder Travel-Overland), und überlegte, was ich in der Zeit zwischen Scheinfreiheit und PJ-Beginn unternehmen könnte, um die weite Reise auch in ihren Möglichkeiten voll zu nutzen und auszukosten. Da mein Spanisch erst in Chile grundlegend verändert und verbessert werden sollte und noch Zweifel bestanden, ob es mit meinem Sprachfähigkeiten gut klappen würde, entschied ich mich für eine Woche Sprachschule in Cusco. Eine weitere Woche hatte ich dann noch zur Verfügung, um mir Machu Picchu und die anderen Inkastätten rund um diese schöne Stadt in Peru anzuschauen. Mein Flug ging über Rio de Janeiro,und auch dort könnte ich noch einige Tage verbringen, in denen ich Freunde besuchte. Wichtig waren außerdem noch die ganzen Impfungen, die man für diesen Teil der Welt braucht. Das könnte ich zwischen Zusage und Abflug noch gut unterbringen, da ich mich früh für einen Termin für die PJ-Eingangsuntersuchung anmeldete. Informieren sollte man sich außerdem über eine Versicherung, die einen im Krankheitsund Schadensfall absichert. Für meine Zwecke war die PJler-Versicherung des MLP perfekt, aber auch die Allianz hat mit ihrem Pro3 ein sehr gutes Angebot für Medizinstudenten, die ins Ausland gehen.
2 Unterkunft: Man muss erst einmal sagen, dass sich die Uni in Concepcion leider sehr wenig um ihre Austauschstudenten in Chillan kümmern kann und dass es auch kein offizielles Wohnheim gibt. Ich hatte das Glück, dass ich schon Chilenen kannte und gut Kontakt zu Studenten in Chillan herstellen konnte. Im Bosque oriente wohnen eine große Anzahl der Medizinstudenten und auch Ärzte des Herminda Martín. Ich jedoch lebte nicht in einer Mediziner-WG. Dies war kein Nachteil, denn ich fühlte mich mit meinen chilenischen Mitbewohnern sehr wohl. Am einfachsten ist es, wenn man über die Tutor- Liste diejenigen fragt, die schon dort waren und man Kontakt zu Menschen, die in Chillán leben, herstellt, bevor man losfliegt. Sprache: Für mich, die ich 5 Jahre lang Schulspanisch gelernt habe, aber noch nie zuvor länger in einem spanischsprachigen Land war, war es anfangs doch sehr schwierig, alles zu verstehen. Die Leute reden sehr schnell, verwenden viele Chilenismen und verschlucken beim flüssigen Sprechen Endungen und Konsonanten. Man gewöhnt sich aber daran und so sind am Ende auch in meinen Sprachgebrauch Wörter wie cachay oder pololo übernommen worden. Das Schwierigste an allem ist, im Krankenhaus die Schrift der Ärzte in den Krankenakten zu entziffern, in denen alles handschriftlich aufgezeichnet wird. Dies macht die Lektüre außerordentlich mühsam. Klinik: Das Krankenhaus Herminda Martín ist das Lehrkrankenhaus der Universidad Católica de la Santísima de Concepción. Für das PJ, das in Chile 2 Jahre dauert, müssen alle Studenten nach Chillán umziehen. Vor Ende des Studiums zu Hause auszuziehen ist in Chile sehr ungewöhnlich und somit ist der Zusammenhalt und die Kollegialitaet untereinander ganz anders. Die Studenten im Praktischen Jahr arbeiten hier viel selbstständiger als in Deutschland. Jeder hat seine eigene Sala mit 8 Patienten, die täglich neu, das heißt von Kopf bis Fuß, untersucht werden. Dies wird alles genau dokumentiert. Dann schaut man sich Untersuchungsergebnisse vom Vortag an, indiziert daraufhin die Diagnostik des Tages, also neue Untersuchungen und erstellt die Medikationsliste.
3 Die Patienten liegen nicht nach Krankheiten geordnet. Somit hat man immer bunt gemischte Krankheitsbilder auf der Station. Nachdem der Student mit den Untersuchungen und Aufzeichnungen fertig ist, kommt der Arzt / Resident der Sala und geht - zumindest in meinem Fall - alles Schritt für Schritt noch einmal mit einem durch: ob man die richtigen Schlüsse gezogen, die richtigen Untersuchungen angesetzt und die Medikation entsprechend indiziert hat. Danach hat man dann Mittagspause bis zum täglichen Seminar. Ist man auf der Notaufnahme eingeteilt (was ich jedem nur empfehlen kann), fängt man in der Inneren Medizin morgens an, wie in der Sala, Patienten zu evaluieren. Das macht man dann mit alle hospitalisierten Patienten, die in den Räumen, Boxen oder Gängen der Notaufnahme liegen. Danach geht man einfach immer wieder durch die Gänge und Boxen und schaut, welcher Patient neu UND internistisch ist und nimmt ihn auf. Angewiesen wird man nicht. Man muss da schon sehr selbstständig sein. Wenn man das alles gemacht hat präsentiert man einem Arzt kurz den Aufnahmezettel und lässt sich die Not-Indikationen unterschreiben, damit die Schwestern dann z.b. Sauerstoff oder Infusionen anhängen. Die Studenten und Ärtze sind extrem kollegial und hilfsbereit und freuen sich, dass man da ist. Sie lassen einen gern an ihrem Wissen teilhaben und helfen einem, vor allem am schwierigen Anfang weiter. Chillán: liegt in der Region Bío Bío 5 Stunden im Bus südlich von Santiago. Es gibt eigentlich keine größeren Attraktionen direkt in Chillán. Nur die Mall und die Kathedrale sind bei den Bewohnern von Chillán beliebt und gut besucht. Außerdem findet man einen Markt mit Kunsthandwerk, Obst und Gemüse. Etwa 80 km östlich von Chillán gibt es die Termas de Chillán mit heißen Thermalquellbädern und einem Skigebiet, das sich sehen lassen kann, wenn es nicht gerade so stark windet, dass nur die unteren Lifte geöffnet sind. Chillán liegt an der Panamerikana. Von den vier Busterminals aus kommt man für sehr wenig Geld überall hin, wo man hinmöchte! In die nähere Umgebung vom Terminal de Buses rural, an den Strand (Cobquecura und Buchupuero) vom ganz kleinen Terminal direkt neben dem Krankenhaus und mit Linea Azul oder Turbus vom jeweiligen Terminal kann man die langen Strecken zurücklegen.
4 Natürlich wurde Chillán vom großen Erdbeben im Februar 2010 nicht verschont, und das merkt man auch! Vor allem im Krankenhaus gibt es viele Einsparungen und viel zu wenig Platz für die ganzen Patienten, die in die (neuerdings gemischt chirurgischinternistische) Notaufnahme strömen. Reisen: Es gibt viel zu sehen und zu erfahren in diesem großen Land. Von kleinen Orten mit Lagunen nahe bei Chillán über Wochenendausflüge ans Meer oder in den nahe gelegenen Nationalpark Laguna de Laja bis hin zu Patagonien, Feuerland oder der Wüste Atacama mit San Pedro als Mekka. Es ist ein faszinierendes Land mit allen Formen von Vegetation und Tieren und man kann hier reisend lange Zeit verbringen, ohne aus dem Staunen zu kommen. Das einzige woran man sich gewöhnen muss wenn man viel in kurzer Zeit sehen möchte, sind lange (das heißt manchmal bis zu 2 ½ Tagen lange) Busfahrten, Flüge (in Chile: LAN oder Sky, nach Patagonien DAP) oder Bootsfahrten (Navimag und Austral Broom). Aber: Vale la pena! Finanzen: Zum Glück gibt es im International Office in Ulm sehr kompetente Menschen, die sich für mich um einen Zuschuss des Land Baden-Württemberg bemüht haben, sodass ich zu meiner großen Erleichterung das Baden-Württemberg Stipendium für die ganzen vier Monate bekommen konnte - das ist doch schon eine große Unterstützung! Da Südamerika (und auch Chile und Chillán) nicht zu den Orten gehört, wo man mit zu viel Geld in der Tasche auf die Straße sollte, ist man mit einem Studentenkonto bei MLP, comdirect oder der DKB gut beraten: man kann im Ausland, so oft man möchte, kostenlos Geld abheben und alles online verwalten. Um aber 4 Monate zu leben und zu reisen braucht man noch mehr Unterstützung und so bin ich auch meinen Eltern sehr dankbar, dass sie diese Erfahrung nicht allein durch finanzielle Hilfe möglich gemacht haben. Freizeit: Wir hatten das Glück, oft am Wochenende Zeit für Ausflüge in die nähere Umgebung zu haben. Auch nach Mendoza hat uns unser Weg einmal geführt um unser Touristen- Visum zu verlängern. Ansonsten gibt es zum Ausgleich für den Tag im Krankenhaus ein
5 recht gutes Fitnessstudio (TopLine, Isabel Riquelme), in dem man Salsa, Merengue, Reggaeton-Kurse besuchen oder auch einmal einfach zum Laufen hingehen kann, da Joggen in Chillán nicht wirklich möglich ist - sowieso nicht nach Einbruch der Dunkelheit. Es gibt aber auch zahlreiche wirklich nette Pubs, in denen man ein Feierabend-Bier oder einen Pisco Sour trinken kann und nette Gesellschaft findet. Land und Leute: Die chilenischen Studenten, aber auch viele andere Chilenen (beispielsweise eine ganze Gruppe Porter, die wir auf unserem Weg im NP Torres del Paine kennengelernt haben), sind unglaublich aufgeschlossen und hilfsbereit - je besser man Spanisch spricht, desto mehr! Ohne die Medizinstudenten im Krankenhaus wäre ich am Anfang wirklich verloren gewesen. Dazuhin hatte ich auch privat das Glück, nette Mitbewohner zu haben, die zu Freunden wurden und Nutricionistas und Auxiliares zu finden, mit denen ich unvergessliche Momente teile. Fazit: Wer sich Medizin in einem anderen Teil der Welt, abseits der allzeit bereiten Technik anschauen möchte, sich in der spanischen Sprache etwas auskennt und ein tolles Land und viele nette Leute kennen lernen möchte, der sollte sich unbedingt für ein Tertial in Chile bewerben! Für mein Dasein als Medizinstudentin habe ich durch das selbstständige Untersuchen und Aufstellen von Indikationen Selbstvertrauen in beruflicher und persönlicher Hinsicht gewonnen. Dadurch, dass ich nicht nur mit einem Krankheitsbild, sondern mit allem, was die Innere Medizin bietet, täglich konfrontiert wurde, musste ich mich immer wieder in verschiedene Behandlungen einarbeiten und konnte so mein Wissen praktisch anwenden. Auch abseits des Krankenhauses, sei es in Bezug auf die Sprache, das Einfinden in einer neuen Kultur oder das Kennenlernen neuer Freunde, überzeugt Chile. Alle freuen sich auf deutsche Studenten und sind begeistert und erstaunt, wie man sich ganze vier Monate von seiner Familie trennen kann Chile wird mir für immer in sehr guter Erinnerung bleiben und ich möchte keine meiner Erfahrungen und Erlebnisse missen!
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