Ablehnung und Erfüllung schwebender Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter - AK InsO Köln von RiOLG Dr. Gerhard Pape, Celle

Größe: px
Ab Seite anzeigen:

Download "Ablehnung und Erfüllung schwebender Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter - AK InsO Köln von RiOLG Dr. Gerhard Pape, Celle"

Transkript

1 Arbeitskreis für Insolvenz- und Schiedsgerichtswesen e. V., Köln, Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Auflage 2000 Ablehnung und Erfüllung schwebender Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter - AK InsO Köln von RiOLG Dr. Gerhard Pape, Celle A. Vorbemerkung B. Einführung in die Neuregelung I. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Grundvorschrift II. Sonderregelung für Teilleistungen III. Einschränkung des Wahlrechts aufgrund rechtspolitischer Erwägungen IV. Änderungen betreffend die Dauerschuldverhältnisse V. Behandlung von Auftragsverhältnissen und Vollmachten C. Der "Normalfall" des Gesetzes - Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus 103 InsO I. Keine Ausübung des Wahlrechts durch den vorläufigen Insolvenzverwalter II. Folgen der Verfahrenseröffnung für beiderseits nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge 1. Der Streit um die sogenannte "Erlöschenstheorie" 2. Automatischer Untergang der Hauptleistungspflichten 3. Kein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie III. Die Voraussetzungen des Wahlrechtes des 103 Abs. 1 InsO 1. Die von der Vorschrift betroffenen Verträge a) Versicherungsverträge b) Keine unbedingte "Gleichwertigkeit" der geschuldeten Leistungen 2. Die Fälligkeit des Anspruchs 3. Das Moment der fehlenden beiderseitigen vollständigen Erfüllung a) Die besondere Problematik von Teilleistungen aa) Änderung durch die InsO bb) Reichweite der Neuregelung b) Ausübung des Wahlrechts bei Eigentumsvorbehalt 4. Abgabe der Erklärung des Verwalters a) Anforderungen an die Erklärung des Verwalters b) Aufforderung durch den anderen Teil nach 103 Abs. 2 Satz 2 InsO aa) Unverzüglichkeit der Erklärung bb) Entsprechende Anwendung des 107 Abs. 2 InsO c) Ausübung des Wahlrechts in besonderen Verfahren IV. Die Rechtsfolgen der Wahlrechtsausübung 1. Rechtsfolgen der Erfüllungsablehnung a) Zulässigkeit von Pauschalierungen für den Insolvenzfall b) Weitere Folgen der Erfüllungsablehnung c) Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis 2. Rechtsfolgen des Erfüllungsverlangens a) Lösung der Probleme von Sukzessivlieferungsverträgen b) Anwendung des 105 InsO auf Dauerschuldverhältnisse aa) Analogie zu 108 Abs. 2, 105 InsO bb) Regelungsbedürftigkeit der Problematik ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

2 D. Ausnahmen von dem Regelfall des freien Wahlrechts des Insolvenzverwalters bei Austauschverträgen I. Die Insolvenzbeständigkeit der Vormerkung 1. Verbot der Erfüllungsablehnung 2. Beschränkung auf den vorgemerkten Eintragungsanspruch II. Besonderheiten beim Eigentumsvorbehaltskauf Abs. 1 InsO 1. Aufschiebend bedingte Übereignung als Voraussetzung für die Anwendung des 107 InsO 2. Analogiemöglichkeiten bei 107 Abs. 1 InsO 3. Weitere Folgen der Einführung des 107 Abs. 1 InsO a) Durchbrechung des Erlöschensgrundsatzes b) Anwendbarkeit des 107 Abs. 1 InsO auf die KO III. Die Besonderheiten im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Eigentumsvorbehaltsverkäufers Abs. 2 InsO 1. Allgemeines Prinzip/Ausnahmeregelung? a) Sonderproblematik bei Dauerschuldverhältnissen b) Kein Ausschluß des Wahlrechts 2. Entschädigungsanspruch des anderen Teils? IV. Ausschluß des Wahlrechts bei Fix- und Finanztermingeschäften E. Ausübung des Wahlrechts im Hinblick auf Dauerschuldverhältnisse - insbesondere Leasingverträge I. Absicherung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters 1. Geltung der Kündigungssperre des 112 InsO 2. Zulässigkeit von Lösungsklauseln für den Insolvenzfall a) Lösungsklauseln in der bisherigen Diskussion b) Widersprüchlichkeit von 112 und 119 InsO c) Gründe für die strikte Anwendung des 119 InsO II. Folgen der Erfüllungswahl und der Erfüllungsablehnung 1. Folgen der Erfüllungsablehnung des Insolvenzverwalters a) Ausnahmsweise Begründung von Masseverbindlichkeiten im Insolvenzeröffnungsverfahren b) Bereicherungsanspruch nach Verfahrenseröffnung 2. Rechtsfolgen der Erfüllungswahl des Verwalters a) Ansprüche aus der Zeit vor Antragstellung/Verfahrenseröffnung b) Behandlung von Optionen/Andienungsrechten III. Rechtsfragen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leasinggebers 1. Änderung der InsO vor Inkrafttreten 2. Systemwidrigkeit der Gesetzesänderung 3. Vorgezeichnete Schädigung der Insolvenzmasse F. Sondervorschriften für die Behandlung von Miet- und Pachtverträgen über unbewegliche Gegenstände und Räume I. Behandlung von Miet- oder Pachtverträgen über Liegenschaften oder Räume in der Insolvenz des Mieters 1. Folgen der Verfahrenseröffnung bei schon in Vollzug gesetztem Miet- oder Pachtvertrag a) Rechtsfolgen der Kündigung des Vertrages b) Sekundäransprüche des Vermieters/Verpächters c) Ausübung eines Vermieterpfandrechts d) Vertraglich verkürzte Kündigungsfrist 2. Folgen der Fortsetzung des Mietverhältnisses 3. Verfahrenseröffnung vor Übergabe a) Bedenken bezüglich der Rücktrittsmöglichkeit des anderen Teils b) Pflicht zur Erklärung binnen zwei Wochen ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

3 II. Behandlung von Miet- oder Pachtverträgen im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Vermieters oder Verpächters 1. Vorausverfügungen des Gemeinschuldners 2. Aufrechnung gegen Mietzinsforderungen der Masse 3. Veräußerung des Miet- oder Pachtobjekts G. Erlöschen von Aufträgen, Geschäftsbesorgungsverträgen und Vollmachten I. Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsverträgen 1. Erlöschen von Giroverträgen und Lastschriftaufträgen 2. Ausnahmen vom Erlöschensgrundsatz II. Erlöschen von Vollmachten H. Ergebnis A. Vorbemerkung Die Regelungen über die Erfüllung bei Verfahrenseröffnung noch nicht vollständig 1 abgewickelter Rechtsgeschäfte des Gemeinschuldners in der neuen Insolvenzordnung sind wesentlich umfangreicher als im bisherigen Recht der Konkursordnung und erst recht als die in der in den neuen Bundesländern bislang geltenden Gesamtvollstreckungsordnung. Die nachfolgenden Ausführungen können deshalb nicht sämtliche der im dritten Teil zweiter Abschnitt der InsO ( 103 bis 128 InsO) zu findenden Vorschriften erfassen. Insbesondere im Hinblick auf die sehr viel ausführlicheren Regelungen zur Abwicklung von Arbeitsverhältnissen im Insolvenzverfahren muß vielmehr auf die weiterführenden Beiträge von Berscheid 1, Düwell 2 und Schwerdtner 3 verwiesen werden. Durch 113 f. und 120 bis 128 InsO, die durch eine Reihe von Änderungen etwa des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung und des Arbeitsförderungsgesetzes in den Art. 90 bis 97 EGInsO ergänzt werden, erfolgt erstmalig eine umfassende, in sich geschlossene Regelung des Insolvenzarbeitsrechts im deutschen Recht, das bislang in den verschiedensten Gesetzes geregelt war 4. Weitere Aufsätze in dieser Schrift, die ebenfalls die Vorschriften über die Erfüllung bei Verfahrenseröffnung noch nicht abgewickelter Verträge zum Gegenstand haben, sind die Beiträge von Berger zu Lösungsklauseln im neuen Insolvenzverfahren 5, von Bosch zur Behandlung von Differenzund Finanztermingeschäften nach der Insolvenzordnung 6, von Obermüller zu den Auswirkungen der Rechtsprechung zum Wahlrecht des Insolvenzverwalters auf das Avalgeschäft und auf Sicherungsherabsetzungen 7 und von Sinz zu Leasing und Factoring in der Insolvenz 8. Wesentliches Anliegen der nachfolgenden Ausführungen ist es, das Grundprinzip der Erfüllung bei Verfahrenseröffnung "schwebender Rechtsgeschäfte" zu verdeutlichen und auf die Ausnahmen von diesem Grundprinzip hinzuweisen. Dabei ist zwischen den gegenseitigen Verträgen allgemein auf der einen Seite und den Dauerschuldverhältnissen mit ebenfalls im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Rechten und Pflichten der Beteiligten auf der anderen Seite zu differenzieren. Ferner sind Fragen der Erfüllung von Auftragsverhältnissen und des Fortbestands von Vollmachten anzusprechen. Neben der Darstellung des neuen Rechts gehört es zu den Anliegen des Verfassers, auf mögliche Ungereimtheiten der Reform, aus denen sich langfristig Streitpunkte entwickeln könnten, hinzuweisen. Die bereits erwähnte Neuregelung des Insolvenzarbeitsrechts muß dabei bewußt ausgeklammert werden, weil dieser Bereich eine Spezialmaterie darstellt, die den Rahmen einer Gesamtdarstellung sprengen würde 9. B. Einführung in die Neuregelung Die Vorschriften über die Erfüllung der Rechtsgeschäfte im Insolvenzverfahren, die 2 ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

4 bislang in den 17 bis 28 KO bzw. 9 GesO geregelt waren, sind jetzt in den 103 ff. InsO geregelt 10. Sie enthalten eine Reihe von Neuerungen, die dem Ziel der Insolvenzrechtsreform dienen, die Verteilungsgerechtigkeit zu stärken und dem Verwalter die Erhaltung der Insolvenzmasse zu erleichtern, um Sanierungsversuche zu erleichtern und zeitlich befristete Betriebsfortführungen zu ermöglichen 11. Zwar bleiben die bisherigen Regelungszusammenhänge in ihren Grundstrukturen erhalten, so daß - außerhalb der Bereiche der arbeitsrechtlichen Regelungen, die im Kern allerdings auch auf die bisherigen Spezialgesetze und die einschlägige Rechtsprechung zurückgehen - bahnberechende Neuerungen nicht gegeben sind 12. Es werden jedoch einige Defizite des bisherigen Rechts beseitigt und die bestehenden Vorschriften teilweise sehr deutlich modifiziert, so daß der Umgang mit bei Verfahrenseröffnung nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Verträgen doch deutliche Änderungen erfährt 13. Ein Novum enthalten die Vorschriften jedoch insoweit, als die für Fix- und Finanztermingeschäfte geltende Regelung des 104 InsO, die - soweit sie die Finanztermingeschäfte betrifft - im bisherigen Konkursrecht keine Entsprechung hatte, in ihren Grundzügen nicht erst mit der Insolvenzverordnung am in Kraft getreten ist 14. Die Vorschrift wurde vielmehr durch Art. 105 EGInsO 15 i. V. m. Art. 110 Abs. 3 EGInsO schon mit der Verkündung der InsO im Oktober 1994 in Kraft gesetzt 16. Damit wurde die frühere Rechtslage, wonach Finanztermingeschäfte unter das Wahlrecht des 17 KO fielen, weil 18 KO sie nicht erfaßte, schon vorzeitig geändert. Der Gesetzgeber war mit dieser vorweggenommenen Änderung den Wünschen der Finanzmarktwirtschaft entgegengekommen, die es für dringlich hielt, diese gesetzliche Regelung schon "vorzeitig" in Kraft zu setzen 17. Anwendbar sind die Neuregelungen der Insolvenzordnung auch auf Vertragsverhältnisse, die schon vor Inkrafttreten der InsO begründet worden sind. Eine Übergangsregelung entsprechend Art. 106 EGInsO, die die Regelungen ähnlich den Anfechtungsvorschriften auf bei Inkrafttreten der InsO bereits bestehende Verträge nur eingeschänkt anwendbar erklärt, gibt es für den Bereich der 103 ff. InsO nicht. Entscheidend ist allein, daß der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach dem gestellt worden ist 18. Ein "Vertrauenschutz" für "Altverträge" ist im Gesetz nicht vorgesehen, so daß auch für vor dem eingegangene Rechtsverhältnisse die unter Umständen einschneidenderen Wirkungen der Insolvenzordnung gelten. I. Erweiterung des Anwendungsbereichs der Grundvorschrift Abgesehen von der Einschränkung des Anwendungsbereichs der Grundvorschrift des InsO, der jetzt die Behandlung bei Verfahrenseröffnung nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge regelt, durch die Abschaffung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters bei Finanztermingeschäften nach 104 InsO werden die Anwendungsfälle der Grundvorschrift durch die Erfassung von Dauerschuldverhältnissen betreffend bewegliche Sachen wesentlich erweitert. Während nach bisherigem Recht alle Arten von Dauerschuldverhältnissen nicht unter die Grundregel des 17 KO fielen, sondern nach den Sondervorschriften der 19 bis 21 InsO abzuwickeln waren 19, gelten seit Inkrafttreten der InsO die 108 bis 111, die Sonderregelungen für Dauerschuldverhältnisse enthalten, nur noch in bezug auf Miet- oder Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume. Das Wahlrecht des Verwalters, an dessen Stelle bei diesen Verträgen ein Sonderkündigungsrecht für den Insolvenzfall tritt, wird damit auf eine Vielzahl von weiteren Verträgen anwendbar. Dies hat insbesondere für den Bereich der Leasingverträge über bewegliche Sachen, die nach der Rechtsprechung wie Mietverträge zu behandeln sind, ganz erhebliche Konsequenzen, die zum Teil äußerst streitig sind 20. Für die Masse ergeben sich hieraus Vorteile, weil es zukünftig leichter fällt, sich aus den betroffenen Verträgen zu lösen und nicht die Entstehung aufgezwungener ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

5 Masseverbindlichkeiten 21 wegen der nach Verfahrenseröffnung noch laufenden Kündigungsfristen in Kauf nehmen zu müssen. Nötig wird aber zugleich eine vollständige Neuanpassung der Abwicklung derartiger Verträge in der Insolvenz an die geänderte Rechtsordnung, die Schwierigkeiten bereitet, weil das uneingeschränkte Wahlrecht des Insolvenzverwalters nicht unbedingt mit der Abwicklung von Dauerschuldverhältnissen harmonisiert. Die Vertragspraxis muß sich insofern schon jetzt auf ganz neue Gegebenheiten einstellen 22 ; wobei auch das neue Recht in sich nicht widerspruchsfrei ist, wie im folgenden noch näher darzustellen sein wird. II. Sonderregelung für Teilleistungen Eine Flexibilisierung des Wahlrechts des Verwalters, die ihm erweiterte 4 Entscheidungsmöglichkeiten gibt, tritt ferner durch 105 InsO ein. Nach dieser Vorschrift wird das bisherige "Alles-oder-nichts-Prinzip" des Rechts bei dem ganz überwiegend eine teilweise Erfüllungswahl nicht für zulässig gehalten wurde, aufgehoben. Der Verwalter kann bei teilbaren Leistungen Erfüllung nur für die bei Verfahrenseröffnung noch ausstehenden Leistungsteile wählen, so daß die Masse nicht mit Verbindlichkeiten - jedenfalls nicht als sonstigen Masseforderungen i. S. d. 55 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 InsO - belastet wird, die aus vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistungen resultieren 23. III. Einschränkung des Wahlrechts aufgrund rechtspolitischer Erwägungen Neben dem im bisherigen Recht schon fest verankerten Ausschluß des Wahlrechts für den 5 Fall, daß der andere Teil durch eine im Grundbuch eingetragene Vormerkung gesichert ist, der durch die sinngemäße Übernahme von 24 KO in 106 InsO erhalten wird, sieht 107 Abs. 1 InsO den Ausschluß des Wahlrechts auch für den Fall vor, daß der Schuldner dem anderen Teil eine bewegliche Sache unter Eigentumsvorbehalt verkauft hat und sich der andere Teil vertragstreu verhält. Der Verwalter ist hier entgegen der bisherigen Rechtsprechung des RG und des BGH 24, die im Schrifttum auf starke Kritik gestoßen ist 25, an die Vertragserfüllung gebunden. Er kann die Anwartschaft des Vorbehaltskäufers nicht mehr einseitig zerstören. Der Gesetzgeber verschlechtert mit dieser Regelung zwar die Position der Masse, es handelt sich jedoch um eine Änderung, die im Gerechtigkeits- und Gleichbehandlungsinteresse unabdingbar ist, weil es seit eh und je einen Widerspruch darstellt, daß nur der Vormerkungsberechtigte, nicht aber der Anwartschaftsberechtigte eine konkursfeste Position haben soll. IV. Änderungen betreffend die Dauerschuldverhältnisse Neben der bereits erwähnten Einschränkung des Anwendungsbereichs der 108 bis InsO auf Miet- oder Pachtverhältnisse über unbewegliche Gegenstände oder Räume - daß in 108 InsO auch das Fortbestehen von Dienstverhältnissen in der Insolvenz geregelt ist, erscheint redaktionell nicht unbedingt geglückt, weil die weiteren Konsequenzen daraus erst in den 113 f. bzw. 120 ff. behandelt werden - gehört zu den Neuerungen, die diese Vorschriften bringen, daß nach 109 Abs. 1 Satz 1 InsO nur noch der Verwalter in der Insolvenz des Mieters oder Pächters ein Kündigungsrecht hat. Das in 19 Abs. 1 KO noch vorhandene, in 9 Abs. 3 GesO aber schon nicht mehr aufgenommene insolvenzbedingte "Sonderkündigungsrecht" des anderen Teils gibt es nicht mehr. Bemerkenswert ist ferner die Kündigungssperre des 112 InsO für die Zeit zwischen Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der Verfahrenseröffnung selbst. Mit dieser Sperre soll - ähnlich wie mit der Beschränkung des insolvenzbedingten Sonderkündigungsrechts auf den Insolvenzverwalter in 109 Abs. 1 Satz 1 InsO - verhindert werden, daß das Unternehmen des Schuldners vorzeitig auseinandergerissen wird und damit die Sanierungsaussichten erheblich sinken 26. Hier bleibt allerdings fraglich, inwieweit dieser Ausschluß durch sogenannte "Lösungsklauseln" ausgehebelt werden kann, über deren Wirksamkeit die Diskussion gerade erst in Gang gekommen ist 27. ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

6 V. Behandlung von Auftragsverhältnissen und Vollmachten Die Vorschriften über das Erlöschen von Aufträgen und Geschäftsbesorgungsverträgen in 7 den 115 f. InsO entsprechen inhaltlich dem bisherigen Recht. Die Konsequenz, daß erteilte Vollmachten mit Verfahrenseröffnung erlöschen, war bislang in der KO nicht geregelt, ergab sich jedoch aus dem Wegfall des zugrunde liegenden Rechtsverhältnisses. 117 InsO, in dem es um das Erlöschen von Vollmachten geht, enthält insofern nur eine deklatorische Funktion 28. Eine inhaltliche Neuerung ergibt sich aus 117 jedoch im Hinblick auf Vollmachten, die im Rahmen fortbestehender Dienstverhältnisse erteilt worden sind. Diese erlöschen zukünftig expressis verbis und müssen erforderlichenfalls vom Verwalter neu erteilt werden. Durch 118 InsO werden die bislang nur für BGB- Gesellschaften geregelten Folgen der Auflösung der Gesellschaft durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesellschafters auch für die übrigen Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit geregelt. C. Der "Normalfall" des Gesetzes - Das Wahlrecht des Insolvenzverwalters aus 103 InsO Das Gesetz hält in 103 Abs. 1 InsO an dem schon in 17 Abs. 1 KO und 9 8 Abs. 1 GesO enthaltenen Grundsatz fest, daß der Insolvenzverwalter, der bei Verfahrenseröffnung vom Schuldner abgeschlossene gegenseitige Verträge in der Masse vorfindet, die von beiden Seiten noch nicht vollständig erfüllt sind, ein freies Wahlrecht hat, ob er diese Verträge aus der Masse erfüllen will oder nicht. Der Verwalter ist bei Ausübung dieses Wahlrechts nur den Interessen der Insolvenzgläubiger verpflichtet 29. Das heißt, er darf sich nur von der Frage leiten lassen, ob die Erfüllung des Vertrages wirtschaftlich für die Masse günstig ist oder ob sie zu einer Verschlechterung der Masse führt. Dabei kommt es auf sämtliche Auswirkungen des Geschäfts an. Da es zu den insolvenzspezifischen Aufgaben des Verwalters gehört, die Belange der Masse bei der Erfüllungswahl zu wahren, kann der Verwalter sich schadensersatzpflichtig machen, wenn er durch eine vorwerfbar fehlerhafte Entscheidung die Masse benachteiligt 30. Zwar kann es nach der bisherigen Rechtsprechung zu 17 KO Fälle geben, in denen der Verwalter nach Treu und Glauben verpflichtet ist, Erfüllung zu wählen. Ein Ausnahmefall wurde im Zusammenhang mit der Erfüllung von Verträgen, bei denen im Konkurs des Vorbehaltsverkäufers die Frage zu entscheiden war, ob der Verwalter zur Erfüllungswahl verpflichtet ist, wenn er andernfalls das Anwartschaftsrecht des Käufers zerstören würde, diskutiert. Dieser Fall ist aber bisher theoretisch geblieben. Praktisch sind keine Entscheidungen bekannt geworden, in denen Gerichte den Verwalter als verpflichtet angesehen haben, sich für die Erfüllung zu entscheiden. Der Grundsatz von Treu und Glauben bei der Erfüllungswahl wird zukünftig eine noch geringere Rolle spielen, weil der Fall der Ausübung des Wahlrechts in der Insolvenz des Eigentumsvorbehaltsverkäufers in 107 Abs. 1 InsO nunmehr ausdrücklich geregelt ist, so daß ein Rückgriff auf 242 BGB kaum noch erforderlich sein wird 31. Der Grundsatz, daß der Verwalter - abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmefällen, in denen das Wahlrecht trotz beiderseits nicht erfüllten Vertrages eingeschränkt ist - nur den Interessen der Masse verpflichtet ist, gilt nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung uneingeschränkt. I. Keine Ausübung des Wahlrechts durch den vorläufigen Insolvenzverwalter Vereinbarungen, die das Wahlrecht des Insolvenzverwalters ausschließen oder 9 beschränken, sind nach 119 InsO ausdrücklich verboten. Der Schuldner kann nicht zu Lasten des späteren Insolvenzverwalters mit dem anderen Teil vereinbaren, daß der Vertrag im Insolvenzfall in einer ganz bestimmten Art und Weise abzuwickeln ist. Dies ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

7 gilt sowohl für individualvertragliche Regelungen als auch für formularmäßige Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen 32. Auszuüben ist das Wahlrecht nur vom Insolvenzverwalter persönlich. Eine Erfüllungswahl oder -ablehnung durch den vorläufigen Insolvenzverwalter, den das Gericht nach 21, 22 InsO bestellen kann 33, scheidet - ebenso wie im früheren Recht 34 - aus, weil die Entscheidung über die Erfüllungswahl erst ansteht, wenn das Verfahren eröffnet ist 35. Zwar sollen durch die Insolvenzordnung die Rechte des vorläufigen Insolvenzverwalters gestärkt werden, wie bereits durch die "Aufwertung" der bislang im Gesetz nicht geregelten Stellung des Sequesters im Konkurseröffnungsverfahren in die eines vorläufigen Verwalters mit gesetzlich umrissenen Befugnissen zum Ausdruck kommt. Die Ausübung des Wahlrechts durch den vorläufigen Verwalter ist gleichwohl nicht denkbar, weil sich die Frage, ob gegenseitige Verträge des Gemeinschuldner weiterzuführen sind, oder ob sie nur noch als Abwicklungsverhältnisse zu behandeln sind, erst stellt, wenn das Verfahren eröffnet ist. Vor der Verfahrenseröffnung besteht die Möglichkeit, daß mangels Vorliegens der gesetzlichen Eröffnungsvoraussetzungen die Verfahrenseröffnung unterbleibt. Auch kann noch eine Abweisung mangels Masse nach 26 InsO erfolgen, bei der der Bestand der vom Schuldner noch nicht vollständig erfüllten Verträge unangetastet bleiben muß. Es kann deshalb vor dem Eröffnungszeitpunkt auch noch nicht geklärt werden, ob in bestehende Verträge des Schuldners eingegriffen werden darf oder ob diese Verträge weiter Bestand haben, weil es zu keiner Verfahreseröffnung kommt. Auch der vorläufige Insolvenzverwalter hat primär den Status quo zu wahren und die Masse zu sichern. Zwar kann er unter Umständen mit Zustimmung des Gerichts nach 22 Abs. 2 Nr. 2 InsO das Geschäft des Gemeinschuldners schließen, wenn sich eine Betriebsfortführung als erhebliche Belastung der Masse erweist; das Recht zu einem endgültigen Eingriff in bestehende Verträge hat er aber gleichwohl nicht. Auch wenn durch eine Betriebsschließung die Ablehnung der Erfüllung vorprogrammiert sein kann, muß die endgültige Entscheidung dem Insolvenzverwalter überlassen bleiben, weil die Wirkungen des 103 InsO, auf die noch einzugehen sein wird 36, erst mit der Verfahrenseröffnung eintreten. Damit mag der vorläufige Insolvenzverwalter die spätere Entscheidung über die Erfüllungswahl zwar faktisch antizipieren, eine Bindung für den Insolvenzverwalter kann daraus aber nicht folgen 37, weil dieser auch nach dem neuen Recht keinen Einschränkungen bei der Ausübung des Wahlrechts unterliegen darf. II. Folgen der Verfahrenseröffnung für beiderseits nicht vollständig erfüllte gegenseitige Verträge Bevor die Voraussetzungen der Ausübung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters im 10 einzelnen diskutiert werden, muß zunächst auf die rechtstechnische Funktionsweise des 103 Abs. 1 InsO eingegangen werden, die weitere Aufschlüsse für die Bedeutung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters gibt. Aus dieser rechtstechnischen Funktionsweise folgt auch, daß eine Erfüllungswahl durch den vorläufigen Insolvenzverwalter nicht in Betracht kommt, weil die nachstehend beschriebenen Folgen der Verfahrenseröffnung nicht bereits mit Stellung des Eröffnungsantrags oder Anordnung von Sicherungsmaßnahmen, zu denen auch die vorläufige Insolvenzverwaltung gehört, eintreten können. Zwar hat der Gesetzgeber davon abgesehen, in 103 Abs. 1 InsO zu regeln, welche Auswirkungen die Verfahrenseröffnung konkret auf die betroffenen gegenseitigen Verträge hat 38. Im Hinblick auf diese Indifferenz besteht jedoch keine Veranlassung, die von der neueren Rechtsprechung 39 im Anschluß an Henckel 40 entwickelte Auffassung zu verwerfen, daß die Verfahrenseröffnung zum Untergang der Hauptleistungspflichten führe und erst die Erfüllungswahl des Verwalters diese wieder entstehen lasse Der Streit um die sogenannte "Erlöschenstheorie" ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

8 Der Streit um die als "Erlöschentheorie" bezeichnete neue Rechtsprechung des BGH geht 11 auch nach Inkrafttreten der Insolvenzordnung unvermindert weiter 42. Die Auffassung, erst die Erklärung des Verwalters habe rechtsgestaltende Wirkung 43, wird unverändert vertreten. Würde man dieser Kritik, die sich vor allem dagegen richtet, daß aufgrund der Rechtsprechung des BGH Sicherungsrechte Dritter mit der Verfahrenseröffnung verlorengehen, die durch die Erfüllungswahl des Verwalters auch nicht wieder neu entstehen, folgen, hätte dies erhebliche Auswirkungen auf die Anwendung der 103 ff. InsO, deren Auslegung durch den BGH als besonders "massefreundlich" angesehen wird InsO wäre aufgrund des zunächst unveränderten Bestandes der Verträge nicht anzuwenden, so daß der Verwalter bei der Erfüllungswahl in Rechnung stellen müßte, ob diese Wahl überhaupt der Masse dienlich ist, wenn sie zur Aufrechterhaltung von Vorzugsrechten führen würde. Lösungen könnten dann nur im Bereich der Aufrechnungstatbestände gesucht werden 45. Derartige Umwege, die zu einer erheblichen Verunsicherung der Praxis führen würden und die sich in der Rechtsprechung des BGH bisher auch nicht abzeichnen, sind jedoch nicht geboten. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des 103 InsO sprechen nicht für ein originäres Gestaltungsrecht des Verwalters. Die Formulierung "so kann der Verwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen", spricht vielmehr dafür, daß die Primärpflichten mit der Verfahrenseröffnung erloschen sind. Die Entstehungsgeschichte der InsO gibt nichts dafür her, daß dem Verwalter mit der Reform des Insolvenzrechts die Wahlrechtsausübung erschwert werden sollte und er entgegen dem aktuellen Stand der Rechtsprechung nach dem Inkrafttreten der Insolvenzordnung wieder mit der Erfüllungswahl die Bestätigung von Vorzugsrechten in Kauf nehmen sollte. Die Konzeption des Gesetzes spricht vielmehr für das Gegenteil, daß nämlich die Masse nach Verfahrenseröffnung nur noch dann verpflichtet sein soll, wenn auch die Gegenleistung uneingeschränkt zur Masse erbracht wird Automatischer Untergang der Hauptleistungspflichten Auch wenn der Gesetzgeber davon abgesehen hat, zu der Frage, ob erst die Erklärung des 12 Verwalters rechtsgestaltende Wirkung hat, oder ob bereits die Verfahrenseröffnung selbst dazu führt, daß der Vertrag in ein Abwicklungsverhältnis umgewandelt wird, ausdrücklich Stellung zu nehmen, spricht deshalb alles dafür, die in der neueren Rechtsprechung vertretene Theorie des automatischen Untergangs der Hauptleistungspflichten beizubehalten, weil dies dem Sinn der Insolvenzrechtsreform weit mehr entspricht, als die andernfalls anzunehmende Gestaltungswirkung der Erklärung des Insolvenzverwalters, die dazu führen würde, daß vor Verfahrenseröffnung begründete Vorzugsrechte Dritter bestehen bleiben. Folgt man nämlich der Auffassung des BGH, so hat dies zur Konsequenz, daß - von den gesetzlich geregelten Ausnahmefällen abgesehen - Rechte Dritter an dem der Masse gebührenden Leistungsgegenstand nach Verfahrenseröffnung auch bei einer Erfüllungswahl des Verwalters keinen Bestand mehr haben können. Die Erfüllungswahl führt dazu, daß die Hauptleistungspflichten unbelastet wieder aufleben. Rechte Dritter an den der Masse zustehenden Forderungen werden nicht wieder begründet, weil nach 91 InsO 47 der Erwerb von Sonderrechten an Massegegenständen nach Verfahrenseröffnung verboten ist. Da die Hauptleistungspflichten mit der Verfahrenseröffnung erloschen sind, sind auch Rechte Dritter an den der Masse zustehenden Ansprüchen - etwa aufgrund von Sicherungszessionen, Globalabtretungen oder Forfaitierungen - untergegangen, so daß diese die Masse nach einer eventuellen Erfüllungswahl des Verwalters nicht mehr belasten. Unter dieser Prämisse, die für das Verständnis der 103 ff. InsO von entscheidender Bedeutung ist, sind die gesamten nachfolgenden Ausführungen zu sehen. 3. Kein unzulässiger Eingriff in die Privatautonomie ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

9 Zwar wird diesen Wirkungen der Vorschriften über das Wahlrecht des Konkursverwalters 13 vereinzelt noch vorgeworfen, daß sie zu einem nicht gerechtfertigten Eingriff in die Privatautonomie führten und die Masse über Gebühr begünstigten. Dieser Kritik ist jedoch entgegenzuhalten, daß ein auf die Erhaltung und Stärkung der Insolvenzmasse angelegtes Insolvenzrecht den Eingriff in die Rechte der drittbegünstigten Gläubiger rechtfertigt, weil es dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger widerspricht, daß nach Verfahrenseröffnung noch Vorzugsrechte bestehen bleiben, obwohl Gegenleistungen der Masse erforderlich sind, um die eigentlich der Masse gebührenden Ansprüche zu realisieren. Insofern dürfte nach Inkrafttreten der InsO noch weniger als zuvor die Auffassung vertretbar sein, daß erst die Erklärung des Insolvenzverwalters zu einer Umgestaltung des Vertragsverhältnisses führt und im Fall der Erfüllungswahl die schon vor Verfahrenseröffnung begründeten Rechte Dritter bestehen bleiben. Abgesehen von der daraus folgenden Konsequenz, daß der Verwalter bei bestehen bleibenden Rechten Dritter wohl niemals Erfüllung wählen darf, weil er die Masse damit schädigen würde, widerspräche es dem Sinn der Insolvenzordnung, zu dieser Ansicht zurückzukehren. Daß es sich insoweit nicht nur um dogmatische Fragen handelt, die im praktischen Ergebnis keine Auswirkungen auf die der Masse zustehenden Ansprüche haben, belegen die Ausführungen zum Bestehenbleiben von Rechten Dritter. Trotz der Weiterverfolgung dieser Streitfrage, dürfte - mit Recht - eine Abkehr von der neueren Rechtsprechung des BGH wenig wahrscheinlich sein. Zugleich wird mit diesen Ausführungen auch noch einmal verdeutlicht, daß das Wahlrecht nicht dem vorläufigen Insolvenzverwalter zustehen kann, weil der Untergang der Hauptleistungspflichten erst mit der Verfahrenseröffnung eintritt. Bis zu diesem Zeitpunkt gilt der Grundsatz, daß Verträge einzuhalten sind. Sieht sich der vorläufige Insolvenzverwalter dazu nicht in der Lage, können Sekundäransprüche die Folge sein, nicht jedoch die Einräumung eines Wahlrechts. III. Die Voraussetzungen des Wahlrechtes des 103 Abs. 1 InsO Aus der Prämisse, daß die Hauptleistungspflichten mit der Verfahrenseröffnung erloschen 14 sind und der Vertrag zunächst nur als Abwicklungsverhältnis mit Sekundäransprüchen weiterbesteht, folgt, daß ohne eine Erklärung des Insolvenzverwalters zunächst nur ein Schadenersatzanspruch des anderen Teils gegeben ist, den dieser nach 103 Abs. 2 InsO als Insolvenzforderung zur Tabelle anzumelden hat 48. Diese Konsequenz entspricht dem früheren Recht, wobei sich die Gesetzessystematik nur insofern geändert hat, als die Einstufung des Schadenersatzanspruchs des anderen Teils bei Nichterfüllung als bloße Insolvenzforderung nicht mehr in einer besonderen Vorschrift entsprechend 26 Satz 2 KO für alle Schadensersatzansprüche aus dem Abschnitt betreffend die gegenseitigen Verträge in der Insolvenz geregelt ist, sondern schon der jeweiligen Vorschrift zugeordnet ist 49. Im übrigen ergeben sich qualitative Unterschiede allenfalls daraus, daß - zumindest in der Theorie - die Befriedigungsaussichten des anderen Teils bezüglich seiner Schadensersatzforderungen besser sein müßten als nach bisherigem Recht, weil aufgrund des Wegfalls der Konkursprivilegien die Insolvenzgläubiger des 38 InsO ungeachtet des Grundes ihrer Forderung eine homogene Masse bilden, die mit gleichen Prozentsätzen zu befriedigen ist. Dies könnte zu einer Verbesserung der Befriedigungsquoten führen, weil die bislang nach 61 Abs. 1 Nr. 6 KO bzw. 17 Abs. 3 Nr. 4 GesO nachrangigen Gläubiger von Schadensersatzansprüchen aus gegenseitigen Verträgen nicht mehr die vorrangige Befriedigung der Arbeitnehmer, der Sozialkassen und des Fiskus hinzunehmen haben. Insofern könnten anstelle von Befriedigungsquoten zwischen null und drei Prozent der Forderung solche im zweistelligen Bereich treten, wobei jedoch die Erwartungen nicht all zu hoch angesetzt werden dürfen. 1. Die von der Vorschrift betroffenen Verträge Der Ersatz des Begriffes "zweiseitige" Verträge in 17 Abs. 1 KO durch "gegenseitige" 15 ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

10 Verträge in 103 Abs. 1 InsO bringt zum Ausdruck, daß die beiderseits nicht vollständig erfüllten Hauptpflichten, die zur Anwendung des 103 Abs. 1 InsO führen, im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen müssen 50. Damit fallen einseitig verpflichtende Verträge, wie Bürgschaftsübernahmen, Leihverhältnisse und unentgeltliche Verwahrungsverträge sowie Verträge, die keine einklagbare Verbindlichkeit auslösen, wie Spiel und Wette, und unvollkommen zweiseitige Verträge aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift heraus 51. Gesellschaftsverträge fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der Regelung, weil Gesellschaften ohne eigene Rechtspersönlichkeit wie OHG und KG durch die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Gesellschaft selbst oder eines Gesellschafters aufgelöst werden 52. Juristische Personen werden mit der Eröffnung des Konkursverfahrens über ihr Vermögen ebenfalls automatisch aufgelöst 53. Problematisch kann die Anwendbarkeit etwa bei Darlehensverträgen werden, die dann unter 17 KO und damit auch unter 103 InsO fallen können, wenn es nur darum geht, dem Schuldner das fest versprochene verzinsliche Darlehen gegen Zahlung der vorausbestimmten Darlehensraten zur Verfügung zu stellen 54, während der bloße Krediteröffnungsvertrag, der dem Schuldner die Möglichkeit gibt, Darlehensbeträge im Rahmen eines Kontokorrents in Anspruch zu nehmen, nicht unter die Vorschrift fällt, sondern als Geschäftsbesorgungsvertag nach 116 InsO mit Verfahrenseröffnung erlischt 55. a) Versicherungsverträge Bei Versicherungsverträgen besteht ebenfalls grundsätzlich ein freies Wahlrecht des 16 Verwalters, der entscheiden muß, ob er die Verträge fortführt oder keine weiteren Prämienzahlungen mehr leisten will. Fraglich kann - etwa bei Lebensversicherungsverträgen mit dem Bezugsrecht eines Dritten - nur sein, ob der Verwalter den Rückkaufswert zur Masse ziehen kann - dies ist dann der Fall, wenn es sich um ein widerrufliches Bezugsrecht handelt 56 - oder ob der Rückkaufswert nach Erfüllungsablehnung dem begünstigten Dritten zusteht, weil der Gemeinschuldner ein unwiderrufliches Bezugsrecht begründet hat oder die Ansprüche aus der Lebensversicherung an den Drittbegünstigten verpfändet sind 57. b) Keine unbedingte "Gleichwertigkeit" der geschuldeten Leistungen Erforderlich für die Anwendung des 103 InsO ist im übrigen nicht, daß Leistung und 17 Gegenleistung einander objektiv gleichwertig sind. Vielmehr reicht aus, daß sie sich bedingen. Die Vorschrift ist deshalb grundsätzlich auf alle Verträge anwendbar, bei denen es um beiderseitige Verpflichtungen geht, die in einem synallagmatischen Verhältnis stehen. Eingeschränkt wird die Anwendung nur dann, wenn eine der ausdrücklichen Sonderregelungen der 104 ff. InsO greift, wobei hier nochmals auf die Erweiterung des Anwendungsbereichs des 103 Abs. 1 InsO durch den Ausschluß von Miet- und Pachtverträgen, die nicht unbewegliche Sachen oder Räume betreffen, in den 108 ff. InsO hinzuweisen ist 58. Im übrigen muß die Vorschrift über das Wahlrecht als gesetzlicher Regelfall angesehen werden, so daß ein Ausschluß des Wahlrechts nur dann in Betracht kommt, wenn dies entweder im Gesetz bestimmt ist oder ein Vertragstypus vorliegt, der nicht als gegenseitiger Vertrag einzustufen ist. 2. Die Fälligkeit des Anspruchs Zwar wird in 103 InsO die Frage, ob sich der Verwalter auch dann zu der Erfüllung des 18 Vertrages zu erklären hat, wenn die Erfüllungszeit noch nicht eingetreten ist, nicht aufgegriffen, obwohl dies in 17 Abs. 2 KO ausdrücklich dahin geregelt war, daß die Erklärung auch dann verlangt werden kann, wenn die aus der Masse zu bewirkende Leistung noch nicht fällig ist. Diese Auslassung darf jedoch nicht dahin verstanden werden, daß nunmehr die Fälligkeit der beiderseitig zu erbringenden Leistungen ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

11 Voraussetzung für die Ausübung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters ist. In der Begründung zu 117 des Regierungsentwurfs, der 103 InsO entspricht, heißt es vielmehr, daß dieser Gesichtspunkt im Gesetzestext nicht besonders zum Ausdruck gebracht werden müsse 59. Es handelt sich also um eine Selbstverständlichkeit, die trotz Wegfalls der bisherigen Regelung keine Einschränkung erfährt. Zwar besteht die Gefahr, daß das Vertragsverhältnis "in der Schwebe" bleibt, nicht mehr, nachdem mit der Verfahrenseröffnung die beiderseitigen Hauptpflichten zunächst automatisch erloschen sind. Der andere Teil kann den Verwalter aber auch dann zur Abgabe einer Erklärung, die die Unsicherheit über die Frage, ob es bei dem Untergang der Hauptpflichten bleibt oder der Verwalter doch die Vertragserfüllung wählt, auffordern, wenn die von der Masse zu erbringende Leistung noch nicht fällig ist. Insofern kann die Ungewißheit über das zukünftige Verhalten des Insolvenzverwalters auch dann beseitigt werden, wenn die Leistungszeit noch in der Zukunft liegt Das Moment der fehlenden beiderseitigen vollständigen Erfüllung Da 103 Abs. 1 InsO die Leistungspflichten der Beteiligten nicht modifiziert, sondern 19 dem Verwalter nur ein Wahlrecht bei noch nicht vollständig erfüllten Verträgen gibt, richtet sich die Frage, wann ein Vertrag von einem der Beteiligten vollständig erfüllt ist, grundsätzlich nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts, das der Gemeinschuldner mit dem anderen Teil abgeschlossen hat, und nach den allgemeinen Vorschriften des BGB. Steht irgendeine Leistung aus, die zur Herbeiführung des Leistungserfolges gehört, liegt eine nicht vollständige Erfüllung vor, mit der Folge, daß 103 Abs. 1 InsO anwendbar ist 61. Dies bedeutete beispielsweise für die Erfüllung der Käuferpflichten, daß eine Erfüllung i. S. d. 103 Abs. 1 InsO nicht schon mit der Zahlung des Kaufpreises eingetreten ist, sondern auch die Abnahme des Kaufgegenstandes noch hinzukommen muß, um von einem seitens des Käufers vollständig erfüllten Vertrag auszugehen 62. Diese Auffassung ist zwar streitig 63 ; die ersichtlich auf eine Ausweitung des Wahlrechts angelegte Insolvenzordnung gibt aber kaum eine Veranlassung, das Wahlrecht zu beschränken und trotz fehlender Abnahme auszuschließen 64. Beim Versendungskauf reicht die Übergabe des Kaufgegenstandes an den Versender nicht aus. Vielmehr muß auch der Leistungserfolg beim Empfänger eingetreten sein 65. Auf die Frage, ob es sich bei der noch zu erbringenden Leistung um eine Haupt- oder Nebenleistung handelt, kommt es nicht entscheidend an. Auch wenn nur noch eine Nebenleistung aussteht, kann dies zur Anwendung des 103 InsO führen 66. Dies bedeutet etwa für den Grundstücksverkauf, daß dieser seitens des Verkäufers erst dann voll erfüllt ist, wenn der Käufer im Grundbuch eingetragen ist; Auflassung und Eintragungsantrag des Verkäufers allein genügen nicht, ebenso reicht die Kaufpreiszahlung des Käufers nicht aus, um zur Erfüllung zu führen. Erfüllungssurrogate sind ebenfalls nicht geeignet, den Leistungserfolg i. S. d. 103 Abs. 1 InsO herbeizuführen, so daß die Vorschrift im Ergebnis einen sehr weiten Anwendungsbereich hat. Zu Problemen kann es zwar dann kommen, wenn die beiderseitigen Leistungspflichten erfüllt sind, jedoch durch die Geltendmachung von Sachmängelgewährleistungsansprüchen neue Vertragspflichten begründet werden. Hier ist jedoch zu prüfen, ob nicht auch auf diese Ansprüche - etwa den Rückgewähranspruch bei der Wandlung - das Wahlrecht des Verwalters Anwendung findet 67. a) Die besondere Problematik von Teilleistungen Keine befriedigende Lösung war bisher in solchen Fällen möglich, in denen schon 20 Teilleistungen erbracht waren, weitere Leistungen bei Verfahrenseröffnung jedoch noch ausstanden. Die Rechtsprechung ist in diesen Fällen, die insbesondere die Lieferung von Energie zu Sonderkundenkonditionen betrafen, davon ausgegangen, daß das Wahlrecht des Konkursverwalters unteilbar sei und der Verwalter demgemäß nur Erfüllung im Ganzen wählen könne 68. Diese Auffassung, die darauf beruht, daß die KO für ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

12 Teilleistungen keine Sonderregelung vorsieht, wirkte sich nachteilig für die Masse aus. Bei einer Erfüllungswahl des Verwalters führten auch die vor Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungsteile zu Verbindlichkeiten, die nicht als Insolvenzforderungen pro rata zu befriedigen waren, sondern vielmehr einen Anspruch auf Vorabbefriedigung aus der Masse gaben. Dies hatte für den Verwalter oft zur Konsequenz, daß er schon allein wegen der mit der Erfüllungswahl ausgelösten Masseverbindlichkeiten aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung davon absehen mußte, die Erfüllung des Vertrages für die Zukunft zu wählen, weil dies zu einer erheblichen Belastung der Masse geführt hätte. Zwar konnte sich der Konkursverwalter bei den Sonderabnehmerverträgen damit behelfen, daß er einen neuen Vertrag zu den üblichen Konditionen schloß, zu dessen Abschluß die Energieversorgungsunternehmen gesetzlich verpflichtet sind 69. Die für die Masse günstigen Sonderkonditionen konnte er jedoch nicht mehr in Anspruch nehmen, auch wenn eine Betriebsfortführung im Raum stand, bei der er dringend auf diese Konditionen angewiesen war 70. Der BGH hat allerdings in einer neueren Entscheidung, in der es um Fragen der Aufrechnung ging, zu erkennen gegeben, daß die Aufrechnung bei gegenseitigen Verträgen zumindest insoweit zulässig ist, als sie sich auf vor Verfahrenseröffnung erbrachte Teilleistungen bezieht 71. Inzwischen ist geklärt, daß der BGH damit auch eine Entwicklung eingeleitet hat, die zu einer Aufspaltung des Wahlrechts bei Teilleistungen führt. Dies ergibt sich aus einer Entscheidung zum Anwendungsbereich der GesO, in dem das OLG Dresden 72 entschieden hatte, daß der Verwalter bei vor Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistungen nicht gehindert ist, gem. 9 Abs. 1 GesO Erfüllung nur für die Zukunft zu wählen 73. Diese Entscheidung hat der BGH bestätigt 74 und zugleich auch für die KO ausgeführt, daß der Anspruch auf eine vorkonkurslich erbrachte Teilleistung durch die Erfüllungswahl des Verwalters nicht neu begründet wird, sondern bei Verfahrenseröffnung - allerdings als Insolvenzforderung - erhalten bleibt, so daß das Prinzip des 105 InsO schon vor Inkrafttreten des Gesetzes realisiert worden ist 75. aa) Änderung durch die InsO Der im Zusammenhang mit Stromlieferungsverträgen dargestellte, im Hinblick auf ein 21 zeitgemäßes Insolvenzrecht, bei dem eine deutliche Stärkung der Masse erforderlich ist, um Verfahren überhaupt durchführbar zu machen, unhaltbare Zustand wird durch 105 InsO nachhaltig geändert. Nach dieser Vorschrift ist der Insolvenzverwalter nicht mehr gezwungen, mit der Erfüllungswahl bei Teilleistungen auch die Entstehung von Masseverbindlichkeiten für die Zeit vor Verfahrenseröffnung in Kauf zu nehmen. Er hat vielmehr die Möglichkeit, Erfüllung nur im Hinblick auf die noch ausstehenden Leistungen zu wählen 76. Der andere Teil ist nicht berechtigt, die Erfüllung der noch ausstehenden Leistungsteile davon abhängig zu machen, daß seine aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung herrührenden Forderungen befriedigt werden. Vielmehr muß er sich insoweit damit begnügen, am Insolvenzverfahren teilzunehmen. Rückgabe der Teilleistungen aus der Masse kann er nicht verlangen. Mit dieser Regelung, die auf 36 Abs. 2 VerglO zurückgeht 77, werden dem Verwalter einige Variationsmöglichkeiten im Hinblick auf die Erfüllung teilbarer Verträge eingeräumt. bb) Reichweite der Neuregelung Zwar ist es in erster Linie Anliegen des Gesetzgebers, die Fälle der 22 Sukzessivlieferungsverträge zu lösen, bei denen dem Verwalter in der Vergangenheit gar nichts anderes übrig blieb, als sich aus den bestehenden Leistungsbeziehungen zu lösen und neue - in der Regel ungünstigere - Verträge abzuschließen 78. Die Reichweite der Vorschrift geht aber noch erheblich weiter, wie nachfolgend noch zu zeigen sein wird 79. Sie gewinnt nämlich insbesondere im Hinblick darauf Bedeutung, daß nunmehr auch Dauerschuldverhältnisse unter 103 InsO fallen, soweit sie nicht unbewegliche ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

13 Gegenstände oder Räume betreffen. Der Verwalter hat deshalb neben der Frage, ob laufende Verträge von dem Schuldner oder dem anderen Teil bereits vollständig erfüllt sind, im Hinblick auf 105 InsO weiter intensiv zu prüfen haben, ob es sich um teilbare Leistungen handelt, bei denen unter Umständen auch nur eine Erfüllungswahl für die Zukunft in Betracht kommt. b) Ausübung des Wahlrechts bei Eigentumsvorbehalt Unerheblich ist die Frage der Erfüllung der beiderseitigen Leistungspflichten dagegen 23 nach Inkrafttreten der InsO in den Fällen, in denen im Konkurs des Eigentumsvorbehaltskäufers der Schuldner eine Sache unter Eigentumsvorbehalt geliefert hat 80. Hier wird die bisherige Rechtsprechung des BGH, wonach der Verwalter auch dann die Vertragserfüllung ablehnen kann, wenn der andere Teil nach Übergabe der Sache ein Anwartschaftsrecht begründet hat und die Erfüllungsablehnung zur Zerstörung dieser Anwartschaft führen würde 81, hinfällig. Der Gesetzgeber hat im Anschluß an die kritischen Stimmen zu dieser Rechtsprechung 82 in 107 Abs. 1 InsO auch das Anwartschaftsrecht des Eigentumsvorbehaltskäufers zu einer konkursfesten Sicherung gemacht, und dem anwartschaftsberechtigten Vorbehaltskäufer einen Anspruch auf Erfüllung des Kaufvertrages gegeben. Dieser Anspruch besteht nach 107 Abs. 1 Satz 2 InsO auch dann, wenn der Schuldner dem Käufer gegenüber weitere Verpflichtungen übernommen hat, die noch nicht erfüllt sind. Das bedeutet, daß das Wahlrecht des Insolvenzverwalters in diesen Fällen praktisch ausgeschlossen ist. Der Verwalter kann zwar von den allgemeinen gesetzlichen Regelungen Gebrauch machen, wenn der Käufer sich nicht vertragstreu verhält. Er hat jedoch nicht mehr die Möglichkeit, die Anwartschaft des Eigentumsvorbehaltskäufers zu zerstören, wenn dieser seine vertraglich übernommenen Pflichten erfüllt. Der bisherige unbefriedigende Zustand, daß der Verwalter die Vertragserfüllung auch dann noch ablehnen und den vom Schuldner gelieferten Gegenstand herausverlangen konnte, wenn nur noch unwesentliche Leistungen des Käufers ausstehen, wird durch die Neufassung des Gesetzes beendet. Bestehen bleibt dagegen das Wahlrecht des Insolvenzverwalters in der Insolvenz des Eigentumsvorbehaltskäufers. Hier stellt sich die Situation aber anders dar, weil der Verwalter das Anwartschaftsrecht freiwillig aufgibt, wenn er die Vertragserfüllung ablehnt Abgabe der Erklärung des Verwalters Hat der Verwalter festgestellt, daß ein gegenseitiger Vertrag besteht, bei dem beide Seiten 24 ihre jeweiligen Leistungspflichten nicht vollständig erfüllt haben, so ist er zur Ausübung des Wahlrechts aus 103 Abs. 1 InsO berechtigt. Er ist dabei nach dem Wortlaut der Vorschrift an eine bestimmte Frist zur Ausübung des Wahlrechts nicht gebunden 84. Abgesehen von dem Fall des 103 Abs. 2 Satz 2 InsO, in dem ihn der andere Teil zur Ausübung des Wahlrechts auffordert 85, kann er die Erklärung zu einem ihm genehmen Zeitpunkt abgeben, ohne dabei Gefahr zu laufen, wegen Verspätung seiner Erklärung Rechte der Masse zu verlieren und sich schadenersatzpflichtig zu machen. Da es der andere Teil in der Hand hat, eine unverzügliche Erklärung des Verwalters herbeizuführen, besteht keine Veranlassung, den Verwalter an bestimmte Fristen zu binden. Bis zur Abgabe der Erklärung sind - folgt man der sogenannten "Erlöschenstheorie" - die beiderseitigen Hauptpflichten erloschen 86. Der Verwalter kann diese Pflichten nur durch eine positive Erklärung, Erfüllung zu wählen, wieder aufleben lassen. Der Verwalters kann sich der Abgabe seiner Erklärung aber nicht durch "Freigabe" des Vertragsverhältnisses an den Gemeinschuldner entziehen, weil er dem anderen Teil damit den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung nehmen würde, der mit der Verfahrenseröffnung entsteht. Ein Übergang des Vertragsverhältnisses auf den Gemeinschuldner persönlich kann allenfalls durch einen Änderungsvertrag, der dann aber ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

14 dreiseitg sein muß, bewirkt werden. Ein solcher Vertrag wird aber in der Regel sinnlos sein, weil nach der Neufassung des Gesetzes gemäß 35 InsO auch der Neuerwerb des Schuldners während des Verfahrens in die Masse fällt; der Schuldner einen solchen Vertrag also i. d. R. gar nicht erfüllen kann. a) Anforderungen an die Erklärung des Verwalters Die Erklärung des Insolvenzverwalters, bei der es sich um eine einseitige 25 empfangsbedürftige Willenserklärung handelt 87 - ist von diesem selbst abzugeben; eine Delegierung der Erklärung auf Dritte ist - ebenso wie im bisherigen Recht 88 - unzulässig. Der Verwalter muß bei Abgabe der Erklärung zwar nicht unbedingt in dem Bewußtsein handeln, eine Erklärung nach 103 Abs. 1 InsO abzugeben, ausreichend kann auch ein Verhalten sein, aus dem der Verwalter bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt zumindest hätte erkennen können, daß es den Charakter einer Erklärung nach 103 InsO hat und die der Verwalter demgemäß hätte vermeiden können 89. Die Erklärung oder das Verhalten, an das angeknüpft wird, müssen aber eindeutig sein 90. Dies schließt ein, daß der Verwalter die Erklärung auch schlüssig abgeben kann, etwa indem er die geschuldete Leistung erbringt 91. Eine ausdrückliche Erklärung ist nicht erforderlich, solange nur für den anderen Teil klar ist, wie sich der Verwalter verhalten will. Gegebenenfalls ist durch Auslegung zu ermitteln, wie das Verhalten des Verwalters zu werten ist 92. Unzulässig ist es dagegen, die Erklärung mit Bedingungen zu versehen 93 ; die Erklärung ist unwiderruflich 94. Eine Anfechtung der Erklärung wegen Irrtums ist möglich, falls der Verwalter einen unrichtigen Stand der Verfahrensabwicklung angenommen hat 95, nicht aber bei einem (bloßen Motivationsirrtum) über die Rechtsfolgen seiner Erklärung 96. Macht der Verwalter den Vorschlag, den Vertrag zu geänderten Bedingungen zu erfüllen, so liegt darin zugleich eine Ablehnung der Erfüllung des ursprünglichen Vertrages und das Angebot zum Abschluß eines neuen Vertrages 97. Die bewußte Veräußerung von Vorbehaltsware stellt nach der Rechtsprechung des BGH 98 keine Erfüllungswahl dar, weil mit dieser Auffassung nicht an den erkennbaren rechtsgeschäftlichen Willen des Verwalters angeknüpft werde, sondern nur die Annahme zugrunde liege, daß der Verwalter nicht unrechtmäßig handeln wolle. Der Verwalter könne es aber auch darauf ankommen lassen, die sachen-rechtliche Befugnis der geschützten Gläubiger bewußt zu mißachten, um etwa Vorteile für die Masse zu erreichen. Die Gläubiger seien dann durch einen Ersatzaussonderungs- oder Bereicherungsanspruch gegen die Masse oder einen Schadensersatzanspruch gegen den Verwalter persönlich ausreichend geschützt, so daß kein Grund bestehe, die Veräußerung ohne weiteres als Erfüllungswahl anzusehen und dem Verwalter seine weiteren Gestaltungsmöglichkeiten damit zu nehmen 99. Grundsätzlich wird man nach dieser Entscheidung, die überzeugend begründet ist, schärfere Anforderungen an das Verhalten des Verwalters stellen müssen, um es als schlüssige Erfüllungswahl anzusehen. Verwalter sollten sich aber darüber im klaren sein, daß damit auch das Risiko ihrer persönlichen Inanspruchnehme wächst, da die bewußte Mißachtung von Sicherungsrechten immer zur persönlichen Haftung führt. b) Aufforderung durch den anderen Teil nach 103 Abs. 2 Satz 2 InsO Da der Verwalter bei der Ausübung des Wahlrechts zeitlich grundsätzlich nicht gebunden 26 ist 100, gibt das Gesetz dem anderen Teil auch zukünftig die Möglichkeit, entsprechend der bisherigen Regelung in 17 Abs. 2 KO eine Erklärung des Insolvenzverwalters über die Ausübung des Wahlrechts zu verlangen. Nach 103 Abs. 2 Satz 2 InsO hat sich der Verwalter dann unverzüglich zu erklären, ob er Erfüllung verlangen will, wenn ihn der andere Teil zur Ausübung des Wahlrechts auffordert. Eine verspätet abgegebene Erklärung ist dabei nach 103 Abs. 2 Satz 3 InsO entsprechend der bisherigen Rechtslage in 17 Abs. 2 Satz 2 KO unbeachtlich mit der Folge, daß der Verwalter auf Erfüllung nicht mehr bestehen kann 101. Hinsichtlich des zeitlichen Rahmens, in dem der Verwalter nach ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

15 Aufforderung durch den anderen Teil 102 seine Erklärung abzugeben hat, ist fraglich, ob die zum geltenden Recht entwickelten Grundsätze ohne weiteres in das neue Recht übernommen werden können 103. Nach bislang gängiger Auffassung hatte der Verwalter sich nach einer Aufforderung durch den anderen Teil zwar nicht sofort zu erklären. Er muß seine Erklärung jedoch "unverzüglich", d. h. ohne schuldhaftes Zögern i. S. d. 121 Abs. 2 BGB abgeben 104. aa) Unverzüglichkeit der Erklärung Maßgebliche Kriterien für die Frage, wann der Verwalter sein Wahlrecht auszuüben hat, 27 könnten sich nach neuem Recht jedoch auch aus 107 Abs. 2 InsO ergeben. Nach dieser Vorschrift braucht der Verwalter im Konkurs des Eigentumsvorbehaltskäufers eine Erklärung über die Ausübung seines Wahlrechts erst unverzüglich nach dem Berichtstermin des 156 InsO abzugeben, es sei denn, bis zu diesem Termin ist eine erhebliche Wertminderung der Sache zu erwarten. Sinn dieser Regelung, zu der eine Parallele im früheren Recht fehlt, ist es, dem Verwalter die Möglichkeit einzuräumen, zunächst die Entscheidung der Gläubiger über das weitere Schicksal des insolventen Unternehmens abzuwarten und erst dann zu entscheiden, ob er die Sache weiter behalten bzw. die Vertragsbeziehung fortführen will, weil er sie für eine eventuelle Betriebsfortführung benötigt, oder ob er sie aufgrund einer Betriebsstillegung nicht mehr gebrauchen kann 105. Zwar ist eine entsprechende "Aussetzung" der Ausübung des Wahlrechts des Verwalters in 103 Abs. 2 Satz 2 InsO nicht vorgesehen. Der Grundgedanke der InsO, dem Verwalter stärker als bisher die Möglichkeit zu geben, die Masse zusammenzuhalten, könnte jedoch dafür sprechen, 107 Abs. 2 InsO im Rahmen des 103 Abs. 2 Satz 2 InsO entsprechend anzuwenden und dem Verwalter bei einem noch ausstehenden Berichtstermin eine Erklärung erst "unverzüglich" nach diesem Termin abzuverlangen. Wie Tintelnot 106 zutreffend ausführt, gibt es kaum eine sachliche Veranlassung, hier zwischen der Ausübung des Wahlrechts in der Insolvenz des Vorbehaltskäufers einerseits und dem Wahlrecht des Verwalters allgemein andererseits zu differenzieren. Die Entscheidung, ob Lieferbeziehungen aufrechterhalten werden sollen oder aber infolge einer Betriebsstillegung nicht mehr benötigt werden, kann vielfach ebenso erst nach dem Berichtstermin gefällt werden, wie die Entscheidung, ob unter Eigentumsvorbehalt gelieferte Waren behalten werden müssen oder zurückgegeben werden können. bb) Entsprechende Anwendung des 107 Abs. 2 InsO Die Differenzierung des Gesetzes erscheint hier nicht abschließend durchdacht, so daß es 28 angebracht ist, diese Schwäche durch eine systemimmanente Übernahme des Rechtsgedanken des 107 Abs. 2 InsO in die Anwendung des 103 Abs. 2 Satz 2 InsO zu korrigieren 107. Ob dies durch eine entsprechende Auslegung des Begriffes der "Unverzüglichkeit" geschieht, oder ob man im Grundsatz erst eine "unverzügliche" Erklärung des Verwalters verlangt, wenn der Berichtstermin stattgefunden hat und die Gläubiger entschieden haben, ob eine Betriebsstillegung, eine Betriebsfortführung, eine übertragende Sanierung oder die Durchführung eines Planverfahrens in Betracht kommt, ist dabei nur eine Frage der rechtlichen Konstruktion. Eine Ausdehnung der Überlegungsfrist über den Berichtstermin hinaus ist in jedem Fall angezeigt, um zu verhindern, daß Gläubiger schon vor diesem Termin mit der Forderung, sich zur Frage der Vertragserfüllung zu erklären, auf den Verwalter Druck ausüben. Der Verwalter muß außerdem bei Rechtshandlungen von besonderer Bedeutung i. S. d. 160 InsO die Möglichkeit haben, die Zustimmung des Gläubigerausschusses oder der -Versammlung einzuholen 108 ; zwar ist seine Erklärung nach 164 InsO im Außenverhältnis auch ohne diese Zustimmung wirksam, die fehlende Beteilung der Gläubigerorgane kann aber für den Verwalter haftungsrechtliche Konsequenzen haben 109, so daß durch eine entsprechende ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

16 Fristbemessung der Abhängkeit des Verwalters Rechnung zu tragen ist. c) Ausübung des Wahlrechts in besonderen Verfahren Die im Regelverfahren vom Insolvenzverwalter abzugebende Wahlrechtserklärung ist in 29 den besonderen Verfahren der InsO modifiziert, wenn entweder das Gericht die Eigenverwaltung des Schuldners nach 270 ff. InsO angeordnet hat 110 oder ein Verbraucherinsolvenzverfahren nach den 304 ff. InsO eröffnet worden ist, in dem anstelle des Insolvenzverwalters ein Treuhänder nach 313 InsO bestellt wird. Kommt es zur Eigenverwaltung des Schuldners unter der Aufsicht eines Sachwalters, so obliegt die Ausübung des Wahlrechts nach 279 InsO dem Schuldner selbst 111. Der Schuldner soll zwar nach 279 Satz 2 InsO das Einvernehmen mit dem Sachwalter herstellen, bevor er seine Erklärung abgibt; eine Verletzung dieser Pflicht hat aber nur interne Bedeutung, es sei denn die Wahlrechtsausübung des Schuldners ist insolvenzzweckwidrig. Entsprechendes gilt für die gem. 276 InsO auch dem Schuldner als Sachwalter obliegende Beteiligung der Gläubiger, die auch hier nur interne Bedeutung hat 112. Eine weitergehende Beschränkung der Rechte des Schuldners kommt nur dann in Betracht, wenn das Gericht die Zustimmungsbedürftigkeit bestimmter Rechtshandlungen nach 277 InsO angeordnet hat und die Wahlrechtsausübung unter diese Anordnung fällt. Im vereinfachten Insolvenzverfahren gelten die 103 ff. InsO über die Generalverweisung des 304 Abs. 1 InsO ohne Einschränkungen; hier übt der Treuhänder das Wahlrecht aus 113. IV. Die Rechtsfolgen der Wahlrechtsausübung Hinsichtlich der rechtlichen Folgen der Ausübung des Wahlrechts des Verwalters ist 30 naturgemäß auch nach neuem Recht zukünftig zwischen der Erfüllungswahl einerseits und der Ablehnung der Erfüllung andererseits zu differenzieren. Beide Fälle sind in der InsO kaum stärker geregelt, als bislang in der KO. Zwar ist die bisherige Rechtsfolgenregelung des 26 KO redaktionell verändert worden. Die Umwandlung des Anspruchs des anderen Teils in einen als Insolvenzforderung zu befriedigenden Schadensersatzanspruch ergibt sich nun schon aus der Wahlrechtsvorschrift selbst. 103 Abs. 2 Satz 1 InsO sieht vor, daß der andere Teil bei Erfüllungsablehnung seine Forderung wegen der Nichterfüllung des Vertrages, d. h. seinen Schadensersatzanspruch, nur noch als Insolvenzforderung geltend machen kann. Weitergehende Rechtsfolgenregelungen enthält aber auch die InsO nicht, es sei denn, man sieht 105 Satz 2 InsO, der das Rückforderungsrecht des anderen Teils hinsichtlich vor Verfahrenseröffnung erbrachter Teilleistungen ausschließt als eine besondere Rechtsfolgenregelung an 114. Die Folgen der Erfüllungswahl oder Erfüllungsablehnung müssen deshalb auch zukünftig im wesentlichen in den allgemeinen Vorschriften gesucht werden, wobei hier sowohl die Regelungen betreffend den jeweiligen Vertrag selbst als auch die Vorschriften der Insolvenzordnung zu beachten sind. 1. Rechtsfolgen der Erfüllungsablehnung Wichtigste Folge der Erfüllungsablehnung ist die Festschreibung des mit der 31 Verfahrenseröffnung entstandenen Schadensersatzanspruchs, der an die Stelle des bisherigen Erfüllungsanspruchs des anderen Teils getreten ist 115. Dieser Anspruch ist als Insolvenzforderung im Verfahren anzumelden 116. Der andere Teil hat dazu nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen die Höhe seiner Schadensersatzforderung zu bestimmen und diese Forderung alsdann nach 174 Abs. 1 InsO zur Insolvenztabelle, die jetzt nicht mehr beim Insolvenzgericht, sondern vom Insolvenzverwalter geführt wird 117, anzumelden. Dabei gilt, daß bei der Berechnung des Schadens nicht das Erfüllungsinteresse maßgeblich ist 118. Aufgrund der Änderung des Wortlauts des 111 Abs. 2 Satz 1 des Regierungsentwurfs im Gesetzgebungsverfahren muß davon ausgegangen werden, daß die Ausübung des besonderen Wahlrecht im Insolvenzverfahren ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

17 dem Verwalter die Möglichkeit geben soll, sich aus Vertragsverhältnissen zu lösen, ohne die Masse mit einer Schadensersatzforderung zu belasten, die den entgangenen Gewinn umfaßt 119. a) Zulässigkeit von Pauschalierungen für den Insolvenzfall Zwar ist im Anwendungsbereich der KO zunehmend streitig geworden, ob es zulässig ist, 32 daß der andere Teil sich einen Anspruch auf pauschalierten Schadensersatz für den Konkursfall versprechen läßt 120. Im Hinblick auf die Stärkung des Gedankens der Gläubigergleichbehandlung im Konkurs dürfte es jedoch ausgeschlossen sein, daß sich ein Vertragsteil für den Fall besondere Ansprüche versprechen läßt, daß der andere in Konkurs fällt 121. Abgesehen von der Tatsache, daß es in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohnehin kaum zulässig sein wird, sich einseitig einen Anspruch für den Fall der Insolvenz des anderen Teils einräumen zu lassen, weil damit regelmäßig eine unbillige Benachteiligung der Insolvenzmasse verbunden ist, dürfte auch 119 InsO die Zulässigkeit derartiger Pauschalierungen zumindest mittelbar ausschließen. Nach dieser Vorschrift sind Vereinbarungen unwirksam, die im voraus die Anwendung der 103 bis 118 InsO ausschließen oder beschränken 122. Wendet man diese Regelung konsequent an, so verstoßen auch Vertragsbestimmungen, die die Masse für den Fall belasten, daß der Verwalter sich gegen eine Vertragserfüllung entscheidet, gegen die Vorschrift. Das Wahlrecht wird mittelbar beeinträchtigt, weil der Verwalter nicht nur die "regulären" Folgen der Erfüllungsverweigerung hinzunehmen hat, sondern vielmehr auch noch ein Strafgeld in Kauf nehmen muß. Dies ist mit dem in der Insolvenzordnung angestrebten Ziel der Stärkung der Insolvenzmasse nicht zu vereinbaren. Außerdem darf dem Schuldner nicht das Recht eingeräumt werden, Vereinbarungen zu Lasten der späteren Insolvenzmasse zu treffen oder schon im voraus Bindungen einzugehen, die einem Gläubiger gezielt für den Insolvenzfall eine Besserstellung gegenüber den anderen Insolvenzgläubigern verschafft. Auch dies verstößt gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung aller Gläubiger in der Insolvenz. b) Weitere Folgen der Erfüllungsablehnung Während bei der Berechnung des als Insolvenzforderung zu befriedigenden 33 Schadensersatzanspruchs in erster Linie das allgemeine Vertragsrecht maßgebend ist, können sich weitere Folgen der Erfüllungsablehnung aus dem Insolvenzrecht ergeben. Zwar wird in der InsO 26 Abs. 1 KO, der dem anderen Teil einen Anspruch auf Rückforderung solcher Leistungen versagt, die bereits abschließend in die Masse geflossen sind, nicht wiederholt. Auch für die InsO muß aber gelten, daß der Verwalter im Wege der Aussonderung dasjenige herauszugeben hat, was der andere Teil in die Masse eingebracht hat, ohne daß es dem Schuldner bereits übereignet worden ist, während er solche Leistungen nicht zurückgeben muß, die mit dem Ziel des endgültigen Verbleibs in der Masse übereignet worden sind 123. Das heißt, der Verwalter verliert ein Besitzrecht an Sachen, die dem Schuldner im Hinblick auf den Vertrag übergeben worden sind, ohne daß eine Übereignung erfolgt ist 124. Der Gläubiger hat einen Anspruch auf Aussonderung seiner Sachen aus der Insolvenzmasse, der gem. 47 InsO auch zukünftig außerhalb des Insolvenzverfahrens zu erfüllen ist 125. Ist es bei dem Grundstückserwerb der Masse, den der Insolvenzverwalter nicht mehr durchführen will, zur Eintragung einer Vormerkung zugunsten der Masse gekommen, so hat der andere Teil einen Anspruch auf Erteilung einer Löschungsbewilligung, nachdem der Verwalter die Vertragserfüllung abgelehnt hat 126. Aus einem vor Verfahrenseröffnung im Hinblick auf die Hauptleistungspflichten erstrittenen Titel darf der Verwalter nicht mehr vollstrecken, wenn er die Erfüllung des Vertrages nach Verfahrenseröffnung ablehnt 127. c) Umwandlung des Vertragsverhältnisses in ein Abrechnungsverhältnis ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

18 Generell gilt, daß das ursprüngliche Vertragsverhältnis mit der Erfüllungsablehnung des 34 Verwalters nur noch als Abrechnungsverhältnis weiterbesteht 128. Dies hat insbesondere dann Bedeutung, wenn der Schuldner schon vor Verfahrenseröffnung Leistungen erbracht hatte. Diese sind nur insoweit an die Masse herauszugeben, als ihr Wert den aus der Erfüllungsablehnung resultierenden Schadensersatzanspruch des anderen Teils übersteigt. Obwohl der Schadensersatzanspruch als Insolvenzforderung zu befriedigen ist, ist der andere nicht gehindert, seinen Schadensersatzanspruch gegen den Anspruch des Insolvenzverwalters aufzurechnen 129. Es liegt eine Aufrechnungslage i. S. d. 94 InsO vor, weil beide Ansprüche mit der Verfahrenseröffnung entstanden sind. Ergibt die Abrechnung einen Überschuß für die Masse, so kann dieser vom Insolvenzverwalter als Bereicherungsforderung geltend gemacht werden Rechtsfolgen des Erfüllungsverlangens Entschließt sich der Verwalter, den Vertrag zu erfüllen, weil dieser für die Masse günstig 35 ist, so gilt grundsätzlich, daß der Verwalter sämtliche vertraglich geschuldeten Leistungen aus der Masse zu erbringen hat 131. Der andere Teil nimmt damit nicht als Insolvenzgläubiger am Verfahren teil. Seine Ansprüche aus dem Vertrag sind vielmehr als "sonstige Masseverbindlichkeiten" gem. 53, 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO 132 vorab aus der Masse zu befriedigen. Dies gilt grundsätzlich auch für solche Nebenpflichten, die nicht im Austauschverhältnis stehen 133. Erklärt der Verwalter die Erfüllungswahl erst nach Anzeige der Masseinsuffizienz gem. 208 InsO, so sind die entstehenden Ansprüche gem. 209 Abs. 2 Nr. 1 InsO i. V. m. 209 Abs. 1 Nr. 2 InsO als Neumasseverbindlichkeiten zu erfüllen 134. Die InsO schafft allerdings insofern eine Einschränkung dieser Grundsätze, als 105 InsO das nach bisheriger Auffassung unteilbare Wahlrecht des Verwalters bei teilbaren Leistungen aufspaltet und dem Verwalter die Möglichkeit gibt, sich auch nur bezüglich solcher Leistungsteile für die Vertragserfüllung zu entscheiden, die bei Verfahrenseröffnung noch ausstehen 135. a) Lösung der Probleme von Sukzessivlieferungsverträgen Erklärtes Ziel dieser Gesetzesreform, die ganz bewußt einen in der KO nicht geregelten 36 und von der bislang herrschenden Auffassung anders beurteilten Zustand zukünftig neu regeln will, ist es, das Wahlrecht des Verwalters flexibler zu machen und diesem die Möglichkeit zu geben, bei teilbaren Verträgen Erfüllung nur für die Zukunft zu verlangen, um nicht vor Verfahrenseröffnung entstandene Ansprüche des anderen Teils, die die Masse erheblich belasten würden, in den Rang von Masseverbindlichkeiten zu bringen 136. Der Gesetzgeber wollte damit insbesondere die Problematik von Sukzessivlieferungsverträgen 137 entschärfen, bei denen bislang eine Erfüllungswahl der Verwalters kaum möglich ist, weil diese zur Folge hätte, daß er auch rückständige Forderungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung als Masseverbindlichkeiten in Kauf nehmen muß 138. Dies soll dazu beitragen, daß sich die Sanierungschancen erhöhen und eine Betriebsfortführung erleichtert wird. Um zu verhindern, daß der andere Teil die Erfüllung der von ihm zu erbringenden Leistungen davon abhängig macht, daß der Verwalter die bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen doch in voller Höhe und nicht bloß als Insolvenzforderung vergütet, verbietet ihm 105 Satz 2 InsO ausdrücklich eine derartige Leistungsverweigerung wegen bei Verfahrenseröffnung ausstehender Gegenleistungen. Er kann weder volle Befriedigung noch Rückgabe der bis zur Verfahrenseröffnung erbrachten Leistungen verlangen. Als Massenanspruch sind hier also nur solche Leistungen zu befriedigen, die erst nach Verfahrenseröffnung erbracht werden und damit auch voll in die Masse gelangen. Gerechtfertigt ist dieser Eingriff durch den insolvenzrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. b) Anwendung des 105 InsO auf Dauerschuldverhältnisse ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

19 Die Bedeutung des 105 InsO erschöpft sich jedoch nicht nur auf die Fälle, in denen es 37 um die Lösung der Probleme von Lieferungsverträgen geht. Bedeutung kann die Vorschrift vielmehr auch für diejenigen Dauerschuldverhältnisse erlangen, die nicht unter die 108 ff. InsO fallen, weil sie weder unbewegliche Gegenstände noch Räume betreffen. Da diese Verträge nunmehr dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters unterfallen, wird sich - dies gilt insbesondere für Leasingverträge, die in diesem Zusammenhang eine erhebliche Rolle spielen - hier in Zukunft sehr häufig die Frage stellen, wie Zahlungsrückstände aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung zu behandeln sind, wenn der Verwalter gewillt ist, Vertragserfüllung zu wählen. Insoweit erscheint zweifelhaft, ob man zukünftig schlicht davon ausgehen muß, daß sämtliche Ansprüche - auch aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung - Masseverbindlichkeiten werden, wenn sich der Verwalter für die Vertragserfüllung entscheidet 139. Da 108 Abs. 2 InsO ausdrücklich vorsieht, daß bei Mietverhältnissen, die nicht dem Wahlrecht des Verwalters unterfallen, Ansprüche für die Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur zu Insolvenzforderungen führen 140, wäre es widersinnig, wenn Rückstände aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung bei Dauerschuldverhältnissen, die nicht unter 108 InsO fallen, voll aus der Masse zu erfüllen wären 141. Es ist deshalb die Frage zu diskutieren, ob diese Rechtsfolge, die aus dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, weil der Gesetzgeber es versäumt hat, insoweit eine Regelung zu treffen, über eine analoge Anwendung des 105 InsO gelöst werden kann 142. aa) Analogie zu 108 Abs. 2, 105 InsO Zwar bereitet es dogmatische Schwierigkeiten, Ansprüche aus Dauerschuldverhältnissen 38 wie teilbare Leistungen zu behandeln. Auch findet man in der Begründung zu 105 InsO keinen Hinweis darauf, daß der Gesetzgeber die Vorschrift auch auf Dauerschuldverhältnisse angewendet wissen wollte. Gleichwohl liegt es nahe, die Vorschrift zumindest analog anzuwenden, um die sicherlich nicht gewollte Folge der Verlagerung eines Teils der Dauerschuldverhältnisse in den Anwendungsbereich des 103 InsO zu vermeiden; 143 daß auch bei Eröffnung des Verfahrens bestehende Rückstände Masseforderungen werden, wenn der Verwalter Erfüllung wählt. Andernfalls wäre die Folge, daß der Verwalter sich wegen vorkonkurslicher Zahlungsrückstände gegen die Erfüllungswahl entscheiden muß, weil er sonst das Risiko eingehen würde, Ansprüche aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung zu Masseverbindlichkeiten zu machen. Eine andere Möglichkeit, zu dem unabweislichen Ergebnis zu kommen, daß Forderungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung nur Insolvenzforderungen darstellen, wäre die entsprechende Anwendung des 108 Abs. 2 InsO, der deutliche Hinweise darauf gibt, daß Forderungen aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung bei Dauerschuldverhältnissen in keinem Fall Masseverbindlichkeiten sein sollen. Denkbar wäre es auch, eine Gesamtanalogie zu den 105, 108 Abs. 2 InsO zu bilden, wobei es selbstverständlich sein dürfte, daß der andere Teil nicht das Recht hat, die weitere Vertragserfüllung im Hinblick auf Zahlungsrückstände aus der Zeit vor Verfahrenseröffnung zu verweigern oder ein Zurückbehaltungsrecht oder ähnliches geltend zu machen 144. bb) Regelungsbedürftigkeit der Problematik An dieser Stelle zeigt sich, daß der Gesetzgeber bei der Herausnahme bestimmter 39 Dauerschuldverhältnisse aus den Sonderregelungen für Miet- und Pachtverträge über unbewegliche Sachen und Räume die Folgen dieser Änderung nicht bis ins Letzte durchdacht hat. Obwohl es sachgerecht erscheint, die Anwendung der mietrechtlichen Sonderbestimmungen zu reduzieren und insbesondere Leasingverträge über bewegliche Sachen dem Wahlrecht des Insolvenzverwalters zu unterwerfen, wird es gerade in diesem Bereich in der Zeit nach Inkrafttreten der InsO einige Anpassungsprobleme geben, bei denen - dies belegt der vorstehende Absatz - auch eine "Nachbesserung" der Insolvenzordnung durch die Rechtsprechung unvermeidbar sein wird. Gerade hier ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71

20 enthalten die Vorschriften über die Behandlung bei Verfahrenseröffnung nicht vollständig erfüllter gegenseitiger Verträge einige Ungereimtheiten, wie im Zusammenhang mit der Behandlung von Auflösungsklauseln 145 noch darzustellen sein wird. D. Ausnahmen von dem Regelfall des freien Wahlrechts des Insolvenzverwalters bei Austauschverträgen Entsprechend den einführenden Bemerkungen hat der Gesetzgeber bei der Schaffung der 40 Insolvenzordnung die Fälle, in denen der Verwalter trotz Vorliegens eines bei Verfahrenseröffnung beiderseits nicht vollständig erfüllten gegenseitigen Vertrages verpflichtet ist, den Vertrag ohne Einräumung eines Wahlrechts zu erfüllen, vergrößert. Ferner ist auch die Zahl der Fälle ausgeweitet worden, in denen der Verwalter gehindert ist, Vertragsablehnung oder Erfüllung zu wählen, so daß mit der Verfahrenseröffnung immer ein Abrechnungsverhältnis entsteht. Zwar werden mit diesen Veränderungen einige Streitfragen des bisherigen Rechts beseitigt; insbesondere die schon einsetzende Diskussion um die Anwendung des 107 InsO 146 zeigt aber, daß auch hier nach Inkrafttreten der InsO noch einiger Klärungsbedarf bestehen bleibt. I. Die Insolvenzbeständigkeit der Vormerkung Entsprechend dem bisherigen Recht gibt eine Vormerkung nach 106 InsO dem 41 Berechtigten auch nach neuem Recht eine insolvenzfeste Sicherung, die es dem Verwalter verbietet, die Erfüllung des durch Vormerkung gesicherten Anspruchs abzulehnen. Die Vorschrift weist keine inhaltlichen Veränderungen gegenüber 24 KO 147 auf, so daß zunächst in vollem Umfang auf die Erläuterungen zu 24 KO und 9 Abs. 1 Satz 3 GesO, der 24 KO nachgebildet ist, verwiesen werden kann Verbot der Erfüllungsablehnung Auch für 106 InsO muß deshalb davon ausgegangen werden, daß unerheblich ist, aus 42 welchen Gründen es zur Eintragung einer Vormerkung gekommen ist. Zwar kann der Verwalter Einwendungen gegen das Grundgeschäft geltend machen, die die Vormerkung unabhängig vom Insolvenzverfahren zunichte machen würden, weil der Rechtsgrund für ihre Eintragung entfällt. Nicht zerstören kann er die Vormerkung dabei allerdings durch Ausübung seines Wahlrechts aus 103 InsO, weil ihm insoweit verboten ist, die Vormerkung durch Ablehnung der Erfüllung des ihr zugrunde liegenden schuldrechtlichen Anspruchs zu zerstören. Der Schutz des 106 InsO setzt dabei schon dann ein, wenn die Vormerkung bei Verfahrenseröffnung bereits bindend bewilligt und der Antrag auf Eintragung ins Grundbuch schon gestellt worden ist 149. Soweit im Jahre 1977 mit der Einführung von 24 Satz 2 KO klargestellt worden ist, daß auch bei Bestehen weiterer beiderseits bei Verfahrenseröffnung nicht oder nicht vollständig erfüllter Verpflichtungen dies keinen Einfluß auf die Konkursbeständigkeit des vorgemerkten Anspruches haben kann 150, ist diese Klarstellung auch ins geltende Recht in 106 Abs. 1 Satz 2 InsO übernommen worden Beschränkung auf den vorgemerkten Eintragungsanspruch Hieraus folgt allerdings nicht, daß der Insolvenzverwalter gezwungen ist, bei Bestehen 43 weiterer Verpflichtungen auch diese aufgrund der Vormerkung zu erfüllen. Der Verwalter muß aufgrund des 106 InsO stets nur den vorgemerkten Anspruch selbst erfüllen. Er darf sein Wahlrecht nicht in der Weise ausüben, daß die Durchsetzung des durch Vormerkung gesicherten Übereignungsanspruchs vereitelt wird 152. Hinsichtlich der weiteren Verpflichtungen -dies kann etwa beim Bauträgervertrag die Errichtung des Bauwerkes auf dem Grundstück sein - behält der Verwalter sein Wahlrecht, so daß er insoweit auch die Erfüllung des Bauvertrages ablehnen kann. Die Sicherung durch die Vormerkung ZAP Verlag, LexisNexis Deutschland GmbH, Münster / 71